MKL1888:Protozōen
[423] Protozōen (Protozoa, Urtiere; hierzu Tafel „Protozoen“), diejenigen niedern Wesen, die bei meist geringer Größe keine in Zellen gesonderten Organe zeigen (vgl. Metazoen) und sich gewöhnlich ungeschlechtlich fortpflanzen. Die niedrigsten unter ihnen sind so einfach gebaut, daß sie aus Mangel an charakteristischen Merkmalen sich mit Sicherheit weder dem Tier- noch dem Pflanzenreich zuteilen lassen und daher bald von den Zoologen, bald von den Botanikern in Anspruch genommen oder auch wohl als besonderes Reich, das der Protisten, den echten Tieren und den echten Pflanzen gegenübergestellt werden. Aus ihnen sind dann nach darwinistischer Anschauung alle höhern Wesen im Lauf der Zeit hervorgegangen. Weil sich an ihnen ferner die wichtigsten Lebensäußerungen, wie Bewegung, Reizbarkeit etc., in ihrer primitivsten Form studieren lassen, sind sie für den Naturforscher von großer Bedeutung. Sie zerfallen in mehrere Gruppen. Die erste von ihnen sind die Amöben (Amoebaea), zu denen auch der wieder fraglich gewordene Bathybius (s. d.) gerechnet wird. Diese bestehen nur aus einem meist mikroskopisch kleinen, formlosen, beweglichen Klümpchen eines eiweißartigen Schleims, dem sogen. Protoplasma oder der Sarkode (s. d.). Es sendet nach Belieben von allen Punkten der Oberfläche fingerartige Fortsätze oder feine Fäden (Scheinfüße, Pseudopodien) aus und bewegt sich, indem es allmählich mit seiner ganzen zähflüssigen Masse in sie hineingleitet, langsam fort, umhüllt auch kleinere Gegenstände, die es auf seinem Weg antrifft, und läßt sie, nachdem es ihnen die etwanigen Nahrungsstoffe entzogen, wieder frei. Hiernach ist also jede Stelle des kleinen Wesens, wenn es nötig wird, Mund, jede After; von einem Innern des Körpers im Gegensatz zur Hülle ist gleichfalls nicht in dem Sinn die Rede wie bei den höhern Organismen. Im Innern der Sarkode befindet sich der Kern, der allerdings bei einigen Arten noch nicht nachgewiesen worden ist. (Diese kernlosen Arten faßte man früher unter dem Namen Moneren zusammen, wahrscheinlich gibt es aber gar keine solchen.) Mithin sind die Amöben in ihrer einfachsten Form nackte Zellen ohne Hülle und ohne bestimmte Gestalt; sie haben große Ähnlichkeit mit den weißen Blutkörperchen der Wirbeltiere und vermehren sich gleich diesen durch einfache Teilung. Im Zustand der Ruhe ziehen sie sich zu einer Kugel zusammen. Die zweite Klasse bilden die Rhizopoden (s. d.), zu der man übrigens auch die Amöben als eine Unterordnung rechnen kann. Die dritte Klasse sind die Gregarinen (s. d.), die vierte die Geißelträger (Flagellaten, Mastigophora), so genannt, weil sie sich mit Hilfe eines wie eine Peitsche geschwungenen Fortsatzes im Wasser fortbewegen. Manche von ihnen sind grün gefärbt und lassen sich dann von den frei beweglichen Jugendzuständen echter Pflanzen, namentlich von den Schwärmsporen der Tange, nur schwer unterscheiden (s. Algen, S. 342). Im übrigen sind die Flagellaten einfache Zellen und leben einzeln oder in Kolonien im Meer und im Süßwasser. Wichtig sind die Euglenen (Euglena) und Protokokken (Protococcus) sowie die Volvocinen (Volvox) und die Meerleuchten (Noctiluca). Die erstgenannten treten zuweilen in ungeheuern Massen auf und überziehen die Teiche mit einer grünen Schleimdecke oder färben auf den Alpen den Schnee oder in verschlossenen Schränken die Speisen mit einemmal blutrot. Volvox lebt in kugeligen Kolonien von der Größe eines Stecknadelkopfes, die vermittelst der gemeinsamen Schwingungen der Geißeln aller Einzelwesen umherbewegt werden. Eine besondere Rolle im Meer spielen die Noktiluken (s. Meerleuchten). Die fünfte Klasse endlich sind die Infusorien (s. d.). Die P. leben meist im Meer, teils auf der Oberfläche oder auf dem Grund schwimmend oder kriechend, teils an Steinen, Pflanzen etc. festgewachsen; andre finden sich im süßen Wasser, wenige auf dem Land, mehrere parasitisch in höhern Tieren. Sie sind meist von sehr geringer Größe, und nur wenige erreichen einen Durchmesser von mehreren Milli- oder selbst Zentimetern.
