Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Takelung“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 495496
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Takelung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 495–496. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Takelung (Version vom 16.11.2022)

[495] Takelung (Takelage, hierzu Tafel „Takelung“), die gesamte Vorrichtung zum Anbringen und Handhaben der Segel auf einem Schiff: die Masten, Raaen, Segel und das Tauwerk mit seinen zugehörigen Blöcken (Rollen, Kloben). Von den Masten heißt der vordere der Fock-, der mittlere der Groß- und der hintere der Besahnmast, und alle Rundhölzer, Spieren, Segel und Taue, die an einem Mast geführt werden, werden mit den entsprechenden Beiwörtern gekennzeichnet. Bei den Takelungen mit zwei Masten fehlt bei der Brigg der Besahnmast, beim Schoner der Fockmast. Der Mast besteht nur bei kleinen Fahrzeugen seiner Länge nach aus einem Stück, auf Schiffen gewöhnlich aus drei Stücken. Von diesen ist das wichtigste der Untermast (Fig. 1 I), welcher, mit seinem Fuß auf dem Kielschwein (s. Schiff, S. 455) stehend, durch alle Decke geht und mit 1/22/3 seiner Länge über das Oberdeck emporragt. Der hölzerne Untermast besteht aus dem innern Teil (Herz), welcher, wenn in der erforderlichen Länge vorhanden, aus Einem Stück gemacht wird, und den um dieses gruppierten Schalen, die zum Schutz und zur Verstärkung dienen und durch viele eiserne Ringe unter sich und mit dem Herzen zu einem Ganzen verbunden sind. Die Masten stehen nicht senkrecht zur Wasserlinie, sondern nach hinten geneigt, die vordern weniger, die hintern mehr. Durch Änderung der Neigung der Masten ist man im stande, die Lage des Segelschwerpunktes, d. h. des Druckmittelpunktes des Windes auf die Segel, zu modifizieren und dadurch die Segeleigenschaften des Schiffs zu verbessern. Unter dem obern Ende des Untermastes (Topp, II) ist derselbe durch zwei Kniee (III) verstärkt, auf denen die Längs- und Quersalingen (IV und V) ruhen. Auf letztern endlich ist der Mars (s. d., VI) verbolzt. Gestützt wird der Untermast nach vorn durch ein Stag (a) und nach hinten und den Seiten durch die Wanten (bb), starke Taue, welche mit einem Auge über den Topp des Mastes gestreift, mit dem andern Ende am Deck, resp. in den Rüsten an der Schiffseite befestigt werden. Die Wanten werden nebenbei benutzt, um aufzuentern, d. h. in die T. zu klettern; sie sind dazu mit Querleinen, den sogen. Webeleinen, ausgewebt. Wanten sind allerdings, heißen darum aber keineswegs „Strickleitern“. Die nächste und Hauptverlängerung des Mastes ist die Marsstenge (VII), welche mit ihrem Fuß mittels eines Schloßholzes (Riegels) auf den Längssalingen steht und weiter oben durch das Eselshaupt (VIII) an dem Untermast festgehalten wird; sie hat ebenfalls einen Topp (IX), Stagen (a′a′) und Wanten (b′b′), außerdem Stütztaue nach hinten (Pardunen, c′c′). An ihrem Topp ist in derselben Weise (nur ein Mars fehlt) die zweite Verlängerung, die Bramstenge (X), durch ein Eselshaupt (XI) befestigt und durch Stagen (a″a‴), Wanten (b″b″) und Pardunen (c″c″) gestützt. Ähnlich wie ein Mast, besteht auch das vorn am Bug befindliche, schräg liegende Bugspriet aus dem eigentlichen Bugspriet und seinen Verlängerungen, dem Klüver- und Außenklüverbaum, welche durch Bug-, Back- und Wasserstagen nach den Seiten und unten gestützt werden. Das bisher erwähnte Tauwerk heißt stehendes Gut zum Unterschied vom laufenden (s. d. und unten), welches seinen Namen daher hat, daß es über allerlei Rollen und durch Blöcke läuft, ehe es zur bequemen Handhabung auf dem Oberdeck bereit ist. Zum stehenden Gut benutzt man häufig Drahttauwerk, welches dauerhafter und widerstandsfähiger ist. An den Befestigungsstellen des stehenden Gutes auf dem Oberdeck und anderwärts sind stets Vorrichtungen vorhanden, um die Spannung in dem betreffenden Tau zu regulieren, resp. dasselbe nachzuspannen. Es sind dies meist sogen. Taljereeps, d. h. flaschenzugartige Apparate ohne Rollen, in neuerer Zeit auch Spannschrauben. Gegen Witterungseinflüsse wird das stehende Gut bekleidet und stark geteert, daher es schon äußerlich an seiner schwarzen Farbe zu erkennen ist. Das laufende Gut ist braun, wenn aus europäischem Hanf, oder fast weiß, wenn aus Manilahanf gefertigt. An dem Untermast, dicht unter dem Topp, hängt die Unterraa (1). Sie wird, wie jede andre Raa, nach oben durch Toppnanten (d) an ihren Nocken gestützt und mit Brassen (e) versehen, welch letztere sie in einer Horizontalebene drehen (anbrassen) können. An den Unterraaen sind die Untersegel (AA) befestigt, welche nach unten, also bis zum Oberdeck, gesetzt (ausgespannt)

