Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „See“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „See“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 14 (1889), Seite 800801
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: See
Wiktionary-Logo
Wiktionary: See
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
See. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 800–801. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:See (Version vom 08.12.2024)

[800] See, s. v. w. Meer (die S.), daher offene S., Seebrise und Seewind; auch s. v. w. Wellen, daher hohe S., Kreuzsee und ruhige S.; in dieser Bedeutung braucht man auch die Bezeichnung Seegang; dann (der S.) Landsee, mehr oder weniger große, mit Wasser angefüllte, ringsum von Land umgebene Bodenvertiefung, welche größere Wassermengen, sei es durch Zuflüsse oder unmittelbar durch die atmosphärischen Niederschläge, empfängt und durch Abflüsse oder Verdunstung wieder abgibt. Die Seen [801] gehören mit den Teichen, Sümpfen, Weihern, Pfuhlen etc. zu den sogen. stehenden Gewässern. Man unterscheidet Seen mit Zufluß und Abfluß; ferner Seen ohne Zufluß, aber mit Abfluß, so daß sie den Ursprung eines Flusses darstellen; dann Seen mit Zuflüssen, aber ohne Abfluß; endlich Seen, die weder den einen, noch den andern besitzen. Nach ihrer höhern oder tiefern Lage kann man die Seen auch in Gebirgsseen und in Seen des ebenen Landes einteilen. Die erstern liegen oft in bedeutender Höhe über der Meeresfläche. Der höchste S., der Titicacasee (8300 qkm oder 151 QM. groß), liegt z. B. 3824 m ü. M., während das Kaspische Meer, seiner Fläche nach der größte Landsee, ohne die Inseln 439,418 qkm (7981 QM.) groß, mit seinem Wasserspiegel 25 m unter dem des Schwarzen Meers und das Tote Meer sogar 393 m unter dem Spiegel des Mittelmeers liegt.

Die Seen sind entweder Wasseransammlungen in beckenartigen Vertiefungen des Bodens, dann nähern sie sich der Kreisgestalt, oder sie sind Ausfüllungen des tiefer gelegenen Teils eines Längen- oder Querthals, in welchem Fall sie in der Regel schmäler und langgestreckt sind. Da Seen, die durch Flüsse, Quellen oder Schneeschmelze gespeist werden, mit dem Wasser in der Regel auch viele feste Bestandteile zugeführt erhalten, welche sich auf dem Boden ablagern, so muß sich ihr Wasserspiegel nach und nach erhöhen, und infolge hiervon muß bei nicht senkrecht abfallendem Ufer ihre Oberfläche größer werden; während aber zugleich proportional zum Wachsen der Oberfläche die Verdunstung zunimmt, wird das Steigen geringer sein, als es im Vergleich zu dem abgelagerten Bodensatz sein müßte. Das durch die Ablagerung auf dem Boden bewirkte Steigen wird also in beständig abnehmendem Maß vor sich gehen, bis es sich mit der durch die Verdunstung herbeigeführten Verminderung ausgleicht, worauf das Niveau ein konstantes werden wird. Da sich aber in vielen Seen fort und fort noch beträchtliche Quantitäten fester Bestandteile ablagern, so muß eine beständige Abnahme des Wassers stattfinden, welche endlich zu einer Umwandlung der Seen in Sümpfe führen kann. Hat ein S. Zu- und Abfluß, so wird in ihm eine Strömung wahrnehmbar sein, welche auf die Ablagerung einen Einfluß ausübt, insofern letztere an den ruhigen Stellen in größerm, da aber, wo das Wasser in Bewegung begriffen ist, in geringerm Maße stattfinden muß. Erweitert sich allmählich die Abflußstelle eines Sees, während sein Zufluß derselbe bleibt, so wird das Niveau des Wassers sinken, wenn auch nicht im Verhältnis der Erweiterung des Abflusses, da mit dem Sinken des Wasserspiegels auch dessen Fläche kleiner und mithin durch die Verdunstung dem S. ein geringeres Wasserquantum entzogen wird als vorher. Es gibt auch Seen, welche früher einen Abfluß gehabt, im Lauf der Zeit aber solche Veränderungen erlitten haben, daß kein Abfluß mehr stattfindet; ferner Seen, welche ohne Zweifel einen unterirdischen Abfluß haben, wie der Lac de Joux im Jura und der Cepitschsee am Fuß des Monte Maggiore in Istrien, beide in höhlenreichem Kalkstein befindlich. Zu dieser Kategorie von Seen gehören auch die intermittierenden Seen oder solche Wasserbecken, in welchen das Wasser zuzeiten in unterirdische Höhlen und Abzugskanäle zurückweicht, zu andern Zeiten, namentlich bei nassem, stürmischem Wetter, aus jenen Höhlen mit Gewalt wieder hervorbricht und von neuem das Seebecken füllt, so z. B. der Zirknitzer S. Reliktenseen heißen Wasserbecken, deren Fauna auf eine ehemalige Verbindung mit benachbarten Meeren hinweist. Man kennt eine derartige Reliktenfauna von den südschwedischen und großen russischen Seen, von den kanadischen Seen, vom Nicaragua-, Titicacasee und Tanganjika, im ganzen von 84 Süßwasserseen. Der mediterrane Muschelkrebs des Genfer und die Reliktenfauna des Gardasees sprechen für das hohe Alter dieser Becken, das jedenfalls über die Diluvialzeit hinausreicht. Nach Credner („Die Reliktenseen“, Gotha 1883) ist indes die Beschaffenheit der Fauna eines Sees nicht maßgebend für die Beurteilung desselben als Reliktensee. Die Anwesenheit mariner Formen wird sehr oft auf aktive oder passive Wanderung zurückzuführen sein, und vielleicht haben besondere hydrographische Verhältnisse früherer Zeiten solche Wanderungen begünstigt. Die große Mehrzahl der Reliktenseen enthält nur Krustentiere, Fische und Säugetiere, und in Seen von unzweifelhaft binnenländischem Ursprung hat man ebenfalls marine Formen gefunden. Eine sichere Entscheidung in dieser Frage kann also nur die geologische Untersuchung geben. Das Wasser der Seen enthält, wie das der Flüsse und Quellen, aufgelöste fremde Bestandteile, deren Beschaffenheit sich teils nach den Bestandteilen der Zuflüsse, teils nach der Beschaffenheit des Seebeckens, teils nach dem Grade der Verdunstung und dem Verhältnis derselben zu der Menge des einfließenden Wassers richten wird. In Seen ohne Abfluß, deren Wassermenge lediglich durch Verdunstung verringert wird, müssen sich demnach die fremden Stoffe mehr und mehr ansammeln. Das Wasser der meisten Seen kann zwar wegen seines sehr geringen Salzgehalts als Süßwasser angesehen werden; doch gibt es auch Seen mit salzreichem Wasser (Salzseen), besonders häufig in der nordwestlichen Hälfte Asiens vom Kaspischen Meer an durch die Steppenländer und die Tiefländer Sibiriens bis zu den Hochebenen der Mongolei und Tatarei. Hierher gehört auch der Große Salzsee im Staat Utah in Nordamerika mit einem größern Salzgehalt als der Ozean. Das Wasser aller dieser Seen enthält vorwaltend Chlornatrium und Chlormagnesium; in andern Seen findet sich viel Natriumcarbonat und Natriumsulfat, so in kleinern Seen bei Debreczin in Ungarn, die in der heißen Jahreszeit meist austrocknen und einen reichen Ertrag an Soda gewähren, viel Magnesiumsulfat, wie in den sogen. Bitterseen in Ägypten, welche der Suezkanal durchschneidet (Natronseen); wieder andre enthalten borsaure Salze, wie in Tibet und Kalifornien. Vgl. Seiches.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 750754
korrigiert
Indexseite

