RE:Δέπας
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
---|---|---|---|
| |||
Trinkgefäß bei Homer | |||
Band V,1 (1903) S. 228–231 | |||
Bildergalerie im Original | |||
Register V,1 | Alle Register | ||
|
Δέπας, bei Homer oft vorkommende Bezeichnung eines Trinkgefässes, ist verwandt mit δαίς, daps. δαπάνη], bedeutet also ursprünglich ein Gefäss, in dem der Wein zugeteilt wird. Von demselben [229] Stamme δεπάζειν, Etym. M. 443, 56, zuteilen, von dem wieder das in dem rhodischen Schwalbenliede Athen. VIII 360 c und öfter bei Antimachos von Kolophon (Athen. XI 468. Etym. M. a. O.) vorkommende δέπαστρον, gleichbedeutend mit Δ. Dieses wird bei Homer auch Δ. ἀμφικύπελλον genannt. Und zwar wird an zwei Stellen dasselbe Gefäss einfach als Δ. und als Δ. ἀμφικύπελλον bezeichnet, Il. XXIII 196 und 219; Od. III 41. 54 und 63. Für Δ. ἀμφικύπελλον ist eine verkürzte Bezeichnung κύπελλον; beide Ausdrücke sind gleichbedeutend gebraucht Il. XXIV 285. 305. In gleicher Weise endlich erscheinen als Synonyme Δ. ἀμφικύπελλον und ἄλεισον Od. III 63. 50—53, Δ. ἀμφικύπελλον und ἄμφωτον ἄλεισον Od. XXII 9. 17. Es darf danach als sicher gelten, dass, wie dieser letztere Ausdruck, so auch Δ. ἀμφικύπελλον ein zweihenkeliges Trinkgefäss bedeutet. Dies wird weiter dadurch bestätigt, dass mit ihm Il. III 295. XXIII 218—221 der Wein aus dem Krater geschöpft wird, was mit einem henkellosen Gefäss schwierig wäre.
In Fundschichten aus der Zeit vor (Troia, Thera, Ialysos, Kos, Mykenai) und kurz nach (Kameiros, Syrakus) der Entstehung der homerischen Gedichte kommen vielfach zweihenkelige Trinkgefässe vor, ohne Fuss und mit Füssen verschiedener Form, mit senkrechten und wagrechten Henkeln, letztere bald oben am Rande, bald weiter unten, und es ist nicht sicher zu entscheiden, welche dieser Formen den homerischen Dichtern vorgeschwebt hat. Vorzüglich aber kommen in Betracht Becher mit grossen, über den Band aufstehenden verticalen Griffen, weil diese besonders geeignet sind zum Schöpfen aus dem Krater. Thönerne Becher dieser Art, ohne Fuss, von ziemlich übereinstimmender Form, fanden sich zahlreich in Hissarlik, Schliemann Atlas troj. Altert. n. 772 a. 942. 972. 976. 990. 992. 1005. 1007. 1008. 1018. 1021. 1027. 1090. 1092. 1094, alle diese aus Thon. Ein goldener Becher derselben Form aus Mykene, Schliemann Mykene 267 nr. 339. Eine andere Form, auf hohem Fuss, von der sich ein goldenes Exemplar in Mykene (Schliemann Mykene 270 nr. 344), ein silbernes, aus nachhomerischer Zeit, in Kameiros fand (Salzmann Nécrop. de Camiros pl. 2), in Etrurien häufig in schwarzer Thonware (Bucchero) nachgeahmt, verdient deshalb besondere Beachtung, weil ihr entsprechende Becher von früher Zeit an constant in sacralem Gebrauch und als Attribut der Götter, namentlich des Dionysos, erscheinen. In der Hand eines Priesters zeigt ihn die attische Stele des Lyseas, Athen. Mitt. IV 1879, 41 Taf. I. Auf spartanischen (Athen. Mitt. II 1877 Taf. XX. XXIII. XXIV: VII 1882, Taf. VII) und tarentinischen (Arch. Zeit. XL 1882, 293—295 nr. 16-19) Grabreliefs halten ihn die heroisierten Verstorbenen. Es ist der Kantharos, das Attribut des Dionysos. Eine ähnliche Form ist auch unter dem Karchesion (s. d., Athen. XI 474 e. Macrob. V 21. 1—7) zu verstehen, aus dem bei Sappho Athen, a. O.) die Götter trinken. So ist also in dem Δ. ἀμφικύπελλον mit Wahrscheinlichkeit der Vorläufer des Kantharos zu erkennen.
