Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Webervögel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 458459
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Webervögel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 458–459. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Weberv%C3%B6gel (Version vom 27.12.2022)

[458] Webervögel (Ploceïdae Sund.), Familie aus der Ordnung der Sperlingsvögel, schlank gebaute Vögel mit zehn Handschwingen, von denen die erste kleiner, zuweilen rudimentär ist, starkem, konischem, nach der Basis zu abgeplattetem Schnabel, vorn getäfeltem, an den Seiten geschientem Lauf und meist kurzem, abgerundetem, zuweilen mehr oder weniger verlängertem Schwanz, sind über Südasien, Indien, den Indischen Archipel, Australien und Afrika verbreitet und bauen meist künstliche, beutelförmige Nester. Man teilt die Familie in drei Unterfamilien: Prachtfinken (Spermestinae Cab.), Witwenvögel (Widafinken, Viduanae Cab.) und echte W. (Ploceïnae Cab.). Letztere sind große oder mittelgroße Finken mit meistens kräftigem, mittellangem, schlankem Schnabel, hochläufigen, langzehigen, mit derben, scharf gekrümmten Nägeln bewehrten Füßen, langen, stumpfen Flügeln, unter deren Schwingen die vierte die längste zu sein pflegt, mittellangem, leicht gerundetem Schwanz und oft sehr prächtigem Gefieder. Sie finden sich in Afrika nördlich bis zum 18.°, auf den westlichen und südöstlichen afrikanischen Inseln und in Südasien mit seinen großen Inseln, treten meist zahlreich auf, leben auch während der Brutzeit gesellig, schlagen sich nach derselben in große Flüge zusammen, verwüsten dann bisweilen die Felder und unternehmen auch ausgedehnte Wanderungen, von denen sie schließlich nach derselben Lokalität zurückkehren. Höchst charakteristisch sind ihre Brutansiedelungen, welche weithin in die Augen fallen und bei großer Mannigfaltigkeit eine sehr bedeutende Kunstfertigkeit der Vögel dokumentieren. Selten sieht man ein einzelnes Nest an einem Baume; meist findet man ihrer 20–30, und oft sind die Bäume mit Nestern beladen. Manche W. bauen ihre Nester so dicht aneinander, daß die ganze Ansiedelung wie ein einziger Bau erscheint; andre errichten sehr große Nester, welche mehrere Nistkämmerchen für verschiedene Paare enthalten. Sie brüten mehrmals im Jahr. Große Ruhe- und Rastlosigkeit zeichnen alle W. aus; die Männchen sind fortwährend mit dem Bau der Nester beschäftigt und errichten auch solche für sich allein, während die Weibchen brüten. Das Baumaterial besteht aus Reisig, Wurzelfasern, besonders aber aus Grashalmen, welche in der kunstvollsten Weise miteinander verflochten werden. Bei aller Geselligkeit sind die W. nicht friedfertig; ihre Lebhaftigkeit führt sie zu beständigem Streit auch mit den Weibchen, und von innigem Familienleben ist nichts zu bemerken. Gesang ist ihnen versagt. Sie nähren sich von Sämereien und Kerbtieren. Bei herannahender Nistzeit verfärben sich die Männchen in sehr auffallender Weise und erhalten ein prachtvolles Hochzeitskleid aus Gelb, Rot und Schwarz, während die Weibchen beständig grau bleiben. Zahlreiche W., besonders aus Westafrika, erscheinen jetzt auf dem europäischen Vogelmarkt und gehören zu den gesuchtesten Bewohnern der Vogelstuben, wo sie alsbald den Bau ihrer Nester beginnen und zum Teil auch brüten. Zur Gattung der Viehweber (Textor Temm.) gehört der Büffelweber (T. erythrorhynchus Sm.); dieser ist 24 cm lang, schwarz, mit weißen Säumen auf den vordern Flügeldeckfedern und den Schwingen; sein Schnabel ist mennigrot, die Füße sind rötlichbraun, die Augen braun. Ihm ähnlich ist der etwas größere Alektovogel (T. alecto Temm.), mit gelblichweißem Schnabel. Dieser wohnt in Mittel-, ersterer in Südafrika. Der Viehweber (T. Dinamelli Horsf.), 20 cm lang, ist an Kopf und Unterseite weiß, Mantel, Schwingen und Schwanz schokoladebraun, alle Federn lichter gesäumt, ein kleiner Fleck am Flügelbug, Bürzel und Schwanzdecken sind scharlachrot, der Zügel ist schwarz, der Schnabel schwarzblau, der Fuß dunkelblau; er