[750] See (hierzu Tafel „Seebildungen“). Die stehenden Gewässer des Festlandes bieten in Bezug auf Gestalt, Umfang und Areal der Wasserfläche, Beschaffenheit der Ufer, Wassermenge, Temperatur des Wassers und den Wechsel derselben mit den Jahreszeiten, Färbung, Durchsichtigkeit und Betrag der chemisch gelösten Bestandteile im Wasser die mannigfachsten Unterschiede. Neben den klimatischen Verhältnissen sind für alle diese Erscheinungen in erster Linie die Umstände maßgebend, welche zur Entstehung eines Seebeckens Veranlassung gegeben haben. Je nach den Ursachen der Bildung lassen sich die Seebecken in drei Hauptgruppen einteilen: 1) Konstruktions- oder orographische Becken, d. h. solche, welche den gebirgsbildenden Vorgängen ihre Entstehung verdanken; im weitern Sinn kann man zu dieser Klasse von Seen auch diejenigen rechnen, welche durch Äußerung der seismischen und vulkanischen Kräfte des Erdinnern hervorgerufen sind. 2) Destruktions- oder Erosionsbecken. Die Wirkung des mächtigsten erodierenden Faktors, des fließenden Wassers, kommt hierbei nicht in Betracht, nur durch freien Fall vermag Wasser vermittelst Scheuersteine Höhlungen von geringem Umfang zu erzeugen, viel wirksamer erweisen sich Wind und unter Umständen Gletschereis. 3) Obstruktionsbecken, durch Abdämmung oder Einschließung entstanden. Je nach der besondern Entstehungsart zerfällt jede der drei Gruppen wieder in eine mehr oder minder große Anzahl von Unterabteilungen, die am zahlreichsten bei der dritten Klasse vertreten sind. Die Entstehung von solchen Abdämmungs- oder Abgliederungsbecken ist am leichtesten zu erklären. Durch Dünen oder Einschwemmung von Sinkstoffen aus einem Fluß werden kleinere Meeresbuchten teilweise oder ganz vom Zusammenhang mit dem offenen Meer abgeschlossen und in Seen verwandelt, deren anfängliches Salzwasser im Lauf der Zeit ganz ausgesüßt werden kann. Hierher gehören als die bekanntesten Beispiele die Haffe der Ostsee, überhaupt die an Flach- und Dünenküsten so häufigen Lagunen, anderseits die Seen in den Deltabildungen größerer Flüsse, wie z. B. des Nils. Auf einen ähnlichen Vorgang sind die Fjordseen zurückzuführen, welche lediglich durch Abdämmung einer jener langen, tiefen und schmalen Buchten entstanden sind, welche den Steilküsten Norwegens, Schottlands, der Westküste Nordamerikas und Patagoniens so eigentümlich sind. Baut sich quer gegen ein Flußthal ein naturlicher Damm auf, sei es durch einen Bergsturz, durch das Vorschieben von Schutthalden von den entgegengesetzten Thalwänden gegen die Thalmitte oder durch Anschwemmung eines Schuttkegels aus einem Seitenthal, so wird ein Becken gebildet, in welchem sich das Wasser zu einem S. aufstauen kaun. Dieser Prozeß spielt sich besonders häufig in Hochgebirgsthälern ab, weil hier jene Kräfte am wirksamsten in Thätigkeit sind. Nicht selten geschieht es auch, daß das Hauptflußthal sein Bett schneller erhöht als ein seitlich einmündender Zufluß, so daß letzterer abgedämmt wird. In ähnlicher Weise wie durch Flußanschwemmungen können auch durch Gletscher und deren Moränen Thäler abgesperrt und unter Wasser gesetzt werden. So entstand im Staat Wisconsin in Nordamerika der Teufelssee, indem durch das von den Gletschern der Eiszeit abgelagerte Moränenmaterial ein alter Lauf des Wisconsin River abgedämmt und in einen S. verwandelt wurde. Auf der beigegebenen Abbildung (vgl. Tafel, Fig. 2) schließen