[Ξ]

Takelung der Seeschiffe.
Fig. 1. Vollgetakelter Großmast eines Kriegsschiffs.
Fig. 2. Fregattschiff.
Fig. 3. Brigg.
Fig. 4. Schonerbark.
Fig. 5. Bark.
Fig. 6. Vollschoner.
Fig. 7. Gaffelschoner.
Fig. 8. Kutter.
Fig. 9. Yawl.

[496] werden. An der Marsstenge, dicht über dem Eselshaupt (VIII), befindet sich die Marsraa (2), aber zum Heißen (Aufziehen) mittels des Marsdrehreeps eingerichtet; an ihr ist das Marssegel (BB) befestigt, dessen Schoothörner (untere Zipfel) durch Taue, welche Schooten heißen, nach den Enden oder Nocken der Unterraa hin ausgeholt werden; es wird zuletzt die ganze Marsraa geheißt und dadurch das Segel gespannt. Wie die Marssegel, sind die Bram- und Oberbramsegel (C und D) an den Bram- und Oberbramraaen (3 und 4) eingerichtet. Die Taljen, resp. Taue, mit denen die Raaen geheißt werden, heißen Fallen. Sollen die Segel geborgen (eingezogen) werden, so werden sie mittels der Geitaue und Gordings zusammengeschnürt, dann gehen Matrosen auf die Raaen, um, in den Paarden (Pferden, f) stehend, das Segel aufzurollen und vollends festzubinden. Mars und Untersegel können auch verkleinert oder gerefft werden und sind dazu mit Reffleinen (gg) versehen, welche, im Segel befestigt, von demselben mehrere, gewöhnlich vier, Streifen (jeder = ein Reff) abteilen. Beim Reffen läßt man die Raa etwas herunter, dann ziehen Matrosen, welche auf der Raa verteilt sind, das Segel in die Höhe und befestigen die Reffleine auf der Raa. Etwas abweichend sind die Schratsegel eingerichtet. Die Normalstellung der bisher besprochenen Raasegel ist senkrecht zur Längsrichtung des Schiffs, die der Schratsegel liegt in derselben. Sie sind entweder Stagsegel (EE) oder Gaffelsegel (FF). Erstere sind dreieckig: an der obern Ecke, der Piek oder dem Fallhorn, ist das Fall (s. oben) befestigt; die untere, der Hals, sitzt fest an irgend einem Mastteil; die hintere, das Schoothorn, wird durch die Schoot gespannt. Zu den Stagsegeln gehört der Klüver. Gaffelsegel s. unten. Bei leichtem und günstigem Wind wird die Segelfläche durch die Leesegel (GG) vergrößert, dazu die Raaen durch Leesegelspieren (XII) verlängert, zwischen denen erstere ausgespannt werden. Man unterscheidet Unter-, Ober- und Bramleesegel, welche resp. die Unter-, Mars- und Bramsegel seitlich vergrößern.