bewohnt Innerafrika und Abessinien. Diese W. leben besonders auf Viehweiden, und der Büffelweber sucht die Parasiten vom Rücken der Büffel und in deren Kot. Sie bauen wenig kunstvolle, denen unsrer Elster ähnliche Nester von 1–2 m und mehr Durchmesser aus Reisig auf Bäumen und legen im Innern derselben Nistkammern für 3–8 Paare. Das Gelege besteht aus 3–4 Eiern, welche Sperlingseiern ähnlich sind. Ein und dasselbe Nest wird mehrere Jahre nacheinander benutzt und nur wiederholt ausgebessert. Die Edelweber (Hyphantornis Gray), welche in Afrika und Südasien heimisch sind, leben stets in mehr oder minder zahlreichen Flügen zusammen und bauen auf Bäumen in großen Brutansiedelungen meist ovale Nester mit kreisrundem Einflugloch von unten, sehr dichtem Dach und leichtem, durchsichtigem Lager für die 3–5 Eier. Hierher gehört der Maskenweber (H. abyssinicus Gm.), 17 cm lang, 28 cm breit, mit 5,5 cm langem Schwanz, schwarzem Kopf und Kehle, an den Kopfseiten mit orangebrauner Binde, am Nacken, Hinterhals, Rücken, den untern Flügeldecken und der Unterseite hochgelb, an der Unterbrust bräunlichgelb, mit zwei schwarzen Schulterflecken und dunkel olivenbraunen Schwingen, mit rotbraunen Augen, schwarzem Schnabel und rötlichen Füßen. Er wohnt in Nordost- und Ostafrika, und hier findet sich auch der kleinere Goldweber (H. galbula Rüpp.), der am Vorderkopf hell rotbraun, am Oberkopf, Hals und Unterseite gelb, oberseits olivengelb, auf dem Bürzel lebhafter, auf den Flügeln dunkler braun, mit gelber Querbinde, auf dem Schwanz bräunlich olivengelb gefärbt ist. Der schwarzköpfige Weber (H. textor Gm., s. Tafel „Stubenvögel“), an Kopf und Kehle schwarz, Nacken und Brustband braun, oberseits gelb, unterseits hellgelb, mit schwarzem Schnabel, bewohnt West-, Mittel- und Nordafrika und kommt bei uns als Stubenvogel vor. Die Ammerweber (Ploceus Cuv.), in Afrika und Asien vertreten, bilden ebenfalls große Brutansiedelungen, aber nicht [459] nur auf Bäumen, sondern auch an Hausdächern, im Buschwerk und Röhricht. Der Bayaweber (P. Baya Blyth.), 15 cm lang, 24 cm breit, oberseits dunkelbraun und weiß, unterseits fahlweiß, auf der Brust hellbraun überlaufen, am Gesicht und Vorderhals schwarz, am Oberkopf gelb, findet sich in ganz Indien, auf Ceylon, Malakka und Java, baut ein retortenähnliches, sehr festes Nest, besonders an Palmen, aber auch an Hütten, und schleppt in das Nest kleine Lehmklumpen, an welche die Eingebornen allerlei Fabeleien geknüpft haben. Das Gelege besteht aus zwei weißen Eiern. Der Blutschnabelweber (Dioch, P. sanguinirostris L.), 13 cm lang, 20,5 cm breit, fahlrot, am Kopf schwarz, auf dem Mantel grünlich schwarzbraun, an der Unterseite fahlweiß, mit braunen Augen, dunkel purpurrotem Schnabel und rötlichbraunen Füßen, bewohnt den größten Teil West- und Innerafrikas, kommt in außerordentlich starken Flügen vor und nistet auf Bäumen. Das Gelege besteht aus 3–4 blaugrünlichen Eiern. Die Feuerfinken (Euplectes Sws.), welche in der Regel zu den Witwenvögeln gerechnet werden, aber vielleicht besser eine eigne Unterfamilie (Euplectinae) bilden, wohnen und brüten in Getreidefeldern, im Gestrüppe oder Röhricht und bauen ihre Nester zwar auch gesellig, aber über einen größern Raum verbreitet dicht über dem Grund und aus Halmen oder Rohrblättern sehr locker zusammengefügt. Der Feuerfink (Orangevogel, E. franciscana Isert.), 12 cm lang, 19 cm breit, mit 4 cm langem Schwanz, ist außer der Paarungszeit wie das Weibchen beständig sehr einfach sperlingsartig gefärbt, im Hochzeitskleid aber werden die Federn weich und samtartig und in der Steuergegend förmlich zerschlissen und auffallend lang. Der Vogel ist dann an Stirn, Wangen, Brust und Bauch schwarz, im übrigen lebhaft rot, auf den Flügeln braun, mit fahlbrauner Zeichnung, braunen Augen, schwarzem Schnabel und bräunlichgelben Füßen. Er bewohnt alle Durra- und Duchnfelder wasserreicher Gegenden von Mittelnubien bis Innerafrika und schweift nach der Ernte mit den Jungen im Land umher. Vgl. Ruß, Die W. und die Widafinken (Magdeb. 1884).