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Da umgibt hier das göttliche Wort ein untergehendes Volk noch mit einem lieblichen Abendroth und führt dort über verwilderte bluttriefende Nationen allmählig einen ganz neuen Tag herauf. Hier schmachtet ein Volk nach dem Lebenswort, mag es dasselbe nie gehabt oder durch unbegreifliche Gerichte es wieder verloren haben, die Bibel wandert zu ihm und wird begrüßt wie ein Engel vom Himmel und der Himmelsfriede zieht ein in die Herzen und Hütten; dort eckelt ein andres vor diesem Himmelsmanna, ein satter Geist läßt den Honigseim des göttlichen Wortes mit Füßen treten und es nahen die Zeiten des Gerichts und Falls. Doch, Geliebte, es würde zu weit führen, die Wirkungen des Worts, wie sie durch alle Zeiten fortgehen, im einzelnen aufzuzählen. Die Herrlichkeit des göttlichen Wortes ist wie die Herrlichkeit des Herrn, von dem es zeuget, so auch die Herrlichkeit seiner Gemeinde, in der alles Große, Hohe und Herrliche vom Worte bedingt und geschaffen ist. Die Geschichte der Kirche Christi in ihrem Verfall und ihrer Blüthe ist die Geschichte des göttlichen Wortes, seines Falls und seines Sieges. Und wie keine Macht der Welt und auch der Höllen Pforten nicht die Kirche Gottes stürzen konnten, so kann auch keine Gewalt der Erden und kein Anlauf der Finsterniß Gottes Wort vertilgen.

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 Wohl könnte dies Wort auch klagen wie die Gemeinde, die es trägt und verkündet: sie haben mich oft gedränget von meiner Jugend auf, aber auch triumphirend hinzufügen: sie haben mich nicht übermocht. Wie man über den Herrn und die Seinen oft genug gerufen: hinweg mit ihnen, so auch über das Wort. Wie die Welt den Herrn nicht aufnehmen wollte, und ihm keine Stätte leihen, da er sein Haupt hinlege: so hat das Wort auch wie oft als unwillkommener Gast und verstoßener Fremdling unstät und flüchtig sein müssen von Land zu Land, von Ort zu Ort, als dürfte es nirgend seine Hütten bauen und seine Tempel gründen. Und wie man den heiligen Leib des Herrn zermartert hat und zerschlagen, daß er der Herr der Herrlichkeit doch wäre der allerverachtetste