[Ξ]
Protozoen. |
Eiförmige Gromie (Gromia oviformis). 600/1. (Art. Rhizopoden.) | Dendritina elegans, a von der Seite, b von vorn. Stark vergr. (Art. Rhizopoden.) | ||
Orbulina. Vergr. (Art. Rhizopoden.) | |||
Guttulina communis. Vergr. (Art. Rhizopoden.) | |||
Muscheltierchen (Stylonychia mytilus). Stark vergr. (Art. Infusorien.) | Acineta, welche mit 2 Tentakeln ein kleines Infusorium ergriffen hat und aussaugt. Stark vergr. (Art. Infusorien.) | Glockentierchen (Epistylis nutans). (Art. Infusorien.) | |
Leuchttierchen (Noctiluca miliaris). 150/1. (Art. Leuchttierchen.) |
[424] Viele aber treten in erstaunlicher Individuenzahl auf, und ihre unverweslichen Überreste, wie die Kieselschalen der Radiolarien, die Kalkschalen der Foraminiferen, setzen oft ganze Gebirgsschichten zusammen. Vgl. Häckel, Das Protistenreich (Leipz. 1878); Bütschli, Die P. (das. 1880–87).
[746] Protozoen. Bütschlis große Monographie der Urtiere teilt dieselben in vier Klassen: Sarkodetierchen (Sarcodina), Sporentierchen (Sporozoa), Geißeltierchen (Mastigophora) und Aufgußtierchen (Infusoria). Die Sarkodetierchen entsprechen ungefähr der frühern Abteilung der Rhizopoden und zerfallen in die Ordnungen der Strahlentierchen oder Strahlinge (Radiolaria), Sonnentierchen (Heliozoa) und Wurzelfüßer (Rhizopoda). Von diesen Ordnungen haben die Strahlinge den größten Zuwachs an neuen Arten erfahren, indem durch Häckels Monographie über die auf der Expedition des Challenger gesammelten Radiolarien die Zahl derselben von 810 auf 4318 gestiegen ist, die sich insgesamt auf 739 Gattungen verteilen; auch von den Wurzelfüßern sind zahlreiche neue Arten beschrieben worden. Die überwiegende Mehrzahl der Sarkodetierchen besitzt ein Gehäuse, sei es aus chitiniger Masse, oder aus kohlensaurem Kalk, oder aus Kieselsäure, oder aus agglutinierenden Fremdkörpern. Das Baumaterial, aus welchem bei den einzelnen großen Abteilungen der Sarkodetierchen das Skelett aufgebaut wird, ist von großem Einfluß auf die Wahl des Formtypus des Gehäuses und auf das weitere Wachstum desselben. Am gröbsten und einfachsten konstruiert sind die Gehäuse aus Fremdkörpern, von größerer Festigkeit sind die Gehäuse aus kohlensaurem Kalk, und die bedeutendste Festigkeit bei größter Mannigfaltigkeit und Zierlichkeit der Form zeigen die Kieselskelette der Strahlinge, die an die kühnen, luftigen Eisenkonstruktionen menschlicher Bauwerke erinnern. Eine weitere Ursache für die verschiedenen Formtypen des Skeletts der Sarkodetierchen liegt in der verschiedenen Lebensweise dieser Urtiere. Frei schwimmenden, im Wasser rotierenden Formen kommt Kugelgestalt zu, die Pseudopodien treten nach allen Seiten gleichmäßig aus, und ebenso ist die kugelige Schale gleichmäßig von gleichwertigen Löchern durchbohrt (perforater Formtypus). Bei Tieren dagegen, welche beim Schwimmen oder Kriechen eine bestimmte, senkrecht stehende Hauptachse besitzen, sind nicht alle Pseudopodien, die austreten, gleichwertig, sondern eine größere Anzahl tritt gemeinschaftlich aus einer größern Öffnung der Zentralkapsel, dem Oskulum, aus, welchem eine größere Öffnung in der Schale, das Pylom, entspricht (pylomatischer Formtypus). Wird beim Kriechen eine bestimmte Richtung festgehalten, so entsteht der eudipleure (bilaterale) Typus, dessen erste Andeutung in einer Biegung des das Pylom tragenden, röhrenförmigen Halses besteht. Die Art und Weise des weitern Wachstums ist entweder konzentrisch oder terminal; ersteres findet sich nur bei den Kieselskeletten der Strahlinge, während