die Felsen im Vordergrund und die steile Wand an der linken Seite das alte Flußbett ein, während die sanft gewellten, niedrigen Höhen im Hintergrund die Moränenzüge darstellen, die sich quer gegen den Flußlauf legten. Unter den Eisdammseen ist der bekannteste der Märjelensee, der durch den Aletschgletscher gebildet wird. Von Zeit zu Zeit findet, sobald das Wasser sich in dem Eis die nötigen Abzugskanäle geschaffen hat, eine Entleerung unter den Gletscher hin statt, wodurch unter Umständen in den tiefern Thälern schwere Verwüstungen angerichtet werden. In vulkanischen Gegenden finden sich sehr zahlreich Explosions- und Kraterseen. Die Krater erloschener Vulkane füllen sich mit der Zeit mit Wasser an und bilden meist kreisförmige Seen. Die Explosionskrater (Maare) sind heute ebenfalls in Seen verwandelt. Das bekannteste Beispiel derselben bietet der Laacher S. in der Eifel. Als tektonische Seen bezeichnet man alle diejenigen Becken, welche mit dem innern Gebirgsbau in einem genetischen Zusammenhang stehen. Faltungen, Verwerfungen und Einbrüche sind die drei hauptsächlichsten Äußerungen der gebirgsbildenden Kraft der Erde, die auch am meisten Veranlassung zur Seenbildung geben. So liegt das Tote Meer in einer solchen mächtigen Versenkung, wahrscheinlich gehören auch die Kanadischen Seen in diese Klasse der orographischen Seen. Außer den aufgeführten Seentypen gibt es aber noch eine große Reihe von Seebecken, welche sich auf keine der beiden bisher besprochenen Ursachen ungezwungen zurückführen lassen. Es sind vor allen die Seen der Alpen und ihres Vorlandes, über deren Entstehung die Ansichten noch weit auseinander gehen. Es lassen sich zwei Arten von Seen in dem genannten Gebiet unterscheiden: 1) Hochgebirgsseen, 2) Rand- und Vorlandseen. Unter den letztern gibt es eine Menge kleiner Seen, welche auf dem alten Moränenmaterial der eiszeitlichen Gletscher liegen und nur Vertiefungen zwischen den unregelmäßigen Anhäufungen ausfüllen: sie sind echte Moränenseen. In der Verbreitung der Hochgebirgsseen ist eine direkte Abhängigkeit derselben vom Gebirgsbau oder von bestimmten geologischen Formationen nicht immer zu erkennen. Sie treten in zwei typischen Formen auf, als Zirkus- und Thalseen, von denen die letztern meistenteils Abdämmungsgebilde sind, während die Zirkusseen an die Verbreitung der Thalzirken geknüpft sind und echte Felsbecken bilden. Die obern Abschnitte mancher Thäler zeigen nämlich häufig eine ganz besondere Form: Anstatt mit einer allmählich immer schwächer ausgeprägten Rinne gegen den Gebirgskamm auszulaufen, enden sie am Fuß von Steilwänden, die sich mehr oder weniger halbkreisförmig zusammenschließen. Diese sogen. Kare gehören zu den charakteristischten Eigentümlichkeiten der Kalkalpen. Die Abhängigkeit der Bildung solcher Kare von tektonischen Vorgängen innerhalb des Gebirges ist besonders deutlich im Soierngebiet des Karwändelgebirges ausgedrückt. Wie die Thäler im allgemeinen, so wurden auch die Kare im besondern durch Faltenbildung hervorgerufen. Mächtige Versenkungen, welche an Verwerfungsspalten vor sich gingen, haben einzelne Thalabschnitte im Verhältnis zu andern so tief herabgedrückt, daß sie in Seebecken verwandelt wurden, falls die Erosion nicht mit der Faltung gleichen Schritt hielt und die Absperrung überwand. Das ist der Fall im Soiernkessel (vgl. Tafel, Fig. 1), in dessen Grund die Soiernseen liegen,