Näher beschrieben wird bei Homer nur das Δ. des Nestor, Il. XI 632ff.; es wird nicht Δ. ἀμφικύπελλον genannt, ist aber von diesem nicht [230] wesentlich verschieden. Da einzelne Teile als golden bezeichnet werden, so ist vielleicht im übrigen der Becher aus Silber zu denken. Er war mit goldenen Nägeln beschlagen, hatte vier Henkel; neben jedem derselben waren zwei goldene Tauben angebracht; endlich δύω δ’ ὑπὸ πυθμένες ἦσαν. Es ist unmöglich πυθμένες mit ,Böden‘ zu übersetzen. Denkbar wäre hingegen, dass das Gefäss zwei Füsse gehabt hatte (so πυθμήν CIA I S. 73 a 6. f 6), es wäre dann länglich zu denken, was freilich, weil nicht recht zweckmässig, weniger wahrscheinlich ist. Vermutlich sind vielmehr Stützen zu verstehen, die die Henkel mit dem Fusse verbanden, wie πυθμένες auch Il. XVIII 375 die Stützen des Dreifusses genannt werden. Solche Stützen hat ein in Mykene gefundener zweihenkeliger Goldbecher (Schliemann Mykene 272 nr. 346), der auch dadurch an das Δ. des Nestor erinnert, dass oben auf jedem Henkel eine kleine Taube angebracht ist. Zwei Bronzebecher aus Caere (Bull. d. Inst. 1881, 163, 12. 13) haben der eine zwei, der andere drei solche Stützen, die aber hier von dem Behälter an den Fuss reichen, und häufig ist eben diese Form in schwarzer Thonware (Bucchero) nachgeahmt worden. Von dem mykenischen Becher unterscheidet sich der des Nestor namentlich dadurch, dass er vier Henkel hat, die selbstverständlich nicht gleichmässig um die Rundung verteilt sein konnten, sondern sich paarweise gegenüber stehen mussten. Deshalb den Becher länglich rund zu denken (Aristarch Schol. Il. XI 632), ist nicht notwendig. Die vier Taubenpaare konnten, ähnlich wie an dem mykenischen Becher, oben auf dem Rande neben den Henkeln angebracht sein. Vermutlich standen je zwei Henkel so nahe beisammen, dass sie unten durch eine gemeinsame, auf den Fuss hinabreichende Stütze verbunden sein konnten, so dass also ὑπὸ sich auf die Henkel bezieht.
Das Δ. ἀμφικύπελλον ist schon von Aristarch (Etym. M. 90, 42 s. ἀμφικύπελλον), dem einige andere Grammatiker folgten (Athen. XI 783 b. 482 f. Eustath. Od. XV 120), annähernd richtig verstanden worden. Er erklärte: auf beiden Seiten gekrümmt, nämlich durch die Henkel, die er offenbar horizontal dachte, so dass ihr Umfang den Kreis des Randes durch je eine stärkere Krümmung unterbrochen hätte. Andere erklärten ,ringsum gekrümmt‘. Die Vorstellung eines nach oben und unten geöffneten Doppelbechers hat Arist. hist. an. IX 40, 624 a 7, der die mit gemeinsamem Boden an einander stossenden Zellen der Bienen mit ἀμφικύπελλα vergleicht, wohl sicher auf Grund der Erklärung des homerischen Wortes oder eines durch eine solche Erklärung beeinflussten Sprachgebrauches. Diese Erklärung vertraten von Neueren Buttmann (Lexil. I² 160) und Frati (bei Gozzadini Di un sepolcreto scop. presso Bologna 18 Taf. III 9. 18), letzterer auf Grund gewisser bei Villanova gefundener Thongefässe, die durch einen Boden in der Mitte in zwei Behälter geteilt sind. Doch ist der Gebrauch eines solchen Doppelbechers für die epische Zeit wenig wahrscheinlich; auch sind diese Gefässe nach Form und Grösse nicht geeignet zum Schöpfen aus dem Krater, zum Herumreichen, zum Fassen mit einer Hand, was alles mit dem homerischen Becher geschieht. Vielleicht ist auch [231] der Boden nur in diesen für sepulcrale Zwecke angefertigten Exemplaren in der Mitte angebracht, weil dies für das Brennen vorteilhafter war, und hatten ihn die für den Gebrauch bestimmten unten. Winckelmann (G. d. K. XI 1, 15) dachte an einen Doppelbecher, in dem Sinne, dass der Behälter von einer äusseren Metallhülle umschlossen gewesen wäre, wie an dem corsinischen Silbergefäss (Michaelis Das cors. Silbergefäss, Leipzig 1859), was an sich unwahrscheinlich ist und in dem Denkmälervorrat der ältesten Zeit keine Analogie findet. Die richtige Auffassung ist ausführlich begründet worden von Helbig Das hom. Epos² 358ff., dem obige Darstellung im wesentlichen entnommen ist. Ebenda auch Abbildungen aller in Betracht kommenden Gefässformen. Den Becher des Nestor hatte Aristarch (Schol. Il. XI 632) wesentlich richtig verstanden, und sein Schüler Dionysios Thrax hatte in seinem Sinne einen solchen Becher anfertigen lassen, Athen. XI 489 a. b, wo auch (von 487 f an) die sonstigen Ansichten der alten Grammatiker aufgeführt sind. Das Richtige giebt auch hier Helbig a. O. 371ff.