Noch einmal „Unsere schlechten Dienstboten“

Textdaten
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Autor: K. L.
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Titel: Noch einmal „Unsere schlechten Dienstboten“
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aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 298
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[298] Noch einmal „Unsere schlechten Dienstboten“. Die so gesunden und frischen Aeußerungen der Frau Heyne über dieses Thema (in Nr. 15 der Gartenlaube) sollen im Folgenden durch die Ansichten eines Mannes ergänzt werden, der in der Sache wahrlich ein Wort mitzusprechen befugt ist.

Der im Jahre 1797 verstorbene württembergische Pfarrer J. Fr. Flattich, in Folge seines eigenen großen Haushalts und wiederholter an ihn gebrachter Klagen oft und viel mit der Dienstbotenfrage beschäftigt, that eines Tags einen Ausspruch, der sich an die beherzigenswerthen Haushaltungsregeln unserer Frau Heyne ungesucht anreiht, als ein gar kräftiges Hausmittel gegen allerlei Schäden, die dort in jenem Damenkreise zu Berchtesgaden auf’s Tapet kamen. „Gegen Fehler,“ sagte er aus Anlaß einer solchen Klage, „die wir an unseren Dienstboten wahrnehmen, muß man mit Nachsicht und Geduld verfahren; denn Fehler haben wir Herrschaften alle auch an uns; Fehler dürfen sie wohl haben, wenn es nur keine Laster sind.“

Ich meine, dieser Ausspruch ist ein trefflicher Wegweiser für viele Fälle des häuslichen Lebens, ein Führer zum Frieden, wie ihn gleichfalls Flattich auch sonst als die einzig richtige Sorte von Wegzeigern bezeichnet, der nicht blos wie ein hölzerner Stock am Wege über dem Graben steht, sondern auf dem Wege uns zur Seite bleibt und, wenn man ihm Gehör schenkt, täglich und stündlich viel Gutes stiftet. Auch Frau Heyne wird ihn willkommen heißen und ihm zugestehen, daß er ihr einen der Grund- und Ecksteine bezeichnet, auf dem der wohlgefügte Bau eines guten Hauswesens, wofür sie so gediegene Materialien liefert, zu ruhen hat.

Auch für die Frage, welche doch gleichfalls bei dieser Angelegenheit von Bedeutung ist: wie man es mit auffallend gedankenlosen Dienstboten zu halten habe, liegt die Antwort in diesem Ausspruche. Ein Anderes ist es jedoch, wenn man solche schon hat, ein Anderes, was bei der Wahl neuer Knechte und Mägde zu thun sei; ob man dann lieber auf Leute sein Absehen richten soll, die vor allen Dingen unbedingt, ohne selbst zu denken, sonder Wider- und Hinrede gehorchen, wie man das so häufig als erstes Erforderniß eines guten Dienstboten verlangt, und nicht vielmehr solchen den Vorzug zu geben hat, die eigenes Nachdenken zu den Arbeiten mitbringen. Die gewiß richtige Entscheidung giebt ein anderes Vorkommniß im Haushalte desselben Flattich. Er bedurfte eines neuen Haus- und Gartenknechtes. Eines Morgens erscheint ein Liebhaber zu der Stelle in seinem Studirzimmer. Schweigend tritt er mit ihm an ein Fenster, vor dem ein im besten Alter befindlicher Birnbaum steht. „Der Baum wirft mir zu viel Schatten in’s Zimmer,“ sagt er zu dem Burschen, „geh’ hinunter in den Garten und haue ihn um, damit ich sehe, wie Du arbeiten kannst.“ Ohne etwas zu erwidern, trollt der Angeredete fort, wird aber auf der Schwelle zurückgerufen mit den Worten: „So, jetzt weiß ich schon, daß Du mir nicht taugst. Ich brauche viele Leute im Hause und kann nicht überall dabei sein, wenn sie arbeiten; sie müssen also selbst mit Verstand schaffen. Wer aber ohne Widerrede sich heißen läßt, einen solchen kräftigen Baum umzuhauen, zeigt, daß er selber gar nicht nachdenkt.“

K. L.