Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Schnee“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 575576
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Schnee. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 575–576. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Schnee (Version vom 15.12.2023)

[575] Schnee, atmosphärischer Niederschlag, welcher sich nach denselben Gesetzen bildet wie der Regen (s. d.). Wenn die Verdichtung der Wasserdämpfe bei einer unter dem Gefrierpunkt liegenden Temperatur vor sich geht, so nimmt der Niederschlag die Gestalt festen Eises an und bildet gewöhnlich Körper (s. Figur), welche sich zu mannigfachen Formen, oft äußerst zierlichen Sternen, gruppieren, in denen die Form des Sechsecks vorherrscht und nur Winkel von 60° oder 120° vorkommen. Diese Figuren heißen Schneekristalle. Nähert sich die Temperatur der Luft dem Gefrierpunkt, so fallen besonders aus Nadeln bestehende Gebilde, während bei stärkerer Kälte Eisblättchen auftreten; bei einer Temperatur von −20° gehört Schneefall zu den Seltenheiten, da bei großer Kälte die Luft nur wenig Wasserdampf enthalten kann. Meist sind die Schneekristalle, deren Formen Scoresby genauer untersucht und in Gruppen geteilt hat, flächenartige Sterne, die senkrecht zu ihrer Ebene nur sehr dünn sind. Körperhaftere Gebilde entstehen durch Verbindung mehrerer Schneesternchen nach den Gesetzen der Zwillingsbildung oder dadurch, daß zwei parallele Blättchen durch eine auf ihrer Ebene senkrechte Säule verbunden werden, doch kommt diese letztere Form am seltensten vor. Bei windstillem Wetter ohne Nebel sind die Formen am reinsten; Nebel erzeugt rauhe, wenig ausgebildete Kristalle, und Wind wirbelt die Sternchen ineinander und zerbricht sie. Bei milderer Temperatur frieren zahlreiche Sterne zu oft sehr großen Flocken zusammen. Die Wasserhöhe, welche aus einer gewissen Höhe des gefallenen Schnees durch Auftauen entsteht, ist sehr verschieden, da der S., welcher bei strenger Kälte fällt, feinkörnig und ausnehmend locker ist. Im allgemeinen verhalten sich die Dichtigkeiten von S. und Wasser wie 1 : 10. Bei längerm Liegen sinkt der S. zusammen, die Sonne schmelzt kleine Quantitäten, und wenn auch das Wasser wieder gefriert, so verbindet es doch die Kristalle, macht den S. dichter und erzeugt oft eine feste Kruste und im Innern der Schneemassen sich beständig vergrößernde Eiskörner. Diese Erscheinung ist analog der Bildung des Firns der Gletscher (s. d.). In trockner Luft verdampft der S. schnell, wegen seiner weißen Farbe taut er sehr langsam, und wenn er mit Wasser durchtränkt ist, so absorbiert das unter dem Einfluß der Sonne verdunstende Wasser so viel Wärme, daß sich der S. lange erhalten kann. Dunkle Körper (Kohle, schwarze Erde etc.), welche sich in der Sonne stark erwärmen, befördern, wenn sie auf den S. gestreut werden, das Tauen desselben ungemein, ebenso das Bestreuen mit Salz, indem sich eine schwer gefrierende Salzlösung bildet. Die Farbe des frisch gefallenen Schnees ist blendend weiß, etwas ins Bläuliche spielend. Daher reflektiert er viel Licht, erhellt die dunkeln Nächte, wirkt aber auch wegen des stark reflektierten Tages- oder Sonnenlichts blendend auf die Augen und erzeugt dadurch namentlich in den nördlichen Gegenden die Schneeblindheit. Auf Hochgebirgen (Alpen, Pyrenäen) sowie im hohen Norden zeigt der S. oft auf seiner Oberfläche und auch mehrere Zoll nach innen eine rote Farbe, welche von mikroskopisch kleinen, karmin- bis blutroten Organismen herrührt. Der roten Farbe wegen heißt diese Erscheinung Blutschnee (s. d.).

Schneekristalle.