Auf kleinern Schiffen ist die Schoner- oder Gaffeltakelung zweckmäßiger als die bisher besprochene Raatakelung, weil sie leichter zu bedienen ist, und weil mit derselben besser bei dem Wind (s. Segelmanöver) gesegelt werden kann. Jeder Mast hat hier nur ein trapezförmiges Hauptsegel, das an einer Gaffel (XIII) und am Mast selbst befestigt ist und, wie die Stagsegel, mit einer Schoot gesetzt wird. Über diesem kann ein zweites, das Gaffeltoppsegel, zwischen den Enden der Gaffel und des Mastes, der nur eine Stenge hat, angebracht werden (Fig. 7). Am Bugspriet kommt auch bei dieser T. noch eine Anzahl Stagsegel hinzu. Neuere und große Schiffe haben nicht selten eiserne Masten, welche von demselben Durchmesser wie hölzerne, aber hohl, nur inwendig stark verstrebt, gefertigt werden; zuweilen bestehen Untermast und Stenge aus einem Stück. Sie sind dauerhafter und, wo Hölzer von der erforderlichen Größe schwer zu beschaffen sind, auch billiger; Raaen stellt man aus demselben Grund zuweilen aus Stahlröhren her. Auf Kauffahrteischiffen sind doppelte Marsraaen und Patentmarsraaen vielfach in Gebrauch. Bei letztern kann man schnell, und ohne daß einer in die T. zu gehen braucht, reffen. Indem nämlich die Raa gefiehrt (herabgelassen) wird, dreht sie sich, mittels eines Zahnrades an der mit einer Zahnleiste versehenen Stenge herunterrollend, und wickelt dabei den obern Teil des Marssegels um sich selbst auf. Nach den verschiedenen Takelungen unterscheidet man bei den Seeschiffen: Voll- oder Fregattschiffe (drei Masten, alle mit Raatakelung, Fig. 2); Barken (drei Masten, Fock- und Großmast mit Raatakelung, Besahnmast Gaffeltakelung, Fig. 5); Schonerbarken (nur der Fockmast Raatakelung, Groß- und Besahnmast Gaffeltakelung, Fig. 4); dreimastige Schoner (alle drei Masten Gaffeltakelung); Briggs (zwei Masten, beide mit Raaen, Fig. 3); Schonerbriggs (auch Voll- oder Raaschoner; Fockmast mit Raaen, Großmast mit Gaffeltakelung, Fig. 6); Schoner (beide Masten mit Gaffeltakelung, Fig. 7). Einmastige Schiffe mit Raaen gibt es nicht. Die kleinern (Küsten-) Fahrzeuge unterscheiden sich mehr nach ihrer Bauart, wie z. B. Kuff, Galjaß, Galjot, und führen dabei eine der vorerwähnten Takelungen mit geringen Abweichungen. Die Gesamtsegelfläche wird durch eine Zahl angegeben, deren Einheit der Flächeninhalt des größten Querschnitts des Schiffs unterhalb der Wasserlinie ist. Sie beträgt bei den großen modernen Kreuzern mit Dampfkraft 25–30, bei kleinern 30–40; bei den großen Segelschiffen einer vergangenen Periode 40–50, bei den kleinern 60. Hat man die Gesamtsegelfläche eines zu erbauenden Schiffs bestimmt, dann muß die T. so angeordnet werden, daß der Segelschwerpunkt, d. h. der Angriffspunkt der gesamten zur Wirkung kommenden Windkraft, eine auf dem Erfahrungsweg bestimmte Lage hat, nämlich etwas vor dem Schwerpunkt und hinter der Drehachse des Schiffs und in einer Höhe über der Wasserlinie, welche mit der Stabilität in Einklang steht. Liegt der Schwerpunkt der Segelfläche zu weit nach hinten, so wird das Schiff luvgierig, d. h. von der Seite kommender Wind wird bestrebt sein, den Bug des Schiffs dem Wind entgegenzudrehen. Liegt der Segelschwerpunkt zu weit nach vorn, so wird das Schiff leegierig. Etwas luvgierig müssen gute Seeschiffe sein. Über die T. der Boote s. Boot. Vgl. Sterneck, T. und Ankerkunde (Wien 1873); Bréart, Manuel de gréement (4. Aufl., Par. 1875), und die Litteratur bei Art. Seemannschaft.