Predigt über Evang. Lucä 21, 33

Textdaten
Autor: Adolf von Stählin
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Titel: Predigt über Evang[elio] Lucä 21, 33
Untertitel: gehalten am Bibelfeste in Nürnberg den 20. Juni 1860 in der Kirche zu St. Aegidien
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Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Joh. Phil. Raw’sche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Die Bibelfestfeier, ein Bekenntniß zu der unvergänglichen Herrlichkeit des göttlichen Wortes.




Predigt
über


Evang. Lucä 21, 33.
gehalten am
Bibelfeste in Nürnberg
den 20. Juni 1860
in der Kirche zu St. Aegidien


von
Adolph Stählin,
Pfarrer und Capitels-Senior zu Tauberscheckenbach
bei Rothenburg a. T.


Auf mehrfaches Verlangen dem Drucke übergeben.




Nürnberg, 1860.
[Verla]g der Joh. Phil. Raw’schen Buchhandlung.
(G. A. Braun.)


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U. E. Sebald’sche Buchdruckerei.


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Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen.
Text: Ev. Lucä 21, 33.

 Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht.

 So, in Christo Geliebte, sprach unser Herr und Heiland kurz vor seinem Leiden und Sterben, als er mit seinen Jüngern auf dem Oelberg bei Jerusalem saß. Er schaute an die Stadt, deren Kinder er so oft versammeln wollte, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel, er schaute an den Tempel, in dem er so oft das Evangelium des Friedens verkündet, sah schon Heraufziehen die dunkeln Wetterwolken, die alsbald verderbend über der Stadt und dem Tempel sich entladen sollten, er sah das Gericht nahen dem Volk, das in Unglauben gegen seinen Heiland sich verstockt und ihn, den Herrn der Herrlichkeit, ans Kreuz schlägt. Er schaute aber auch hinaus auf den Fortgang seines Werkes und die Entwicklung seines Reiches unter viel Kampf und Trübsal, auf die Schrecknisse der letzten Zeit, auf seine eigene Wiederkunft in großer Kraft und Herrlichkeit zum Gericht und zur Erlösung. Und auf all das, was er im Blick auf die nähere und fernere Zukunft sagt, setzt er ein heiliges Siegel: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht.“ So ist’s sein Wort, an welches seine Jünger sich halten sollen als an einen unbeweglichen Hort. Wenn er| selbst nun alsbald sein Haupt im Tode neigt, wenn er auch auferstanden in Kraft doch heimzieht zu seinem Vater und eintritt in ein unsichtbares Leben: so soll den Seinen dieß Wort das helle Licht sein, welches ihnen voranleuchtet auf ihrem Kreuzespfade, die unvergängliche Gotteskraft, welche sie füllt und trägt unter allen Schrecken des vergänglichen Wesens bis zum Ziele ihrer ewigen Herrlichkeit.

 Das Wort des Herrn nun, Geliebte, wie wir es haben in der heiligen Schrift, ist’s, woran auch unsere Kirche sich halten will, das Wort ist der Fels, aus welchem sie erbaut ist und des Brunnen Gruft, daraus ihre Lebenswasser strömen. Aus dem Worte füllt sie ihre Lebensadern, und aus seiner reichen Fülle will sie geben als eine liebende Mutter all ihren Kindern, ja möchte als eine demüthige, geduldige Magd mit dieser Lebensspeise allen nahe kommen, auch denen, die ihr den Rücken gewendet, daß sie nicht verdürben im Hunger. Dieses heiligen Liebesdienstes der Kirche in der Darreichung des göttlichen Wortes, in der Verbreitung des Bibelbuches gedenken wir heute als an unserm Bibelfeste; ja wir nehmen diese Arbeit heute von neuem auf und wollen uns gemeinsam zu derselben stärken, daß unser Eifer nicht ermatte und unsre Liebe zu dem wichtigen Werke nicht erkalte. Der Herr kam ja ein Feuer anzuzünden auf Erden durch die That seiner Liebe und das Wort von seiner Liebe. Dieß himmlische Liebesfeuer soll brennen und leuchten bei jedem Werk, das wir zu seines Namens Ehre treiben, soll zuvor in dem eigenen Herzen der Arbeiter einen Heerd haben, um seine zündenden und wärmenden Strahlen von da aus andern mitzutheilen. Unser Eifer und unsere Liebe wird aber in dem Maaße wachsen, als wir selber klar erkennen, was wir an der heiligen Schrift haben, und uns von Herzen bekennen zu der theuern Himmelsgabe des göttlichen Wortes, zu seiner unvergänglichen Herrlichkeit. Mit solchem Bekenntnisse können wir den heutigen Tag in allen Würden feiern und der Gegenstand meiner Betrachtung sei deßhalb:


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Die Bibelfestfeier,
ein Bekenntniß zu der unvergänglichen Herrlichkeit des göttlichen Wortes.

 Diese Herrlichkeit ist uns aber eine dreifache:

1) eine Herrlichkeit, die aus dem Worte selbst uns entgegenleuchtet,
2) eine Herrlichkeit, die durch alle Zeiten hindurch leuchtet,
3) eine Herrlichkeit, die in unsern Herzen und aus unsern Herzen leuchten soll.