In den kalten Zonen fällt der größte Teil des Niederschlags in Gestalt von S., ebenso auf höhern Gebirgen. Je mehr man sich der kalten Zone nähert, und je höher man emporsteigt, desto größer wird der Anteil des Schnees an der gesamten Niederschlagsmenge. Die Region des Schnees beginnt in Europa etwa im mittlern Italien; in Asien und besonders in Amerika erstreckt sie sich aber viel weiter nach Süden. Im allgemeinen kann man den Anfang derjenigen Region, in der es in der Ebene überhaupt schneit, in die Isotherme von 15° C. setzen, die etwa durch Florenz geht. Von hier an nimmt die Schneemenge mit der Breite zu bis etwa zur Isotherme von 5°, die ungefähr durch Drontheim geht, worauf sie wieder abnimmt, da im hohen Norden die Luft zu kalt ist, um viel Wasserdämpfe enthalten zu können. Auf den Gebirgen ist die Höhe, in welcher S. fällt, um so beträchtlicher, je mehr man sich dem Äquator nähert. Der größte Teil des im Winter gefallenen Schnees taut im Sommer weg; doch bleibt von bestimmten Höhen ab aufwärts ein Teil des Schnees das ganze Jahr [576] über liegen, ohne zu schmelzen. Die Schneedecke der Gebirge steigt im Winter gegen die Niederungen herab und zieht sich im Sommer wieder gegen die Gipfel der Gebirge zurück. Jene Höhengrenze, bis zu welcher sich der S. der Gebirge im Sommer zurückzieht, bezeichnet man als Schneegrenze oder Schneelinie, auch die Grenze des ewigen (besser fortdauernden) Schnees genannt. Sie ist von zwei klimatischen Faktoren abhängig: von der Sommerwärme und von der Mächtigkeit der winterlichen Schneemengen. Die Schneelinie fällt deshalb keineswegs mit der Jahresisotherme von 0° zusammen, sondern liegt bald über, bald unter dieser Jahresisotherme, je nach dem Verhältnis der Sommerwärme zu der Menge des im Winter gefallenen Schnees. Die mittlere Jahrestemperatur an der Schneelinie sinkt um so tiefer unter den Gefrierpunkt des Wassers, je kontinentaler das Klima (s. d.) und je geringer die Schneemenge des Winters ist. Deshalb ist auch die jahreszeitliche Wanderung der untersten Schneegrenze in jenen Gegenden am größten, wo der Unterschied zwischen Sommerhitze und Winterkälte am größten ist, also im kontinentalen Klima; sie ist im Küstenklima kleiner und sehr klein unter dem Äquator, wo namentlich in den Höhen der Schneegrenze fast kein Wärmewechsel der Jahreszeiten mehr besteht. Nachstehende Zahlenangaben geben eine Übersicht der Höhengrenze der Linie des „ewigen Schnees“ unter verschiedenen Breitengraden und verschiedenen klimatischen Verhältnissen:

Orte Geo­graphische Breite Höhe der Schneegrenze in Metern
Nordgrönland 75° Nord 715
Island (Österjökul) 65 936
Norwegen: Inneres 70 1021
   Küste 70 884
   Inneres 60 1680
   Küste 60 1360
Alpen: West- und Mittelalpen 45–47 2700
   Ostalpen 45–47 2800
Kaukasus: Elbrus 43 3372
   Kasbek 43 3235
Himalaja: Südabhang 27 3956
   Nordabhang 301/2 5067
Karakorum: Tibet 28–36 5820
Südamerika: Andes unter d. Äquator 0   4820
Kilima Ndscharo (Afrika) Süd 5000
Südamerika: Andes von Bolivia (Ostseite) 16 4850
  do. do. (Westseite) 16 5620
  Andes von Chile 33 4500
   „ Patagonien 42 1830
Magelhaensstraße 531/2 1100