bei dem terminalen Wachstum der gehäusebesitzenden Wurzelfüßer die Kammern aneinandergesetzt, zugleich aber häufig spiralig eingerollt werden, wobei sie denselben Windungsgesetzen folgen wie die Molluskenschalen. Die Skelettsubstanz wird bei der Mehrzahl der Sarkodetierchen von dem Protoplasma ausgeschieden; bei denjenigen Formen, welche, wie die Süßwassergattung Difflugia, ihr Gehäuse aus Fremdkörpern bauen, erfolgt die Aufnahme des Baumaterials durch Reflexvorgänge; sobald eine Reizung der ausgestreckten Pseudopodien des herumkriechenden Tieres erfolgt, werden jene höckerig und runzelig, so daß Sandkörnchen u. dgl. hängen bleiben, welche dann in das Innere des Tieres, das Entoderm, aufgenommen werden; erst nachträglich wird dieses Material dann wieder auf der Oberfläche zum Bau einer Schale zur Ablagerung gebracht. Die Fähigkeit, Verletzungen der Schale zu ersetzen und ebenso, sich aus Teilstücken zu regenerieren, fehlt den einschaligen Sarkodetierchen und kommt nur den mehrschaligen zu, hängt aber hier von der Anwesenheit des Kernes ab, welchem demnach eine bedeutsame Rolle bei der Sekretion zufällt. Von den Sarkodetierchen sind die Radiolarien ausschließlich marin, die Sonnentierchen leben vorzugsweise im Süßwasser, die Wurzelfüßer teils im Meere, teils im Süßwasser; sie sind allermeist freilebend, nur die unbeschalten Amöben finden sich auch als Parasiten im Darme höherer Tiere und des Menschen; ob sie hier als Krankheitserreger wirken können, ist noch unentschieden; bei Vorhandensein von Darmkatarrh und geschwürigen Prozessen im Darme jedoch können sie die Krankheit steigern und die Heilung verhindern.
Zu der zweiten Klasse der P., den Sporozoen, gehören die Ordnungen der Gregarinen, der Coccidien oder eiförmigen Psorospermien, der Myxopsoridia oder Fischpsorospermien und der Sarcopsoridia oder parasitischen Schläuche. Die Morphologie und Biologie dieser merkwürdigen Lebewesen ist noch wenig bekannt; die Entwickelung scheint meist in einer Reihe aufeinander folgender und sehr verschieden gestalteter Stadien zu verlaufen, zwischen welchen Ruhezustände, Encystierungen, liegen. Sie sind durchweg Parasiten höherer Tiere, besonders der Säugetiere und des Menschen, halten sich entweder in den Körperhohlräumen (Darm, Leibeshöhle) oder in den Geweben ihrer Wirte auf und dringen in letzterm Falle in das Innere der Zellen selbst ein, sogar in die Blutkörperchen. Neuere Untersuchungen lassen in ihnen sehr gefährliche Parasiten vermuten, denn es scheint, daß die Entstehung von Malaria, Febris recurrens und ähnlicher Krankheiten auf derartige Formen zurückzuführen ist. Bekannt sind sie als die Ursachen zweier gefährlicher Vogelkrankheiten, des ansteckenden Epitheliums der Hühner und Tauben und der Flagellatendiphtherie der Vögel. Im erstern Falle ist es eine eigentümliche Hauterkrankung, die als warzenartiger, äußerst ansteckender Hautausschlag auftritt, der Parasit findet sich im Innern der Epithelzellen und erscheint als einfach geformtes, rundliches Gebilde. Die zweiterwähnte Krankheit charakterisiert sich als diphtheritische Entzündung der Schleimhäute, die häufig auch auf tiefere Teile, selbst Knochen und Knorpel, übergreift und meist zum Tod [747] führt. Die Krankheitserreger finden sich außerordentlich zahlreich in den Exsudatmassen; ob sie zu den Flagellaten gehören, ist nicht sicher entschieden, da die kugeligen Dauerzustände, welche die Parasiten bilden, die Annahme naher Verwandtschaft mit den Krankheitserregern der ersterwähnten Krankheit nahe legen.