I.

 Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht, so spricht unser Herr.

 Im Herrn geliebte Gemeinde! Herrlich ist der Himmel und des Himmels Heer, denn sie verkünden die Ehre Gottes, herrlich auch ist die Erde, denn sie ist voll der Güte des Herrn. Herrlicher aber ist des Herrn Wort. Die Himmel zergehen, die Erde veraltet, aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit. Vergänglich ist die Herrlichkeit des Himmels, vergänglich die Herrlichkeit der Erde, unvergänglich die Klarheit des göttlichen Wortes. Gottes Wort ist aber das Wort der heiligen Schrift. Was der Herr zunächst von seinem eigenen Worte sagt, das gilt von der ganzen heiligen Schrift, denn sie ist’s, die von ihm zeuget. Er ist ihr A und O, ihr Anfang und ihr Ende, um ihn als ihren hehren Mittelpunkt kreisen alle Thaten, Geschichten, Wunder und Worte der ganzen heiligen Schrift. Gleich einer Sonne leuchtet seine Herrlichkeit in den heiligen Evangelien, eine Herrlichkeit voll Gnade und Wahrheit. Das lichte Morgenroth dieser Herrlichkeit schauen wir im prophetischen Wort des alten Bundes, das ja auch der Geist Christi geschaffen, der zuvor bezeugt hat die Leiden, die in Christo sind und die Herrlichkeit darnach (1 Petr. 1, 11), die Strahlen der aufgegangenen Sonne ergießen sich über das apostolische Wort, das da gewirkt ist vom Geiste des verklärten Gottes- und Menschensohnes, und leuchten| bis zum hellen Mittag in dem Buch versiegelt mit sieben Siegeln. Und diese Sonne sie gehet nimmer unter, sie wird fortleuchten, wenn auch des Himmels Klarheit verbleicht und der Erden Herrlichkeit zerstäubt.

 Und warum vergehen denn Himmel und Erde und vergeht nimmer Gottes Wort? Alles Fleisch ist wie Gras und alle Herrlichkeit der Menschen wie des Grases Blume. Das Gras ist verdorret und die Blume ist abgefallen, aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit, sagt das prophetische und apostolische Wort. Siehe, der Mensch ist Fleisch und des Menschen Herrlichkeit ist wie des Grases Blume. Der Mensch ist aber nach Gottes Bestimmung der König der ganzen Schöpfung, um seinetwillen leuchten des Himmels Heere und pranget die Erde in ihrer Schöne. Der Mensch selbst aber ist geworden ein Gebundener des Königs der Schrecken, um der Sünde willen ein Knecht des Todes. Und so ist alles gebannt in den Dienst der Eitelkeit und seufzet alle Creatur und trägt des Todes Siegel. Himmel und Erde werden vergehen, aber des Herrn Wort vergehet nicht.