Aus der Vergleichung dieser Zahlenwerte ersieht man den Einfluß eines feuchten, gleichmäßigen Klimas auf das Herabdrücken der Schneegrenze und das Zurückweichen derselben in größere Höhen im trocknen, extremen Klima. So liegt z. B. in Norwegen die Schneelinie in gleichen Breiten an der Küste tiefer als im Innern, ebenso an der feuchten indischen Seite des Himalaja tiefer als auf dem nördlichen Abhang, der ein mehr kontinentales Klima besitzt, und dessen Temperaturverhältnisse durch die Hochebenen Mittelasiens stark beeinflußt werden. Am höchsten liegt sie in den trocknen Hochebenen Tibets auf dem Karakorum. In dem regenreichen Patagonien reicht in der Breite von Rom (42°) die Schneegrenze bis zu 1830 m, und in der Magelhaensstraße, unter der Breite von Berlin, liegt die Schneelinie nur wenig höher als in Norwegen unter 70°. Vgl. Fischer, Die Äquatorialgrenze des Schneefalls (Leipz. 1888).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 730731
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[730] Schnee. Den Begriff der Schneegrenze definiert man gewöhnlich als die untere Grenze der dauernden Schneebedeckung in den Gebirgen oder als die durchschnittliche äußerste Meereshöhe, bis zu welcher im Sommer die zusammenhängende Schneedecke zurückreicht; über der Schneegrenze ist Überschuß von Schneefall, unter derselben Überschuß von Schmelzwärme (Heim, Gletscherkunde, und Hann, Klimatologie). Damit in Übereinstimmung befindet sich E. Richter, der die Schneegrenze als jene Höhenlinie im Gebirge bezeichnet, oberhalb welcher die sommerliche Wärme nicht mehr ausreicht, den im Verlauf des Jahrs gefallenen Schnee wegzuschmelzen. Fr. Ratzel führt dagegen den Begriff der orographischen Begünstigung ein und definiert die klimatische Schneegrenze als die Verbindungslinie jener Punkte, oberhalb welcher der Firn vermöge der niedrigen Lufttemperatur und seiner Masse auch ohne den Schutz orographischer und geologischer Begünstigung nicht mehr wegschmilzt. [731] Im Gegensatz zu dieser klimatischen Firngrenze bezeichnet Ratzel die orographische Schneegrenze als die Linie, welche die Gruppen der im Schutz von Lage, Bodengestalt und Bodenart vorkommenden Firnflecke und Firnfelder verbindet. Kerner endlich versteht unter normaler Schneedecke jene Linie, bis zu welcher auf Gehängen und Gipfeln, abgesehen von Mulden und ebenen Flächen, der S. zurückweicht. Die verschiedenen Definitionen unterscheiden sich also hauptsächlich nur durch den Grad, in welchem der Einfluß des Gebirgsbaues als wesentlicher Faktor in Betracht gezogen wird. In erster Linie werden die Schneeansammlungen aber durch klimatische Faktoren bedingt; solche sind die Wärmeabnahme mit der Höhe und die Anwesenheit einer gewissen Menge von Wasserdampf. Bei der Bestimmung der Schneegrenze für ein bestimmtes Gebirge kommt es also darauf an, die orographischen Elemente von den klimatologischen zu scheiden. Diese Aufgabe ist von E. Richter für die Gletscher der Ostalpen durchgeführt. Nachstehende Tabelle gibt eine Übersicht über die Höhe der klimatischen Schneegrenze in den Ostalpen, d. h. derjenigen Linie, über welcher zur Schneeansammlung geeignete Stellen vermöge der niedrigen Lufttemperatur auch ohne den Schutz orographischer und geologischer Begünstigung nicht mehr schneefrei werden:

Ostalpen Höhe der klimatischen Schnee­grenze in Metern
Nord­abhang Im Mittel Süd­abhang
Nördliche Kalkalpen 2500
Silvretta 2700
Ötzthaler Alpen 2800 2900–3100
Ortleralpen 2900 3000
Adamellogebirge 2800
Stubaier Gebirge 2800
Zillerthaler Alpen 2700
Westl. Tauern: Venedigergr. 2600 2700 2800
Östl. Tauern: Glocknergruppe 2600
 Schober- und Goldberggr. 2700
 Ankogelgruppe 2600 2700
Südliche Kalkalpen: Brentagr. 2700
Südtiroler Dolomite 2700–2750

