Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Seiches“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 824
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Seiches. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 824. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Seiches (Version vom 05.09.2024)

[824] Seiches (franz., spr. ssähsch), periodische Niveauschwankungen des Genfer Sees und im weitern Sinn auch andrer Seen. Nach einer von Merian aufgestellten, von Thomson vereinfachten Formel ist die Dauer der Oszillation der Länge des Sees direkt, der Quadratwurzel seiner mittlern Tiefe umgekehrt proportional, und dies gilt nach Forel auch für den Neuenburger, Brienzer, Thuner, Wallen- und Bodensee, wo die Erscheinung „Ruhß“ genannt wird.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 755
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[755]  Seiches (franz., spr. ssähsch), stehende Schwingungen des Seespiegels mit einem Knoten, die sich in periodischem Steigen und Fallen des Wassers offenbaren, wobei die Amplitude der Niveauschwankung sehr verschieden ist und zeitlich abnimmt. Der Genfer See, der zur Erzeugung der S. besonders geeignet zu sein scheint, und an dem das Phänomen am sorgfältigsten studiert ist, zeigt longitudinale und transversale S., von denen die erstern in der Richtung der Längenerstreckung des Sees zwischen Genf und Villeneuve mit einem Knoten in der Mitte zwischen beiden Punkten schwingen, während die andern sich zwischen Nord- und Südufer bewegen, so daß nun die Drehpunkte in die Längsachse des Sees zu liegen kommen. Aus den von dem Limnimeter aufgezeichneten Kurven geht jedoch hervor, daß neben der einknotigen Seiche auch noch Seespiegelschwankungen mit doppeltem Knoten vorkommen. Die Longitudinalbewegung hat eine Schwingungsdauer von 73 Minuten und ist einknotig, eine zweite, ebenso oft auftretende Seiche mit einer Periode von 35,6 Minuten ist wahrscheinlich doppelknotig; die Transversalschwingungen haben eine Dauer von 5–6 Minuten. Die einknotige Welle hat an beiden Seeenden entgegengesetzte, die zweiknotige dieselbe Phase. Verwickelt wird das Phänomen nun dadurch, daß zwischen den beiden Arten stehender Schwingungen, der einknotigen und mehrknotigen, Interferenzen wie auch Übereinanderlagerung stattfinden können. In Thonon, am Südufer des Genfer Sees auf französischem Gebiet, treten gar drei Schwingungssysteme auf, deren Perioden bez. 10, 35 und 73 Minuten, deren Amplituden im Maximum 8 cm, 2 cm und 4 cm betragen. In Genf sind die S. von 10 Minuten selten und schwach ausgeprägt. Bei den Schwingungen mit einer Periode von 73 Minuten entspricht ein Kurvenberg zu Genf einem Kurventhal zu Thonon und umgekehrt, die Amplitude nimmt an beiden Stationen gleichzeitig zu und ab, ohne daß eine konstante Beziehung zwischen beiden bestände; dasselbe gilt für die S. von 35 Minuten. Wahrscheinlich rühren die Schwingungen von zwei verschiedenen Systemen her, von denen das eine sich über den ganzen See erstreckt, das zweite nur über das eine oder das andre der beiden Becken des Genfer Sees, die durch eine unterseeische Moränenablagerung zwischen Yvoire und Nyon voneinander getrennt sind. Für die Schwingungsdauer der S. hat F. A. Forel eine einfache Formel aufgestellt. Nach derselben ist die Schwingungsdauer einer Seiche , wo l die Länge, g die Beschleunigung der Schwere, h die mittlere Tiefe des Querschnittes des Sees bezeichnet. Diese Formel ist außer durch Forels eigne Beobachtungen an Schweizer Seen auch an mehreren andern Seebecken bestätigt. Forel hat dann seine Theorie auch auf die von alters her bekannten Strömungen des Euripus, jene gezeitenähnlichen Erscheinungen des zwischen der Insel Euböa und dem Festland eingeschlossenen schmalen Meerbusens, angewandt. Hier treten neben wirklichen schwachen Gezeiten besonders zur Zeit der Quadraturen richtige S. auf, die auf einknotigen Schwingungen beruhen. Ähnliche Erscheinungen werden aus dem Gebiet des Mittelmeers, von Malta, aus dem Hafen von Algier und von der West- und Südküste Siziliens berichtet, doch ist es noch zweifelhaft, ob dieselben auf stehenden Schwingungen beruhen. Die Veranlassung zu diesen plötzlichen Störungen des Gleichgewichtszustandes eines Binnensees oder eines fast geschlossenen Meeresteils kann nur von den atmosphärischen Veränderungen ausgehen, da erfahrungsgemäß der Beginn der Seespiegelschwankung mit dem Ausbruch eine Sturms zusammenfällt. Eine einfache barometrische Depression allein genügt jedoch noch nicht, erst ein in möglichst vertikaler Richtung erfolgender Stoß auf einen Teil der Wasserfläche, wie beim Föhn, oder wenn eine Böe in Stößen weht, vermag den Seespiegel in stehende Schwingungen zu versetzen.