Meterologische Hochstationen im Bereich der Wolken

Textdaten
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Autor: Dr. Klein
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Titel: Meterologische Hochstationen im Bereich der Wolken
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 717–718
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Meteorologische Hochstationen im Bereich der Wolken.

Die Wetterwarte auf dem Hochobir
im Winter.
 

Einem unermeßlichen, zusammenhängenden Ozeane vergleichbar bedeckt Atmosphäre die Oberfläche unserer Erde und wir Menschen leben am Boden dieses Luftmeeres. Von dem, was in den höchsten Regionen des atmosphärischen Ozeans vor sich geht, wissen wir durchaus nichts und die Vorgänge, welche in ihrer Gesammtheit unser Wetter bilden, spielen sich in Höhen ab, die wohl niemals 1½ deutsche Meilen übertreffen. In diesen höchsten Regionen schweben die leichten, federförmigen Cirruswolken, welche als Vorboten von Regen und Sturm bekannt sind. Sie bestehen aus gefrorenem Wasserdunst, aus feinen Eiskryställchen und erst tief unter ihnen, in Höhen die 3500 Meter nicht überschreiten, trifft man auf die Haufenwolken, welche am Horizont wie ferne, schneebedeckte Gebirge aussehen, und auf die grauen Schichtwolken, welche bei Landregen trübselig den Himmel überziehen. Es ist klar, daß das Studium dieser Wolken und derjenigen Vorgänge im Luftmeere, welche die Bildung von Wolken und Regen verursachen, nur sehr unvollkommen durch Beobachtung an der Erdoberfläche gefördert werden kann. Zwar ist es den unermüdlichen Anstrengungen der Meteorologen gelungen, auch schon mit Hilfe der gewöhnlichen Beobachtungen wichtige Resultate über die Bewegungen in höheren Luftschichten zu erringen, allein es ist für den Fortschritt der Wissenschaft von größter Wichtigkeit, daß auch in der Wolkenregion selbst beobachtet wird. Dazu bieten sich zwei Wege dar, nämlich durch Ballonfahrten und durch Anlegung von meteorologischen Observatorien auf den Gipfeln hoher Berge. Mit Hilfe des Luftballons hat man in der That bereits wichtige Ermittelungen über die Abnahme der Luftwärme mit zunehmender Höhe anstellen können, allein über die Verhältnisse des Luftdruckes in der oberen Schicht der Atmosphäre läßt sich im Ballon nichts ermitteln.

Das Studium der Luftdruckverhältnisse in der Höhe ist aber für das Verständniß der gesammten Luftcirkulation über der Erde von der allergrößten Wichtigkeit, besonders auch, um für die Wetterprognosen mit der Zeit eine bessere, zuverlässigere Grundlage zu schaffen. Deshalb sind die Amerikaner schon vor einer Reihe von Jahren mit der Errichtung von Bergobservatorien vorgegangen und haben unter anderem auf dem Mount Washington in New-Hampshire, sowie auf dem Gipfel des Pikes Peak in Colorado, der sich 4340 Meter über die Meeresfläche erhebt, ständige Stationen errichtet, an denen Tag und Nacht beobachtet wird.

In Frankreich faßte man anfangs 1870 den Plan, auf dem 2877 Meter hohen Pic du Midi ein meteorologisches Observatorium zu errichten. Dieser Berg erhebt sich unweit der Stadt Bagnères de Bigorre in den Pyrenäen als ungeheure völlig isolirte Felsmasse, von deren Gipfel man eine unermeßliche, von keinem höheren Punkte beschränkte Aussicht hat. Im Wege einer öffentlichen Subskription wurden die Mittel zusammengebracht, um ein kleines Haus und die nothwendigsten meteorologischen Instrumente auf dem Gipfel des Berges einzurichten. General Nansouty, von einem Hilfsbeobachter begleitet, bezog im Sommer 1874 das kleine Häuschen auf dem Pic du Midi als Beobachter. Schon bald zeigte sich die Bösartigkeit des Wetters in dieser Höhe und am 11. Dezember jenes Jahres zerstörten Eismassen die Fenster des Raumes, in welchem die beiden Männer wohnten. Es fanden sich oben keine Mittel, die Fenster wieder herzustellen, infolge dessen drangen Wind, Schnee und Frost ein und die Kälte stieg dauernd auf – 18° C. Um dem Tode zu entgehen, blieb den Beobachtern nichts anderes übrig, als mitten im Winter den schreckensvollen Abstieg zu den Menschen zu wagen. Und es gelang, nachdem beide 16 volle Stunden unter fortwährender Lebensgefahr in der Eiswüste des Berges umhergeirrt waren. Aber im nächsten Sommer waren die zwei Beobachter wieder auf ihrem Posten, Stunde um Stunde, Tag für Tag lasen sie ihre Instrumente ab; doch im Oktober begrub eine Lawine das kleine Observationshaus und zwang wiederum zur Einstellung der Beobachtungen.

