Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Staatliche Prüfung von Personen und Gegenständen
Band V,1 (1903) S. 12681273
Dokimasie in der Wikipedia
Dokimasie in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register V,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|V,1|1268|1273|Δοκιμασία|[[REAutor]]|RE:Δοκιμασία}}        

Δοκιμασία, ist ganz allgemein die staatlich angeordnete Prüfung von Personen oder Gegenständen. So wurden in Koressos die Opfertiere von dazu bestimmten Behörden einer Prüfung unterworfen, CIG 2360; vgl. das delphische Amphiktyonengesetz ebd. 1688; von der δ. eines κῆρυξ spricht Demosth. XIX 338, auf die Prüfung von Mass, Gewicht und Geld weist Bekk. Anecd. gr. I 238 s. δοκιμαστής; hin, vgl. ebd. 89. In Athen fielen, soweit uns bekannt, alle derartigen Prüfungen der eigentlichen Regierungsbehörde, dem Rate der 500 zu. Er hatte die Ritterpferde, ebenso aber auch die Ritter selbst (Xen. oec. IX 15; Hipparch. III 9. Arist. resp. Athen. 49, vgl. G. Körte Arch. Zeitg. XXXVIII 177; der Dienst in der Reiterei ohne vorausgegangene S. ist bei Strafe der Atimie verboten, Lys. XV 11. XVI 13), sodann die πρόδρομοι und ἅμιπποι (Aristot. a. a. O.) auf ihre Tüchtigkeit, die ἀδύνατοι, die Staatsunterstützung erhielten (Aristot a. a. O. Aisch. I 104. Harpocr. s. ἀδύνατοι), auf ihre Bedürftigkeit hin zu untersuchen; in dieser Angelegenheit, und zwar wohl bei der jährlich stattfindenden ordnungsgemässen Verhandlung darüber, nicht, wie es im [1269] Titel heisst, infolge einer Eisangelie (vgl. Lipsius in Meier-Schömann Att. Proc.² 312, 322), ist die XXIV. Rede des Lysias gehalten. Insbesondere aber war in Athen das Verfahren gegenüber solchen, die bürgerliche Rechte in Anspruch nahmen, nach folgenden Richtungen hin fest geregelt:

1. Prüfung der Epheben. Die Aufnahme der Bürgersöhne ins attische Bürgerrecht erfolgte alljährlich bei Erreichung des gesetzlichen Alters; durch Einzeichnung ins ληξιαρχικὸν γραμματεῖον (s. d.) des betreffenden Demos. Alle Aufgenommenen unterlagen unmittelbar darauf einer Prüfung durch den Rat, der die Demoten, wenn sie einen Minderjährigen eingeschrieben hatten, mit einer Geldstrafe belegte (Aristot. resp. Athen. 42). Daher wird δοκιμάζεσθαι in der Bedeutung ,für mündig erklärt werden‘ von den Rednern häufig gebraucht, Lys. XXXII 9. Isokr. VII 37. XII 28. Demosth. XXI 157. XXVII 5, 36. XXX 6 u. a., vgl. Harpocr. s. δοκιμασθείς· ἀντὶ τοῦ εἰς ἄνδρας ἐγγραφείς. Bei Demosth. XLIV 41 und LVII 62 scheint δ. (wofür an der zweiten Stelle in ΣΦ διαδικασία) in ungenauerer Anwendung von der Abstimmung der Demoten zu stehn. Zu trennen von der ordnungsmässigen Prüfung der ἐγγραφόμενοι im Rat ist die durch [Xenoph.] Staat d. Ath. III 4 (vgl. Kirchhoff z. d. St.), eine Anspielung in Aristoph. Wesp. 578 und eine Bemerkung in Bekk. Anecd. gr. I 235 bezeugte δ. der Waisen in einem heliastischen Gerichtshof, offenbar bei Gelegenheit solcher Processe, die von ihnen gegen ungetreue Vormünder auf Herausgabe des Vermögens angestrengt worden waren; anders v. Wilamowitz-Moellendorff Philol. Unters. I 26.

