Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Stubenvögel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 401
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Stubenvögel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 401. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Stubenv%C3%B6gel (Version vom 17.03.2023)

[401] Stubenvögel (Käfigvögel, hierzu Tafel „Ausländische Stubenvögel“). Die Liebhaberei für S. ist uralt. In Indien, Japan und China richtet man schon seit Jahrtausenden kleine Vögel zu Kampfspielen ab. Alexander d. Gr. brachte den ersten Papagei von seinem Zug aus Asien mit, und auch später haben bei Eroberungen und Entdeckungen prächtige Schmuckvögel die Triumphzüge der Heimkehrenden verherrlichen müssen. Aus Amerika, wo die Peruaner seit alten Zeiten Papageien zähmten, brachte Kolumbus diese Vögel nach Europa. In Deutschland fanden der Fink und der Dompfaff in manchen Landstrichen, wie in Tirol, im Harz und in Thüringen, begeisterte Freunde, und dem Vogelmarkt, der sich in manchen Städten, wie namentlich in Berlin, außerordentlich entwickelte, verdankt auch die Wissenschaft manche Bereicherung. Viel größere Verbreitung als irgend ein heimischer Vogel fand aber der Kanarienvogel, dem sich seit dem Beginn des vorigen Jahrhunderts andre überseeische Sing- und Schmuckvögel anschlossen. Schon 1790 gab Vieillot ein besonderes Werk über dieselben heraus. Zu Bechsteins Zeit wurden 72 Arten fremdländischer Vögel nach Deutschland eingeführt, und 1858 gab Bolle ein Verzeichnis von 51 Arten. Zehn Jahre später nahm aber diese Liebhaberei einen ganz außerordentlichen Aufschwung, und wenn damals die Zahl der eingeführten Arten auf 250 veranschlagt werden konnte, so hat sich dieselbe bis 1878 auf nahezu 700 gesteigert. Neben den Singvögeln, wie Spottdrossel und andre Drosseln, Grasmücken, Finken, Starvögel, Bülbüls etc., spielen gegenwärtig besonders die Prachtfinken (Astrilds und Amadinen), Witwenvögel (Widafinken), Weber, Reisvogel, Tangaren, Sonnenvogel, Dominikanerfink, Kardinal und Papageien die größte Rolle und erregen ein besonderes Interesse dadurch, daß sie in der Gefangenschaft leicht zur Brut schreiten. Die Tafel zeigt eine Auswahl der beliebtesten ausländischen S. Man züchtet sie vielfach in sogen. Vogelstuben oder Heckkäfigen, und der Handel mit den bei uns gezüchteten fremdländischen Vögeln erreicht bereits einen namhaften Betrag. Trotz der großen Mannigfaltigkeit der fremdländischen sind aber auch die einheimischen Vögel noch immer ein bedeutsamer Gegenstand der Liebhaberei. Sprosser, Nachtigall, Schwarzplättchen, von Südeuropa her Stein- und Blaudrossel sind von großer Wichtigkeit für den Vogelhandel, dann nicht minder verschiedene Grasmücken, Rot- und Blaukehlchen, Meisen, Drosseln, Hänfling, Stieglitz, Edelfink, Gimpel u. a. m., welche auch zugleich zahlreich nach Nordamerika und andern Weltteilen ausgeführt werden. Neuerdings züchtet man auch vielfach einheimische Finken und selbst Insektenfresser in Volièren und Vogelstuben. – Was die Gesundheitszeichen aller S. betrifft, so ist darüber folgendes zu sagen: jeder Vogel muß munter und frisch aussehen, natürliche Lebhaftigkeit, glatt anliegendes, am Unterleib nicht beschmutztes Gefieder, nicht trübe oder matte Augen, nicht verklebte oder schmutzige Nasenlöcher, keinen spitz hervortretenden Brustknochen haben; er darf nicht traurig, struppig oder aufgebläht dasitzen und nicht kurzatmig sein; abgestoßenes Gefieder, fehlender Schwanz und beschmutzte Federn bergen nicht immer Gefahr, doch muß bei Wurmvögeln dann wenigstens ein voller Körper vorhanden sein. Die Fütterung soll der Ernährung im Freileben gleichen, und daher lassen sich keine allgemein gültigen Regeln geben. Die hauptsächlichsten Futtermittel für alle Körnerfresser sind Hanf, Kanariensame, Hirse, Hafer u. a. m., für die Insektenfresser: frische oder getrocknete Ameisenpuppen, Mehlwürmer, Eierbrot, Eikonserve u. dgl. wie auch süße Beeren und andre Früchte. Unentbehrlich sind auch Kalk (Sepia, wohl auch Mörtel von alten Wänden) und sauberer, trockner Stubensand. Reinlichkeit, sorgfältige Bewahrung vor Zugluft, Nässe, schnellem Temperaturwechsel, plötzlichem Erschrecken und Beängstigen sind die hauptsächlichsten Hilfsmittel zur Erhaltung der Gesundheit für alle S. Vgl. die Schriften von Ruß (s. d.); Friderich, Naturgeschichte der deutschen Zimmer-, Haus- und Jagdvögel (3. Aufl., Stuttg. 1876); Reichenbach, Die Singvögel (als Fortsetzung der „Vollständigsten Naturgeschichte“); Gebr. Müller, Gefangenleben der besten einheimischen Singvögel (Leipz. 1871); Lenz, Naturgeschichte der Vögel (5. Aufl., Gotha 1875); A. E. Brehm, Gefangene Vögel (Leipz. 1872–75, 2 Bde.); Chr. L. Brehms „Vogelhaus“, neubearbeitet von Martin (3. Aufl., Weim. 1872), und die Zeitschrift „Die gefiederte Welt“ (hrsg. von Ruß, Berl., seit 1872).

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Ausländische Stubenvögel.
1. Helenafasänchen (Habropyga Astrild). – 2. Grauer Astrild ( Habropyga cinerea). – 3. Tigerfink (Pytelia amandava). – 4. Zebrafink (Zonaeginthus castanotis) (1–4 Art. Astrilds). – 5. Bandvogel (Spermestes fasciata). – 6. Erzamadine, kleines Elsterchen (Spermestes cucullata) (5, 6 Art. Amadinen). – 7. Schwarzköpfiger Webervogel (Hyphantornis textor) (Art. Webervögel). – 8. Paradieswitwe (Vidua paradisea) (Art. Witwenvögel). – 9. Reisvogel (Padda oryzivora) (Art. Reisvogel). – 10. Tangara (Rhamphocelus brasiliensis) (Art. Tangaren). – 11. Sonnenvogel (Leiothrix luteus) (Art. Sonnenvogel) – 12. Dominikanerfink (Paroraria dominicana). – 13. Kardinal, virginische Nachtigall (Cardinalis virginianus) (12, 13 Art. Kardinal).