Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Manchester“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Manchester“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 11 (1888), Seite 175177
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: Manchester
Wiktionary-Logo
Wiktionary: Manchester
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Manchester. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 175–177. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Manchester (Version vom 06.12.2023)

[175] Manchester (spr. mä́nntschestr), aus Baumwolle angefertigter samtartiger Stoff, welcher als Nachahmung des echten seidenen Samts auftritt, aber ohne Nadeln (s. Samt) gewebt wird. Der schwerste und feinste M. heißt Samtmanchester. Der Stoff hat seinen Namen von der Stadt M. erhalten, wo er [176] zuerst dargestellt wurde, und wo noch jetzt ein Hauptsitz der Fabrikation ist. In England heißen diese Stoffe Velvets, Velverets, Velveteens. Gestreifter M. entsteht entweder dadurch, daß man die Pole streifenweise unaufgeschnitten läßt, oder dadurch, daß zufolge eigentümlicher Anordnung der flott liegenden Polschußteile auch nach vollständigem Reißen ein streifenartiges Ansehen sich ergibt. Zu den Geweben dieser Art gehört der Kord, bei welchem die samtartigen Streifen von geringer Breite, die furchenartigen Säume zwischen denselben äußerst schmal sind, sowie eine andre mit breitern Streifen.

Manchester (spr. mä́nntschestr), 1) Stadt in Lancashire (England), liegt am Fuß des südlichen Abhangs einer Hügelkette, die sich von Oldham her zwischen die Thäler des Irwell und des Medlock drängt, und deren letzte Spitze, Kersall-Moor, die Rennbahn der Stadt bildet. Das eigentliche M. dehnt sich auf dem linken Ufer des Irwell aus, zwischen diesem Fluß und den beiden kleinern Ick und Medlock, die sich hier in jenen ergießen. Auf dem rechten Irwellufer und eingefaßt von einer starken Biegung des Flusses, liegt Salford, weiter westlich Pendleton; nördlich vom Irwell Higher und Lower Broughton, nördlich vom Ick Cheetham Hill, südlich vom Medlock Hulme, weiter östlich Chorlton on Medlock, noch weiter Ardwick. In etwas größerer Entfernung liegen Crumpsall, Moßside, Bradford, Newton Heath und Failsworth, Openshaw, Gorton, Levenshulme, Rusholme, Withington, Chorlton und Stretford. Dieser ganze Häuserkomplex wird im gewöhnlichen Leben M. genannt und zählt (1881) 697,000 Einw., wovon 341,508 auf das eigentliche M. kommen. Nächst London ist M. demnach die volkreichste Stadt von England. Die Straßen sind im allgemeinen unregelmäßig, eng und unbequem; in neuerer Zeit wurde jedoch viel zu ihrer Verschönerung gethan. Das Zentrum mit seinen Hauptstraßen, wie Market Street, enthält den ausgedehnten kaufmännischen Bezirk, fast nur aus Kontoren und Warenhäusern bestehend und mit den brillantesten Läden geziert; die Vorstädte, größtenteils von Arbeitern bewohnt, dehnen sich nach allen Richtungen aus und haben viele schöne Häuser, große Gärten der reichen Kaufleute und Fabrikanten, besonders in Chorlton und Ardwick und auf den Höhen von Cheetham Hill, Broughton und Pendleton. Vier öffentliche Parke liegen an den äußern Grenzen der Stadt. Eine 1857 vollendete Wasserleitung versieht die Stadt täglich mit 851/2 Mill. Lit. Wasser aus dem 25 km entfernten Longdendale; da aber bei den zahlreichen Fabriken diese Quantität den Bedürfnissen nicht genügt, so hat die Stadt das Thirlemere in Cumberland erworben, welches sie in ein Reservoir verwandeln läßt. Von den zahlreichen Kirchen ist die protestantische Kathedrale mehr ihres Alters wegen (sie stammt aus dem 15. Jahrh.) als aus sonstigen Gründen merkwürdig und wird an Stattlichkeit bei weitem von der neuen katholischen Kathedrale in Salford übertroffen. Dem Reichtum der Stadt entspricht die Pracht einiger ihrer öffentlichen Bauten. Das 1866–75 in gotischem Stil erbaute neue Rathaus, mit 73 m hohem Uhrturm, ist wohl das schönste Gebäude dieser Art in England. Ihm steht ebenbürtig zur Seite der von demselben Architekten A. Waterhouse errichtete Gerichtshof (Assize Court). Auch die neue Börse, im klassischen