Damenkapelle
[804] Damenkapelle. (Zu dem Bilde S. 800 u. 801.) Der Eintritt in ein Mädchenpensionat pflegt sonst den Angehörigen des stärkeren Geschlechts nicht eben leicht gemacht zu werden, und wenn einem Vater, Bruder, Onkel, Vetter oder Freund je das Glück hold ist und ihm die Wege in das Innere eines solchen Hauses ebnet, so pflegt es ihn doch nicht über den offiziellen Empfangssalon der Vorsteherin hinauszuführen. Emanuel Spitzer aber, der Urheber unseres Bildes, muß nothwendig im Besitze des „Sesam, thu dich auf!“ gewesen sein, vor dem sich auch die intimeren Gemächer der sonst so streng gehüteten Erziehungsanstalt erschlossen. Fast möchte man vermuthen, daß auch noch eine Tarnkappe hinzukam. Denn nur so ist es zu erklären, wie der Künstler zu einer so verblüffend naturwahren Aufnahme einer toll ausgelassenen Mädchenschar gelangen, nur so ist es zu erklären, daß er sie im ungetrübtesten Sichgehenlassen belauschen konnte. Man glaubt den betäubenden Lärm der klappernden Blechdeckel, den dumpfdröhnenden Ton der Gießkanne, untermischt mit drei, vier sich streitenden Liedermelodien, mit Gekicher, Gelächter, Pusten, Kreischen und dem herzzerreißenden Geheul des Pinschers, aus dem Bilde herauszuhören, so daß man versucht ist, mit beiden Händen sich die Ohren zuzuhalten und im Namen dieser rasenden Bacchantinnen ängstlich nach der Thür zu spähen, ob die gestrenge Frau Vorsteherin nicht ihren zürnenden Kopf hereinsteckt.