Textdaten
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Autor: Alois Wilhelm Schreiber
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Titel: Hohenkrähen. Poppele von Hohenkrähen
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch I, S. 94–96.
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
vgl. Hohenkrähen und sein „Poppele“, in: Die Gartenlaube, 1891, Heft 24
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Hohenkrähen.

In der Landgrafschaft Nellenburg, unfern der berühmten Bergveste Hohentwiel, auf einem hohen steilen Bergkegel, liegt die Burg Hohenkrähen. Hoch ragt sie über ihre Nachbarn, die Hohenstoffeln, Hohenhöwen, Hohentwiel und den Mägdeberg. Beschwerlich und mühevoll ist der Weg dahin; aber eine unvergleichliche Aussicht lohnt reichlich dafür. Weit ausgebreitet, ein herrliches Panorama, liegt das gesegnete Hegau vor den Blicken; über die Spiegelfläche des Bodensees schweift das Auge hinüber an die Hochfirsten der Schweizeralpen, welche den Horizont begrenzen; es folgt den grünlichen Fluthen des Rheins, wie er aus dem Bodensee tritt, und dem fernen Meere zueilt, um das Land seiner Heimath auf immer zu verlassen. Oder es irrt in der Berge wunderlichen Verschlingungen und verliert sich in der Waldpfade Krümmungen im grünen Dämmerlichte. Die Burg liegt größtentheils in Trümmern; nur ein kleines Schlößchen und zwei Bauernhäuser sind noch bewohnbar. Von den ersten Erbauern und Besitzern von Hohenkrähen ist nichts bekannt. Im Jahr 1534 übergab König Ferdinand die Burg als Mannslehen an Hans von Friedingen. Nachdem dieser ohne männliche [95] Leibesfolge verstorben war, kam sie nach und nach in mancherlei Hände; setzt befindet sie sich im Besitze der Freiherren von Reischach.

In der ganzen Umgegend ist Hohenkrähen berühmt und berüchtigt wegen eines neckenden Burggespenstes, das hier sein Wesen treibt und „Poppele von Hohenkrähen“ genannt wird; wir geben von diesen Sagen, was wir erfahren konnten, und wie sie häufig im Hegau zur Unterhaltung an langen Winterabenden erzählt werden.


Poppele von Hohenkrähen.

Johann Christoph Poppelius Mayer war Schirmvogt einer verwittweten Freiin von Hohenkrähen. Von Gestalt zwar klein und schwächlich, war er dabei doch wild und unbändig und ein großer Freund von einem guten Trunke. Einst spät in der Nacht sprach ein vorbeireisender Abt mit seinem Gefolge auf Hohenkrähen ein und bat um ein Abendbrot und ein Nachtlager. Freundlich hieß ihn Poppelius willkommen; sie setzten sich zur Tafel und waren fröhlich und guter Dinge. Der Becher, und mit ihm Scherz und Witz, machte wacker die Runde, bis endlich der zu reichlich genossene Wein Zank und Hader veranlaßte. Auf einen groben Spaß des Schirmvogtes erwiederte der Abt, er solle sich doch nur nicht mit seiner Stärke brüsten; er gleiche ja leibhaftig dem dürren Knochenmanne selbst und könne wohl durch ein Nadelöhr gezogen werden. Ueber diesen Schimpf aufgebracht, sprang Poppelius von der Tafel auf und befahl, das wohlbeleibte Pfäfflein in das unterste Verließ der Burg zu werfen und es bei Wasser und Brod so lange darin gefangen zu halten, bis auch es so mager geworden sey, daß man es durch ein Nadelöhr ziehen könne.

So geschah es auch und der Abt wurde nicht eher seiner Haft entlassen, als bis er an Umfang bedeutend abgenommen und so mager und dünn wie Poppelius geworden war.

Der Abt aber machte sich voll Ingrimms davon und sann zu Hause unabläßig auf Rache und Wiedervergeltung. Endlich fand er in der Klosterbibliothek ein Zauberbuch und verfluchte mittelst den darin enthaltenen Beschwörungsformeln den Ritter [96] Poppelius, der bald darauf das Genick brach, und seither die Gegend durch seine Spukereien beunruhigt, deren wir einige hier angeben wollen.

Er stellt sich an den Wiesenbach an den schmalen Steg und wartet, bis Jemand hinübergeht; – puff! versetzt er diesem einen Stoß, daß er in das kalte Bad stürzt, und macht sich mit gellendem Gelächter davon.

So lange das Dreschen Winters über in der Nachbarschaft dauerte, mußte jeden Abend nach der Betzeitglocke ein Knecht in die Scheuer gehen und laut ausrufen: „Nicht zu wenig und nicht zu viel!“ sonst warf Poppele zum Zeitvertreib alle Garben durcheinander, um den Leuten neue Arbeit zu machen.

Ebenso wurde zur Sommerszeit vor dem Ausfahren gerufen: „Wir wollen selbst anspannen,“ sonst war Poppele gleich bei der Hand, die Ochsen und Pferde verkehrt einzuspannen.

Wenn er guter Dinge war, so unterhielt er sich oft damit, die Räder vorbeifahrender Kutschen und Wagen so lange zu sperren, bis er durch Fluchen verjagt wurde. Dieß soll selbst der Aebtissin von Ummenhausen begegnet seyn, als sie zur Herbstzeit das ihrem Kloster zugehörige Rebgut bei Oehringen besuchen wollte. Sie wurde äußerst lange am Fuße des Berges von Poppele aufgehalten, weil sie aus Frömmigkeit ihrem Kutscher nicht erlauben wollte, zu fluchen. Am Ende mußte sie doch die Erlaubniß dazu geben, nur um wieder vom Fleck zu kommen.

Mit Glas- und Eierträgern soll Poppele sich gerne unterhalten und z. B., sobald ihm ein solcher begegnet, sich am Wege in einen Stock oder Baumstamm verwandelt haben. Wollte nun der Träger ausruhen und seinen Rückkorb an einen solchen Klotz lehnen, so wich und verschwand derselbe augenblicklich, der Korb fiel auf Boden, Eier und Gläser brachen in Scherben, und aus der Luft verspottete noch ein schallendes Gelächter den armen Betrogenen.

Auch den Thorwächter von Radolphszell hatte Poppele oft zum Besten. Um Mitternacht nämlich kam er zum Thore der Stadt, ahmte den Ton des Posthornes nach und lockte dadurch den Wächter aus dem Bette zum Oeffnen. Kaum war aber dies erfolgt, so machte sich Poppele hell auflachend aus dem Staube.