 Schauet an dieß Wort! was verkündet es denn? Ja freilich gerade dieses Wort verkündet mit dem ganzen vollen Ernst der Wahrheit der Sünde Schuld und des Todes Gericht, den Abfall des Menschen, den Gott zum Haupte der Creatur gesetzt hat und damit Verderben und Zerrüttung seiner selbst und des ganzen Leibes der Schöpfung. Aber über diesem strafenden Zeugniß der Wahrheit stehet in wunderbarer Majestät die Verkündigung eines ewigen Rathschlusses der Liebe und Erbarmung. Und dieser Rathschluß der Liebe will gerade die Heilung des Sündenschadens, die Lösung des Bannes der Eitelkeit, von dem alle Creatur geschlagen ist, will die Erlösung des Menschen, die Wiederherstellung der ganzen Creatur zu ihrer mehr als ursprünglichen, zu einer unvergänglichen Herrlichkeit. Die Herrlichkeit der heiligen Schrift ist die Herrlichkeit der göttlichen Liebe, deren Herz entgegen[br]icht dem verlorenen und verirrten Kinde, deren Hand sich herabneigt| zu der hülf- und trostlosen Creatur, sie zurück zu tragen in ihren bergenden Schooß. Es enthüllt die heilige Schrift Gottes ewige Liebes- und Lebensgedanken, die höher sind denn der Himmel, tiefer denn das Meer. Denn wo ist solches in eines Menschen Herz gekommen, daß der Gott, den aller Himmel Himmel nicht fassen, vor dem auch die Sterne nicht rein sind, nichts als heilen, retten, erlösen will, was durch eigene Schuld ins Verderben gerathen; selber versöhnen und einen zu ewiger Gemeinschaft, was wider ihn ist in Gottentfremdung und Haß; beseligen und verherrlichen durch Mittheilung seiner Lebens- und Liebesfülle, was von Unfrieden und Elend geschlagen ist. Und die Gedanken Gottes sind ewige Wahrheit und es wandelt auf den Pfaden der Wahrheit allein, was den ewigen Gottesgedanken nachsinnet und nachgehet, und wird zur Lüge und trügerischem Irrlicht, was wider sie sich erhebt. Die Liebesgedanken Gottes sind aber geworden zu Liebesthaten. Thaten und Wunder der erlösenden Liebe verkündet uns die heilige Schrift, und ist die von ihr uns verkündete Geschichte nichts anderes als die Geschichte, die Gott selbst in wunderbarer Herablassung mit der sündigen Welt eingegangen, die ihre Vorbereitungen hat in den Zeiten des alten Bundes, ihren Vollzug in der Fülle der Zeiten, ihren Abschluß mit dem Schluß der Zeiten in der Siegesfeier der Ewigkeit. Es leuchten in unvergänglichem Glanze die Höhepunkte dieser heiligen Geschichte, hier der Sinai mit seiner Offenbarung göttlicher Heiligkeit, mit seinem rollenden Donner und seinen zuckenden Blitzen, dort Golgatha mit dem armen Kreuze, wo die weltversöhnende Liebe unter allen Schrecken der Sünde und Schauern des Todes erliegt und triumphirt zugleich, zuletzt der Thron des Weltheilands, der auch der Weltrichter ist, um den sich sammeln die Geschlechter der Erden, um den jubelt die Schaar der Erlösten. Um diese heilige Geschichte bewegt sich alles, was sonst auf Erden geschehen mag, sie ist das Meer, in welches die Ströme der Welt- und Völkergeschichte einmünden, oder auch der Fels,| an dem ihr Wogenschlag sich bricht. So stehet die heilige Schrift selber vor uns als ein erhabener Wunderbau, von Gottes Liebeshand hineingebaut in den dunkeln Grund einer von Sünde und Tod beherrschten Welt, ruhend auf den Pfeilern göttlicher Verheißungen, in festem, in einander greifendem Gefüge von Thaten und Wundern Gottes himmelan ragend bis zu dem Schlußstein, den der Herr der Zeiten und König der Ewigkeiten mit der Erfüllung aller Hoffnung und Verheißung darauf setzt. Dieser Wunderbau bleibt stehen, wenn alle Gebäude der Weisheit dieser Welt um ihn her zusammen stürzen, steht fester als des Himmels und der Erde Säulen. Mit der Erschaffung des ersten Himmels und der ersten Erde beginnt die heilige Schrift und schließt mit der Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde und mitten drinnen steht derjenige, der vom Himmel auf die Erde gekommen ist und alle Erdennoth und allen Erdenjammer verschlungen hat in den Sieg und die Wonne seines himmlisch verklärten Lebens.
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 Dieser Herr, der im Worte sich selbst bezeugt und darstellt, hat einst auf Erden die Knechtsgestalt getragen. Sein Wort trägt sie freilich auch. Menschen haben die heilige Schrift, von aussen angesehen, verfaßt, durch menschliche Arbeit, die einen fast 2000jährigen Zeitraum umschließt, ist die heilige Schrift zu Stande gekommen. Aber gerade das, Geliebte, ist das Herrliche, daß hier alles so menschlich und so göttlich zugleich ist. Das ist das Herrliche in göttlicher Art und göttlichem Werk überhaupt, daß sie es lieben, in der demüthigsten Gestalt einherzugehen. Der Gott, der es nicht verschmäht hat, dem Gebilde von Staub sein Ebenbild einzuprägen, der Herr, der in wunderbarer Selbsterniedrigung seine göttliche Herrlichkeit verkleidete in das arme Menschenwesen, der hat es auch nicht verschmäht, seine ewigen Heilsgedanken dem vergänglichen Schall und Ton des Menschenwortes einzuhauchen, diesen sichtbaren Zeichen und Zügen der Menschenschrift sie einzubilden. Gerade in ihrer Knechtsgestalt offenbart| die heilige Schrift auch ihre Herrlichkeit, durch das irdische Gefäß strahlet sie himmlische Schöne hindurch. Nehmet alle Bücher der Welt zusammen, nirgends werdet ihr solch wunderbare Vereinigung von unvergleichlicher Majestät und kindlicher Einfalt finden. Es spielt hier die ewige Weisheit mit den Menschenkindern und will durch thörichte Predigt selig machen. Die heilige Schrift ist der Strom, in welchem der Elephant watet und das Lamm nicht ertrinkt. Die Weisheit des Weisesten erschöpft ihre Tiefen nicht und auch der Unmündige freut sich des kindlich großen gottseligen Geheimnisses, das sie offenbaret. In unnachahmlicher Wahrheit, in der göttlichen Kunst des heiligen Geistes malt sie die göttlichen Dinge auf irdischen Grund und bringt sie uns Menschen menschlich nahe und weiß sie wiederum das Irdische und Sichtbare mit Himmlischem und Ewigem zu verknüpfen. Vor solcher Herrlichkeit muß auch der Unglaube den Geist der Lästerung beschwören und ausrufen, wie ein Hauptvertreter desselben wirklich ausgerufen hat: „Ich gestehe euch, daß mich die Majestät der heiligen Schrift in Erstaunen setzt. Die Heiligkeit des Evangeliums spricht zu meinem Herzen. Sehet die Bücher der Weltweisen mit all ihrer Hoffahrt; wie klein sind sie doch neben diesem!“ Und der Gläubige beugt vor solcher Herrlichkeit die Kniee, liegt im Staube und betet an, betet an die Herrlichkeit einer Liebe, vom Worte verkündet, die unser nicht vergißt, mag auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, betet an den Herrn der Herrlichkeit, den dieses Wort preist, der uns zu gut in der Krippe liegt ein Kindlein arm und klein, uns zu gut am Kreuze hängt, blutend, sterbend.
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 Das, Geliebte, ist die unvergängliche Herrlichkeit der heiligen Schrift, die aus ihr selbst uns entgegen leuchtet. O daß wir von ganzem Herzen zu ihr uns bekenneten! O daß wir in ihre Herrlichkeit immer von neuem unser armes krankes mattes Herz eintauchten, damit es sich stärke und erfrische! O daß wir nicht blos an der Schale herumarbeiteten, sondern| eindrängen auf den edlen süßen labenden Kern! Er wird auch uns erquicken, wie er schon Millionen erquickt hat.

