Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
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Band 13 (1889), Seite 509511
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Quelle. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 509–511. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Quelle (Version vom 30.11.2023)

[509] Quelle, die Stelle, an welcher ein flüssiges oder gasförmiges Material aus der Erde austritt, oder dies Material selbst, welches in weitaus den meisten Fällen ein mehr oder weniger mit gelösten Stoffen beladenes Wasser ist, in einzelnen Fällen aber auch Naphtha (mit oder ohne Wasser) oder Gas (Kohlensäure, Schwefelwasserstoff, Kohlenwasserstoff) sein kann. Zu den letztern Quellen, den Gasquellen, gehören die Mofetten, Fumarolen (s. d.) sowie die Soffioni Toscanas. Alles Quellwasser ist atmosphärischen Ursprungs und rührt von demjenigen Teil der Niederschläge her, welcher weder sofort wieder verdunstet, noch oberflächlich abfließt, sondern in die obern Erdschichten gelegentlich bis zu sehr bedeutender Tiefe einsinkt. Das Zustandekommen der Quellbildung beruht auf einer abwechselnden Verteilung von wasserdurchlassendem und wassersperrendem Gesteinsmaterial in der Erdkruste. Das erstere (Sande, Gerölle, zerklüftete Gesteine der verschiedensten Art) setzt dem Versinken des Wassers keinen Widerstand entgegen bis zu dem Punkt, wo es selbst von einer wassersperrenden Schicht (Thon, Lehm, Mergel) abgelöst wird. Liegt die wassersperrende Schicht (B) unter dem wasserdurchlassenden Material (A) horizontal, so wird sich das Wasser auf ihr in der untersten Region der durchlassenden Masse sammeln [510] (wasserführende Schicht, Wasserhorizont) und kann nur zum Austritt kommen, wenn die Kontur des Terrains diese unterste Partie durchschneidet, sie also etwa den Sockel eines als Sammelterritorium dienenden Gebirgsstocks bildet. Rund herum,

Fig. 1. Quellenbildung bei horizontaler wasser­sperrender Schicht.

an allen Stellen, wo diese obere Grenze der wassersperrenden Schicht zu Tage geht, werden Quellen sich bilden (Fig. 1). Ist das ganze Schichtsystem geneigt,

Fig. 2. Schichtquelle.
Fig. 3. Überfallquelle.
Fig. 4. Spaltquelle.

so wird das Wasser der tiefsten Stelle zustreben: es entsteht eine sogen. Schichtquelle (Fig. 2). Sind die Schichten gebogen, bilden sie eine Mulde, so werden die Wasser in der Tiefe sich ansammeln, bis die Stauung zu einem Überfließen über den Rand der Mulde führt, falls die obere Grenze der wassersperrenden Schicht durch die Konfiguration der Gegend örtlich entblößt ist (Überfallquelle, Fig. 3). Schneidet bei gleicher Lagerung ein Thal in das wasserdurchlassende und in seinen untern Partien wasserführende Gesteinsmaterial tief genug ein, so werden sich Quellen in diesem Thal bilden (Spaltquelle, Fig. 4). Das komplizierteste Verhältnis spielt sich ab, wenn ein System von zwei wassersperrenden, eine wasserführende einschließend, in der Tiefe entwickelt ist, und wenn dieses System stark gebogen ist (aufsteigende Quellen, artesische Brunnen, s. Brunnen). Es verhält sich dann dasselbe nach dem Gesetz der kommunizierenden Röhren: vom Sammelterritorium wird das Wasser in dem einen Schenkel nach abwärts fließen und in dem andern bis zur gleichen Höhe ansteigen, resp., wenn die Schichtenfolge an einem tiefer als das Sammelterritorium gelegenen Punkt zu Tage ausstreicht, als Q. ausfließen. Unter solchen Verhältnissen wird man auch das in der Tiefe gespannte Wasser künstlich entbinden können, indem man ihm durch das Niederstoßen eines Bohrlochs einen glatten Austrittskanal eröffnet (artesische Brunnen). Zugleich können unter solchen Verhältnissen auch Gipfelquellen zu stande kommen, d. h. Quellen, welche auf dem Gipfel hoher Berge austreten, eine Erscheinung, welche übrigens seltener ist, als die mannigfaltigen Angaben solcher Gipfelquellen erwarten lassen; in Wirklichkeit entspringt ein großer Teil derselben eben nicht auf dem Gipfel der betreffenden Berge, sondern hat ein noch höher gelegenes Sammelterritorium über sich. Echte Gipfelquellen können aber dann entstehen, wenn das Schichtsystem mit seinem kürzern aufsteigenden Schenkel auf einer Höhe zu Tage ausstreicht, während das noch höher gelegene Sammelterritorium von dieser Höhe durch eine das System nicht verritzende Niederung getrennt ist. Übrigens hat Lang neuerdings darauf aufmerksam gemacht, daß unter Umständen der aufsteigende Schenkel um ein Wesentliches länger sein kann als der absteigende und doch eine Q. zu liefern im stande ist, nämlich bei den Thermen (s. unten), da bei diesen in dem aufsteigenden Schenkel das Wasser erwärmt ist, also spezifisch leichter als das kalte in dem absteigenden Schenkel, so daß eine kürzere Wassersäule in letzterm eine längere im aufsteigenden Schenkel im Gleichgewicht halten kann.