2. Prüfung der Neubürger. In älterer Zeit, als das attische Bürgerrecht nur selten verliehen wurde, kam eine δ. der δημοποίητοι, soviel wir wissen, nur in einem Ausnahmefall vor, nämlich als nach der ersten Zerstörung Plataiais 427 seine vertriebenen Bürger demokratischer Parteirichtung insgesamt ins Bürgerrecht aufgenommen wurden. Die Prüfung, die sich auf Abstammung und politische Gesinnung erstreckte, wurde nach [Demosth.] LIX 105 für jeden einzeln im Gerichtshof vorgenommen; dann wurden die Namen der δοκιμασθεντες zur Beurkundung in Stein eingegraben und auf der Burg aufgestellt. Ob bei andern Massenaufnahmen in die athenische Bürgerschaft, wie zu den Zeiten des Kleisthenes oder nach der Arginussenschlacht, ähnlich verfahren worden ist, entzieht sich unsrer Kenntnis. Dagegen ist sicher seit dem Ende des 4. Jhdts. v. Chr. für alle mit dem Bürgerrecht Beschenkten eine Prüfung vor dem Gericht eingeführt worden; die inschriftlichen Zeugnisse dafür hat Hartel Stud. üb. att. Staatsr. u. Urk. 272 zusammengestellt. Die älteste Inschrift der Art ist CIA II 223 (Ende des 4. Jhdts.); ausserdem sind besonders zu vergleichen ebd. 300 (vom J. 295/4). 312 (vom J. 286 5). 395 (aus der zweiten Hälfte des 3. Jhdts.). 401 u. a. Die Verhandlung findet in dem ersten nach der Bürgerrechtsverleihung zusammentretenden ordentlichen Heliastengerichtshof von 501 Mitgliedern unter dem Vorsitz der Thesmotheten statt, die auch sonst als die berufenen Hüter des Bürgerrechts erscheinen; trifft [1270] die Ergänzung Köhlers CIA II 455 das Richtige, so wird die persönliche Anwesenheit des Aufzunehmenden in Athen vorausgesetzt. Über die Zeit der Einführung vgl. Buermann Jahrb. f. Philol. Suppl. X 361; sonst noch besonders Gilbert Hdb. d. gr. St.-Alt. I² 204 und die dort angeführte Litteratur.

3. Prüfung der Beamten. Auch bei dieser Art der Staatsprüfung handelte es sich nur um die rein bürgerliche Abstammung des zu Prüfenden, weiterhin um seine Unbescholtenheit im Sinne des Gesetzes, nicht aber um den Nachweis bestimmter Fähigkeiten oder Kenntnisse, da, diese in hinreichendem Masse hei jedem Staatsangehörigen vorausgesetzt wurden (vgl. Schoemann-Lipsius Griech. Altert. I 433). Wohl aber war Zuverlässigkeit der politischen Gesinnung ein Gesichtspunkt, der dabei, zumal in bewegten Zeiten, wenigstens thatsächlich eine Rolle spielte, Lys. XIII 10 ἀπεδοκιμάσατε (den zum Strategen gewählten Theramenes) οὐ νομίζοντες εὔνουν εἶναι τῷ πλῆθει τῷ ὑμετέρῳ. Demosth. XIX 338. Die Hauptquelle ist jetzt für uns die ziemlich erschöpfende Darstellung des Aristoteles, in der πολ. Ἀθ., besonders Cap. 55. Von Reden, die in dieser Angelegenheit gehalten worden sind, besitzen wir nur solche des Lysias XVI (für Mantitheos, im Rat gehalten; ob es sich um einen Sitz im Rat oder um ein Archontenamt handelt, ist aus der Rede nicht zu ersehen), XXVI (gegen Euandros, im Rat, Amt des ἄρχων) und XXXI (gegen Philon, im Rat um einen Sitz darin). Dazu kommt noch, nach höchst wahrscheinlicher Vermutung von Meier-Schoemann Att. Proc.² 246, XXV mit der falschen Bezeichnung δήμου καταλύσεως ἀπολογία, im Gericht gehalten, um ein nicht näher bezeichnetes Amt zu erstreiten. Dass alle Staatsämter ohne Ausnahme, Los- wie Wahlämter, vor ihrer Bekleidung der Dokimasie unterworfen waren, spricht ausser Aristot. a. a. O. auch Aischin. III 15. 