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Titel: Portraitirung der Deutschen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 154
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[154] Portraitirung der Deutschen. Aus Neapel schickt uns ein dort wohnender Landsmann nachfolgende Mittheilung.

In einem vor Kurzem veröffentlichten Buche von E. Reich, „Der Mensch und die Seele“ (Berlin, Nicolai’sche Verlagsbuchhandlung) ist Folgendes zu lesen: „Ob der Deutsche ohne die Knechtschaft, welche die kleinen Zaunkönige über ihn ausübten, ohne das übermäßige Biersaufen und Tabakqualmen ‚phlegmatisch‘ geworden wäre? Kaum; denn die weintrinkenden Rheinländer, obgleich richtigere Deutsche, als die Brandenburger und Pommern, sind nicht nur nicht phlegmatisch, sondern geradezu sanguinisch. Im Großen und Ganzen aber, und so wie die Dinge heutzutage liegen, wird man berechtigt sein, die deutsche Nation eine phlegmatische zu nennen, und zum Theil eine phlegmatisch-melancholische.“

Hierauf bringt der Verfasser ein längeres Citat von Carus über die Deutschen, „theilweise ein Posaunenconcert von Selbstlob und Weihrauch der Selbstverherrlichung,“ und fährt dann fort:

„Der Deutsche ist ein fleißiger Arbeiter, aber der Engländer, Franzose, Italiener etc. nicht minder, der Deutsche hat Mancherlei erfunden, aber jede der anderen Nationen nicht minder. Der Deutsche ist voll von Mißtrauen, der Engländer und Franzose ohne Mißtrauen; der Deutsche ist gut und redlich, aber die anderen Nationen sind desgleichen. Unter allen Völkern giebt es Schurken, und in Deutschland lebt dieses Geschlecht gleichfalls und in allen Schichten, nur zuweilen verkappter, als anderswo; der Deutsche ist vielfach der Theologie verfallen, gleich dem Engländer, aber der Franzose und der Italiener drehen der Theologie eine Nase. Der Deutsche ist deshalb nicht revolutionär, weil sein Herr es nicht erlaubt. Gelehrig sind Pudel und Menschen, und wenn der Deutsche in Gelehrigkeit den Vorrang zu behaupten sich bestrebt, so thut er dies auf Grund der Thatsache, daß an seinen geistigen Abrichtungsanstalten ehedem die Patente der Weisheit öffentlich gegen gleich baare Zahlung verkauft wurden. Der Deutsche lehrt meistens Doctrinen und lernt, anstatt die Tugenden, die Laster anderer Völker. Das Ganze können in jeder Nation, sei diese chinesisch, englisch, deutsch oder französisch, immer nur sehr wenige Auserlesene denken, und der große Haufe der deutschen Hochgelehrten zeichnet sich dadurch aus, daß er das Ganze nicht nur nicht hell, sondern gar nicht denken kann.

Wißbegierde und Scharfsinn findet man auch in O-Tahiti, und die Welt wäre zu beklagen, wenn nur die Deutschen Wißbegierde und Scharfsinn gepachtet hätten. Unter allen Völkern der Gegenwart hat der Deutsche die höchste Meinung von sich selbst, besonders seitdem er die Dänen, Oesterreicher und Franzosen beseitigt; die Titel- und Ordenssucht der Deutschen ist weit größer, als die anderer Völker, und nirgends wird der Mensch so sehr nach seinem äußeren Rang beurtheilt, als in Deutschland. Wo Barbarei in Deutschland vorkommt, nimmt sie entweder feine Formen an, wie im Norden, oder sie nimmt rüpelhafte Formen an, wie im Süden; in Nachahmung, Verleumdung, Neid, Verkleinerung leistet der Deutsche Großes, dürfte aber diese Eigenschaften in dem Maße ablegen, in welchem die Einigung und Borussificirung seines Vaterlandes vorwärts schreitet. Die Deutschen haben fast gar keinen Gemeinsinn und sind nicht im Stande, für gemeinnützige Dinge im Geheimen Opfer zu bringen, große Ideen und Unternehmungen zu protegiren; sie überlassen dies ihren Herren, und diese – schicken das Geld in die Bank von England und lassen die Gelehrten, Künstler etc. verhungern.“

So weit Herr Reich. Es steckt in der That etwas von Bedientenhaftigkeit im deutschen Charakter! Nachdem die Franzosen mit großem Geschrei die in den Tuilerien aufgefundenen deutschen Bettelbriefe publicirt haben, veranstaltet man hier eine deutsche Ausgabe derselben mit illustrirenden Randbemerkungen. Keine andere Nation wäre fähig, sich mit solchem Behagen selbst an den Pranger zu stellen.

Auf vorstehenden Passus des Reich’schen Buches machte ein Italiener den Einsender Dieses triumphirend aufmerksam, konnte sich jedoch nicht enthalten, zu bemerken, daß, wenn ein Italiener so über seine Nation schriebe, er öffentlich durchgeprügelt würde.