Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Farbepflanzen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 3839
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Farbepflanzen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 38–39. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Farbepflanzen (Version vom 01.12.2024)

[38] Farbepflanzen (hierzu Tafel „Farbepflanzen“), Gewächse, deren Wurzeln, Holz (Farbhölzer), Rinde, Stengel, Blätter, Blüten oder Früchte einen technisch verwertbaren Farbstoff enthalten oder bei geeigneter Behandlung liefern. Die F. gehören sehr verschiedenen Familien an; aber die meisten und wichtigsten stammen aus heißern Ländern, und nur wenige gedeihen bei uns. Am zahlreichsten sind die Pflanzen, welche rote und gelbe Farbstoffe liefern. Diese Farbstoffe sind chemisch von sehr verschiedener Beschaffenheit; manche rote stehen in nächster Beziehung zu violetten und blauen, aber derartige blaue Farbstoffe haben nur sehr geringen praktischen Wert. Von den blauen Farbstoffen besitzt eine große technische Bedeutung namentlich das Indigblau, welches niemals fertig gebildet in den Pflanzen vorkommt und nur von wenigen (Indigofera-Arten, Familie der Papilionaceen) in praktisch nutzbarer Weise geliefert wird; außerdem noch der Farbstoff des Blauholzes (Haematoxylon campechianum, Papilionaceen). Grünen Farbstoff enthalten zwar die bei weitem meisten Pflanzen, aber das so allgemein verbreitete Chlorophyll hat für technische Zwecke wenig Wert; andrer grüner Farbstoff wird nur aus gewissen Rhamnus-Arten (aus der Familie der Rhamneen) erhalten, indem er ähnlich wie der Indigo als Zersetzungsprodukt sich bildet. Endlich liefern mehrere Pflanzen braune Farbstoffe, und die an Gerbsäure reichen Gewächse gehören insofern zu den F., als die Gerbsäure zur Erzeugung schwarzer Farben benutzt wird. Rote Farbstoffe liefern ganz überwiegend Pflanzen aus den Familien der Cäsalpinieen u. Rubiaceen u. zwar mehrere südamerikanische und westindische Arten der Gattung Caesalpinia, das Pernambukholz, Brasilienholz, St. Marthen- u. Nicaraguaholz und das Brasiliettholz; die ostindische C. Sappan das Sapanholz; dann der ostindische Pterocarpus santalinus das Sandelholz. Von Rubiaceen liefert Rubia tinctorum den Krapp, die ostindische R. Munjista das Munjeeth und die ostindische Oldenlandia umbellata die Chaywurzel. Die andern rote Farbstoffe liefernden Pflanzen sind von minderer Wichtigkeit: verschiedene Flechten aus den Gattungen Variolaria, Lecanora, Roccella, aus denen Orseille und Lackmus gewonnen werden; die Alkanna (Alcanna tinctoria) aus der Familie der Boragineen; die Färberdistel (Carthamus tinctorius) aus der Familie der Kompositen; die Chika (Bignonia Chica) aus der Familie der Bignoniaceen; das Sorgho (Sorghum vulgare) aus der Familie der Gräser; die Stockmalve (Malva arborea) aus der Familie der Malvaceen; Soranjee (Morinda citrifolia) aus der Familie der Cinchonaceen; der Drachenblutbaum (Dracaena Draco) aus der Familie der Asphodeleen; Calamus Draco aus der Familie der Palmen. Für die gelben Farbstoffe sind besonders wichtig: die nordamerikanische Quercus tinctoria aus der Familie der Kupuliferen, welche Quercitronrinde liefert; dann die westindische Maclura aurantiaca aus der Familie der Moreen, von der das Gelbholz stammt; Rhus cotinus aus der Familie der Terebinthaceen, welche das Fisett- oder Fustikholz liefert; die chinesischen Gelbschoten von Gardenia grandiflora aus der Familie der Rubiaceen und der Wau (Reseda luteola) aus der Familie der Resedaceen, welcher auch bei uns kultiviert wird. Von geringerer Wichtigkeit sind: mehrere Kreuzdorn-, Rhamnus-Arten aus der Familie der Rhamneen; Safran (Crocus sativus) aus der Familie der Irideen; Bixa orellana aus der Familie der Bixineen, welche Orlean liefert; Curcuma longa aus der Familie der Zingiberaceen und verschiedene Aloe-Arten aus der Familie der Liliaceen. Die Wandflechte (Parmelia parietina), Berberitze, Ginster, Bockshorn, Scharte, Walnuß, Buchweizen, Spargel u. a. haben gegenwärtig kaum noch irgend welche Bedeutung als F. Den einzigen grünen Farbstoff, welcher benutzt wird, liefern die chinesischen Rhamnus utilis und R. chlorophorus. Die wichtigsten Indigblau liefernden Pflanzen gehören zur Familie der Papilionaceen und zur indischen Gattung Indigofera. Außerdem kommen in Betracht: der in Europa kultivierte Waid (Isatis tinctoria) aus der Familie der Kruciferen; der chinesische Färberknöterich (Polygonum tinctorium) aus der Familie der Polygoneen; das indische Nerium tinctorium aus der Familie der Apocyneen und indische Marsdenia- und Asclepias-Arten aus der Familie der Asklepiadeen. Als braunen Farbstoff benutzt man das Katechu, welches aus der indischen Acacia Catechu, Familie der Mimoseen, stammt, und das Gambir aus der indischen Uncaria Gambir, Familie der Rubiaceen. Von den gerbsäurehaltigen Materialien kommen in Betracht: die Galläpfel und Ackerdoppen, welche von Eichenarten stammen, die chinesischen Galläpfel von einer Sumachart, Dividivi von der südamerikanischen Caesalpinia coriaria, die Myrobalanen von der indischen Terminalia Chebula aus der Familie der Kombretaceen, der südeuropäische Sumach (Rhus coriaria) aus der Familie der Terebinthaceen. Außerdem werden auch, obwohl seltener, benutzt die Rinde der Roßkastanie, der edlen Kastanie, der Birke und Buche, die Wurzel der weißen Seerose (Nymphaea alba) und das Bablah, die Hülsen verschiedener Acacia-Arten. Von den F. hatten ursprünglich fast nur die heimischen Bedeutung; sie wurden im großem Maßstab kultiviert, lieferten aber wenig brillante Farben und waren auch nicht sehr ausgiebig. Ihnen gegenüber konnten viele Pflanzen in der Färberei zur Geltung kommen, welche man gegenwärtig nicht mehr benutzt. Mit der Ausdehnung des Handels wurden aber auch unsre wichtigern F. in den Hintergrund gedrängt, da sie mit den aus den tropischen Ländern eingeführten Farbmaterialien in keiner Weise konkurrieren konnten. Die Entwickelung der Chemie lehrte dann allmählich mehrere ausgezeichnete Farbstoffe kennen, welche wieder gegen die besten F. manche Vorteile boten, und als die Teerfarben auftraten,