 Es ist die Herrlichkeit der heiligen Schrift


II.
auch eine Herrlichkeit, die durch alle Zeiten hindurch leuchtet. „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht“. Alles wandelt und wechselt; alle Geschichte dieser Welt, so mächtig und stolz ihre Wogen auch oft gehen, ist und bleibt für sich allein ohne Gottes Reich und Gottes Wort eine Geschichte von der Vergänglichkeit aller Größe, Pracht und Herrlichkeit dieser Erden. Aber unter diesem Wandel und Wechsel entfaltet Gottes Wort eine göttliche und unvergängliche Herrlichkeit, und feiert seine Siege über alle Mächte des Irrthums und Verderbens, über Sünde, Noth und Tod, über alle Mächte dieser Welt in allen Zeiten und unter allen Völkern. Das ist gerade die wunderbare Art der Bibel, daß sie für das Menschen-Geschlecht und das Menschen-Wesen in seinem ganzen Umfang und allen seinen Beziehungen, für jeden Stand, jedes Alter, jedes Volk, jede Zeit, jede Bildungsstufe geschaffen ist. Da ist kein Volk so roh und ungeschlacht, daß das Wort seine Art nicht sittigen und sein Wesen nicht mildern könnte, da ist aber auch kein Volk und keine Zeit so fortgeschritten in Kunst und Wissenschaft, um die Bibel als Fundament aller wahren Erziehung und Cultur entbehren zu können, wie ja auch einer hat sagen müssen, der wie keiner mehr auf der Höhe weltlicher Kunst und Bildung gestanden. Da schauen wir hier, wie die Bibel einem Volke so recht zum Lebensbrod geworden ist, wie sein häusliches und öffentliches Leben von Gottes Wort als einem Sauerteig durchdrungen und ihm dadurch überschwänglicher Segen zugeführt wird; da schauen wir dort, wie dieselbe gerade in der sittlichen Fäulniß und Verkommenheit, die ihre Verwerfung und Unbekanntschaft im Ganzen nach sich gezogen, als ein erhaltendes, dem Verderben wehrendes Salz still und verborgen im einzelnen wirkt.| Da umgibt hier das göttliche Wort ein untergehendes Volk noch mit einem lieblichen Abendroth und führt dort über verwilderte bluttriefende Nationen allmählig einen ganz neuen Tag herauf. Hier schmachtet ein Volk nach dem Lebenswort, mag es dasselbe nie gehabt oder durch unbegreifliche Gerichte es wieder verloren haben, die Bibel wandert zu ihm und wird begrüßt wie ein Engel vom Himmel und der Himmelsfriede zieht ein in die Herzen und Hütten; dort eckelt ein andres vor diesem Himmelsmanna, ein satter Geist läßt den Honigseim des göttlichen Wortes mit Füßen treten und es nahen die Zeiten des Gerichts und Falls. Doch, Geliebte, es würde zu weit führen, die Wirkungen des Worts, wie sie durch alle Zeiten fortgehen, im einzelnen aufzuzählen. Die Herrlichkeit des göttlichen Wortes ist wie die Herrlichkeit des Herrn, von dem es zeuget, so auch die Herrlichkeit seiner Gemeinde, in der alles Große, Hohe und Herrliche vom Worte bedingt und geschaffen ist. Die Geschichte der Kirche Christi in ihrem Verfall und ihrer Blüthe ist die Geschichte des göttlichen Wortes, seines Falls und seines Sieges. Und wie keine Macht der Welt und auch der Höllen Pforten nicht die Kirche Gottes stürzen konnten, so kann auch keine Gewalt der Erden und kein Anlauf der Finsterniß Gottes Wort vertilgen.
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 Wohl könnte dies Wort auch klagen wie die Gemeinde, die es trägt und verkündet: sie haben mich oft gedränget von meiner Jugend auf, aber auch triumphirend hinzufügen: sie haben mich nicht übermocht. Wie man über den Herrn und die Seinen oft genug gerufen: hinweg mit ihnen, so auch über das Wort. Wie die Welt den Herrn nicht aufnehmen wollte, und ihm keine Stätte leihen, da er sein Haupt hinlege: so hat das Wort auch wie oft als unwillkommener Gast und verstoßener Fremdling unstät und flüchtig sein müssen von Land zu Land, von Ort zu Ort, als dürfte es nirgend seine Hütten bauen und seine Tempel gründen. Und wie man den heiligen Leib des Herrn zermartert hat und zerschlagen, daß er der Herr der Herrlichkeit doch wäre der allerverachtetste| und unwertheste: so hat man oft genug den Leib der heiligen Schrift zerrissen, ihren herrlichen Gliederbau auseinandergezerrt, und ein Glied nach dem andern abzuschneiden versucht, und doch ist sie geblieben was und wie sie immer war! Rohe Gewalt, schlaue List, aller Scharfsinn einer Weisheit dieser Welt haben vergeblich sich an ihr versucht. Im Siegesschritt ging sie durch die Jahrhunderte hindurch, von einem Meer von Haß und Feindschaft umwogt, oft getaucht in die salzigen Fluthen des Spottes und der Lästerung, aber nur wie gestärkt zur neuen Wanderung daraus sich stets erhebend. Und so wird sie ja fortziehen trotz allen Dräuens zur Rechten und zur Linken, dem Sturmlauf der Zeiten trotzend, bis die Ewigkeit ihre Siegel löst und die Feier der Ewigkeit ein Ja und Amen sagt zu ihrem Wort und Zeugniß. Ja ihre Vergangenheit bürgt uns für ihre Zukunft; „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht“.