Die Klasse der Geißeltierchen, Mastigophora, welche in dem Bütschlischen System zum erstenmal als selbständige Klasse auftreten, und die bisher Flagellaten im weitern Sinne hießen, zerfallen in die Ordnungen der Flagellaten, Geißeltierchen im engern Sinne, Choanoflagellata (Trichtergeißeltierchen), Dinoflagellata (Wirbelgeißeltierchen), Cilioflagellata (Wimpergeißeltierchen) und Cystoflagellata (Blasengeißeltierchen). Die überwiegende Mehrzahl der Geißeltierchen lebt frei, sowohl im süßen Wasser (besonders Flagellaten) als im Meere (besonders Dinoflagellaten und Cystoflagellaten), ca. 20 Arten aber auch parasitisch im Innern andrer Tiere, Wirbeltiere, Insekten, Myriopoden, Mollusken, wo sie vorzugsweise den Darm, seltener das Blut und andre Organe bewohnen; zu ihnen gehört die in der katarrhalisch affizierten Scheide der Frauen lebende Trichomanos vaginalis Denné. Einige, der Gattung Ceratium Bergh angehörige Geißeltierchen, die sich sowohl im Meer als im Süßwasser finden, gehören zu den weitverbreitetsten niedern Organismen in größern Wasseransammlungen; hornförmige, reichlich mit Stacheln versehene Fortsätze des Panzers ermöglichen eine leichte Haftbarkeit an fremden Objekten und dadurch bedingte Gelegenheit zu einer weiten Verschleppung. Viele marine Geißeltierchen, zu denen auch die Noctiluca gehört, besitzen die Fähigkeit des Leuchtens.
Die Klasse der Infusorien zerfällt in die große Unterklasse der Ciliata (Wimperinfusorien) und in die kleine, nur eine Familie enthaltende Unterklasse der Suctoria (Sauginfusorien), erstere in die Ordnungen der Peritricha (Ringhaarige), Hypotricha (Bauchhaarige), Heterotricha (Verschiedenhaarige) und Holotricha (Ganzhaarige). Je nach der Fähigkeit, die Form zu ändern, sind unter den Infusorien vier Gruppen zu unterscheiden: starre Infusorien, bei denen überhaupt keine Formveränderung stattfindet, elastische, welche ihre Körpergestalt nicht selbstthätig verändern, sondern nur infolge äußern Druckes, bei dessen Aufhören der Körper seine frühere Gestalt wieder annimmt; biegsame oder flexile Infusorien, welche zwar selbstthätig ihre Gestalt wechseln, ohne daß jedoch die allgemeine Form verloren ginge, und endlich kontraktile Infusorien, bei welchen eine Körperdimension auf Kosten der andern verlängert oder verkürzt wird, wodurch die Gestalt wesentlich verändert wird. Der Größe nach können sie ebenfalls in vier Gruppen geteilt werden, wobei als sehr klein Formen von 0,04 mm betrachtet werden, als sehr groß dagegen solche, die 0,25 mm überschreiten. Die Infusorien sind die höchst entwickelten P., denn hier finden sich Formen, deren physiologische Leistungen denen der Metazoen gleich zu setzen sind; dagegen behalten sie morphologisch den Wert einer Zelle, was sich besonders bei der ganz als Zellteilung verlaufenden Fortpflanzung dokumentiert. Der Infusorienkörper läßt eine innere Schicht und ein äußeres Ektoplasma unterscheiden, welches entweder homogen erscheint oder einen wabenartigen Bau besitzt (Alveolarschicht). Zwischen Alveolarschicht und Entoplasma verläuft bei vielen noch eine besondere Schicht, die Kortikalschicht, welche die Trichocysten enthält; häufig ist bei den