Aus diesen Zahlen läßt sich zunächst die Thatsache entnehmen, daß ein Ansteigen der Schneegrenze in den Alpen in der Richtung von W. nach O., wie man früher annahm, nicht besteht. Das beweist die große westtirolische Massenerhebung zu beiden Seiten der obern Etsch, der südliche Teil der Ötzthaler Alpen und die Ortlergruppe, die sich als ein Gebiet sehr hoben Standes der Schneelinie erweist, welches sowohl im N. und NW. als im S. von Gebieten mit niedrigerer Schneegrenze umgeben ist. Die Außenränder besitzen eine tiefere Schneegrenze als die innern Teile, die größten Massenerhebungen weisen den höchsten Stand auf; anderseits sinkt die Linie um so mehr, je weniger breit im ganzen der noch in die Schneeregion aufragende Teil des Gebirges ist. Die Zunahme der Höhe der Schneegrenze ist von N. gegen S. weniger bedeutend als von außen gegen innen, indem die Schneegrenze in den südlichen Randketten zwar höher liegt als in den nördlichen, aber doch niedriger als in den innern Gebieten. Vgl. E. Richter, Die Gletscher der Ostalpen (Stuttg. 1888); Woeikof, Der Einfluß einer Schneedecke auf Boden, Klima und Wetter (Wien 1889); Ratzel, Die Schneedecke, besonders in deutschen Gebirgen (Stuttg. 1889).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 838840
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[838] Schnee (Einfluß auf Boden, Klima und Wetter). Wenn auch schon früher bekannt war, daß die Schneedecke einen Einfluß auf die klimatischen Verhältnisse ausübt, so konnten bisher doch nur wenige Thatsachen dafür angeführt werden, von denen als die hauptsächlichste hervorgehoben werden soll, daß die Temperatur der Frühlingsmonate nach einem schneereichen Winter besonders niedrig ist, und daß auf einen schneearmen Winter ein wärmerer Frühling folgt. Planmäßige Beobachtungen über den Einfluß der Schneedecke auf die Temperatur, die Feuchtigkeit etc. hat Woeikof auf den meteorologischen Stationen Rußlands in größerm Umfang eingeführt und aus denselben im wesentlichen folgende Resultate gewonnen.

Zunächst ergibt sich für den Einfluß der Schneedecke auf die Temperaturverhältnisse folgendes: 1) der S., als schlechter Wärmeleiter, schützt den Boden vor Abkühlung während der ganzen Zeit, in welcher die Temperatur der Luft und der Oberfläche des Schnees unter 0° ist. 2) Dieser Einfluß ist bei gleich tiefer Schneelage um so größer, je lockerer der S. liegt. Er ist erheblich kleiner bei mit Wasser durchtränktem und firnartigem S. und wächst mit der Mächtigkeit der Schneedecke. 3) Bei Temperaturen über 0° ist der Einfluß entgegengesetzt, also abkühlend, und dauert auch nach erfolgter Schneeschmelze noch fort, weil der Boden mit Wasser von 0° erfüllt ist, welches sich nur langsam erwärmt. 4) Im ganzen mindert also der S. die Schwankungen der Temperaturen des Bodens. 5) Die erwärmende Wirkung einer Schneelage ist größer als deren abkühlende und zwar um so mehr, je länger die Schneebedeckung bei Temperaturen unter 0° dauert, so daß bei einer Schneebedeckung von 50 cm Höhe und über 6 Monaten Dauer wahrscheinlich schon in einer Tiefe von 1 m die Temperatur des kältesten Monats nicht niedriger ist als die Jahrestemperatur an der Oberfläche des Festen (S. und Eis als Festes mit einbegriffen) und in der untern Luftschicht. 6) Die Temperatur an der Oberfläche des schneefreien Bodens ist höher als diejenige an der Oberfläche des Schnees. 7) Diese hängt von den physikalischen Eigenschaften des Schnees ab, seiner starken Ausstrahlung, seiner geringen Wärmeleitung und der Unfähigkeit, sich über 0° zu erwärmen, ohne seinen Aggregatzustand zu verändern. 8) Da die Temperatur der untern Luftschicht in einer großen Abhängigkeit von der Temperatur der (flüssigen oder festen) Unterlage steht, so muß dieselbe unter sonst gleichen Verhältnissen über einer Schneelage niedriger sein, als wenn kein S. liegt. 9) Da die Abkühlung der Oberfläche des Schnees im Vergleich zum schneefreien Boden an klaren Tagen größer ist als an bedeckten, so müssen dieselben Verhältnisse auch für die untere Luftschicht gelten. 10) Wenn S. auf dem Boden liegt, so ist in der Regel eine sogen. Umkehrung der Temperatur vorhanden, d. h. die unterste Luftschicht ist kälter als die etwas höhere und zwar auch in der Mitte des Tages; besonders ist dies an klaren und windstillen Tagen der Fall. Die Umkehrungen der Temperatur zwischen Thälern und benachbarten Höhen, d. h. die niedrigere Temperatur der erstern kommt auch am häufigsten bei einer Schneelage vor. 11) Der auf dem Boden und Eis liegende S. mildert die Abkühlung des Festen und der Gewässer höherer Breiten sehr erheblich. 12) Die niedrigen Temperaturen, welche in Gegenden ohne gewöhnliche Schneebedeckung vorkommen, wie in den Ebenen von Turan und auf den Plateaus von Hochasien, können durch folgende [839] Ursachen erklärt werden: a) Es fällt auch dort zuweilen S., und ihm folgt dann in der Regel strenge Kälte durch Ausstrahlung. Die Kälte ist sehr intensiv, weil die Bewölkung klein und die Luft stark diatherman ist. b) Weil namentlich in Hochasien die Winde stark und die Luft trocken sind, so trocknet auch der Boden bis auf eine bedeutende Tiefe aus und wird ein schlechter Wärmeleiter. Seine Oberfläche, besonders wenn sie sandig ist, kühlt sich dann rasch ab. c) Niedrige Temperaturen werden oft auch durch Winde aus schneebedeckten Gegenden gebracht, wie z. B. in die Ebenen von Turan aus Westsibirien.