 Soll der Mund der Geschichte sich öffnen, zeugen für ihr unvertilgliches Leben, für ihre allen Widerstand der Welt und Hölle überdauernde und überwindende Siegesmacht?

 Ihr kennet, Geliebte, die Zeit, da die Kirche Christi in bräutlicher Liebe ihrem Herrn nachfolgte bis in den Tod. In ihrem Brautkleid prangten die Purpurrosen ihres eigenen Blutes. Unter den Marterwerkzeugen, womit ihr Leib zerrissen wurde, wuchs er nur in wunderbarem Wachsthum und der Feind ward zu Schanden. Da steht er in den heiligen Schriften die Zauberkraft, in welcher auch schwache Werkzeuge muthig dem Martertode entgegen gehen. Gebt uns eure heiligen Bücher, wird sein Feldgeschrei – die Bibel soll vertilgt werden, dann wirds ja auch aus sein mit dem Christen-Namen. Aber beschließet einen Rath und es werde nichts daraus, denn hier ist Immanuel. Hunderte der heiligen Schriften konnten auflodern in des Feuers Flamme, aber vertilgen konnte, durfte man die Bibel nicht[.] Als ihr Allerheiligstes hütete die Kirche die heilige Schrift, hütete sie Gott selbst und seine heiligen Engel. Ihr kennt auch die Zeit, da die Kirche Christi als| Siegerin einherschritt über alle Höhen und Tiefen dieser Erden, und als stolze Herrin Fürsten und Völkern gebot. Damals glaubte sie schon triumphiren zu können, aber ihr Triumph war umsonst, denn die heilige Schrift lag im Staube und mußte trauern, Gottes Wort war vergessen, wurde gedämpft und unterdrückt, verfolgt und verboten. Und doch mußte seine Herrlichkeit auch durch jene finstern Jahrhunderte hindurch leuchten. Auch auf dem verwilderten Acker der Kirche fand mancher den Schatz; ein ächter Kaufmann, jener Petrus Waldus, der Stifter der Gemeinschaft der Waldenser, er suchte, er fand die eine köstliche Perle, er fand sie in und mit der heiligen Schrift, er bot sie andern an, sie kauften umsonst und tranken aus Gottes Wort in vollen Zügen das Wasser, das ins ewige Leben hinüberquillt. Die Bibel war das ein und alles dieser edlen Bekenner, sie lasen sie, sie lernten sie auswendig, von ihrer Kraft zeugte ihr Sinn, ihr ganzer Wandel. Ja die Herrlichkeit des von ihnen gefundenen Schatzes leuchtete durch alle blutige Verfolgung, die über sie kam, schlug hindurch auch durch die Lohe der Scheiterhaufen, auf welchen unzählige von ihnen furchtlos und todesfreudig den Herrn priesen. Und was hier gesäet wurde unter Blut und Thränen, es gieng herrlich auf an dem großen Tage, an dem das volle Licht des Evangeliums wieder anbrach. Der Mann, dem Gottes Wort das Licht zum Frieden wurde in der tiefsten Nacht der Trübsal, unser Luther hat uns die Bibel wieder gebracht. Wie er dort sie zum erstenmal sah, angebunden an eine Kette, und nichts sehnlicher wünschte, als sie zu besitzen: so ist sie ihm wirklich zu eigen worden wie keinem sonst, er hat ihre Herrlichkeit geschaut, sie erfahren am tiefsten Seelengrnnd und diesen Hort der Wahrheit frei gemacht von allen Banden und Ketten, darein Menschentrug und Willkühr ihn geschlagen. Und was ist seitdem geschehen, nachdem die Bibel der Christengemeinde zurückerobert worden ist? Wunder und Thaten Gottes, die zur Anbetung hinreißen. Das Wort Gottes ist seitdem gelaufen seinen Weg wie ein Held, die Bibel wanderte| bis an der Welt Ende. Wohl wurden, nachdem die Wahrheit den Bann der Geister und Herzen gelöst, auch andere Bande los und andere Kräfte entbunden. Aber siehe, gerade auf der Schwelle der Zeit, da Zweifel, Abfall, Unglaube über die Länder der Christenheit herein brachen, da man anfing, Gottes Wort zu meistern und den ungenäheten Rock der heiligen Schrift zu zertheilen, hat der Geist des Herrn jenes große Werk begonnen, das wir bis zu dieser Stunde treiben. Am 1. März d. J. waren es gerade 150 Jahre, da ein treuer Sohn unserer lutherischen Kirche, Carl Hildebrand Freiherr von Canstein zu Berlin mit einer kleinen Schrift hervortrat, seinem „ohnmaßgebenden Vorschlag, wie Gottes Wort den Armen zur Erbauung um einen geringen Preis in die Hände zu bringen sei“ und damit den Grundstein legte zu der ersten Anstalt, die ausschließlich dem Zweck der Verbreitung heiliger Schriften gewidmet war. Und am Anfang dieses Jahrhunderts, in welchem wie noch nie in der Weltgeschichte offenbar werden sollte die Hinfälligkeit aller Größe dieser Erden, sollte auch die unvergängliche Herrlichkeit des göttlichen Wortes aufleuchten wie nie zuvor: am 7. März des Jahres 1804 wurde in England unter dem Segensspruch von so manchem edlen Zeugen der Wahrheit der Riesenbaum gepflanzt, der seinen Schatten über den ganzen Erdboden verbreiten sollte, die große britisch-ausländische Bibelgesellschaft gegründet, von der die Bibel in 150 neuen Sprachen bereits unter die Völker der Erde ausgegangen ist. Wahrlich das sind Wunderzeichen von der unvergänglichen Herrlichkeit der heiligen Schrift und für sie von Gottes Hand selber aufgerichtet für alle, die sehen wollen, mag auch daneben der Widerspruch all seine Macht entfalten und das Maas ihrer Mißhandlung und Lästerung voll werden. Auch unser Verein mag uns ein solch göttliches Gnadenzeichen sein, daß unser Eifer für Gottes Wort wachse und unser Bekenntniß zu ihm stark und fest werde. Im Lichte der Herrlichkeit, die wir vor Augen schauen, wollen wir selber wandeln und wirken,| das Licht des göttlichen Wortes soll in uns zünden, leuchten, wärmen, um von uns seine Strahlen weiter senden zu können. Und das ist das