29 aus, der ausser den eigentlichen ἄρχοντες κληρωτοί und χειροτονητοί noch diejenigen nennt, denen eine über 30 Tage dauernde staatliche Verwaltung übertragen ist, sowie überhaupt alle, denen eine ἡγεμονία δικαστηρίου zusteht; vgl. Poll. VIII 44, wo aber der Ausdruck ἐπηγγέλλετο falsch ist. Nicht recht verständlich ist die von Harpocr. s. δοκιμασθείς (darnach wohl Bekker Anecd. gr. I 235) aus der Rede des Lykurg περὶ τῆς διοικήσεως angeführte Dreiteilung betreffs der δ.: neun Archonten, ῥήτορες und Strategen. In Bezug auf das Verfahren sind die neun Archonten und die Buleuten von den andern Beamtenclassen zu trennen. Die ersteren hatten, der Bedeutung ihres Amts entsprechend, allein von allen sich einer doppelten Prüfung zu unterwerfen, erst vor dem Rat, dann vor dem Gericht; so war es nach Demosth. XX 90 schon seit Solon. Vor dem Rat wurde ihnen eine Reihe Fragen vorgelegt (Aristot. a. a. O.). Die Frage nach Namen und Demosangehörigkeit der Eltern und beiderseitigen Grosseltern, ebenso die nach der Teilnahme am Dienst des Ἀπόλλων πατρῷος: und Ζεὺς ἑρκεῖος und dem Besitz von Erbbegräbnissen bezog sich auf die Reinheit der bürgerlichen Abstammung, die nach Erfüllung der Pietätspflichten gegen die Eltern (vgl. dazu Xen. mem. II 2, 13) und der Pflichten gegen das Vaterland [1271] (Zahlung der Steuern und Ableistung der Kriegsdienste) auf die erforderliche Unbescholtenheit. Das ist die θεσμοθετῶν ἀνάκρισις des Pollux (VIII 85. 86, wo für εἰ τὸ τίμημα vielleicht τί τὸ τίμημα zu schreiben ist, was sich dann auf ältere Zeiten beziehen könnte, in denen der Zutritt zum Archontat noch nicht allen Steuerclassen offen stand), ein Ausdruck, bei dem θεσμοθέται, wie auch sonst, für alle neun Archonten steht; vgl. auch Demosth. LVII 66. Für einzelne, wie den Basileus, kamen dann wohl noch andere, besonders auf ihr Amt bezügliche Fragen hinzu. Die blosse Beantwortung der Fragen genügte nicht; für alle Aussagen mussten Zeugen gestellt werden. Meldete sich auf die dann durch den Vorsitzenden erfolgende Aufforderung zur Anklage hin ein Kläger, so erhielt dieser das Wort, nach ihm der Beklagte. Darauf wurde sofort durch χειροτονία (s. d.) abgestimmt. Ein verwerfendes Urteil der Bule war in früherer Zeit rechtsgültig; später ward auch hierbei Berufung an das Heliastengericht zugelassen (Aristot. a. a. O. 45. 55). Aber auch die Bestandenen hatten sich diesem zur Nachprüfung vorzustellen, wobei wohl auch in diesem Falle die Thesmotheten den Vorsitz führten. Trat im Gericht kein Kläger auf, so gab in der älteren Zeit nur ein Richter für alle den Stimmstein ab; späterhin aber musste, um Sicherheit gegen Bestechungen zu gewähren, für jeden durchgestimmt werden.

Im Gegensatz dazu fand die Prüfung der Buleuten nur vor dem alten Rate statt (Aristot. a. a. O. 45), von dem jedoch in späterer Zeit ebenfalls Berufung ans Gericht statthaft war. Dabei waren die Mitglieder des Rats nicht nur, wie gewiss jeder andre, berechtigt, sondern ihrem Schwure gemäss verpflichtet, gegen einen Unwürdigen zu klagen (Lys. XXXI 1. 2); natürlich war aber auch Verwerfung ohne Kläger möglich (Lys. XXVI 10). Die einmalige Klag- und Verteidigungsrede auch in diesem Falle lässt sich aus Lys. XXXI 16 erschliessen.

