Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Pflanze
Band II,2 (1896) S. 28032804
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Βάκκαρις, βάκχαρις, baccar (bacchar) oder baccaris (baccharis) ist wahrscheinlich als Gnaphalium sanguineum L. zu deuten, eine im Orient (Syrien, Palaestina, Ägypten, vgl. Med. Graec. XXVI 515 Kühn. Dierbach Flora mythol. 161) heimische (barbarica Plin. n. h. XXI 29) blutrote (ἄνθη ἐμπόρφυρα Diosk. III 44) Art Immortelle (oder Ruhrkraut?), vgl. Billerbeck Flora class. 215. Fraas Synops. pl. fl. cl. 208. Murr Die Pflanzenw. i. d. gr. Mythol. 234. Als andere Bezeichnungen der gleichen Pflanze erwähnt Plinius (n. h. XII 45. XXI 29-30. 135) nardum rusticum und perpressa (XXI 132), doch verwirft er den ersteren Namen, da dieser einer andern Pflanze, die die Griechen ἄσαρον (vgl. Diosk. I 9) nennen, mit mehr Recht zukomme. In Griechenland und Italien scheint die (von Theophrast nirgends erwähnte) Pflanze nicht wild vorgekommen zu sein; wohl aber scheint sie, wie auch Murr meint, dortselbst kultiviert worden zu sein, denn manches spricht für diese Annahme. Aus der wohlriechenden Wurzel (Plin. n. h. XXI 29) wurden teils lieblich duftende Öle (ἔλαιον βακκάριον), teils trockene Streupulver (ξηρὸν διάπασμα, Hesych.), teils feste Salben (μύρον βακκάριον) bereitet, die zum Einreiben des Körpers dienten und von den alten Autoren mehrfach erwähnt werden, vgl. Hesych. Etym. M. s. Βρένθειον. Schol. Luc. Lexiph. 8. Besonders die Lyder, die durch ihr weichliches, üppiges Leben bekannt waren, bedienten sich ihrer mit Vorliebe, Athen. XV 690 b. Schol. Aesch. Pers. 42. Galen. XIX 87 K. Hesych. Der Geruch der Wurzel, die hinsichtlich der Gestalt und Färbung derjenigen der schwarzen Nieswurz vergleichbar ist (Diosk. III 44), kam dem Zimmetgeruch am nächsten; sie bedurfte eines trockenen Bodens, Plin. n. h. XXI 29. Nach Plinius (n. h. XXI 30. 133) galt, was den Gesamteindruck des ganzen Gewächses anlangt, das combretum für die ähnlichste Pflanze. Fest steht, dass die Griechen sowohl als die Römer die aus der B.-Pflanze hergestellte wohlriechende Salbe gekannt haben. So salbten verweichlichte Leute damit ihre Füsse (Kephisodor bei Athen. XII 553 a = XV 689 f = CAF I 800 K.), andere den ganzen Körper (vgl. Luc. Lexiph. 8 u. Schol.), insbesondere auch das Gesicht; vgl. Athen. XV 690 a—d, wo eine ganze Reihe von Komikern (auch Aristophanes, vgl. Pin. n. h. XXI 29) und Tragikern genannt ist, in deren Dichtungen die Salbung mit B. vorkommt. Dass B. als kosmetisches Mittel sehr geschätzt war, ergiebt sich sowohl aus dem ganzen Zusammenhange bei Athenaios als auch aus einzelnen von ihm citierten Stellen mit völliger Sicherheit. Die Römer schrieben der Pflanze magische Kräfte zu; daher sagt Vergil (Ecl. VII 27): Baccare frontem cingite (vgl. β. βοτάνη ἐστὶ .. στεφανωματική Diosk. a. a. O.), ne vati noceat mala lingua futuro, womit zu [2804] vergleichen Serv. Ecl. IV 19: B. herba est, quae fascinum depellit; vgl. Dierbach Flora myth. 161. Sonach erscheint B. als Dichterkranz, der seinen Träger vor bösem Zauber schützt. Da Vergil B. stets zusammen mit Epheu nennt, liegt es nahe, in B. gleichfalls ein heiliges Gewächs des Dionysos zu erblicken; doch ist das nur eine Vermutung, der ausdrückliche Zeugnisse nicht zur Seite stehen. Der Geruch der Pflanze wirkte schlafbefördernd (ὑπνοποιός Diosk. a. a. O.) und wurde insbesondere von Trinkern, die sich B.-Kränze aufs Haupt setzten, bei und nach Zechgelagen geliebt, wo er die üblen Folgen übermässigen Weingenusses abwehren und beruhigend wirken sollte; Plut. quaest. conviv. III 1, 3. Aber auch zu medicinischen Zwecken wurde die Pflanze bezw. die aus ihr gefertigte Salbe gern verwendet, besonders bei Frauenleiden, Kopfweh, Husten, Zerreibungen, Hautwolf (Wundsein corpulenter Personen), Urinbeschwerden, Augenentzündung, Thränenfistel, ferner bei der Rose und entzündeten Brüsten; auch gegen Schlangenbiss erwies sie sich nützlich. Näheres bei Diosk. a. a. O. Plin. n. h. XXI 132-133. XXVI 113. Hippokr. II (XXII) 535. 549. 787 K.