III.

was wir miteinander betrachten. Es soll die unvergängliche Herrlichkeit des göttlichen Wortes, zu der wir uns bekennen, auch in uns und aus uns leuchten. „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht.“ Das Wort vergeht nimmer, weil sein Inhalt ewiger unvergänglicher Art ist, weil der Herr, den dieß Wort verkündet, zu seinen im Worte niedergelegten Verheißungen sich bekennt und sie krönen wird an jenem Tage mit einer überschwenglich herrlichen Erfüllung. Aber eben um deßwillen wohnt ihm schon jetzt eine göttliche Kraft inne, trägt es eine neue Welt schöpferisch in sich, schafft ein neues Leben, das selbst nur der Keim und Anfang ist jener Vollendung und Verklärung, da Himmel und Erde sind vergangen und an ihrer Stelle ein neuer Himmel über der neuen Erde sich wölbt. Die Herrlichkeit des göttlichen Wortes wird einst als die Herrlichkeit der endlichen Erfüllung aller göttlichen Verheißungen an der verklärten Gemeinde, an der verklärten Creatur sich offenbaren, will aber jetzt schon in einer vorläufigen Erfüllung seiner Verheißungen seine verborgene Herrlichkeit an und in uns kundgeben. Es will in die Irrthums- Sünden- Trübsals- und Todesnacht dieser Welt hereinleuchten in der Herrlichkeit einer Wahrheit, die dem ringenden Geiste Freiheit und Genüge bringt, eines Friedens, in welchem uns der Sünde Schuld und des Todes Gericht nicht mehr schrecken, eines Trostes, der mächtiger ist als alles Leid dieser Erden, eines aus Gott gebornen Lebens, das zum ewigen Leben ausreift.