Alle andern Beamten hatten ihre δ. nur vor dem Heliastengericht zu bestehen, so z. B. auch der Thesmothetensecretär (Aristot. a. a. Ο. 55) und die selbstgewählten Beisitzer der ersten drei Archonten (ebd. 56), dann Strategen Lys. XIII 10. XV 2, Taxiarchen Demosth. XL 43, ἐμπορίου ἐπιμεληταί Deinarch. II 10, ἐπιστάται τῶν δημοσίων ἔργων Aischin. III 15, auch Gesandte Demosth. XIX 338, und die auf vier Jahre erlosten ἀθλοθέται Arist. resp. Athen. 60. Εἰςαγωγεῖς waren die Thesmotheten (Aristot. a. a. O. 59. Lys. XV 2). Dass auch hierbei eine ähnliche Anakrisis wie bei den Archonten stattgefunden habe, scheint aus Deinarch. II 17 (ἀνακρίνοντες τοὺς τῶν κοινῶν τι μέλλοντας διοικεῖν u. s. w.) gefolgert werden zu müssen. Im übrigen entsprach es der Natur der Sache, dass in derlei Sachen dem Angegriffenen (wie auch dem Angreifer) eine gewisse Freiheit in der Rede gewährt wurde. Lys. XVI 9 ἐν ταῖς δοκιμασίαις δίκαιον εἶναι παντὸς τοῦ βίου λόγον διδόναι. Die Zurückweisung wird durch ἀποδοκιμάζεσθαι (ἄρχειν τὴν ἀρχήν Deinarch. II 10. ἄρχειν λαχόντας Demosth. [XXV] 30, u. a.) das Bestehen der Prüfung durch δοκιμάζεσθαι ausgedrückt (Lys. XVI 3 u. ö). Dass die ἀποδεδοκιμασμένοι das Recht verloren hätten, vor dem [1272] Volke zureden, wie [Demosth.] XXV 30 behauptet, wird unter anderem durch den oben erwähnten Fall des Theramenes bei Lys. XIII 10 widerlegt. Körperlich Untüchtige wurden schon bei der Meldung zum Los zurückgewiesen, Lys. XXIV 13. Was die Zeit der Beamtenprüfungen anbetrifft, so ergiebt sich aus der Natur der Sache selbst, dass sie in die letzten Wochen des Amtsjahrs fielen. Aber der Fall des Euandros bei Lys. XXVI 6, in dem die Verhandlung im Rat am vorletzten Tage des Jahres stattfand, während der letzte ein Feiertag war, ist kaum als ordnungsgemäss anzusehen. Die ganze Einrichtung galt wohl mit Recht als solonisch; auf ihre Wiedereinführung nach der Oligarchie der Dreissig sind vielleicht die Worte Lys. XXVI 9 (ὁ θεὶς τὸν περὶ τῶν δοκιμασιῶν νόμον οὐχ ἥκιστα περὶ τῶν ἐν ὀλιγαρχίᾳ ἀρξάντων ἕνεκα ἔθηκεν) zu beziehen. Alles Gesagte gilt natürlich nur für die Staatsbeamten, zu denen auch οἱ ἐκ τῶν φυλῶν bei Aischin. III 31 gehören. Die Demen (s. Δῆμοι) hatten gewiss auch in diesem Punkte vollständige Freiheit ihren eigenen Beamten gegenüber. Ob sich die Demosth. LVII 25. 46 erwähnte δ. auf solche oder auf Staatsbeamte bezieht, ist aus den Worten nicht mit Sicherheit zu entnehmen. Vgl. Busolt D. griech. Staats- und Rechtsalt.² 222. Gilbert Hdb. d. gr. Staatsalt. 243.