Die meisten der größern Quellen sind permanente, d. h. die Schwankungen in der Wassermenge sinken nicht bis zum absoluten Ausbleiben herab oder doch nur ausnahmsweise in ganz besonders trocknen Jahren. Die Verhältnisse der periodischen, d. h. der mit Unterbrechungen fließenden (März-, Maibrunnen, Hungerquellen), sind nicht immer klar zu erkennen, und der Versuch, sie mit dem Ausfließen von Wasser aus Höhlen durch einen heberartigen Ausflußkanal zu erklären, ist nicht überall durchführbar. Intermittierende Quellen sind solche, bei welchen auf gewöhnlich stunden-, bisweilen auch tagelange Ruhepausen heftige, explosionsartige Wasserausbrüche folgen; hierher zählen namentlich die Geiser (s. d.).

Die Wassermengen, welche die Quellen an die Erdoberfläche zurückliefern, sind außerordentlich verschieden und namentlich abhängig von der Größe der Sammelterritorien. Daher der frappante Gegensatz zwischen der Wasserarmut auf der Höhe, beispielsweise in der Schwäbischen Alb und dem schweizerisch-französischen Jura, und dem Wasserreichtum in den Thälern. So liefert der Blautopf bei Blaubeuren 280–3000 hl, die Q. des Schwarzen Kochers 423 hl, die durch Petrarca so berühmt gewordene Vaucluse, die Q. der Sorques, 4440–13,360 hl in der Minute. Auch der Erfahrungssatz, daß die Wassermenge des einzelnen Wasserhorizonts in der Tiefe im umgekehrten Verhältnis zu der Anzahl derselben steht, so zwar, daß ein vereinzelt vorkommender viel mehr Wasser liefert, von einer Mehrzahl dicht untereinander liegender jeder aber nur wenig führt, gehört hierher.

Die Temperaturen der Quellen schwanken zwischen 0° und 100°, doch ist der Wärmegrad der einzelnen Quellen, es sei denn ihr Gesamtlauf nur ein sehr oberflächlicher, gewöhnlich konstant. Am richtigsten wird die Quellwassertemperatur verglichen mit der mittlern Lufttemperatur ihres Austrittsorts, nicht, wie bei den Quellwasseranalysen gewöhnlich geschieht, mit der zufälligen Lufttemperatur an dem Tag der Probeentnahme. Quellen, deren Temperatur die mittlere der Luft übersteigt, sind Thermen; kommt die Temperatur dem Kochpunkt (Siedepunkt) nahe, so nennt man sie heiße Quellen, Kochbrunnen. Die verbreitetste Erklärung dieser Erhöhung der Temperatur ist die, daß man die Erscheinung mit der Temperaturzunahme in den Erdtiefen in Zusammenhang bringt und in den Thermen aus bedeutender Tiefe aufsteigende Quellen erblickt.

Die geologische Wichtigkeit der Quellen beschränkt [511] sich nicht auf die Wanderung des Wassers allein, sondern ist ganz besonders in dem Transport mineralischer Stoffe aus den Erdtiefen begründet. Im Gegensatz zu der transportierenden Thätigkeit des Flußwassers liegt der Schwerpunkt bei dem Quellwasser in den gelösten Stoffen, nicht in dem aufgewühlten, mechanisch transportierten Material. Nur ganz oberflächlich verlaufende Quellen trüben sich nach Regengüssen vorübergehend, transportieren also auch Schlamm; alle tiefer eindringenden Wasser unterliegen einem Filtrationsprozeß, welcher die mechanisch beigemengten Stoffe entfernt. Die Menge der gelösten Stoffe ist innerhalb weiter Grenzen variabel und von der Natur der Gesteine abhängig, welche das Wasser bei seinem unterirdischen Lauf überrieselt. Schon Plinius sagt: „Tales sunt aquae, quales terrae, per quas fluunt“.[WS 1] Der Einzelverlauf des unterirdischen Laufs, namentlich das Zerschlagenwerden des Wassers auf die einzelnen Haarröhrchen und Haarspalten, ist in ein sehr klares Licht gestellt worden durch die von Knop ausgeführten Untersuchungen, welche zu dem Zweck des Nachweises eines unterirdischen Zusammenhangs zwischen dem bei Immendingen versinkenden Donauwasser und demjenigen der Aachquelle angestellt wurden. Obgleich die Luftlinie zwischen der Versinkungsstelle und der Aachquelle nur 11 km und die Höhendifferenz 160 m beträgt, konnte die Anreicherung an Chlornatrium, die man durch Versenkung einer großen Menge Kochsalz an der Versinkungsstelle hervorbrachte, an der Aachquelle erst nach 10 Stunden erstmals nachgewiesen werden. Die Versalzung erreichte das Maximum nach 60 Stunden, und erst nach 90 Stunden sank der Gehalt an Chlornatrium auf das gewöhnliche Minimum im Aachwasser zurück, ein deutlicher Beweis, wie verschieden die Wege waren, welche von den einzelnen Wasserteilchen eingeschlagen wurden, und wie gewunden selbst der Pfad des noch am schnellsten der Aach zueilenden Wassers sein mußte. Am wenigsten Stoffe enthalten die dem Buntsandstein entspringenden Quellen, aber auch eine gewisse Kategorie heißer Quellen ist arm daran. Durch hohen Gehalt an einzelnen Mineralstoffen und Gasen oder durch die Führung ganz besonderer, therapeutisch wichtiger Stoffe ausgezeichnete Quellen heißen Mineralwässer (s. d.). Die folgende kleine Tabelle gibt ein Bild von den Schwankungen, welche sich in der Gesamtmenge der gelösten Stoffe abspielen. Auf 10,000 Teile Wasser kommen an gelösten Stoffen:

