CCCLXXII. München, altes und neues Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band (1841) von Joseph Meyer
CCCLXXIII. Moti Musjed in Agra
CCCLXXIV. Die Kupferminen zu Fahlun in Schweden
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MOTH-MUSJET
Pallast der Mogul-Kaiser in Agra.

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CCCLXXIII. Moti Musjed in Agra.




„Es war im Jahre 610 nach unserer Zeitrechnung, als nach dem Rathschlusse Gottes ein Funke seines Geistes niederfuhr auf die arabische Wüste und die Seele eines Menschen erleuchtete. Mohammed fühlte sich berufen zum Propheten des Höchsten, berufen, das Gesetz, welches Moses und Christus gegeben hatten, zu vollenden. Zuerst glaubten ihm die Seinen, dann sammelten sich Anhänger, dann verehrte ihn das Volk und folgte nach; die Widerwärtigen aber wurden vernichtet. Bald jauchzte ganz Arabien seinem Propheten entgegen. Mohammeds Feuer entbrannte die Nation der Wüste; jeder Gläubige fühlte sich berufen, Gläubige zu machen, und wie ein Wettersturm brausten Hunderttausende durch die Thore des Landes. Die erschrockenen andern Volker sanken dem Schwerte, oder empfingen den Koran, und kaum waren 100 Jahre vergangen, so herrschte der Islam in drei Welttheilen, von den Säulen des Herkules bis zum Ganges.“[1]

Die neue Religion brachte eine neue Weise der Gottesverehrung, und in deren eigenthümlichem Geiste schuf die Kunst neue Gestalten, den Höchsten zu feiern und zu verkünden. Die Männer der Wüste aber, denen das Loos der Herrschaft über eine halbe Welt zugefallen war, waren roh und ohne eigne Kunstbildung. Sie mußten daher die Kunstformen, welche sich in andern Ländern zu jener Zeit vorzugsweise einer Gültigkeit erfreuten, adoptiren, wobei sie jedoch nicht verfehlten, dieselben eigenthümlich auszuprägen. Jene Kunstformen nun waren die der späten, der christlichen Römerzeit – und die Araber waren für diese um so empfänglicher, da Mohammed’s Lehre sich der christlichen unter allen Religionen am meisten näherte, und Christus selbst dem großen Propheten als ein Prophet gegolten hatte. Mit der urchristlichen, der spätrömischen Kunst verband sich das arabische Element, und aus dieser Vermischung wuchsen nun jene Kunstbestrebungen des Islams hervor, welche, allmählich gepflegt, geläutert und veredelt, zu bedeutsamen Erscheinungen führten, obschon die Kraft, die sie geschaffen hat, in Fesseln lag. Der Islam duldet nämlich keine Bilder; er verdammt jedes Streben nach Hervorbringung des Bildlichen als ein sündiges, vermessenes Nachäffenwollen des Schöpfers aller Dinge. Daher [126] kann die Kunst des Islams sich auch nie zu der höchsten Kunstregion erheben; der Gedanke, daß die Kunst es sey, welche das Leben verkläre, welche im Irdischen das Himmlische offenbare, bleibt dem mohammedanischen Künstler verschlossen, ein undurchdringliches Geheimniß. Sein Gebiet ist nur die Architektur und auch auf diesem kann er sich blos in allgemeinen Formen bewegen: denn die Möglichkeit, die Ideen zu verkörpern und seinen Werken dadurch die eigentliche monumentale Bedeutung zu geben, tritt ihm gar nicht nahe, – statt des sinnansprechenden Bildwerks bleibt ihm nichts als – die Schrift.

