Textdaten
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Autor: Dr. J. Herm. Baas
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Titel: Mehr Licht
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aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 568–571
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Mehr Licht!

Wer als Arzt auch bedeutende Menschen in ihrer letzten Stunde beobachtet hat, der glaubt nicht so recht an tiefsinnige, weitausschauende Aussprüche der sterbenden Größen; Stärke und Stimmung dazu fehlen fast überall in jenen Augenblicken, wo Körper und Geist sich trennen. So hat wohl auch Goethe, als er die Worte sprach, welche über diesen Zeilen stehen, nur gefühlt, wie die Schatten des Todes sein lichtgewohntes Auge verdunkelten, und hat deshalb nach mehr Licht nicht im geistigen, sondern im natürlichen Sinne verlangt, nach „dem Urquell des lieblichen Lebens“, wie er die Sonne in einem Briefe an Schiller nennt. Und in diesem Sinn knüpfen wir an seinen letzten Ausspruch im Folgenden nicht etwa eine litterargeschichtliche Abhandlung, [570] sondern einige Bemerkungen an über den Einfluß des Lichtes auf die Gesundheit – nicht des Auges, denn darüber giebt es zahlreiche Arbeiten vortrefflicher Art, sondern des Gesammtkörpers.

Der Titel, den wir gewählt haben, drückt in der kürzesten Form diejenige Forderung der Gesundheitspflege aus, welche selbst in Lehrbüchern über diesen Gegenstand kaum berührt wird, trotzdem heutzutage täglich und stündlich dagegen gesündigt wird. Die Hygieine des natürlichen Lichtes ist auffallenderweise kaum angebahnt, vor allem wurde der Weg des Experiments noch nicht so benutzt, wie dies nach anderen Richtungen hin in der Hygieine überall der Fall ist. Und doch ist unter den ursprünglichen Naturbeziehungen des Menschen die zum Licht sicher von nicht geringerem Gewicht und Werth als die zur Luft, zum Wasser, zum Erdboden etc., auf welche sich gerade in letzter Zeit die hygieinische Experimentalforschung vorzugsweise gerichtet hat. Ja man darf behaupten, ohne Widerspruch fürchten zu müssen, daß das Licht im Vergleich zu den genannten Beziehungen unseres Daseins einen größeren und besonderen Einfluß voraus hat, den auf das höhere Nervensystem, dessen Thätigkeitsäußerungen wir als Geistes- und Seelenleben bezeichnen. Auf Seele und Geist wirkt ja nichts so eingreifend, sowohl fördernd als hemmend, wie Fülle oder Mangel des Lichts.

Von alters her stellte man das Licht unter den das Leben bedingenden und beginnenden Mächten an die Spitze: in der Schöpfungssage der ältesten Völker leitet das „Es werde Licht!“ das Sein der ganzen Welt ein, und heute noch bezeichnet „das Licht der Welt erblicken“ den Anfang des Einzellebens. Aber nicht bloß als erste Grundlage des Schöpfungswerkes galt es den Völkern, es ward bei vielen geradezu zur obersten Gottheit: von den Aegyptern wurde es als Ra verehrt, von den Persern als Ormuzd zum lebengebenden und lebenerhalteuden Gott erhoben, dem als zerstörende, dem Leben feindliche Gewalt Ahriman, die Finsterniß, entgegentrat. Selbst in der christlichen Lehre über das Dasein nach dem Tode spielt das Licht eine Rolle, insofern das Leben im Himmel als ein Leben im Lichte, das in der Hölle als ein solches in der Finsterniß vorgestellt und das erstere als Belohnung, das letztere als Bestrafung aufgefaßt wird.

