Oeffentliche Bäder in Tiflis

Textdaten
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Autor: Juan van Halen
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Titel: Oeffentliche Bäder in Tiflis
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 13, S. 49–50
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft: Mémoires de D. Juan van Halen, Band 2, Renouard, Paris 1827 MDZ München
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Oeffentliche Bäder in Tiflis.

Die Wichtigkeit, welche das schöne Georgien in der neuesten Zeit durch die politische Stellung Rußlands, Persien und der Türkei gegenüber, gewonnen hat, veranlaßt uns, aus dem kürzlich erschienenen zweiten Theile der Mémoires de Don Juan van Halen (Paris, 1827. 8) eine Reihe mit vieler Lebendigkeit geschilderter Scenen auszuheben, welche unsere Leser mitten in dieß paradiesische Land hineinversetzen und ihnen eine wahrere Vorstellung von dem Charakter, von den Sitten und Gebräuchen desselben geben werden, als durch eine trockene Beschreibung geschehen könnte.

Der Fluß Kur oder Kura, welcher sich durch schroffe Felsen windet, durchschneidet Tiflis und trennt die alte und neue Stadt von den Vorstädten. Die neue Stadt, nach einem von der Regierung gegebenen Plane durchaus im modernen Geschmack gebaut, nimmt die Höhen am rechten Ufer des Kur ein. Die alte Stadt liegt in Form eines Amphitheaters auf dem jähen Abhange eines Hügels, auf dessen Gipfel sich die Trümmer des alten Schlosses erheben; die Straßen sind unregelmäßig, und die Gebäude zeugen von schlechtem Geschmacke. Zu beiden Seiten der Stadt, am rechten Ufer des Kur, zieht sich eine Reihe von Gärten hin, welche in dem langen Frühlinge, dessen Tiflis sich erfreut, einen wahrhaft bezaubernden Anblick gewähren.

Am westlichen Ende der Stadt und am Fuße des Hügels liegen warme Bäder, deren Quellen kochend daraus hervorsprudeln. Diese Wasser, deren Temperatur von 12 bis 50 Grad Reaumür wechselt, sollen gegen rheumatische Schmerzen und bei der Heilung gewisser Wunden von wunderbarer Wirkung seyn. Sie sind durchaus hell; nur jene von 30 bis 40 Grad Hitze haben einen sehr unangenehmen Schwefelgeruch. Die Temperatur der gewöhnlichen Bäder beträgt ungefähr 12 Grade.

Diese Bäder sind Tag und Nacht dem Publikum geöffnet. Stufen, die in den Felsen gehauen sind, führen zu mehreren dunklen Grotten, von denen die im Innern durch Lampen, die äußeren am Eingange durch eine kleine in der Höhe des Gewölbes befindliche runde Laterne beleuchtet sind.

Der Reisende, der diesen Ort zum ersten Male betritt, möchte glauben, er solle hier in die Mysterien der Alten eingeweiht werden. Bei seinem Eintritte empfängt ihn einer der Tataren, die den Dienst in den Männerbädern versehen, und führt ihn in das Auskleidezimmer; ein anderer, völlig nackt, den Kopf nach der Gewohnheit aller Muselmänner rasirt, erwartet ihn in der zweiten Grotte, wo er zuerst ein Dampfbad nimmt. Kommt er in die dritte Grotte, so findet er mehrere Bäder von verschiedener Temperatur, unter denen er wählen kann. Einige Minuten, nachdem man ins Bad gegangen ist, gibt der Tatar das Zeichen, dasselbe wieder zu verlassen; er nimmt den Badenden bei der Hand, leitet ihn zu einer Art hölzernen Bank, und legt ihn auf derselben der Länge lang auf den Rücken. Darauf ergreift er ihn, wendet ihn mehrere Male herum, knetet ihn gewissermaßen durch, indem er den Körper nach allen Richtungen drückt und preßt; und wenn nun durch diese Manipulationen der Patient in den Zustand des vollkommenen Schwitzens gekommen, so führt der Tatar ihn ins Bad zurück. Eine Viertelstunde nachher zieht man ihn wieder heraus, um ihn noch einmal in der oben beschriebenen Stellung auf die Bank zu legen. Jetzt zieht der Tartar wollene Handschuhe an und reibt den Körper mit einer wohlriechenden Seife ein. Ist diese Operation geendet, so setzt der Badende sich auf die Bank, während man ihm mehrere Eimer warmes Wasser über den Kopf gießt. Hierauf geht er zum dritten Male ins Bad; verläßt er es wieder, so wickelt man ihn in erwärmte Leintücher und führt ihn langsam in die erste Grotte zurück, wo er seine Kleider gelassen. Zwei Stunden nach dieser Operation fühlt man am ganzen Körper ein unbeschreibliches Behagen und eine neue Kraft, die bald die ganze etwas derbe Behandlung vergessen macht.

Am Sonnabende sind die Bäder den Frauen, vorzüglich aus den höhern Klassen, vorbehalten.

Vor dem Bade selbst werden zuerst die Haare mit einer wohlriechenden Salbe parfümirt und geschwärzt, wobei die Damen in den Eingangsgrotten auf reichen Teppichen sitzen; dann schminken sie, junge wie alte, das Gesicht weiß und roth, die Nägel aber gelb. Als vorzügliche Schönheit gilt es, wenn die Augenbraunen zusammenlaufen, und alle Mittel der Kunst müssen hier der Natur zu Hülfe kommen.

Sonst blieben die Frauen fast den ganzen Tag im Bade, gegenwärtig aber nur noch einige Stunden. Nach dem Bade überlassen sie sich ein paar Stunden dem Schlummer, und beim Erwachen werden einige Erfrischungen [50] von den feinsten Früchten genossen. Endlich treten sie aus den Grotten wieder hervor, während von allen Seiten die Blicke der hinter den Gardinen der benachbarten Häuser lauschenden Neugierigen auf sie gerichtet sind.

Am Abend nach dem Bade versammeln sich dann die Familien auf der Terrasse des Hauses. In die Töne der Harfe mischt sich der lärmende Klang der Cimbeln und Castagnetten. Nun beginnt der Tanz der Frauen, der viele Aehnlichkeit mit den andalusischen Nationaltänzen hat: in jeder Bewegung Grazie, Leben und Wollust. So dauern die Spiele und Feste, an denen jedoch nur die Frauen, und nur äußerst selten auch die Männer, Antheil nehmen, bis in die Nacht hinein.