Indessen verlor General Nansouty den Muth nicht, er brachte mit Hilfe von Freunden der Wissenschaft die nöthige Summe zum Bau eines neuen Observatoriums zusammen, das dann auch telegraphisch mit der Stadt Bagnères de Bigorre in Verbindung gesetzt wurde. Unsere Abbildung (S. 709) giebt eine Ansicht des Observatoriums nach einer Zeichnung von Tissandier, dem berühmten Luftschiffer, der dasselbe im Jahre 1879 besuchte.

Nachdem die Station auf dem Pic du Midi eingerichtet war und ihre Bedeutung für die Wissenschaft sich als unzweifelhaft erwiesen, ging man in Frankreich daran, auch auf einem andern Berge ein meteorologisches Observatorium einzurichten. Als solcher erschien besonders der Puy de Dôme bei Clermont geeignet und mit einem Kostenaufwand von 100 000 Franken wurde von 1873 bis 1878 dort ein massives Gebäude hergestellt. Das eigentliche Observatorium besteht aus einem runden Thurme, der auf dem Gipfel des Puy sich erhebt, 15 Meter tiefer liegt ein Wohnhaus, von dem ein Tunnel nach dem Thurme führt. Die Aussicht vom Observatorium aus ist großartig, aber ganz einzig dann, wenn weiße Wolken die Erde völlig den Blicken entziehen und das Auge gewissermaßen nur einen unermeßlichen Ocean erblickt, aus dem die Gipfel der benachbarten Berge gleich Inseln hervorragen.

Unsere Abbildung aus S. 720 giebt in meisterhafter Weise eine Vorstellung von diesen Bewölkungsverhältnissen. Man sieht vor sich [718] den Gipfel des Puy de Dôme mit dem Observatorium, daran schließen sich mehrere kleinere Puys, während man in der Ferne den 1886 Meter hohen Pic de Sancy und den gleich hohen Plomb de Cantal sieht, die wie Inseln aus einem Meere aufsteigen. Die sehr gleichmäßig hohe Oberfläche der Wolken ist überaus merkwürdig und Professor Alluard bemerkt, daß bei heftigem Winde diese Oberfläche bisweilen völlig einer bewegten See gleiche, indem trotz der Bewegung das allgemeine Niveau keinen Wechsel erleide.

In Oesterreich besteht ein Hochobservatorium erster Ordnung auf dem Obirgipfel in 2044 Metern Meereshöhe südlich von Klagenfurt. Schon seit 1846 wurden dort Beobachtungen angestellt, aber nur an den Wochentagen, weil die Aufseher Sonntags zu ihren Familien herabstiegen. Erst seit 1878 wurde auf Veranlassung der Sektion Eisenkappel des österreichischen Touristenklubs auf dem Obir ein Touristenhaus nebst einem kleinen Schlafhause aufgeführt und ein Beobachter bestellt, der Sommer und Winter oben ausharren und regelmäßig beobachten mußte. Von da an wurde die Station wichtig für die Meteorologie, besonders da der hochverdiente Direktor Hann[WS 1] in Wien, gegenwärtig wohl der Erste unter den lebenden Meteorologen, die Station auf dem Obir mit selbstregistrirenden Instrumenten ausrüsten ließ.

Auf diese Weise wird dort oben seit mehreren Jahren von Stunde zu Stunde der Druck der Luft, die Temperatur, die Richtung und Stärke des Windes, ja die tägliche Dauer des Sonnenscheins automatisch aufgezeichnet, ohne daß der Beobachter wesentlich mehr dabei zu thun hat, als die Aufzeichnungen von den Instrumenten abzunehmen und die Apparate von Zeit zu Zeit nachzusehen, damit ihre Thätigkeit nicht stocke. Die Erhaltung der Station und die Versorgung des oben weilenden Aufsehers mit Lebensmitteln geschieht von dem Orte Eisenkappel aus, auch ist eine Telephonverbindung eingerichtet, so daß der in der Wolkenregion weilende Beobachter nicht völlig vereinsamt ist, sondern mit den Menschen unten wenigstens durch die Sprache verkehren kann. Unser Bild (S. 721) giebt den allgemeinen Anblick der Station von einem benachbarten hohen Punkte des Obir aus. Wir fügen noch eine zweite Abbildung bei, welche nach einer Zeichnung des Herrn Berger in Eisenkappel angefertigt ist. Sie stellt den Hochobir im Winter dar, wenn das Beobachtungshaus in den Schneemassen begraben liegt und ein tiefgrauer Himmel über der weißen, öden Fläche liegt. Man sieht, daß von dem Beobachtungshause aus eine elektrische Leitung nach der eigentlichen Spitze des Obir führt. Auf dieser Spitze, in 2140 Metern Höhe, von keiner andern Erhebung überragt, steht das Anemometer, das heißt ein Instrument, um Richtung und Stärke des Windes anzuzeigen die dann durch den elektrischen Strom nach dem Beobachtungshause übermittelt und automatisch aufgezeichnet werden.