Infusorien eine Längsstreifung, die durch Reihenstellung der die Wimper tragenden Höckerchen bedingt wird. Die Fortpflanzung geschieht durch Teilung und von Zeit zu Zeit eintretende Konjugation, welch letztere eine Auffrischung des Körpermaterials bezweckt. Bei zahlreich aufeinander folgenden Teilungen, ohne daß die Möglichkeit zur Konjugation gegeben ist, tritt senile Degeneration ein, wobei unter anderm die Wimpern abfallen und vor allem eine starke Veränderung des Kernes sich bemerkbar macht. Die Infusorien sind zum größten Teil frei lebende Geschöpfe, einige aber sind als Parasiten bekannt, so aus dem Blut und dem Darmtraktus verschiedener Süßwasser- und Meereskrebse; Art und Weise der Ansteckung sowie Entwickelung dieser Parasiten sind noch nicht bekannt; schädlich tritt auf Holophrya multifiliis in der Epidermis der Süßwasserfische; diese Ciliate lebt in kleinen weißlichen Flecken oder Pusteln zwischen den Epidermiszellen der Haut; die Pusteln finden sich hauptsächlich auf den Flossen, dem Kopf, auf den Augen und den Kiemen, dehnen sich aber bei starker Infektion über den ganzen Körper aus; die Krankheit, der sekundär Schimmelbildung folgt, kann unter junger Brut, z. B. Forellenbrut, erhebliche Verwüstungen anrichten. Physiologische Untersuchungen der P. haben ergeben, daß die Mehrzahl der Sarkodetierchen, einige Geißeltierchen und wahrscheinlich alle gewimperten Infusorien blind sind, ebenso mangeln ihnen Tonempfindungen; alle übrigen Reize werden empfunden. Vgl. Bütschli, Protozoa (in Bronns „Klassen und Ordnungen des Tierreichs“, Bd. 1, Leipz. 1880–87); Häckel, Report on the Radiolaria („Challenger Report. Zoology“, Bd. 18, 1887); Dreyer, Die Pylombildungen bei Radiolarien und Protisten überhaupt (Jena 1889).
[750] Protozoen. Die P. beanspruchen immer mehr eine erhöhte Würdigung als Erreger von Infektionskrankheiten, und das Studium derselben unter diesem Gesichtspunkt verspricht die gleiche Wichtigkeit zu erlangen wie die Bakteriologie. Besonders sind es die Sporozoen, die sich vielfach als tierische Schmarotzer finden; über ihre Lebensgeschichte, besonders über die Zusammengehörigkeit der unter verschiedenen Namen beschriebenen einzelnen Stadien in ihrer Entwickelungsgeschichte ist allerdings noch wenig bekannt. Die heute als Ordnungen unterschiedenen verschiedenen Gruppen der Sporozoen unterscheiden sich auch nach ihrem Vorkommen. Die Gregarinen leben meist in Gliedertieren und Würmern, und zwar im Darm oder in den Hoden; Wirbeltiere und Mollusken haben keine Gregarinen. In endemisch infizierten Gebieten sind fast alle betreffenden Tiere mehr oder weniger stark besetzt; leicht zugängliche Fundorte für Gregarinen sind der Darm der größern Laufkäfer, einiger Tausendfüße, des Mehlwurms, der Schabe, der Blattkäfer, der Ephemerenlarven etc., ferner Darm und Hoden von Würmern, namentlich von Anneliden, Darm des Hummers und Flohkrebses. Im erwachsenen Zustand haben die Gregarinen gewöhnlich eine längliche, seltener eine runde Gestalt; die Fortpflanzung geschieht nach einer vorausgegangenen Encystierung, wobei die Einkapselung solitär oder zu zwei oder auch drei Exemplaren gemeinschaftlich geschieht. Die Cysten