  Teile Temp.
Tintenquelle, Teinach, Württemberg (Buntsandstein) 1,52 11,7°
Plombières, Vogesen (Granit) 2,45 52,0°
Badenweiler, Schwarzwald (Granit) 3,48 26,4°
Hauptstollenquelle in Baden-Baden (Granit) 28,39 65,2°
Karlsbader Sprudel (Granit) 62,93 72,5°
Mergentheimer Bittersalzquelle (Muschelkalk) 222,70 13,7°
Hackeborn zu Halle a. d. S. (Muschelkalk) 842,30 12,5°

Die enorme Wichtigkeit dieser Zahlen, welche den Gehalt an gelösten, also an festen, dem Erdinnern entführten Stoffen angeben, erhellt erst, wenn man die Wassermengen, die den betreffenden Quellen entströmen, mit in Rechnung zieht. So liefert beispielsweise die Karlsbader Q. jährlich 600,000 kg Natriumcarbonat, 10 Mill. kg Glaubersalz aus der Erdtiefe auf die Oberfläche, ja selbst an Fluor gelangen, obgleich erst in 300,000 Teilen Wasser ein Teil dieses Elements enthalten ist, jährlich doch 12,500 kg an das Tageslicht. Ändern sich bei Austritt des Quellwassers die für die Löslichkeit der mitgeführten Stoffe in der Tiefe der Quellkanäle herrschenden günstigen Verhältnisse, so entstehen Quellabsätze, gelegentlich in einer den Namen Gestein verdienenden Fülle. So schlägt sich durch Verlust an Kohlensäure das nur in kohlensäurehaltigem Wasser leicht lösliche Calciumcarbonat als Kalksinter oder Aragonit (Erbsenstein, Sprudelstein, s. d.) ab, das ebenfalls in kohlensäurehaltigem Wasser lösliche Eisencarbonat zersetzt sich zu Eisenhydroxyd, ein Gehalt an Schwefelwasserstoff liefert Schwefelabsätze; aus heißen, an Kieselsäure reichen Quellen entstehen durch Verdunstung des Wassers Kieselsinterablagerungen (vgl. Geiser). Oft sind in solchen Absätzen Quellwasserbestandteile in wägbarem Prozentsatz nachweisbar, von denen das Quellwasser selbst nur äußerst geringe Spuren enthält, wie z. B. Arsen in den Eisenoxydniederschlägen einer Reihe von Quellen.

Der Nachweis, die Auffindung und die Erschließung unterirdisch vorhandener Wasserhorizonte setzt die genaueste Kenntnis der den Untergrund der fraglichen Stelle bildenden Formationen und ihrer speziell am Untersuchungsort ausgebildeten Lagerung voraus. Die von einzelnen Individuen (Quellfindern, Wasserschmeckern) als Spezialität ausgebildete Aufsuchung unterirdischer Wasserhorizonte wird deshalb nur insofern die Beachtung des Gebildeten verdienen, als sie eben auf wissenschaftlichen Grundsätzen, gepaart mit einem durch zahlreiche Erfahrungen geschärften Blick, beruht. Als Typus eines solchen Praktikers sei der Abbé Paramelle genannt, dessen „Quellenkunde“ von Cotta ins Deutsche übersetzt wurde (2. Aufl., Leipz. 1865). Was über diesen Rahmen hinaus ans Wunderbare grenzt (hat doch einer der modernsten Quellensucher sogar die mittelalterliche Wünschelrute wieder zu Ansehen zu bringen gesucht), ist schwindelhafte Zuthat, auf ein ungebildetes Publikum berechnet. Am besten wird der nach Wasser suchenden Bevölkerung durch streng wissenschaftliche Zusammenstellungen gedient, welche sich die präzise Darstellung der unterirdischen Wasserverhältnisse für kleinere Landesabschnitte zur Aufgabe machen. Ein Muster in dieser Beziehung ist Regelmanns Werk „Die Quellwasser Württembergs“ (Stuttg. 1874). Vgl. auch Heim, Die Quellen (Basel 1885).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Plinius der Ältere: Naturalis historia XXXI, 29