Der Einfluß der Schneedecke auf die Windverhältnisse läßt sich in folgender Weise aussprechen: 1) die rauhe Oberfläche des Schnees und die darüber lagernde kalte Luft vermindern die Windstärke. 2) Dies trägt zur Erhaltung der Schneedecke bei, indem der Einfluß warmer Winde abgeschwächt wird. 3) Die geringere Windstärke, ebenso auch die kältere Luft sind der Bildung und dem Beharren von Anticyklonen über einer Schneelage günstig. 4) Die oft so furchtbaren Burane (Kriwitz, Purga, Schneestürme) sind durchaus nicht immer von einem so starken Winde begleitet, daß er Beschädigungen an Gebäuden, Bäumen u. dgl. bewirken könnte. Die schädliche Wirkung rührt von dem Schneetreiben her, welches Menschen und Vieh ihrer Sinne beraubt.

In Bezug auf den Einfluß einer Schneedecke auf die Feuchtigkeit der atmosphärischen Luft und die Bewölkung wäre folgendes zu merken: 1) Wegen der Verdunstung des Schnees ist meistens die relative Feuchtigkeit über einer Schneelage größer als ohne dieselbe. Wenn mit Feuchtigkeit gesättigte Luft mit S. von niedrigerer Temperatur in Berührung kommt, wird ein Teil ihrer Feuchtigkeit an der Schneeoberfläche kondensiert. 2) Die Verdunstung von S. wird dadurch gemildert, daß seine Oberfläche gewöhnlich kälter ist als die der Luft. 3) Der Einfluß einer Schneedecke auf die Bewölkung ist je nach den Umständen verschieden. Die größere relative Feuchtigkeit ist einer größern Bewölkung günstig, während bei den durch den S. beförderten Anticyklonen eine geringere Bewölkung gewöhnlich ist.

Von besonderer Wichtigkeit ist die Schneeschmelze, für welche sich folgende Behauptungen aussprechen lassen: 1) der S. taut nicht oder fast nicht unter dem Einfluß der direkten Sonnenstrahlen, solange die Lufttemperatur unter 0° ist. Daher fängt die Schneeschmelze im großen nur dann an, wenn warme Luft von schneefreiem Lande oder eisfreiem Meere die Lufttemperatur über 0° erhoben hat. 2) Auf der nördlichen Halbkugel sehen wir daher ein schrittweises Vorrücken der Schneeschmelze von Süden nach N. und von W. nach O., weil die Meere im O. der beiden Kontinente kalt sind. 3) Auf der nördlichen Halbkugel sind bis in die höchsten Breiten im Sommer eisfreies Wasser und schneefreies Land so nahe aneinander, daß im Juni überall ein genügender Zufluß warmer Luft vorhanden ist, um die Schneeschmelze im großen einzuleiten. Daher schmilzt auch der S. auf den Ebenen und an den Meeresküsten während des Sommers, und die Temperatur eines oder zweier Monate ist über 0°. 4) Daß dieses nicht überall die Regel ist, zeigen die höhern Breiten der südlichen Halbkugel, wo südlich vom 62.° südl. Br. auch im Hochsommer die Mitteltemperatur unter 0°, südlich vom 78.° südl. Br. sogar unter −4° ist; hier hat die warme Luft eine Entfernung von 1000 km über eine unter 0° abgekühlte Wasserfläche zu passieren, kühlt sich dabei erheblich ab und kann daher auf dem Südpolarkontinent keine Schneeschmelze bewirken. 5) Die Schneeschmelze hat einen bedeutenden Einfluß auf die Wassermenge der Flüsse; von ihr hängt das große und regelmäßige Hochwasser der Flüsse des europäischen Rußland und Westsibiriens ab. 6) Die Wasserhöhe der kleinern Flüsse und Bäche im Frühling hängt nicht allein von der Masse des auf dem Boden liegenden Schnees ab, sondern auch von seiner mehr oder weniger raschen Schmelze sowie davon, ob der Boden auf eine größere Tiefe gefroren ist oder nicht. In dem erstern Falle ist er für Wasser undurchdringlich und erreicht dieses die Flüsse rasch. Ist aber tiefer S. auf nicht gefrornen Boden gefallen, so dringt bei der Schneeschmelze sehr viel Wasser in den Boden.