der Gregarinen kommen nie intracellular vor, sondern finden sich frei im Wirtstier; sie besitzen eine rundliche Form. Durch Teilung oder Knospung zerfällt der Cysteninhalt zu je einen Kern enthaltenden Teilstücken, von denen ein jedes sich wieder mit einer eignen Kapsel umgibt (Sporocysten oder Pseudonavicellen). Der Inhalt der an Gestalt sehr mannigfachen Sporocysten zerlegt sich nochmals in eine Anzahl von Sichelkeimen, die die Jugendform der Gregarine sind; sie dringen in die passenden Wirtszellen oder auch in deren Kern ein als Karyophagen, runden sich darin ab und wachsen endosmotisch, bis der Kern oder der Gesamtinhalt der Wirtszelle aufgezehrt ist. Bei weiter zunehmendem Wachstum wird die Wirtszelle gesprengt, der Parasit fällt aus und führt nun ein frei bewegliches Leben im Darm- oder Hodensaft des Wirtes.
Die folgenden zwei Ordnungen der schmarotzenden Sporozoen sind Zellparasiten, d. h. sie leben im Innern der Zellen oder selbst der Zellkerne der Wirtstiere; eine Eigentümlichkeit dieser Cellularinfektionen ist die Mehrlingsinfektion. Wo die Raumverhältnisse es gestatten, wandern die Keime zu zwei, drei und oft auch herdenweise in die Zelle ein. Die ei- oder kugelförmigen Coccidien finden sich in den roten Blutscheiben des Frosches, der grünen Eidechse, der Sumpfschildkröte, der Raubvögel, Würger, Rabenvögel, Sperlingsvögel, Lerchen etc., außerdem sind hierher gehörige Formen gefunden worden im Darme des Kaninchens und des Salamanders, in den Harnkanälen der Gans, im Hühnerei und im Darm des Myriapoden Lithobius. Während die Gregarinen auf Gliedertiere und Würmer angewiesen sind, kommen demnach die Coccidien bei Wirbeltieren und Mollusken, selten bei Myriapoden vor; da sie bei Haustieren sowie in Hühnereiern vorkommen, auch beim Menschen gefunden wurden und unheimliche Zellverwüstungen zu verursachen im stande sind, so haben sie besondere Wichtigkeit. Im erwachsenen Zustande fehlt den Coccidien die freie Beweglichkeit. In der Entwickelungsgeschichte ist ein Schwärmercystenstadium nachgewiesen, d. h. eine große Parasitencyste mit direkter Sichelkeimbildung und ohne Sporocystenzwischenstufe.
Als weitere Gruppe unter den Sporozoen werden die Mikrosporidien unterschieden, die durch Infektion der Zellen und Zellkerne bei den Seidenraupen die gefürchtete Pebrine dieser Raupen erzeugen, welche schon wiederholt bei der Seidenraupenzucht zu Verlusten von Millionen geführt und die Zucht zeitweilig ganz in Frage gestellt hat; außer bei Seidenraupen sind sie bis jetzt nur noch bei einigen andern Insekten, bei Daphnia und noch einigen andern Krustern beobachtet. Die Sporen bei den Mikrosporidien besitzen nur einen Längsdurchmesser von zwei Mikromillimeter und sind feste, glänzende, undurchsichtige Körner ohne weitere erkennbare Struktur. Aus ihnen schlüpft eine Amöbe aus, die in Epithelzellen, Zellen des Fettkörpers, der Spinndrüsen, des Genitalapparates und in die Eier einkriecht, zu ein, zwei oder viel Exemplaren gleichzeitig. Die verschmelzenden Amöboidkeime zehren die Zelle aus, encystieren sich einzeln oder gemeinschaftlich und infizieren [751] durch neue Keime schließlich fast sämtliche Zellen des Wirtes.