 Das, Geliebte, will, das kann Gottes Wort in uns allen schaffen. Gottes Wort in seiner Fülle und Lauterkeit ist der Ruhm unserer Kirche, ist auch Inhalt, Ziel und Zweck| unsres heutigen Festes. Was nützte uns aber alles Rühmen dessen, was Gottes unverdiente Gnade uns gegeben, was nützte uns alles Festfeiern, wenn die Herrlichkeit des göttlichen Wortes sich nicht an unsern eigenen Herzen bezeugte? Im Worte müssen vor allem wir Arbeiter am Werke des Herrn selber wurzeln, das Wort muß unsres Lebens Kraft, unsres Herzens Trost und Freude sein, dann wird unser Dienst am Wort, sei es Predigt, sei es Bibelverbreitung oder was sonst noch, rechte Frucht schaffen. Durch das Wort sollen wir uns fort und fort versetzen lassen in eine neue himmlische ewige Welt, die voll Sieg und Frieden über dem Gewühl und der Zerstreuung dieser sichtbaren Welt thronet, deren göttliche Kräfte uns täglich erquicken und dadurch eifrig und muthig machen, sie auch in die Herzen anderer überzuleiten. So in und aus dem Worte und für das Wort lebend, von seinen Wunderkräften umströmt, haben wir für all unser Thun einen sichern Standort, den keine Macht der Welt uns verrücken kann. Da sind wir wie auf die Warte gestellt, von wo wir unverwirrten Blickes das ruhelose Treiben dieser Welt schauen und nur um so dürstender werden, in der heiligen Schrift ihr die rechte Friedensquelle zu öffnen, die Welt schauen in ihrem Jammer und in ihrer Trostlosigkeit, damit unser Herz sich nur um so mehr fülle mit Erbarmen, unser Mund nur um so lauter rufe: zum Gesetz und zum Zeugniß, von wo wir aber auch schauen die Nacht erhellt, den Morgen grauen, den Tag sich nahen, der uns bringt in ganzer Fülle, was wir hoffen, wofür wir arbeiten, was das Wort uns verheißt. Wenn auch viel in unsern Tagen wider uns ist, mit der Waffenrüstung des göttlichen Wortes angethan sind wir stark das Feld zu behaupten wider alle Feinde, und schauen den endlichen Sieg mitten im Kampf, auch da, wo wir scheinbar unterliegen. So lebendig wir fühlen den Jammer unserer Zeit, so tief wir trauern über den Schaden der Kirche, so zagen und verzagen wir doch nicht, und wenden gerne unser Auge von allen menschlichen Stützen hinweg zu dem einzig festen Hort des göttlichen Wortes, dessen| unerschöpfliche Heilskraft wir kennen, um ihr zu vertrauen. Wir wandeln ja hier unten im Glauben und unsre ganze Arbeit ist und soll sein eine Arbeit im Glauben. Der nährende Quell für unsern Glauben ist aber selbst die heilige Schrift, denn die verkündet uns Gottes untrügliche Verheißung für allen Dienst an seinem Wort. Das Feuer des Glaubens und der Liebe, dessen Flamme aus Gottes Wort in unsre Herzen schlägt, zündet das Opfer an, das wir auch in unserm geringen Werke dem Herrn und der Gemeinde darbringen und macht es Gott gefällig und den Menschen werth. Ja Christi Wort wohne uns im Herzen, Christi Liebe schlage uns in der Brust, es trage und stütze uns der Glaube an seine verheißende und erfüllende Gnade, so oft unser Mund oder unsre Hand sein Wort dem andern mittheilt! Und wenn unser Mund verstummt und unsere Hand erlahmt, so sei das unser Trost, daß Gottes Wort bleibt und fort leuchtet in seiner Herrlichkeit bis auf den vollen Tag, den Tag auch unsres vollen Heiles. Wir armen Knechte lösen einander ab in der großen Arbeit für unsres Herrn und seines Wortes Ruhm und wissen, daß über unsern Gräbern Gottes Wort fort schreitet in Sieg und Segen. Wie mancher treue Knecht Christi, eifrig im Dienste an Gottes Wort, ist nicht gerade in diesen letzten Zeiten abgetreten vom Schauplatz der Wirksamkeit für dasselbe! O daß wir über dem Grabe unserer Väter und Brüder uns die Hände reichten zum starken Bunde, uns um so fester zusammenschlößen in einem Glauben und einer Liebe für den Reichsdienst unsres ewigen Königs! So lange es heute heißt, spreche ein jeder: ich will den heilsamen Kelch nehmen und den Namen des Herrn predigen, trotz aller eigenen Schwachheit und allen Widerspruchs dieser Welt den süßen seligmachenden Namen verkünden wie und wo ich kann, in dem ich selber Heil und Frieden, die Vergebung aller meiner Sünden, Hoffnung und Kraft ewigen Lebens gefunden!
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 Und ihr Glieder der Gemeinde, denen unsere Arbeit gilt und die ihr mitzuarbeiten berufen seid, ihr wisset und glaubet| es, daß ihr das beste, was ihr habt, dem göttlichen Worte verdanket. Was ihr habt an christlicher Sitte, christlicher Ordnung und christlichem Leben, es ist ein Segen des göttlichen Wortes. Ihr gehet alle Tage dahin unter den Sonnenstrahlen dieses Wortes. Aber es gehet mit dieser Sonne, wie mit der Sonne, die als das leuchtende Auge des Tages am hohen Firmamente steht. Alle werden von ihr beschienen, wie wenige sind’s aber, die Gott danken für das liebe Sonnenlicht und alle Gaben und Segnungen, die durch dasselbe ihnen zufließen. Groß und schwer ist der Undank gegen den Geber und die Gabe des göttlichen Wortes, das wir so reichlich haben. Die wehmüthige Klage braucht freilich unter uns nicht zu erschallen, die ein Diener des Herrn einst laut werden ließ über einen Theil seines Vaterlandes, da er aus eigener Anschauung dessen Hunger nach Gottes Wort wahrnahm und ihm nicht abhelfen konnte: „gibt es auch eine Armuth gleich der Armuth dieses Volks, das das Wort seines Gottes nicht haben kann?“ Dieser Armuth ist unter uns und wird immer von neuem abgeholfen. Aber das wäre die bitterste und unseligste Armuth, wenn ihr den reichen Schatz, der euch vor die Thüre getragen wird, unerkannt und unbenutzt im Staube liegen und modern ließet! Mit einer Sonne leuchtend unter Mond und Sternen hat Luther einst diese Stadt verglichen, weil die Sonne des göttlichen Wortes nicht blos über ihr leuchtete, sondern auch in den Herzen „so viel feiner christlicher Bürger“ darinnen. O daß ihr euch von dieser Sonne, der rechten Geistes- und Lebenssonne, so lange sie über euch steht, nicht blos anleuchten, sondern euer ganzes Leben und Wesen von ihr durchwärmen und durchleuchten liesset! Alles ist euer, so ihr Gottes Wort habt, es im Glauben aufnehmet, denn dieß Wort ist das bewahrende Salz und verklärende Licht für alles irdische und menschliche, ist Grund und Kraft allen wahren Lebens, Mittel und Weg zu euerm ewigen Heil. Ist ein Strahl seiner Herrlichkeit euch ins Herz gefallen, habt auch den Muth, für dieselbe und von derselben zu zeugen! Stellet das Licht des Wortes| auf den Leuchter, daß es leuchte eurem Hause, eurer Gemeinde in Stadt und Land. Lasset des Wortes Kräfte, die ihr im Glauben geschmeckt, ausströmen im Werk der Liebe, in der Demuth und Geduld, in der Reinheit und Weihe eures ganzen Wandels und ziehet unter seinem lichtem Scheine dahin getröstet und geborgen, durch dieß dunkle Thränen- und Todesthal nach den ewigen Höhen, bis der Tag euch anbricht und der Morgenstern aufgehet in euren Herzen! O gebet ihr Väter, ihr Mütter Gottes Wort Raum unter den Euern! Wer ermißt den Segen des Hauses, da Gottes Wort eine Stätte gefunden und dieser Heilsbrunnen geöffnet ist? Eine Mutter hat einst vor ihrem Ende ihre Kinder noch an ihr Sterbebett gerufen und gesprochen: „lieben Kinder, ich habe euch einen großen Schatz gesammelt, einen sehr großen Schatz habe ich euch gesammelt.“ Und als das älteste fragte nach dem Ort, wo dieser Schatz liege, antwortete sie: „suchet ihn in der Bibel, meine lieben Kinder, da werdet ihr ihn finden, denn ich habe jedes Blatt mit meinen Thränen genetzt.“ Diese Mutter war die Mutter des unvergeßlichen Bartholomäus Ziegenbalg, des Vaters unserer ostindischen Mission. Wenn die Bibel die Freundin des Hauses, die Führerin auf allen unsern Wegen, die Trösterin in der Trübsal, am Kranken- und Sterbebette ist, dann steht’s gut mit uns. Denn