[Beilage]

[Ξ]

Seebildungen.
Fig. 1. Soiernseen und Schöttelkarspitze im Karwendelgebirge.
Fig. 2. Der Teufelssee in Wisconsin.
Fig. 3. Der Sternsee in den Vogesen.
Fig. 4. Strandterrassen an dem quaternären Bonnevillesee im Utah.

[751] die durch eine Felsbarre thalabwärts abgeschlossen sind. Von einigen Forschern werden die Zirkusseen auf Gletschererosion zurückgeführt, und zu leugnen ist nicht, daß dieselben vermöge ihrer Lage nahe unter dem Gebirgskamm zur Eiszeit Gletscher beherbergten. Die Spuren ehemaliger Gletschererfüllung sind noch heute deutlich erkennbar und zeigen sich in geglätteten oder geschrammten Felsenoberflächen, auf denen stellenweise noch Moränen liegen. Indessen ebenso sicher ist, daß die Gletschererfüllung nur eine vorübergehende Erscheinung war, die höchstens zur weitern Ausgestaltung des bereits vorhandenen Beckens etwas beitrug.

Die gleiche Ursache wird aber auch für die großen Randseen der Alpen angenommen, den Genfer, Neuenburger und Bieler S. den Brienzer, Thuner, Züricher, Walenstätter S. in der Schweiz, den Bodensee, ferner in Bayern den Starnberger S., Ammer-, Kochel-, Schliersee, Tegern- und Chiemsee und endlich für die großen italienischen Seen am Südabdang der Alpen. Den genetischen Zusammenhang zwischen der Gletscherthätigkeit und der Bildung der Alpenseen hat man auf verschiedene Weise zu erklären versucht. Nach der einen Ansicht hat die Thätigkeit der Gletscher nur darin bestanden, daß sie während der Eiszeit mit ihren mächtigen Eismassen die schon vor der Eiszeit gebildeten Seebecken ausfüllten und dieselben so vor Zuschüttung und Einebnung durch fließende Gewässer schützten. Andre denken sich die Seebecken während der Eiszeit entstanden, und zwar seien sie durch die erodierende Wirkung der Gletscher in den festen Felsuntergrund ausgehöhlt worden. Eine vermittelnde Richtung nimmt zwar ein präglaziales Alter der Seen an, doch seien dieselben schon vor Beginn der Eiszeit durch die von Flüssen hineingeschwemmten Schuttmassen ausgefüllt worden. Die Gletscher hätten dann das lockere Material wieder herausgeschaufelt, und so seien nach dem Verschwinden der eiszeitlichen Gletscher die Seen wieder ins Leben getreten. Als Stütze für die Annahme einer Entstehung der Seen durch Gletschererosion wird gewöhnlich der Umstand angeführt, daß die große Mehrzahl der Seen Europas in einem solchen Gebiet liege, das während der Eiszeit vergletschert war. Dabei wird darauf hingewiesen, daß die alpinen Rand- und Vorlandseen reihenartig oder auch radial in den Wegen der Gletscher angeordnet sind; die räumliche Entfaltung des Seenphänomens sowohl in der Richtung von W. nach O. als von N. nach Süden ist der Gletscherentfaltung proportional. Selbst die echten Felsbecken der Hochgebngsregion sollen Erosionsgebilde sein, und nur unter dieser Annahme soll sich die eigentümliche Anordnung und Beschränkung der Hochseen auf die alten Gletschergebiete erklären; der Hochseengürtel der Alpen repräsentiert eine letzte Phase in dem allgemeinen Rückgang der Vereisung. Wie den Alpenseen legt man auch den in Kessel- und Zirkusthälern gelegenen Seen, norwegisch Botner genannt, denen man in der Hohen Tatra, Sudeten, Schwarzwald, Vogesen und den norwegischen Gebirgen so häufig begegnet, glazialen Ursprung bei. Sie liegen meist über oder nur wenig unter der Schneegrenze der Eiszeit, haben vorwiegend eine östliche oder nordöstliche Exposition, sind also nicht den feuchten Südwestwinden und der Sonnenwirkung ausgesetzt. Es ist unmöglich, sie allein durch die erodierende Kraft des fließenden Wassers entstanden zu denken, da sie meistens durch massive Felsschwellen thalauswärts abgeschlossen sind. Aber auch die Gletschererosion ist für diese ziemlich tiefen Felsenkessel, die in festes kristallinisches Urgestein eingesenkt sind, völlig ausgeschlossen. Zum Beweis dessen möge nur auf die Seen der Vogesen hingewiesen werden, als deren Typus der Sternsee dienen kann (s. Tafel, Fig. 3). Der S. liegt in einer Höhe von 984 m, während die umgebenden Felswände des Kessels bis zu 1200 m ansteigen. Ringsherum stürzen die Wände zu dem S. ab, am schroffsten sind die Abhänge im Hintergrund, wo mächtige Grauwackenblöcke den S. umsäumen. Der Abschlußdamm besteht aus anstehendem Granit, der zu beiden Seiten sichtbar ist. Mitten durch den S. geht in der Richtung von NO, nach SW. eine Verwerfung, an der die Grauwacke und der Granit sich berühren. Ähnlich sind die übrigen Vogesenseen gebildet, sie liegen alle in bedeutender Höhe, eng an den Kamm angelehnt, der bei einigen Seen fast senkrecht zu dem Becken abstürzt. Ein Gletscher konnte sich unter solchen Umständen unmittelbar unter dem Kamm nicht bilden, die Seen beherbergten nur die Firnfelder, aus denen sich thalauswärts der Gletscher entwickelte. Wären die Seen glazialen Ursprungs, so müßte man entsprechend der Zunahme der Gletscherentwickelung nach Süden hin am Südost-, Süd- und Südwestabhang der Vogesen die größten Erosionsbecken antreffen; in