Entfaltet ist die Architektur des Islams am schönsten in den Moscheen. Weder der Islam noch seine Kunst haben sich verändert; Stabilität ist ihr Leben und ihr Halt; daher ist auch der Moscheenstyl conventionell. Entlehnt den ältesten christlichen Basiliken, schließt sich gemeinlich eine Fronte der Moschee an einen viereckigen mit Arkaden umgebenen Vorhof an, und sie selbst ist nur eine Halle, in welcher mehre Reihen von Bogengängen hintereinander die Gläubigen zum Gebete versammeln. Man konnte das Ganze als die architektonische Verzierung eines offenen, heiteren Platzes betrachten, den vom werktäglichen Treiben eine Außenmauer sondert. Niemals fehlt der erfrischende, kühlende Springbrunnen, so wenig als auf den Vorhöfen der alten christlichen Basiliken. Das Minaret, mehr einer schlanken Säule als einem Thürmchen gleich, von dem herab der Küster die Stunden des Gebetes abruft, steht zur Seite. Es ist meist ohne künstlerische Beziehung zum Hauptgebäude, und nur in den größten Moscheen, die mehre Minarets haben, sind sie in symmetrische Ordnung gestellt. Oft deckt eine große Kuppel den eigentlichen Tempel; kleinere Kuppeln gruppiren sich dann über die Seitenarkaden und über die Arkaden des Vorhofs. In der Kuppelform selbst herrscht nach dem Oertlichen Verschiedenheit. Während in Europa die einfachere, die christlich-byzantinische fast unverändert geblieben ist, wird in Asien der Einfluß des brahmanischen Pagodenstyls sichtbar und die nüchterne Kunst des Islam wird gleichsam ihrem Grundcharakter untreu, sie gefällt sich in üppigen, decorativen Formen. Oefters bemerkt man an den hindostanischen religiösen Bauwerken eine Eleganz, eine Zierlichkeit und eine Freiheit, die von keiner andern Architektur erreicht, geschweige übertroffen ist. Bei dem Anblick dieser Gebäude fühlt man, wie hier das ganze geistige Streben des Künstlers in der Ornamentik aufgegangen ist. Er hatte nichts weiter, als eben die Ornamentik und er machte aus ihr Alles.

Am reizendsten und auch am großartigsten entfaltet sich diese Blüthe der moslemitischen Kunst in Indien und in Persien, wo das Feuer einer glühenden Phantasie gleichsam unbewußt und ungewollt dem Steine das Leben einhaucht. Besonders sind in den Ländern des ehemaligen Mogulstaats die Monumente zahlreich. Delhi, Agra, – die Residenzen der indischen Kaiser – sind damit angefüllt. Hier errichteten der prachtsüchtige Akbar und sein [127] Sohn Jehan (von 1556 bis 1658), viele Moscheen und Paläste, – Werke, die nur bewundert, nie mehr nachgeahmt oder erreicht werden können.

Ein solches ist das im Bilde entzückende Moti Musjed, die Moschee des Kaisers Akbar in seinem Festungspalaste zu Agra, welchen die Britten jetzt als Citadelle benutzen. In dem Prachtsaale, wo der größte Monarch des mohammedanischen Orients seinen Hof um sich versammelte und gastmalte an goldenen Tafeln, da sind jetzt die Kisten mit britischen Armaturvorräthen aufgeschichtet, und gemeine Soldaten strecken ihre müden Glieder auf die Matratzen hin, wo einst die Sultaninnen auf seidenen Polstern ruheten. Vieles Herrliche des berühmten Herrscherhauses ist jetzt unwohnlich, vieles liegt in Trümmer.

Am wohlerhaltenen Moti Musjed, bessen Zierlichkeit seine Größe zu verhüllen strebt, ist kein Mörtel, kaum eine Fuge sichtbar. Alles daran, der Tempel, die Arkaden des Vorhofs, das Pflaster sogar, ist von geschliffenem, glänzenden Alabaster, der halb durchsichtig und so weiß ist, daß der gewöhnliche grau dagegen erscheint. In den Strahlen der Sonne glänzt das Gebäude in den schillernden Farben der Perlmutter, und wenn eine Tradition im Volke von faustgroßen Perlen erzählt, mit welchen dies Gebäude eingefaßt gewesen seyn soll, so mag man, bei dem Anblick der wirklichen Pracht, es ihr wohl zu gute halten.

Andere Luxusbauten ähnlicher Art – Mausoleen, Moscheen und Paläste – finden sich zu Allahabad, Jehanpore, Ahmadabad etc. etc. Das Wunder der indischen Welt aber, Taj Mahal, auch in Agra, welches die Architektur des Islams in seiner höchsten Vollendung und Entwickelung zeigt, haben wir schon in einem früheren Bande dieses Werkes beschrieben. Der gesammte Charakter dieser Architektur entspricht dem majestätischen und überüppigen Glanze des orientalischen Herrscherdaseyns, und gibt das treue Spiegelbild eines Fürstenlebens, das im Abendlande, zum Heil der Völker, unmöglich geworden ist.




  1. Kugler, die Geschichte der Kunst.