[Beilage]

[Ξ]

Farbepflanzen.
(Die Beschreibung der Pflanzen siehe unter den lateinischen Gattungsnamen.)
[oben:] Caesalpinia crista (Rotholz). – Rubia tinctorum (Krapp). – Acacia Catechu (Katechu). – Indigofera tinctoria (Indigo). – Haematoxylon Campechianum (Blauholz). – Roccella tinctoria (Orseilleflechte).
[unten:] Bixa orellana (Orlean). – Carthamus tinctorius (Safflor). – Reseda luteola (Wau). – Isatis tinctoria (Waid), a einjähr. Pflanze. – Quercus velutina (Färbereiche). (Art. Eiche.) – Maclura aurantiaca (Gelbholz).

[39] sank die Bedeutung der F. ungemein schnell. Den Wert, welchen sie gegenwärtig noch besitzen, sichert ihnen fast nur noch die größere Beständigkeit vieler mit ihnen zu erzielender Farben. Aber schon ist einer der wichtigsten aus F. gewinnbaren Farbstoffe, das Alizarin des Krapps, künstlich aus Steinkohlenteer dargestellt worden, und sofort hat der Krapp seine Bedeutung fast vollständig verloren. Gleichem Schicksal gehen vielleicht die Indigo liefernden Pflanzen entgegen, da auch das Indigblau künstlich dargestellt wird.