der That liegen aber die größten und tiefsten Seen nach N. zu, während gleichzeitig das glaziale Phänomen in dieser Richtung abnimmt, so daß der Schwarze S., 950 m über dem Meer, im Mittel 40 m tief mit einem Areal von 14 Hektar, und der Weiße S., 1055 m über dem Meer, an der tiefsten Stelle fast 60 m messend, mit einer Wasserfläche von fast 30 Hektar, ganz außerhalb des zur Eiszeit vergletscherten Gebiets liegen. Die Vogesenseen sind also tektonische Becken, die gleichzeitig mit der Bildung des Gebirges entstanden sind. Zu dem gleichen Resultat haben auch die Untersuchungen über die Entstehungsweise der Schweizerseen geführt. Die genauen Tiefenmessungen im Thuner, Brienzer und Walensee sowie vor allem die hydrographische Aufnahme des Vierwaldstätter Sees haben gezeigt, daß sich der Boden dieser Seen auf weite Strecken in vollkommen ebener, horizontaler Lage zwischen den auf beiden Seiten steil ansteigenden Beckenwänden ausbreitet. Diese horizontalen Flächen des Seebodens sind nichts weiter als alte, durch fließendes Wasser eingeebnete Thalböden, die durch Aufstauung der in sie mündenden Flüsse unter Wasser gesetzt wurden. Die Aufstauung erfolgte aber durch Niveauverschiebungen der Gebirgsmassen, Faltungen oder Verwerfungen. Für die italienischen Seen ist nachgewiesen, daß sie während der mächtigen Hebung, die das Pliocän abschloß, zuerst in Erscheinung traten, und daß sie das unmittelbare Ergebnis dieser Bewegung sind; sie verdanken ihren Ursprung teils Schichtenverwerfungen und Faltungen, teils Senkungen und Hebungen. Daß in einzelnen Fällen Gletscher in losem, lockerm Material flache Becken ausgehöhlt haben, wird von keiner Seite in Abrede gestellt. Die bisher betrachteten Seen sind Festlandsseen oder echte Binnenseen insofern, als sie erst auf bereits bestehendem festländischen Boden gebildet worden sind; im weitern Sinn rechnet man dazu auch die großen Binnenmeere, die nur dem Grad, nicht dem Wesen nach sich von den kleinern Seen unterscheiden und als Überbleibsel einer frühern Meeresbedeckung gewöhnlich mit dem Namen Reliktenseen, d. h. Restseen, bezeichnet werden. Als Beweis der frühern Zugehörigkeit zu einem Meer sah man den Umstand an, daß sich Überreste einer ehemals marinen Fauna und Flora in ihnen vorfanden. Durch die [752] Untersuchungen von R. Credner über die Reliktenseen ist es jedoch sehr wahrscheinlich gemacht, daß Bestandteile einer Meeresfauna auch auf Flüssen und andern Wegen in einen S. gelangen können, so daß faunistische Befunde allein noch nicht als entscheidend für die frühere Meereszugehörigkeit jetziger Binnenseen angesehen werden dürfen; der Beweis, daß ein Seebecken ein festländisch gewordener Teil frühern Meeresbodens ist, kann vielmehr nur auf geologischer Grundlage geführt werden. Die echten Reliktenseen lassen sich vom genetischen Standpunkt aus nach ihrer Entstehung und Bildung in drei Abteilungen gliedern: 1) Reliktenseen, entstanden durch Abschnürung von Meeresteilen, sei es durch Abdämmung von Meeresbuchten oder allseitige Umschließung von Teilen des offenen Meers, z. B. durch Korallenbauten. 2) Reliktenseen, entstanden durch das Emportauchen von beckenförmigen Vertiefungen des Meeresbodens infolge negativer Niveauveränderung des Meers. Dahin gehören unter andern der Wener- und Wettersee. 3) Reliktenseen, entstanden durch Einschrumpfen von Meeresräumen zu kleinern, vom Meer unabhängigen Seebecken. In der Weise bildeten sich das Kaspische Meer, der Aralsee und manche Salzseen des Hanhai heraus. Bezüglich der Tiefenverhältnisse und Beckengestaltung sind die Seen der Alpen und einiger deutscher Mittelgebirge am genauesten durchforscht. Neuere Messungen haben Zahlen geliefert, die von den frühern in betreff der Maximaltiefe etwas abweichen und hier mitgeteilt werden mögen:

Baikalsee 1373 m
Kaspisches Meer 946
Lago Maggiore 850
Gardasee 825
Comersee 588
Totes Meer 560
Zuger See 390
Ladogasee 375
Albanersee 340
Genfer See 334
Oberer See 310
Michigansee 300
Iseosee 300

Für die Vogesenseen stellen sich die Tiefen auf:

Weißer See 60 m
Schwarzer See 45
Belchensee 23
Sternsee 17
Sulzersee 15
Die Neuweither 12
Sewensee 12

Die Seiten der Becken besitzen im großen und ganzen dieselbe Böschung wie die begrenzenden Ufer, jedoch

Fig. 1. Isobathen des Weißen Sees.

sind plötzliche Steilabstürze nicht ausgeschlossen. An den Stellen, wo Flüsse und Bäche einmünden, verflacht sich der Boden infolge der eingeschwemmten Massen ganz allmählich. Der Seeboden ist bei vielen Becken auf weite Strecken hin eben, doch gibt es auch Beispiele, in denen der Grund sich von allen Seiten gleichmäßig zur Mitte senkt, während in einigen Seen unterseeische Erhebungen vorkommen, die entweder isoliert sind oder rückenartig sich durch den S. ziehen und denselben in mehrere gewöhnlich ungleich tiefe Becken zerteilen. Die nebenstehende Skizze der Isobathen des Weißen Sees (Textfig. 1) veranschaulicht am besten die Böschungsverhältnisse eines tektonischen Sees.