Stil, die im lombardo-venezianischen Stil erbaute Free trade Hall (Freihandelshalle), an Stelle der kleinen Halle errichtet, in der einst Cobden und Bright ihre freihändlerischen Ansichten verfochten, und das neuerrichtete Owen’s College in Oxford Street sind stattliche Bauten. Denkmäler sind zahlreich. Prinz Alberts Statue steht am Rathaus, diejenige Cobdens an der Börse, während vor dem großen Krankenhaus (Infirmary) die Bildsäulen von Wellington, Peel, Dalton und Watt aufgestellt sind. M. ist mehr Handels- als Fabrikstadt, doch ist auch die Zahl der Fabriken, namentlich in den Vorstädten, eine recht bedeutende. In M. (mit Salford) arbeiteten 1881: 27,156 Menschen in Baumwollfabriken, 2303 in Seidenfabriken, 6235 in Kattundruckereien, Bleichen und Appreturwerken, 7006 in Eisen- und Stahlwerken, 5669 in Maschinenbaustätten, 1651 in Glashütten, 622 in Papiermühlen, 500 in Gummifabriken, 255 in chemischen Fabriken. Unter den dem Handel gewidmeten Anstalten sind zu nennen: die Börse, die Kornbörse, das Zollamt, zehn bedeckte Markthallen und ein Viehmarkt. Auch hat M. bereits seinen kleinen Hafen, aber nach Vollendung des großen Schiffskanals nach Liverpool hofft es einen hervorragenden Platz unter den Seehäfen Englands einzunehmen. M. ist Sitz eines deutschen Konsuls. Unter den zahlreichen Wohlthätigkeitsanstalten nimmt das bereits erwähnte Infirmary den ersten Rang ein. Ferner gibt es kleinere Krankenhäuser, ein Irrenhaus, eine Blindenanstalt, ein Taubstummeninstitut, Waisenhäuser, mehrere Versorgungshäuser, öffentliche Badeanstalten etc. Seit 1882 ist M. Sitz der Victoria University, deren einziges College das von dem Freidenker R. Owen 1845 gegründete Owen’s College ist. Ihr schließen sich an eine medizinische Schule, theologische Schulen der Methodisten, Independenten, Baptisten und Katholiken; ferner eine Kunstschule, eine technische Schule, eine 1515 gestiftete Lateinschule, das 1651 gegründete Cheetham College (eine Knabenschule mit wertvoller Bibliothek) und zahlreiche Arbeiterbildungsvereine. M. war eine der ersten Städte Englands, die Freibibliotheken ins Leben riefen, und zählt deren jetzt sieben mit 185,000 Bänden. Ein städtisches Museum liegt im Peel Park bei Salford, ein Gewerbemuseum im Queen’s Park; Kunstsammlungen befinden sich in der ehemaligen Royal Institution und in Ancoat’s Hall. Ferner bestehen hier botanische und zoologische Gärten. Unter den Vereinen verdienen Erwähnung der Physikalische Verein (1781 gegründet), die Gesellschaft für Naturgeschichte (mit Museum), geologische, geographische und statistische Gesellschaften, ein Kunstverein und zahlreiche Klubs, unter denen das „Athenäum“ das größte Ansehen genießt. Die deutsche Kolonie (2000 Seelen stark) unterhält eine blühende Schilleranstalt. Öffentlicher Unterhaltung dienen ferner 3 Theater, die Pomonagärten (wo auch Pferde- und Viehausstellungen stattfinden) und der Alexandrapark mit Aquarium. – M., das Mancunium oder Mancenium der Römer, das im Lauf der Zeiten von Pikten, Skoten, Sachsen und Dänen in Besitz genommen wurde, kommt im Domesdaybuch Wilhelms des Eroberers als Mancestre vor, woraus dann M. ward. Das Schloß zu M. war damals Mittelpunkt einer Baronie, die bis 1347 der Familie Gredley oder Gresley gehörte und dann auf die Familie Delaware vererbte. 1626 erhielt Henry Montagu den Titel eines Grafen, 1719 sein Urenkel Charles Montagu den eines Herzogs von M. M. erhielt 1301 städtische Rechte und wird im 14. und 15. Jahrh. als eine gewerbfleißige Stadt geschildert, wo Leinen- und Wollzeuge mit großer Emsigkeit gefertigt wurden. Die Zahl der Einwohner betrug 1719 nur 8000, [177] 1759 bereits 20,000 und 1841: 353,390 Seelen. Vgl. Whitacker, The history of M. (2. Aufl., Lond. 1773, 2 Bde.); Reilly, History of M. (das. 1861); Proctor, Memorials of byegone M. (das. 1879).

2) Fabrikstadt im nordamerikan. Staat New Hampshire, am Merrimak, der von fünf Brücken überjocht wird. Wichtig sind namentlich die Baumwoll- und Wollmanufaktur und der Bau von Dampfwagen und Feuerspritzen. M. wurde 1838 angelegt, erhielt 1846 städtische Rechte und zählt (1880) 32,630 Einw.