Spricht man weiter von düsterer nordischer Weltanschauung im Gegensatz zu der heiteren südlicher Völker, so bezeichnet man damit eine Wirkung des Lichtes auf das Wesen ganzer Völker, die als Zusammenfassung seines Einflusses auf die Geistesart des einzelnen betrachtet werden muß. Weiß doch bezüglich der letzteren Wirkung jedermann aus eigener Erfahrung, daß die lichtarme Winterszeit die Seelenstimmung ganz anders gestaltet als die lichtreicheren Jahreszeiten. In dem Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller spielt die Frage nach dem Licht, spielen die vielgeschmähten Bemerkungen über das Wetter eine überaus große Rolle. Lichtmangel drückt und verdüstert das Gemüth, ja verursacht krankhafte Gemüthszustände, wovon der Spleen bei den Bewohnern des nebelreichen England das bekannteste Beispiel ist; Lichtreichthum erhebt und spornt die Geisteskräfte an. „Die Jahreszeit drückt mich, wie Sie, und ich meine oft, mit einem heiteren Sonnenblick müßte es gehen“, schreibt Schiller, dessen schöpferische Kraft wie bei Goethe in der trüben Jahreszeit nachließ, ja zeitweise stille stand. Deshalb besingen auch alle Dichter seit des Sophokles einfach erhabenem „Sonne, du schönstes Licht … Wimper des goldenen Tages“ das Licht in ihren besten Tönen, und Lenaus großartiges Klagelied an die Nacht erscheint als düsteres Vorzeichen seiner späteren geistigen Umnachtung.

Das Licht weckt die gesunden und guten Kräfte der Menschenseele, und deshalb scheuen alle guten Thaten nicht das Licht, nur die schlimmen meiden es. Man spricht daher von Licht- und Nachtseiten der Menschennatur.

Der Mangel des Lichtes übt bei den meisten Menschen einen schädigenden Einfluß auf den Gedankengang und die Gedankenrichtung aus. Wer aufmerksam sich selbst beobachtet, wird sicher gefunden haben, daß die Dunkelheit geeignet ist, das Denken auf falsche Bahnen zu bringen; es wird unklar und vor allem phantastisch, es richtet sich mehr auf düstere Gegenstände als auf erfreuliche. Wie oft erklären sonst ganz ruhige, vernünftige und gesunde Menschen dem Arzte, daß sie in schlafloser Nacht sich Licht anzünden müssen, um der Gedankenjagd zu entrinnen und der Selbstquälerei, in welcher sie alle unangenehmen und schlimmen Erfahrungen, die sie im Laufe vergangener Jahre gemacht haben und die durchs Licht des Tages immer wieder ausgetilgt werden, hervorsuchen und an sich vorüberziehen lassen.

Daß Dunkelheit den Geist grüblerisch und traurig stimmt, ist eine Beobachtung, die auch die Augenärzte häufig machen, wenn sie gezwungen sind, ihre Kranken tage- und wochenlang im künstlich verdunkelten Zimmer zu halten; ja es giebt Naturen, die solche Kuren gar nicht ertragen können und erklären, daß ihnen der Wahnsinn drohe, wenn sie noch länger in der künstlichen Nacht ausharren müßten. Ebenso bekannt ist es, daß in der Militärjustiz der Ausschluß des Lichtes, beim sogenannten Dunkelarrest, als Strafverschärfung betrachtet und – so mittelalterlich und verwerflich er ist – unbegreiflicherweise noch heute benutzt wird.

Bei anderen erregt die Dunkelheit an Stelle solcher „Depressionszustände“ umgekehrt bald schwächere, bald stärkere „Exaltationszustände“, sie verfallen in „wache Phantasien“, wie die landläufige Redeweise es nennt; diese sind übrigens bei den meisten ebenfalls düsterer Art, und wenn sie die heitere Seite der Lebenserfahrungen zur Unterlage haben, so führen sie dieselben in verzerrter Weise, gleichsam als Karikaturen, vor.

Eine bekannte Thatsache ist es ferner, daß Dunkelheit das Schätzungsvermögen bezüglich der Zeit und des Raumes verändert, Minuten dehnen sich scheinbar zu Stunden, die Entfernungen dünken uns größer, die Wege erstrecken sich wie ins Unendliche. Und viele Menschen, die am Tage unerschrocken sind, macht die Nacht furchtsam. Selbst auf ganz bewußtlose Kranke, wie z. B. auf Typhuspatienten, wirkt sie verschlimmernd, sie steigert die vorhandenen Delirien oder ruft diese da hervor, wo sie tagsüber fehlten. Mit einem Worte: das Licht wirkt regelnd und beruhigend auf die geistige Thäkgkeit, die Dunkelheit verkehrt und erregt sie. Auch das einfache Empfindungsvermögen wird verändert, gesteigert, wie die Thatsache beweist, daß Schmerzempfindungen in der Dunkelheit bis zur Unerträglichkeit wachsen.