Das Wasser der Seen ist gewöhnlich süß. Doch gibt es, von den großen Binnenmeeren ganz abgesehen, auch salzige Seen, aus deren Wasser teils reines, teils auch durch salzsauren Kalk, Bittererde, schwefelsaures Natron verunreinigtes Kochsalz gewonnen wird. Am häufigsten kommen Seen dieser Art in Asien in der Kirgisensteppe vor. Natronseen gibt es außer in Ägypten auch in Ungarn. Eine reiche Natrongewinnung knüpft sich an den Kratersee, der in der Nähe von Nagtown im Staat Nevada liegt, eine Tiefe von 50 m hat und im Durchmesser 1000–1200 m an der Wasserfläche mißt. Von den noch existierenden Seen des Great Basin im N. des hydrographischen Beckens des quaternären Lahontansees sind einige reine Süßwasserseen, die meisten haben etwas brackiges und alkalisches Wasser.

Was die physikalischen Eigenschaften des in den Seen enthaltenen Wassers angeht, so richtet sich die Temperatur im allgemeinen nach den Jahreszeiten. Im Innern der Wassermasse bedingt die Wärmeverschiedenheit eine vertikale Zirkulationsbewegung durch Konvektionsströme. Süßwasser erreicht bekanntlich bei 4° seine größte Dichte; liegt Wasser von 4° über solchem, das höher temperiert ist, so sinkt ersteres unter, während das wärmere Wasser seine Stelle einnimmt. Setzt sich der Abkühlungsprozeß längere Zeit hindurch fort, so bildet sich für tiefere Seen von einer gewissen Tiefe ab eine ziemlich gleichmäßige Temperatur heraus. Die Bodentemperatur sinkt nie unter die Minimaltemperatur des Winters, für den Genfer S. beträgt dieselbe 5–5,2° C. Nachdem in den kalten Wintern 1879/80 und 1885/86 die Temperatur der ganzen Wassermasse etwas herabgedrückt war, trat eine Erwärmung in der Zwischenzeit ein, die einen Wert von 0,1–0,2° im Jahr erreichte. Das Eindringen der Wärme in die tiefern Schichten des Sees rührt von einer mechanischen Mischung des warmen Oberflächenwassers mit dem kalten Wasser der Tiefe her, die hauptsächlich unter Einfluß des Windes vor sich geht. Die Wärme dringt schnell in die obersten Schichten bis zu 50 m Tiefe ein, die jährliche Wärmeschwankung nimmt mit der Tiefe rasch ab und ist bei 100 m ganz gering, doch selbst am Grund noch etwas merklich. Während in den größern Seen die Hauptmasse des Wassers in der Regel auch im Winter über 4° temperiert ist, findet am Ufer überall eine bedeutend tiefere Abkühlung statt. Dieses Strandwasser ist von der Hauptmasse durch eine vom Grund bis zur Oberfläche reichende thermische Barre von 4° getrennt, die wie ein Wall um den tiefen Teil des Sees herumläuft. Die Erwärmung [753] ist somit keine gleichmäßige, die Isothermenflächen sind nicht bloß dort, wo kälteres Flußwasser einmündet, geneigt, sondern zeigen selbst in Tiefen, wo kein schneller Temperaturwechsel stattfindet, Krümmungen und Unebenheiten. Für den Gang der Temperatur in verschiedenen Schichten lassen sich typische Kurven aufstellen, wie sie folgende Textfig. 2 bietet, welche die Temperaturveränderungen

Fig. 2. Kurven der Temperaturveränderungen.

