Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Dampfschiff“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 478488
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Dampfschiff. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 478–488. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Dampfschiff (Version vom 19.11.2022)

[478] Dampfschiff (Dampfboot, Dampfer), jedes Schiff, welches durch eine oder mehrere an Bord eingebaute Dampfmaschinen bewegt wird. Nach der Art des Propellers unterscheidet man Rad-, Schrauben- und Prallschiffdampfer. Auf Raddampfern, der ältesten Art von Dampfschiffen, bilden meist zwei durch eine gemeinschaftliche Welle verbundene, seitlich außenbords angeordnete Schaufelräder den Propeller; nur wenn für jedes Rad eine Maschine vorhanden ist, sitzen die Räder auf zwei getrennten Wellen. Fig. 1 zeigt den Typus amerikanischer Flußdampfer mit zwei Seitenrädern. Bisweilen wird auch ein einzelnes Schaufelrad (Ruderrad) als Propeller benutzt, welches dann am Hinterschiff angeordnet ist. Diese

Fig. 1.
Amerikanischer Strom- und Küstendampfer.

[479]

Fig. 2.
Heckraddampfer.
Fig. 3.
Ozean-Schraubendampfer.

[480] Heckraddampfer (Fig. 2) verdienen im beschränkten Fahrwasser den Vorzug, da sie das Schiff nicht um die Breite der Räder, einschließlich ihrer Kasten, verbreitern, sich also der Schiffsbreite anpassen. Die Achse aller Raddampfer liegt querschiffs und trägt auf Seitenraddampfern an ihren äußersten Enden, also außenbords, die Radpropeller, welche unterschlächtigen Wasserrädern ähneln. Ihr Durchmesser wird, entsprechend der verlangten Fahrgeschwindigkeit des Schiffs, möglichst groß gewählt; von den Schaufeln tauchen am besten nur drei zugleich, wobei die mittlere senkrecht steht, während die andern eben tauchen. Nach einer Verbesserung lassen die Räder dem jedesmaligen Tiefgang gemäß kleine Verrückungen in radialer Richtung zu. Außerdem ist noch der Unterschied zwischen festen und beweglichen Schaufeln zu erwähnen; diese stellen sich beim Eintauchen und beim Heraustreten senkrecht und erzielen dadurch, obgleich im Bau umständlicher und während des Betriebes oft reparaturbedürftig, eine etwas größere Leistung. Die Fortbewegung des Radschiffs erfolgt durch den Wasserdruck gegen die eingetauchten Schaufeln. Die Größe dieses Drucks ist abhängig von der Umdrehungsgeschwindigkeit des Rades und vom Flächeninhalt

Schraubendampfer kleinster Art.

der tauchenden Schaufelfläche. In den Kriegsmarinen, welche jetzt zum weitaus größten Teil aus Dampfern bestehen, finden Raddampfer nur noch beschränkte Anwendung als Avisos, Jachten, Hafenschiffe etc., weil große und frei liegende Propeller dem Feind ein willkommenes Ziel für sein Geschützfeuer darbieten und Ein Treffer genügt, um das Schiff außer Gefecht zu setzen. Auch in der Handelsflotte sind Raddampfer, wenigstens auf dem Ozean, schon verdrängt worden aus Gründen, welche später bei einem Vergleich von Rad und Schraube erörtert werden sollen. Dagegen ist die Zahl der Raddampfer in der Binnenschiffahrt sehr beträchtlich, da ihr geringer Tiefgang sie überall dort möglich macht, wo der Schraubenpropeller schon den Grund aufwühlt oder gar aufstößt. Die großen und zahlreichen Binnengewässer Nordamerikas sind zur Zeit die eigentliche Heimat der Raddampfer, sie überragen die Zahl der Schraubenschiffe dort ganz bedeutend und nehmen selbst sehr große Dimensionen an, z. B. als Fährschiffe und Küstenfahrer. Die Palastdampfer der Fallriver-Stonington- und andrer Linien, welche 2000 Passagiere bequem logieren können, sind Raddampfer.