Es handelt sich bei den angeführten Erscheinungen, deren Zahl sich leicht vermehren ließe, um Einflüsse des Lichtes oder des Lichtmangels auf die Tätigkeiten des zentralen und peripheren, des inneren und äußeren Nervensystems und auf die Gesammtwirkung beider, das Gesammtgefühl. Da aber alle jene Thätigkeiten auf stofflicher Grundlage beruhen, so ist folgende Thatsache, so unbedeutend sie scheinbar ist, von Wichtigkeit. Das Licht hat einen regelnden Einfluß auf den sogenannten Stoffwechsel in den Nerven, vor allem durch Ausscheidung der Zersetzungsprodukte, welche die Dunkelheit zurückhält. In dieser Beziehung wenigstens hat man durch Versuche festgestellt, daß selbst vom Körper getrennte frische Nerventheile im Lichte mehr Kohlensäure aushauchen und mehr Sauerstoff aufnehmen als im Dunkeln, wodurch die vermehrte Ausscheidung ermöglicht wird.

Daß aber alle Abweichungen der Thätigkeit des Nervensystems bei Lichtmangel, also auch während der Nacht, auf das Zurückhalten von Ausscheidungsstoffen und die verminderte Sauerstoffaufnahme zurückzuführen sind, darf nicht behauptet werden, obwohl die Möglichkeit nicht geleugnet werden kann.

So viel vom Allgemeinen! Es erübrigt uns, die gesundheitlichen Forderungen zu betrachten, welche auf Grund der erörterten Erfahrungen in Bezug auf das Licht zu stellen sind. Wir thun das unter dem doppelten Gesichtspunkte der persönlichen und der öffentlichen Hygieine.

Zu den unvermeidlichen Folgen höherer Kulturzustände gehört es, daß die Menschen aus manchen naturgemäßen Bedingungen ihres Daseins heraustreten müssen, und es hieße deshalb eine Unmöglichkeit vertheidigen, wollte man, wie das von Rousseau und seinen Nachfolgern im vorigen Jahrhundert als Lehrsatz aufgestellt wurde, „Rückkehr zum Naturzustande“ verlangen.

In unserem Falle können wir also nicht fordern, daß man hinsichtlich der Belichtung zu den Gewohnheiten der Urvölker zurückkehre, um so weniger, als schon die klimatischen Verhältnisse dagegen sprechen würden. Die primitive Bekleidung der Neger, Australier etc., die dem natürlichen Lichte allerdings die größtmöglichen Flächen darbieten würde, ist natürlich unter uns unmöglich. Selbst die Sonnenlichtbäder des steiermärkischen Gesundheitslehrers Rickli[WS 1], obwohl in einer besondern Kuranstalt geübt, blieben nicht unangefochten. Der neueste Verfechter der Naturheilung, Kneipp in Wörishofen, beschränkte sich deshalb [571] auf das Mögliche, auf das Verbot der Kopfbedeckung und des Handschuhtragens, sowie auf die Forderung des Barfußgehens, und sogar diese beschränke Rückkehr der zwölfhundert Kurgäste zur Natur soll, zumal bei Damen, anstößig und zugleich komisch wirken.

Immerhin müssen wir aber auf einige Auswüchse der Ueberkultur aufmerksam machen, die beseitigt werden könnten, wenn – die Mode nicht wäre.