dann ist Gott mit uns mit seinem Geist und Gaben. Ist aber Gott für uns, wer mag wider uns sein? Wie noth thuts gerade in unsern Tagen, sich recht fest zu halten an Gottes Wort. Denn es geht ein Irr- und Wirrgeist durch unser Volk, der es durch süße Worte und prächtige Rede betrügen möchte um seine heiligsten und theuersten Güter. Mit Gottes Wort allein sind wir gegen ihn gewappnet. Denn Gottes Wort ist die große am ewigen Licht selbst entzündete Leuchte für uns Menschenkinder, Wahrheit und Lüge von einander zu scheiden. Groß genug ist die Noth unsres Volkes, gewaltig genug der Ernst der Zeiten. Sinnet auf Hilfe, betet um

Hilfe – Gottes Gnade und Gottes Wort allein kann unserm| Volke helfen wider seinen innersten und eben damit wider allen Schaden. Der Mann, der unserm Volke einst in schwerster Bedrängniß Muth und Lebensfeuer eingehaucht durch seine begeisterten Klänge, der nun heimgegangen als ein müder Greis, wahrlich er war nicht unter den Letzten, wo es galt den Lobpreis des göttlichen Wortes und des ewigen Königs der Ehren[.] O daß unserm Volke nochmals aufgienge die Herrlichkeit des göttlichen Wortes, das allen Schaden heilt und allen Jammer stillt, daß sie uns allen ins Auge, ins Herz leuchtete! O daß der Geist, der diesem Worte entströmt, der Geist der Buße und des Gebets über uns käme, über den dürren Acker unserer Kirche und unseres Volks! O daß unter dem Flügelschlag dieses Wortes, unter dem Regen und Bewegen dieses Geistes so manche Wüste und manches Todtenfeld sich umwandelte in einen Garten Gottes, in dem Pflanzen des Heils und Bäume der Gerechtigkeit sprießen Gott zum ewigen Preiß!

 O daß doch bald dein Feuer brännte, du ewiger König der Ehren! O daß dein Licht uns allen leuchtete in deine ewige Stadt, deine Herrlichkeit zu schauen, zu schauen, was wir geglaubt, was dein Wort verheißt! Himmel und Erde werden vergehen, aber deine Worte vergehen nicht! Amen.