Die zweite Art der Dampfschiffe, um etwa 30 Jahre jünger als die Raddampfer, die Schraubendampfer (Fig. 3 u. 4), weichen bezüglich ihrer Bauart sowie hinsichtlich ihrer Maschinen und Propeller ganz bedeutend von ihren Konkurrenten ab. Ihr Propeller, die Schiffsschraube, besteht aus 2–6 schraubenförmig gewundenen Flügeln, welche in gleichmäßigem Abstand von einem gemeinschaftlichen Körper (der Nabe) ausgehen, der auf dem Ende der Propellerwelle befestigt ist. Diese Welle liegt längsschiffs, meist über der Kiellinie, und geht wasserdicht durch die hintere Wand des Schiffs. Der Propeller taucht ganz unter Wasser und wirft durch die schraubenförmige Neigung seiner Flügel (Blätter) das Wasser, welches dieser Schraube als „Mutter“ dient, in entsprechender Richtung als sprudelnde Masse von sich. Der Schraubenpropeller verlangt ein scharf zulaufendes Hinterschiff in seinen Unterwasserteilen, damit der Zufluß der Wasserstrahlen mit Leichtigkeit sich vollzieht. In den meisten Schraubendampfern bewegt sich der Propeller in einem Ausschnitt vor dem Steuer. Am zahlreichsten sind in der Handelsflotte die 4- und 3-Flügelschrauben, in der Kriegsmarine werden 2-Flügelschrauben oft vorgezogen für solche Schiffe, welche lange Reisen, zum Teil wenigstens, unter Segel allein machen, weil diese Schraubenform, entsprechend gestellt, den geringsten Widerstand bietet. Die größere Zahl der Flügel, in der französischen Marine meist unbeliebt, sichert den gleichmäßigern Gang des Schiffs, macht aber das Aufheißen des Propellers, d. h. das Hochbringen desselben über den Wasserspiegel, was für die Fortbewegung unter Segel allein nicht selten beliebt wird, unbequem, oft sogar unmöglich. Die Form der Flügel, sowohl die Breite als der Neigungswinkel ihrer Schraubenfläche, bietet manche Verschiedenheiten. Man kann jetzt, obschon häufig andre Formen auftreten und die bestehenden Formen allmählich ineinander übergehen, fünf Hauptformen unterscheiden: die ältere, die Griffith-, die Hirsch-, die Yarrow- und die Thornykrofft-Schraube, welche durch die Figuren veranschaulicht sind. Fig. 5 zeigt die ältere, jedoch in der Handelsflotte der Hauptsache nach noch heute stark verbreitete gewöhnliche Schraube, welche meist 3, oft auch 4 und als Reserveschraube 2 Flügel besitzt, die sich „windschief“ und radial erstrecken und am Umfang (oder doch annähernd so) die größte Breite haben. Fig. 6 zeigt die Zweiflügel-Griffith-Schraube in Ansicht und Längsschnitt, welche sich durch kugelförmige Nabe und gebogene Flügel auszeichnet, deren größte Breite etwa in ihrer Längenmitte liegt. Immerhin bleibt der schraubenartig gewundene Flügel nur ein unvollkommenes Wurfinstrument, welches das Wasser in gewundenen, divergierenden Strahlen in Gestalt einer wirbelnden Wassersäule von sich wirft. Durch die Abweichung der Strahlen voneinander wird die Wurfgeschwindigkeit des Wassers insofern beeinträchtigt, als ein Teil des geworfenen Wassers die Richtung seitwärts nimmt. Um dem so geworfenen Wasserstrahl mehr Schluß in sich selbst zu geben und den Seitenabfluß [481] zu verhindern, benutzt Hirsch (Fig. 7) Schraubenflügel, deren gewundene Fläche sich zwar der Griffithform anschließt, die jedoch in der Endprojektion die Figur eines Kreisbogens erhält, der mit der konkav gekrümmten gewundenen Fläche das Wasser aufnimmt. Obschon die Hirschschraube bei dem Rückwärtsgehen des Schiffs, wobei die konvexe Krümmung der Flügel gegen das Wasser tritt, nicht mehr leistet als die Griffithschraube, so hat sich ihre Konstruktion für die schnellere Fortbewegung des Schiffs, worauf es hauptsächlich ankommt, als die vorteilhafteste bewährt. Die Yarrowschraube (Fig. 8) zeichnet sich durch schmale, lange, spitz auslaufende Flügel (2–3) aus und ist wie die Thornykrofftschraube (Fig. 9) an Bord englisch-amerikanischer Schiffe nicht selten. Sie zeigt stark nach hinten gekrümmte Flügel, um mit Hilfe der so gewonnenen langen Hebelarme große Fahrgeschwindigkeit zu bewirken, welche für Torpedoboote vorzugsweise angestrebt wird. Fig. 10 zeigt einen neuern Propeller.

Der Schraubenpropeller wird aus Gußeisen, Gußstahl u. Bronze angefertigt, für die Kriegsmarine in neuester Zeit aus Phosphor- und Manganbronze; die Schraubenwelle wird dort, wo sie aus der Schiffswand tritt, durch eine Stopfbüchse geführt, welche den Eintritt des Wassers in die Schiffsräume hindert. Die Schraubenwelle besteht meist aus mehreren Teilen; ihr vorderes Ende, die Kurbelwelle, wird von der Dampfmaschine gedreht, u. ihr letztes Ende oder deren Verlängerung trägt die Schraube. Zwischen beiden sind auf großen Schiffen Transmissionswellen eingeschaltet. Der von der Schraube erzeugte Seitendruck wird von einem besondern Lager, dem Druck- oder Stoßlager, aufgenommen. Der Effekt der Schraube ist von dem Tiefgang des Schiffs unabhängiger als der des Rades, da die Schraube stets unter Wasser bleiben soll, wenn es auch einen Unterschied macht, ob sie gegen das dichtere Wasser in der Tiefe oder nahe der Oberfläche arbeitet; auch ist die Wirkung ihrer Flügel auf das Wasser eine dauernde; die nachteiligen Wirkungen, die beim Ein- und Austritt der Schaufelräder stattfinden, fallen bei der Schraube weg. Zum Kriegsdienst eignen sich Schraubendampfer wegen der versteckten Lage ihres Treibapparats, und weil sie in ihrer ganzen Breitseite Raum für die Aufstellung von Geschützen geben, weit besser als Raddampfer. Dagegen ist die Schraube besonders in seichtem Fahrwasser gefährdet. Sehr unvorteilhaft für Reparaturen ist endlich die unzugängliche Lage der Schraube, die ein Auswechseln während der Fahrt meist unstatthaft macht und im Hafen das Docken des Schiffs erfordert. Im J. 1881 kam bei Gelegenheit des Unfalls, welcher die Vandalia betroffen, der Umstand zur Sprache, daß die Schraubenwelle durch langen Gebrauch wie jede andre Welle infolge der Erschütterungen kristallinisch wird und dann leicht bricht. Dieses Kristallinischwerden scheint aber so spät einzutreten, daß es nur geringe praktische Bedeutung erlangt, weil die Wellen in der Regel wegen andrer Mängel schon früher ausgewechselt werden müssen.