Vor allem ist zu sagen, daß bei Kindern, die in der raschesten Entwicklung begriffen sind und deshalb unter die günstigsten Bedingungen versetzt werden müßten, durchaus kein Grund vorliegt, ihren Körper durch übermäßige und zu dichte Bekleidung nahezu jeder Einwirkung des Lichtes zu entziehen. Fast nur die Engländer sind so einsichtig, die Kleinen mit freiem Hals und Nacken, mit bloßen Aermchen und Beinchen eines unbeengten Daseins sich freuen zu lassen; wir Deutsche legen ja auf die körperliche Ausbildung und Kräftigung viel weniger Gewicht, dagegen recht unbedacht viel auf die „Schulbildung“. Kaum daß die jungen Weltbürger ordentlich gehen können, so stecken wir sie schon in Beinkleider und ähnliche anmuthige Schalen; in diesen dürfen sie sich dann nach den Regeln der Grammatik in Zimmern oder in recht schattigen Gärten zwischen den Häusern bewegen, sie dürfen sogar schon „spielend“ mancherlei lernen, damit sie bereits etwas „vorgebildet“ im sechsten Lebensjahre mit ungebräunter, bleicher Haut sicher eine Zierde der „höhern“ Schulbänke werden. Um sie dem Sonnenlichte zu entziehen – denn dieses bräunt die Haut, nicht die Sonnenwärme, obwohl man überall von „sonnverbrannter“ statt von „sonnenlichtgebräunter“ Haut spricht – läßt man heutzutage in „besseren Kreisen“ die Kleinen außerdem Sonnenschirme und Handschuhe tragen. Allein wir sollten gerade hier in dem wichtigen Punkt der Kinderpflege Vernunft walten lassen und bis zum Ende der Schulzeit derartige Errungenschaften der Kultur zu Gunsten einer lichtfreundlicheren Körperpflege vermeiden. Bei Erwachsenen läßt sich ja ohnehin unter den gegebenen Verhältnissen wenig zu Gunsten einer solchen ändern, aus Gründen des Anstandes und der Mode am wenigsten bei den Frauen. Die schattigsten, entsetzlichsten Hutformen, Schleier und Handschuhe darf ja kein Mann verbieten. Eine Pflanze würde bei so geringer Beleuchtung unfehlbar krank werden und zu Grunde gehen, der Mensch dagegen besitzt eine so große Anpassungsfähigkeit, daß sogar das spärliche Licht, welches auch noch durch die dichtesten Kleider dringt, dem Bedürfnisse eben noch genügen muß.

Je weniger sich voraussichtlich in Bezug auf die Hygieine der persönlichen Belichtung wird bessern lassen, desto mehr kann geschehen hinsichtlich der öffentlichen Belichtung der Straßen und weiterhin der Wohnungen.

Bei den Straßen kommt in erster Linie die Breite in Betracht.

Meist entspricht diese nicht den Forderungen der Gesundheitspflege, und zwar nicht nur in alten, sondern häufig auch in verhältnißmäßig neuen Städten. Die Straßen sind oft so eng (10, 8, ja 6 Meter breit und darunter), daß nur ein schmaler Streifen des Pflasters in der günstigen Jahreszeit von unmittelbarem Sonnenlicht getroffen werden kann, während es als Grundsatz gelten müßte, wenn nicht Lichtmangel entstehen soll, daß die Straßen breiter sind als die Höhe der höchsten Häuser auf beiden Seiten zusammen mißt. Dagegen ist in vielen Dörfern, instinktmäßig möchte man sagen, jenem Verhältniß Rechnung getragen, da hier die niedere Bauart der Häuser und die Billigkeit von Grund und Boden günstig einwirken. In den Städten aber sind die Straßen sogar bei Neuanlagen im günstigsten Fall kaum breiter als die größten Bauten der einen Seite hoch sind. Infolge dessen liegt fast immer, zumal im Winter, die eine Häuserreihe ganz im Schatten.

Auch die Richtung der Straßen ist in Rücksicht zu ziehen.

Als die günstigste für möglichst gute Belichtung muß man die von Nord nach Süd und die von Ost nach West bezeichnen, während schräger Lauf der Straßen weniger vortheilhaft ist.

In dritter Linie ist die gegenseitige Lage der einzelnen Häuser zu- und nebeneinander von größter Tragweite für das richtige Einfallen des Lichts. Das Vollkommenste in dieser Beziehung wäre, wenn alle Häuser in gehörigen Abständen voneinander auf allen vier Seiten frei liegen würden. Das ist wiederum in Dörfern häufig anzutreffen, wird neuerdings aber auch in den Städten bei sogenannten Villenvierteln durchgeführt. Es sollte jedoch eine derartige Anlage überall angestrebt werden, wo neue Quartiere entstehen; und wo die Erfüllung dieses Ideals nicht möglich ist, da sollte man wenigstens die Häuser nach drei Seiten freihalten. Immerfort aber werden noch ganze Straßenzüge mit unmittelbar aneinander stoßenden, nur durch eine Brandmauer getrennten Häusern gebaut.

