Ottilie Wildermuth (Die Gartenlaube 1891/47)

Textdaten
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Titel: Ottilie Wildermuth
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aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 804
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[804] Ottilie Wildermuth. In unserer Zelt, da die Erzeugnisse der schönen Litteratur, im besonderen der erzählenden, wie die Pilze aus der Erde schießen, kann man oft die wehmüthige Beobachtung machen, daß Autoren und Werke, welche vor einer verhältnißmäßig kurzen Reihe von Jahren noch der allgemeinsten Bewunderung und Hochschätzung sich erfreuten, vollständig in Vergessenheit gerathen, gleichsam hinweggeschwemmt werden von der übermächtigen Hochfluth des Neuen, ohne daß dieses doch Neue immer der inneren Berechtigung sich rühmen dürfte, an die Stelle des guten Alten zu treten. Eine Schriftstellerin, welche diesem Anprall der nachdrängenden Litteraturwogen bisher in geradezu bewundernswerther Weise Stand gehalten hat, welche heute gelesen wird und heute entzückt, wie sie vor einem Menschenalter verschlungen wurde und zündete, welche heute noch in vielen Herzen den ersten Platz unter den Schriftstellerinnen zwar nicht unbestritten, aber trotzdem erfolgreich behauptet, ist Ottilie Wildermuth.

Für das Leben einer litterarischen Persönlichkeit, deren Werke nicht mehr gelesen werden, pflegt nur der Litterarhistoriker Sinn und Zeit zu haben. Umgekehrt, wenn den persönlichen Geschicken eines lange nicht mehr unter den Lebenden weilenden Autors in den weitesten Kreisen aufmerksames Interesse entgegengebracht wird, so darf man gewiß sein, daß auch die Werke dieses Autors noch einen breiten Boden im Volke haben. So mag man es als einen Beweis für die unverminderte Anziehungskraft Ottilie Wildermuths ansehen, daß, als vor nunmehr drei Jahren ihr Lebensgang in der Schilderung ihrer Töchter erschien, dieses Buch eine ganz außerordentliche, heute noch fortschreitende Verbreitung unter der gesammten deutschen Lesewelt fand.

Eine einheitliche Gesammtausgabe ihrer Werke, an der es bis heute merkwürdiger Weise fehlte, hat, von der Tochter Adelheid Wildermuth besorgt und von Fritz Bergen illustriert, soeben zu erscheinen begonnen, und zwar in fünfundsiebzig Lieferungen, welche in vierzehntägigen Fristen ausgegeben werden. Sie darf der freundlichsten Aufnahme im deutschen Hause zum Voraus sicher sein.

In diesem Zusammenhange möge eines andern Vermächtnisses von Ottilie Wildermuth gedacht sein! Der „Jugendgarten“, den sie einst gegründet hat, erscheint heuer zum sechzehnten Male, herausgegeben von ihren Töchtern Agnes Willms und Adelheid Wildermuth. Neben den beiden Schwestern, welche mit je einer Erzählung vertreten sind, haben C. Neumann Strela, Martin Claudius, Carl Cassau, Clara von Sydow, C. Michael, A. Freimut, Anna Fromm, V. Rein, Anna Klie, Richard Roth, Luise Jüngst, H. Fischer, Luise Pichler u. a. Beiträge geliefert, während die Verlagshandlung für eine reiche und gefällige Ausstattung Sorge getragen hat.