Die Ordnung der Myxosporidien (Psorospermien) kommt der Hauptsache nach bei Fischen vor, wo die Schmarotzer eine ungemein weite Verbreitung in den verschiedensten Organen derselben haben (vgl. Fische). Sie sind Zellkernfresser; aus den infizierten Zellen fallen die Schmarotzer bei zunehmendem Wachstum aus und schwimmen als nackte Plasmodien oder Amöben umher; die Sporen sind ungemein charakteristisch, und jede Fischspezies hat ihre eigen gebaute Sporidienspezies. Die unter dem Namen der Sarcosporidien oder Miescherschen Schläuche bekannten parasitischen Sporozoen, deren Lebensgeschichte noch sehr dunkel ist, sind bei fast allen pflanzenfressenden Säugetieren (Fleischfressern fehlen sie) und einigen Vögeln gefunden. Sie stellen wesentlich bis zu 2 mm lange Schläuche dar, welche bei ihrem massenhaften Auftreten dem befallenen Muskelfleisch ein gestricheltes Aussehen verleihen; bald ist der Schlauch langgestreckt und spindelförmig; bald kürzer und dick; er ist von einer derben Haut umkleidet, welche zuweilen in einen dichten, borsten- oder röhrenartigen Besatz ausläuft. Das Innere des Schlauches ist angefüllt mit Kugeln. Die Schläuche wachsen an Ort und Stelle weiter, ihr ferneres Schicksal aber ist unbekannt, sie verharren wie die eingekapselte Trichine bis zum Tode des Wirtes an ihrer Stelle; in den Kugeln der Schläuche kommen Sichelkeime zur Entwickelung, denen wohl die Infektion zufällt. Sehr bemerkenswert ist, daß die Einspritzung dieser Sichelkeime in die Trachea und das Muskelgewebe gesunder Mäuse und Kaninchen eine heftige Ptomaïnwirkung erzeugt; ähnlich dem Kochschen Tuberkulin ruft das Extrakt von Sarcosporidienschläuchen bei den Versuchstieren in kleinen Dosen prompte Fieberbewegung hervor, in großen Kollapserscheinungen, denen die Tiere bald erliegen.
Aus der Klasse der Geißeltierchen finden wir die Flagellaten schmarotzend sowohl bei Wirbeltieren als bei wirbellosen Tieren; Zellschmarotzer gibt es nur wenige unter ihnen; besondere Fundorte für schmarotzende Flagellaten sind der Schnabelschleim diphtheriekranker Tauben, beim Menschen der Vaginalschleim beim weißen Fluß, das Sekret alter Fußgeschwüre, ferner der Enddarm vom Frosch, der Kröte, der Eidechsen, Schildkröten, der Darm des Regenwurms, der Stubenfliege, der Lausfliegen von Raubvögeln, der Schafzecken, der Maulwurfsgrille, der Vormagen der Wiederkäuer etc. Die Fortpflanzung der Flagellaten geschieht durch Teilung und Sporenbildung. Für Schmarotzer aus der Klasse der Infusorien, unter denen sich aber keine Zellschmarotzer finden, sind eine reiche Fundstätte interessanter Arten der Vormagen der Wiederkäuer, der Darm des Regenwurms, auch der Enddarm der Frosch- und Krötenarten, des Schweines etc.