Auch die Zahl der aufeinander getürmten Stockwerke ist sehr oft eine zu große: während nur zwei, höchstens drei zugelassen werden sollten, findet man fünf und mehr übereinander, ja in New-York giebt es fünfzehn-, in Chicago gar siebzehnstöckige Häuser! Wie sehr solche Eiffelthürme den Nachbarn das Licht wegnehmen, braucht nicht erst ausgeführt zu werden.

Leichter als den genannten Forderungen hinsichtlich der Belichtung wäre anderen nachzukommen, wenn nicht Gewohnheit und Mode, diese hemmenden Mächte einer richtigen Lebensweise, sich dagegen stemmen würden.

Gewohnheitsgemäß werden die beinahe überall zu kleinen und zu spärlichen Fenster – diese sollten so groß sein, daß alle zusammen dem Bodenraum des betreffenden Zimmers an Fläche gleich- oder doch wenigstens nahekämen – so gründlich verhängt, daß die an sich spärliche Lichtmenge, welche durch sie in unsere Wohnräume eindringen kann, noch erheblich vermindert wird. Vorhänge dicht hinter den Scheiben, meist aus dunklen und dichten Stoffen, allerhand Draperien von oben her setzen dem Sonnenlichte einen dichten Wall entgegen. Weiterhin nehmen dunkle Tapeten und diesen entsprechend dunkel angestrichene Thüren und Vertäfelungen, dunkel gehaltene oder mit düstern Teppichen belegte Fußböden, dunkle Möbel und natürlich dunkle Oefen, zuletzt die sogenannten „eleganten gemalten Decken“ noch einen großen Theil des durch die Fensterhüllen sich durchkämpfenden Lichtes weg. Einem solchen lichtarmen Wohnraum sagt man dann nach, es herrsche in ihm ein „vornehmes Halbdunkel“. Daß vom Standpunkte einer vernünftigen Gesundheitspflege möglichst wenig verhängte Fenster, helle Tapeten, heller, am besten weißer Anstrich der Decken und des Holzwerkes allein gerechtfertigt sind, ergiebt sich aus dem Dargelegten von selbst. In dem „vornehmen“ Halbdunkel gedeiht keine Zimmerpflanze, das wissen die Gärtner, die sie liefern, nur zu wohl; dagegen der Mensch muß der Mode zuliebe seine Gesundheit schädigen. Die Aerzte können erfahrungsgemäß daran nichts ändern, vielleicht gelingt es einem berühmten Wohnungsausstattungsgeschäft oder der Leitung einer Modezeitung, die jetzige Sitte zum Besseren zu wenden. Am schädlichsten wirkt dieses Halbdunkel in den Wohn- und Schlafräumen, besonders in den letzteren; diese sollte man nicht bloß auslüften, sondern auch auslichten, um die schädlichen Ausdünstungsstoffe, die sich hier anhäufen, rasch zu zersetzen. Ganz besonders sollten auch die Betten, so oft es geht, gründlich dem vollen Sonnenlicht ausgesetzt werden.

Die Innenräume des Hauses müssen ferner nach dem Grade ihrer Helligkeit benutzt und für bestimmte Zwecke ausgewählt werden. Vor allem sollen die Schlafräume die hellsten sein, somit nach Süden liegen, oder noch besser von zwei Seiten Licht erhalten, von Süd und Ost oder Süd und West her, je nach der Baurichtung des Hauses; ebenso die Wohnzimmer. Das gebietet schon die Rücksicht auf die Reinlichkeit, da man den Staub doch genau sehen muß, um ihn entfernen zu können. Ebenso soll das Kinder- und Spielzimmer nach Süden oder wenigstens nach West oder Ost liegen und ganz ohne Vorhänge sein. Das sogenannte „gute“ Zimmer mag dann immerhin in Gottes Namen ganz nach Norden gehen und dunkel verhängt sein, das schadet verhältnißmäßig wenig, da es ja meist nur kurz benutzt wird.

Für alle Räume des Hauses jedoch, in denen die Bewohner die größte Zeit ihres Lebens zubringen, also auch für Arbeitsräume, muß der Grundsatz in Geltung bleiben, daß sie möglichst hell sein müssen. Dafür haben die Italiener ein gutes Sprichwort: „Dove non viene il sole, viene il medico,“ deutsch etwa:

„Schließst du Licht und Sonne aus,
Kommt der Doktor dir ins Haus!“

Dr. J. Herm. Baas 

Anmerkungen (Wikisource)