in einem schottischen S. darstellt. Denkt man sich ein rechtwinkeliges Koordinatensystem, so wird die Temperaturverteilung im Winter durch eine der Abscissenachse parallele Gerade A dargestellt. Im Frühjahr steigt mit dem Stande der Sonne die Temperatur der Seeoberfläche schnell. Die vom Wasser aufgenommene Wärme wird durch Konduktion in die Tiefe geleitet. Infolge dieses verhältnismäßig langsamen Prozesses hebt sich die Temperatur der obersten Schichten schneller als die der tiefern. Die Haupteigentümlichkeit der Frühjahrsverteilung besteht also in der Konvexität der Kurve B von der Oberfläche bis zu ca. 30 m Tiefe. Im Sommer erhebt sich die Oberflächentemperatur nicht mehr in demselben Maß wie vorher, sondern wird mehr und mehr konstant. Da trotzdem die Wärme der obern Schichten durch Konduktion nach unten fortgepflanzt wird, so folgt, wenn die Oberflächentemperatur fast konstant ist, daß in einiger Tiefe unter dem Spiegel die Temperatur schneller zunimmt als in den Schichten darüber. Dieser Umstand bedingt eine leichte Wölbung der Sommerkurve. Diese Konkavität mit einer Konvexität darunter und einer geringern darüber ist für die Sommerkurve C charakteristisch. Im Herbst fällt die Oberflächentemperatur von Tag zu Tag, durch Konduktion und Konvektion wird die Wärme aber nicht weiter nach unten geführt. Die typische Herbstkurve D besteht in einer Horizontalen an der Oberfläche und am Boden, verbunden durch die Sommerkonkavität und die Frühjahrskonvexität. Mit dem Nahen des Winters verliert das Wasser an der Oberfläche so schnell an Wärme, daß die Konduktion nach unten aufhört und die Bodenschichten somit nur wenig von der Sommerwärme profitieren. Der Kamm der Wärmewelle geht von der Oberfläche bis zum Boden in ca. 3 Monaten, wobei die Höhe mit zunehmender Tiefe abnimmt. Gegen Ende September oder Anfang Oktober beginnt die Sommerwärme auf das Bodenwasser zu wirken, die Temperaturamplitude beträgt aber noch nicht einmal 1/5° C. Die Bodentemperatur schwankt von Jahr zu Jahr und folgt ganz genau der mittlern Wintertemperatur. In thermischer Hinsicht lassen sich alle Wasserbecken in zwei Gruppen zerlegen, nämlich in solche, deren Temperatur stets höher ist als die des Dichtigkeitsmaximums (hierher gehören die Süßwasserseen der Tropen und des wärmsten Teils der gemäßigten Zone), und in solche, deren Temperatur das ganze Jahr hindurch oder in bestimmten Monaten tiefer liegt, als die ist, welche der Maximaldichte des Wassers zukommt (hierzu gehören die Süßwasserseen der kalten Zone). Die Seebecken der ersten Kategorie zeigen in den obern Schichten eine Wärmeanhäufung, jede Abkühlung erzeugt Konvektionsströme, die eine Ansammlung von kaltem Wasser in der Tiefe zur Folge haben. In den Süßwasserseen der zweiten Gruppe findet sich relativ warmes Wasser am Boden, an der Oberfläche relativ kaltes, es herrscht also Gleichgewichtsbedingung. Konvektionsströme entstehen, sobald die Oberflächentemperatur sich hebt. Ein Zufrieren der Seen tritt erst ein, wenn die Wassermasse bis auf 4° reduziert ist. Tiefere Seen behalten, auch wenn sie zugefroren sind, am Grund eine Wasserschicht von 4°, kleinere kühlen sich bis auf den Grund stärker ab. Durch Tiefenverhältnisse und geographische Lage allein läßt sich aber nicht bei allen Alpenseen erklären, warum sie teilweise nur sehr schwer zufrieren.

Die mittlere Tiefengrenze für die Durchsichtigkeit des Wassers im Genfer S. beträgt bei Morges 10 m, im Winter (Oktober bis April) 12 m im Sommer (Mai bis September) 6 m, im Maximum 17 m. Die jahreszeitlichen Schwankungen hängen mit dem Gehalt des Wassers an suspendierten Stoffen zusammen. Die Grenze der absoluten Finsternis, bei welcher Sonnenstrahlen Chlorsilber nicht mehr affizieren, liegt im Sommer bei 45 m, im Winter bei 100 m Tiefe. Die Ursache der verschiedenen Färbung des Seewassers ist durch die Untersuchungen des belgischen Physikers W. Spring ziemlich klar gestellt. Es geht daraus hervor, daß reines Wasser bis zu einer gewissen Dicke unter allen Umständen blau ist, und zwar rührt diese blaue Färbung nicht von der Diffusion des einfallenden Lichts her, sondern von der Absorption der langweiligen Spektralfarben. Da natürliches Wasser nie optisch leer ist, sondern stets eine größere oder geringere Menge fein verteilter Stoffe in Suspension enthält, so bestimmt der Betrag an suspendierter Materie den Grad der Bläue. Sind die Partikeln relativ zahlreich, so wird ein einfallender Lichtstrahl nur einen kurzen Weg zurücklegen, bis er durch Reflexion zurückgeworfen wird: das Blau wird dann wenig gesättigt sein. Im andern Fall durcheilt der Strahl einen längern Weg im Wasser, das Blau ist mehr gesättigt und selbst dunkler. In einer Wasserschicht von geringer Tiefe werden die weniger brechbaren Strahlen, wie die roten, noch nicht hinreichend erloschen sein, das Licht wird grün erscheinen wie am Strand oder selbst die Wellen auf hoher S. Die Ursache der grünen Färbung liegt in den optischen Eigenschaften des Mediums, das eine besondere Art Trübung erfahren hat. Sind nämlich die in Suspension gehaltenen festen Bestandteile so fein, daß sie sich auch im Ruhezustand nicht niederschlagen, also im pseudokolloidalen Zustand, so bedingen diese nicht nur eine einfache Diffusion des weißen Lichts, sondern absorbieren und löschen auch einen Teil der blauen Strahlen aus. Man muß sie als die Quelle des gelben Lichts betrachten. Je nach dem Grade der Trübung ist die Wirkung eine verschiedene: bei starker Trübung erscheint das Wasser ohne eigne Färbung; kann das Licht bei geringerer Trübung tiefer ins Wasser eindringen, so [754] erscheint das Wasser grün; nimmt die Klarheit des Wassers noch mehr zu, so reduziert sich der Überschuß der gelben Farbentöne, und die Grundfarbe des Wassers tritt wieder hervor. Das Wasser der Seen muß demnach hell erleuchtet sein, es muß das einfallende Licht zurückwerfen, indem es dasselbe nach allen Seiten zerstreut; grünes Wasser muß überdies heller sein als blaues, da das Licht einen weniger langen Weg durchläuft, bevor es zurückgeworfen wird. Messungen mit dem Photometer ergaben, daß der S., welcher die stärkste gelbe Färbung hat, am meisten erhellt ist. Setzt man das Licht des blauen Sees im Kanderthal = 1, so verhält sich dasselbe zu dem des grünen Vierwaldstätter Sees und des grüngelben Brienzer Sees wie 1 : 1,094 : 1,272.