Manchester (spr. mä́nntschestr), Grafen und Herzöge von, Peers von England, leiten ihre Herkunft von Drogo de Montacuto ab, der mit Wilhelm dem Eroberer aus der Normandie kam, und dessen Nachkommen 1337 zu Grafen von Salisbury erhoben wurden. Der unmittelbare Stammvater der M. ist Sir Edward Montagu, der unter Heinrich VIII. Sprecher des Unterhauses und seit 1537 Oberrichter der King’s Bench war und 1557 starb. Die namhaftesten Sprößlinge des Geschlechts sind:

1) Sir Henry Montagu, Viscount Mandeville, Enkel des eben Genannten, geb. 1563 zu Boughton, Parlamentsmitglied für London, ward 1616 Lord-Oberrichter der King’s Bench und 1620 Lord-Schatzmeister und zugleich als Lord Montagu von Kimbolton und Viscount Mandeville zum Peer und im Februar 1626 zum Grafen von M. erhoben. Unter Karl I. war er Geheimsiegelbewahrer und starb 7. Nov. 1642.

2) Edward, Lord Kimbolton, Viscount Mandeville, Sohn des vorigen, geb. 1602, ward noch bei Lebzeiten seines Vaters mit dem Titel Lord Kimbolton ins Oberhaus berufen, war hier einer der thätigsten Führer der Opposition u. gehörte im Januar 1642 zu den sechs Parlamentsmitgliedern, deren Verhaftung Karl I. beantragen ließ. Im November folgte er seinem Vater als Graf von M. und wurde, nachdem der Kampf mit dem König zum Ausbruch gekommen war, Befehlshaber einer der Armeen des Parlaments. Er hatte großen Anteil an der Niederlage des Prinzen Rupert bei Marston-Moor (1644), zerfiel aber nach der Schlacht bei Newbury mit Cromwell und wurde durch diesen von seinem Kommando entfernt. Ein Gegner der Hinrichtung des Königs, zog sich M. nach derselben vom öffentlichen Leben zurück, stimmte aber 1660 in der Versammlung der Peers für die Restauration Karls II. und trat in dessen Staatsrat ein. Er starb 5. Mai 1671.

3) Charles, vierter Graf von, Enkel des vorigen, war einer der ersten, welche sich bei der Revolution von 1688 dem Prinzen von Oranien anschlossen. Er nahm Anteil an der Schlacht am Boynefluß und an der Belagerung von Limerick, wurde 1696 zum Gesandten in Venedig, 1699 zum Botschafter in Paris und 1701 zum Staatssekretär ernannt. Er unterstützte mit Eifer die Thronbesteigung des Hauses Hannover, weshalb ihn Georg I. 1719 zum Herzog von M. erhob. Er starb 20. Jan. 1722.

4) George Montagu, sechster Herzog von, geb. 9. Juli 1799, diente in seiner Jugend in der Marine, erhielt 1822 den Rang eines Commanders, war hierauf bis 1837 Mitglied des Unterhauses und starb 18. Aug. 1855. Er hat mehrere theologische Schriften herausgegeben.

5) William Drogo Montagu, siebenter Herzog von, Sohn des vorigen, geb. 15. Okt. 1823, trat 1841 in die Armee, diente 1843–46 im Kapland, ward dann Hauptmann im Gardegrenadierregiment, nahm aber 1850 seinen Abschied. Von 1848 bis 1855 gehörte er dem Unterhaus, seitdem dem Oberhaus an; er stimmt mit der konservativen Partei, hat aber nie eine hervorragende Stellung eingenommen.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 595
korrigiert
Indexseite

[595] Manchester, 5) William Drogo Montagu, siebenter Herzog von, starb 21. März 1890 in Neapel.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 599
Indexseite

[613] Manchester ist (seit 1882) Sitz der Victoria University, welche im J. 1880 durch eine Royal Charter besonders für die nordenglischen Grafschaften gegründet ist. Sie besteht zur Zeit aus drei verschiedenen Colleges: 1) Owens College zu M. (gegründet 1851), 2) Yorkshire College zu Leeds (gegründet 1874), 3) University College zu Liverpool (gegründet 1881 und dann an die erstgenannten angeschlossen). Jedes College hat seinen eignen Verwaltungs- und Lehrkörper; die Abhaltung von Prüfungen und die Verleihung der Grade geht jedoch von der aus Vertretern aller drei Colleges gebildeten und durch Zuziehung von Examinatoren andrer englischer Universitäten vermehrten Zentralbehörde der Victoria University aus. Der Mangel an Konzentration, die Zersplitterung der Lehrkräfte und Lehrmittel wird häufig sehr störend empfunden. Die Anzahl der Members of Convocation beträgt gegen 250. Die Studenten leben nicht in Colleges, wie in Oxford und Cambridge, sondern nach deutscher und schottischer Weise in Privatwohnungen. Zu den Prüfungen werden auch weibliche Kandidaten zugelassen. Über Verfassung und Einrichtungen der Universität vgl. den jährlich erscheinenden „Victoria University Calendar“, der auch einen Abdruck der in sämtlichen (schriftlichen) Prüfungen der Universität gestellten Fragen enthält.