Aus der Klasse der Sarkodetierchen kommen besonders Amöben als Parasiten in Betracht; es sind deren einigemal im Darme von ruhrkranken Kindern gefunden worden, hierher gehören aber vor allen andern auch die in ihrer Entwickelungsgeschichte leider noch nicht hinreichend erkannten Krankheitserreger des Wechselfiebers (s. Wechselfieber, Bd. 18). Daß es sich hierbei um einen tierischen Parasiten aus dem Kreise der P. handelt, darf als erwiesen gelten. Bisher sind zwei Grundformen dieses Parasiten gefunden worden mit zahlreichen Übergängen zwischen denselben: 1) Sichel- und Rundzellenformen, letztere eventuell mit Geißeln, und 2) Plasmodien oder amöbenartige Organismen mit geschwänzten Schwärmsporen. Die erste Form ist jedenfalls die „reproduktive Phase“ des Parasiten, die zur Bildung neuer Jugendformen, zur Erzeugung neuer Generationen führt, während die zweite Form, die „vegetative Phase“, hauptsächlich der Entwickelung des Parasiten dient und ihn vom Jugendzustand der Reife entgegenführt. Die nähern Details im Entwickelungskreislauf dieses Malariaparasiten sind noch nicht klargelegt; manche der verschiedenen Formen scheinen unter sich noch ganz besondere Beziehung, einen eignen Entwickelungskreislauf mit eignen charakteristischen Figuren zu haben. Gerade aber diese entwickelungsgeschichtlichen Details sind von größter Bedeutung wegen ihrer augenscheinlich nahen Beziehungen zu den verschiedenen klinischen Formen des Malariafiebers. So ist ein besonderer Entwickelungscyklus des Parasiten konstatiert im Blute von Kranken, die an der quartanen Form des Wechselfiebers leiden, und ein andrer Entwickelungscyklus ist als charakteristisch für die Parasiten des tertianen Fiebers nachgewiesen worden. Möglicherweise handelt es sich bei den verschiedenartigen Fieberkrankheiten um zwar ähnliche, aber verschiedene Arten als Krankheitserreger, deren Entwickelung zwar ähnlich, aber nicht völlig identisch verläuft. Auch für manche andre Krankheitsprozesse, wie Blattern, ist es wahrscheinlich, daß P. aus der Klasse der Sarkodetierchen die Erreger sind. Auch diese Parasiten sind Zellparasiten.
Bemerkenswert ist bei allen Zellparasiten die Anpassung an die verschiedenen Wirtszellen. Für die Untersuchung der parasitischen P. bedarf es einer besondern, noch weiter der Ausbildung harrenden Technik, da das für die Untersuchung von Bakterien aufgefundene Verfahren, mittels Farbereaktionen an getrockneten Deckglaspräparaten oder Schnitten, mittels Kulturen auf festem oder sich verflüchtigendem Nährboden, mittels Verimpfung etc. die Spezies des Parasiten festzustellen, für die Protozoenuntersuchung nicht geeignet ist. Bei der Untersuchung der parasitären P. steht die Untersuchung des lebenden Parasiten im Vordergrund, da es darauf ankommt, aus dem komplizierten Lebenslauf die einzelnen Phasen zu trennen, die Bewegungsvorgänge, Sporenbildung etc. klarzulegen. Die Hauptaufgabe ist demgemäß die möglichst lange Erhaltung der Lebensfähigkeit des Parasiten durch Anpassung der Untersuchungsmethoden an eine natürliche Umgebung. Ein Analogon zu den bei der Bakteriologie üblichen Plattenkulturen bilden die Kapillarkulturen, indem P. in dem bauchigen, breitgedrückten Teil von Kapillarröhrchen lebend erhalten werden, wobei sie sich direkt unter dem Mikroskop beobachten lassen. Durch Fixierungsflüssigkeiten lassen sich im einzelnen Falle die natürlichen Formen der P. leidlich gut erhalten; heiße (50° C.), wässerige (1–5 Proz.) Sublimatlösung eignet sich gut zur raschen Abtötung. Auch Goldchloridlösung (0,5 Proz.) fixiert vorzüglich; für andre Fälle sind Dämpfe von Osmiumsäure, Kokain- und Chininlösung passend. Für die Beobachtung der Bewegungsvorgänge dient ein eigens konstruierter Objektträger mit Warmwasserheizung auf genau zu bemessendem Wärmegrad. Zur längern Konservierung von Untersuchungsmaterial, um an Topfpräparaten die natürliche Gestalt des Parasiten, die Zellinfektion und die Sporen verfolgen zu können, ebenso zur Versendung eignet sich vorzüglich Chinolin, wovon eine kleine Menge zunächst in Spiritus gelöst und dann weiter mit viel Wasser verdünnt wird. Vgl. Pfeiffer, Die P. als Krankheitserreger (2. Aufl., Jena 1891).