4. Prüfung der Redner. Wie zur Führung eines Amtes, so galt auch für die verantwortungsvolle Thätigkeit dessen, der vor dem Volke als Redner auftrat, eine gewisse Unbescholtenheit als unerlässlich. Wenn nun auch an sich jeder volljährige epitime Athener in der Volksversammlung sprechen durfte, so machten doch begreiflicherweise meist nur solche von diesem Rechte Gebrauch, die über die nötige Geschäftskenntnis und Redegewandtheit verfügten. Diese wurden schon von der Gesetzessprache des 5. Jhdts. (CIA I 31) als ῥήτορες bezeichnet; der Gegensatz, in den sie gelegentlich zu den ἰδιῶται, d. h. den im politischen Leben nicht Hervortretenden gestellt werden (Aischin. I 7. 8), ist natürlich kein rechtlicher, sondern nur ein thatsächlicher. Während aber für die Beamten der Antritt ihres Amts Gelegenheit zur Prüfung ihrer Würdigkeit gab, musste für den Redner, der durch seinen Lebenswandel das Recht auf Beteiligung an den Staatsgeschäften verwirkt hatte, ausserordentlicherweise eine δ. angemeldet werden (δοκιμασίαν ἐπαγγέλειν Aischin. I 2, auch ἐπαγγελίαν ἐπαγγέλλειν ebd. 64. 81). Auszuscheiden sind die Fälle, in denen aus irgend einem Grunde Atimie gegen einen schon ausdrücklich ausgesprochen war; hier hatte dann ἔνδειξις (s. d.) statt. Hauptquelle für die ἐπαγγελία δ. ist die Rede des Aischines gegen Timarchos, woraus die Grammatiker (Harpocr. s. δοκιμασθείς. Pollux VIII 43. 45. Bekk. Anecd. gr. I 185. 241 u. a.) wohl ausschliesslich geschöpft haben. Das Gesetz (ὁ νόμος ὁ περὶ τῆς τῶν ῥητόρων· ἐάν τις λέγῃ ἐν τῷ δήμῳ (1) τὸν πατέρα τύπτων ἢ τὴν μητέρα. ἢ μὴ τρέφων, ἢ μὴ παρέχων οἴκησιν, (2) ἢ τὰς στρατείας μὴ ἐστρατευμένος, ὅσαι ἂν αὐτῷ προςταχθῶσιν, ἢ τὴν ἀσπίδα ἀποβεβληκώς, (3) ἢ πεπορνευμένος ἢ ἡταιρηκώς, (4) ἢ τὰ πατρῷα κατεδηδοκώς [1273] ἢ ὧν ἂν κληρονόμος γένηται, δοκιμασίαν ἐπαγγειλάτω Ἀθηναίων ὁ βουλόμενος, οἷς ἔξεστιν. Aus den folgenden Worten (ὑμᾶς δ’ ἤδη κελεύει περὶ τούτων ἐν τῷ δικαστηρίῳ διαγιγνώσκειν) geht die Verhandlung im Gericht hervor. Die Ankündigung des Verfahrens unter Angabe der Begründung geschah in der Volksversammlung selbst, Aischin. I 64. 81, εἰςαγωγεῖς waren auch in diesem Falle die Thesmotheten, Demosth. XXII 21. 23. Der Fall der ἑταίρησις (gegen die es aber auch eine besondere γραφὴ ἑταιρήσεως gab, Aischin. I 19f.), war den Grammatikern aus Aischines allein genauer bekannt. Dass ausser den vier von ihm angegebenen Kategorien noch andere Vergehen zur Einleitung der δ. ῥητόρων berechtigt hätten, wie man angenommen hat (Meier-Schömann Att. Proc.² 251), ist gegenüber den klaren Worten des Redners nicht recht glaublich; denn der allgemeine Ausdruck des Pollux (ἄλλως κακῶς βεβιωκότες) in seiner ganz verwirrten Darstellung vermag nichts zu beweisen. Zweifelhaft kann es erscheinen, ob der Beklagte durch die Anwendung des Rechtsmittels sofort von der Rednerbühne ausgeschlossen war. Dagegen erklärt sich mit aller Bestimmtheit Schömann (Griech. Altert. neu bearb. von Lipsius I 421), da auf diese Weise ein noch nicht Verurteilter gestraft worden sei. Andererseits kann man sich keinen rechten Zweck dieser Klagart vorstellen, wenn der Erfolg nicht sogleich eintrat. Vielleicht war die ἐπαγγελία unter allen Umständen für den Einbringenden rechtsverbindlich, und gegen leichtsinnige Verdächtigungen mochte man sich durch die ausdrücklich auch für diesen Fall bezeugte Busse von 1000 Drachmen (Demosth. XXII 21) gesichert glauben. Ward der Beklagte schuldig befunden, so traf ihn Atimie, Demosth. XIX 257. 284. Aischin. I 134. Im übrigen vgl. für alle Arten der δ. ganz besonders Lipsius-Meier-Schömann Att. Proc. 226. 235f. 783f.

[Koch.]