Ein anderes Hochobservatorium besitzt Oesterreich aus dem Sonnenblick in der Goldberggruppe der Hohen Tauern. Dieser Gipfel ragt bis zu 3103 Metern empor, ist also um mehr als die Hälfte höher als der Hochobir und eignet sich dabei durch seine Lage wie kaum ein zweiter in den Alpen zur Anlage eines meteorologischen Observatoriums. Das Hauptverdienst um die Errichtung dieser höchsten Wetterwarte Europas gebührt dem Gewerken Ignaz Rojacher. Dieser, im wahrsten Sinne des Wortes ein „selbstgemachter“ Mann, ist der eigentliche Urheber der Sonnenblickwarte, indem er das, was die österreichische meteorologische Gesellschaft längst sehnsüchtig gewünscht hatte, kräftig ins Werk setzte. Der Bau des Observatoriums auf der schwer zugänglichen Höhe bot ganz besondere Schwierigkeiten, namentlich in dem ungünstigen Sommer 1886, aber Rojachers Energie überwand alle Hindernisse. Am 2. September jenes Jahres wurde die Station feierlich eröffnet, und ein Knappe Namens Simon Neumeyer wurde der erste Beobachter.

Unsere naturgetreue, nach einer Photographie dargestellte Abbildung auf S. 720 zeigt uns den schwierigen Aufstieg zum Sonnenblick. Rechts unten sind die Knappenhäuser des Goldbergwerkes von Rojacher sichtbar, von hier zieht sich der Weg auf den Sonnenblick über den Glascher (links) bis zu den unterhalb der Spitze ansteigenden Felspartien. Ueber diese hinauf gelangt man zu dem im Bilde nur gegen die Spitze zu erscheinenden oberen Gletscher und zu der Hochwarte Sonnenblickhaus.

Die größte Kälte im Februar 1887 war – 32° C. am 9. jenes Monats, die größte Wärme am 5. Januar betrug – 6,2° C. Das sind, wie man sieht, sibirische Verhältnisse. Die mittlere Temperatur der Sommermonate steigt auf nur wenig über den Gefrierpunkt, ja sie bleibt zum Theil noch darunter. Für den Juni beträgt sie – 1,4°, für Juli + 1,2°, für August + 1,0°, durchschnittlich für die Sommermonate + 0,3° C. Sonach kommt die Sommerwärme auf dem Sonnenblick ziemlich jener auf Spitzbergen oder Franz-Josef-Land im arktischen Eismeer gleich.

Die Schweiz besitzt eine Hochstation auf dem Säntis in 2500 Metern Höhe, den man von Appenzell aus leicht erreichen kann. –

Die höchstgelegene Beobachtungsstation im Deutschen Reiche befindet sich seit 1883 auf dem Wendelstein, der von München aus über Bayerisch-Zell bequem zu besteigen ist. Der Berg selbst, dessen Beschreibung in Nr. 6 des vorigen Jahrganges enthalten ist, erhebt sich bis zu 1860 Metern über die Meeresfläche und trägt auf der höchsten Kuppe, die mittels eines Drahtseiles zugänglich ist, ein großes Kreuz. Da diese Spitze jedoch im Winter nur mit Lebensgefahr erreicht werden kann, so sind die Instrumente der meteorologischen Station in dem 130 Meter tiefer liegenden Touristenhause aufgestellt.

Die nachfolgende Zusammenstellung giebt einen Ueberblick über die hauptsächlichsten Gipfelstationen in Europa, geordnet nach ihrer Höhe über dem Meeresspiegel: Sonnenblick, Salzburg, Hohe Tauern 3103 Meter, Aetna, Sicilien 2900 Meter, Pic du Midi, Pyrenäen 2877 Meter, Säntis, Appenzeller Land 2500 Meter, Monte Cimone, Apennin 2162 Meter, Hochobir, Kärnten 2044 Meter, Mont Ventrux, Cottische Alpen 1960 Meter, Wendelstein, Südbayern 1860 Meter, Schafberg bei Ischl 1776 Meter, Pic l’Aigual, Cevennen 1567 Meter, Puy de Dôme, Auvergne 1463 Meter, Ben Nevis, Schottland 1418 Meter, Brocken, Harz 1141 Meter.

So sehen wir , daß heute zu Zwecken der Wissenschaft die leisesten Regungen des Luftozeans überwacht werden an Orten, die noch vor 150 Jahren von allen Schrecknissen des Aberglaubens umhüllt waren; und da, wo man vor zwei Menschenaltern noch den Aufenthalt von Drachen und Fabelthieren der seltsamsten Art vermuthete, in Höhen, in denen nach Ansicht der damaligen Alpenbewohner der „kalte Berghunger“ den Menschen befiel, dreht sich heute das selbstregistirende Anemometer und schreibt die Sonne im Dienste der Wissenschaft auf, wie lange sie an jedem Tage leuchtet und wie lange sie hinter Wolken verborgen blieb.

Dr. Klein.      

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Julius von Hann, Vorlage: Hain