Anders wie in der Ebene zeigt sich der Einfluß einer Schneedecke im Gebirge. Für diesen wäre folgendes zu merken: 1) Die Lufttemperatur auf isolierten Bergen hängt viel weniger von der Temperatur der Oberfläche ab als in Thälern und auf Ebenen, und daher ist eine Schneelage in diesem Falle von relativ geringerm Einfluß. 2) Eine Schneelage auf Bergkämmen kühlt die Luft im Frühling und im Sommer bedeutend ab, so daß häufig ein labiles Gleichgewicht der Luftschichten in vertikaler Richtung entsteht. 3) Die Bora der Ostküsten der Adria und des Schwarzen Meeres wird besonders heftig wegen des labilen Gleichgewichts, welches durch den Kontrast der Temperaturen zwischen den schneebedeckten Bergkämmen und der warmen Meeresküste bewirkt wird. 4) Die Gebirgsflüsse, welche durch die Schmelze der Gletscher und Firne gespeist werden, haben auch in trocknen Jahren oft viel Wasser, weil dann mehr Firnschnee abschmilzt als fällt. Jahre mit besonders ergiebigem Schneefall in der Firnregion sind nicht immer durch große Wasserfülle der Flüsse gekennzeichnet, weil dann die Schneemasse der Firne erheblich zunimmt. 5) Der S., welcher in den Gebirgen fällt, hat einen wesentlichen Einfluß auf das nachfolgende Wetter der Thäler und Ebenen am Fuße der Gebirge und zwar nicht nur in Bezug auf die Temperatur, sondern auch in Bezug auf den Luftdruck und den atmosphärischen Niederschlag. Dies ist für das nördliche Indien als unzweifelhaft bewiesen und hat sich für die Vorherbestimmung des Wetters als äußerst wichtig gezeigt.

Alle diese im vorstehenden angegebenen Einflüsse einer Schneelage wachsen, wenn die mit S. bedeckte Gegend an Ausdehnung zunimmt. Daher sind in der Mitte großer schneebedeckter Gebiete häufigere Anticyklone und niedrigere Temperatur zu erwarten als an den Rändern. Wenn deshalb auch der Einfluß der Schneedecke für die weiten Gebiete Rußlands von ganz besonderer Wichtigkeit sein wird, so werden die darauf gerichteten Beobachtungen doch auch für die westlicher gelegenen Länder Europas ihre Bedeutung haben, weil gerade hier die häufiger eintretende Abwechselung von schneefreiem und mit S. bedecktem Boden die Möglichkeit zu interessanten Vergleichen gibt. In Rußland ist von der meteorologischen Kommission der Kaiserlichen geographischen Gesellschaft eine Instruktion für die Beobachtungen der Schneeverhältnisse auf ihren Stationen eingeführt, und auch einige Eisenbahnverwaltungen haben ihren Beamten die betreffenden Beobachtungen zur Pflicht gemacht. Es ist daher zu hoffen, daß es in nicht zu ferner Zeit möglich sein wird, aus diesen Beobachtungen in Verbindung mit den in andern Gebieten angestellten eine Reihe von Fragen über den Einfluß der Schneedecke auf die klimatischen Verhältnisse definitiv zu beantworten. Vgl. Woeikof, Der Einfluß einer Schneedecke auf Boden, [840] Klima und Wetter (Wien 1889). – Über die Struktur des Schnees s. Eis, S. 217.