Die Seen bilden keinen bleibenden Schmuck einer Gegond, sondern sie sind mannigfachen Veränderungen bis zum völligen Verschwinden unterworfen. Seit der Eiszeit sind viele Seen in den Alpen ausgefüllt und bilden sogen. Trockenseen, andre haben seither bedeutend an Umfang und Tiefe verloren. Erstere werden durch ebene Wiesen oder Torfmoore bezeichnet, die das Seewasser verdrängt haben, größere, wie der Boden- und Genfer S., lassen an den ausgedehnten Deltabildungen der einmündenden Flüsse erkennen, daß sie einem gleichen Schicksal in nicht zu ferner Zeit unterliegen werden. Neben der Einschlämnmng von Sinkstoffen durch Zuflüsse ist besonders auch eine schnellere Wasserabfuhr infolge Vertiefung der Abflußrinne die Veranlassung zur Trockenlegung eines Seebeckens. Es gibt aber auch Seebecken, in denen durch Austrocknung der Boden bloßgelegt ist. In solchen Fällen müssen Änderungen der klimatischen Zustände eingetreten sein, welche eine starke Verdunstung des Wassers bedingten. Stehen in einem abgeschlossenen Becken Wasserzufuhr und Verdunstung im Gleichgewicht, so werden die Wellen des Sees am Strande die Spuren ihrer Thätigkeit zurücklassen, hier in Form von Strandlinien, dort als Terrassen oder Strandwälle. Jeder Wechsel im Klima und besonders der Niederschlagsverhältnisse hat ein Sinken oder Steigen der Seeoberfläche zur Folge, so daß sich die verschiedenen Strandbildungen (s. d., Bd. 17) in höherm oder tieferm Niveau wiederholen. Dieselben sind somit ein wichtiges Kennzeichen von Klimaschwankungen, welche sich mit der Eiszeit vollzogen, und haben z. B. für den quaternären Bonneville- und Lahontansee zwischen dem Felsengebirge und der Sierra Nevada den Nachweis geliefert, daß zwei relativ feuchte Perioden mit hohem Wasserstand durch eine trockne Periode getrennt waren, in welcher der S. fast austrocknete. Fig. 4 der beifolgenden Tafel bringt die Strandbildungen zur Anschauung, welche die Wellen des Bonnevillesees am Nordende des Oquirrhgebirges im Staat Utah zurückgelassen haben. Die Strandlinien und Terrassen, welche sich rund um den S. ziehen, sind in gleicher Weise auf festem Fels und an den alluvialen Kegeln der Flüsse ausgeprägt. Mit den Veränderungen im Wasserstand geht auch eine Vermehrung oder Verminderung des Salzgehalts vor sich, welche an der Hand der Fauna zu erweisen ist.

Die Seen treten entweder in Gruppen vereinigt auf, oder sie liegen vereinzelt da. Betrachtet man die Verbreitung der Seen über das Festland, so lassen sich gewisse Seeregionen unterscheiden, deren Charakter je nach der Entstehung der Seen ein verschiedener ist. Die Seen liegen in Küstenstrichen oder sind an Flußläufe geknüpft, am zahlreichsten sind sie in den Gebieten früherer Vergletscherung, am auffallendsten ist aber die Verteilung der Seen über die großen Gebirge. In den Alpen sind sie nur im zentralen Gebiet vertreten und erstrecken sich im W. von Lac du Bourget und Lac d’Annecy auf der Nordseite und dem Lago d’Orta wie Lago Maggiore im Süden bis zum Traunsee und Gardasee im O. Die Gebirge der Pyrenäischen Halbinsel und die Pyrenäen selber sind seenlos wie die Karpathen und der Kaukasus, dagegen ist der ganze Norden und Nordwesten Europas in seinem gebirgigen Teil reich an echten Felsbecken wie Moränenseen. In Südamerika ist nur Patagonien durch Seereichtum ausgezeichnet, Nordamerika hat Alpenseen nur in den Gebirgen von Britisch-Columbia, die Alleghanies sind dagegen geradezu seenlos. Asien beherbergt Seen auf der Nordseite des Himalaja und im Thianschan. Das Gegenstück zu den Alpen bildet aber in Bezug auf Seenreichtum die Südinsel von Neuseeland. Vgl. Neumayr, Erdgeschichte, Bd. 1 (Leipz. 1887); F. v. Richthofen, Führer für Forschungsreisende (Berl. 1886).