 Fig. 5. Fig. 7.
Ältere Form. Hirschschraube.
Fig. 6. Fig. 9.
Griffithschraube. Thornykrofftschraube.
Fig. 8. Fig. 10.
Yarrowschraube. Neuere Schraube.
Fig. 5–10. Schiffsschrauben.

Etwa seit 1862 baut man auch Schiffe mit Zwillingsschrauben, bei welchen nicht Eine Schraubenachse in der Mittellinie des Schiffs liegt, sondern deren zwei in der rechten und linken Hälfte des Schiffs angebracht sind und, aus dem Schiff hinten und seitlich neben dem Steuerruder (Fig. 11 u. 12) hervorragend, je eine Schraube tragen. Diese Konstruktion hat in der Kriegsmarine vorzugsweise Eingang gefunden, unter anderm sind größte englische Panzerschiffe mit Zwillingsschrauben ausgestattet. Die Schwierigkeit, dem Kopf der Schraubenwellen mit dem Schiffskörper hinreichend starke Verbindung zu geben, ist leichter zu überwinden als die Nachteile einer Konstruktion mit zwei vollständig gesonderten Hinterschiffen nebeneinander, wie sie das in Bordeaux [482] gebaute frühere deutsche Panzerfahrzeug Prinz Adalbert und die englische Panzerkorvette Penelope hatten, bei denen der Abstrom des Wassers sehr ungünstig

Fig. 11.
Grundriß.
Fig. 12.
Längsschnitt.
Fig. 11 und 12. Zwillingsschraubendampfer kleinster Art.

war und die Haltbarkeit des Schiffskörpers sehr angegriffen wurde. Ein Hauptvorteil des Zwillingsschraubensystems ist, daß der Bruch einer Welle noch nicht die Bewegungsfähigkeit des Fahrzeugs vernichtet, da mit der zweiten Schraube bei verminderter Geschwindigkeit die Fahrt fortgesetzt werden kann. Außerdem werden durch Anwendung zweier Schrauben die Erschütterungen vermindert, durch vermehrte Widerstandsfläche wird die Schnelligkeit der Schiffe vergrößert, die Anordnung der Maschinen erleichtert und das Schiff manövrierfähiger. Die größere Schnelligkeit dieser Schiffe kann aber nur durch verhältnismäßig größern Kostenaufwand gegenüber der [483] Anwendung von nur einer Schraube mit gleicher Kraft erreicht werden.

Eine dritte Klasse von Dampfschiffen ist nach dem Turbinen- oder hydraulischen Reaktionssystem gebaut. In diesen „Prallschiffen“ wirkt die Zentrifugalkraft eines im Schiff eingebauten Wurfrades, welches durch die Dampfmaschine bewegt wird und durch Röhren im Boden des Schiffs das Wasser empfängt, das, vom Umfang des Rades nach zwei Knierohren geleitet, aus deren beweglichen, horizontal liegenden Ausflußschenkeln mit großer Geschwindigkeit ausströmt. Da zur Erreichung des größten Effekts der freie Abfluß des Wassers soviel wie möglich durch nichts behindert werden darf, so geschieht dieser Abfluß unmittelbar über der Oberfläche des Fahrwassers horizontal längsschiffs. Geschieht der Abfluß des Wassers in horizontaler Richtung nach hinten zu, so bewegt sich das Schiff vorwärts; werden die Abflußrohre so gedreht, daß der Ausfluß nach vorn stattfindet, so geht das Schiff rückwärts. Bei schräger Lage der Röhren geht das Schiff langsamer, während ihre senkrechte Lage den Stillstand des Schiffs bewirkt; werden aber die beiden Röhren einander entgegengesetzt gestellt, so dreht sich das Schiff um seine Achse. Die Geschwindigkeit des Schiffs wächst und fällt in dem Maß, wie der Sinus des Neigungswinkels, den das Abflußrohr gegen den Horizont bildet, an Größe zu- oder abnimmt. Infolge dieser Eigenschaften steht den Turbinenschiffen eine außerordentliche Lenkbarkeit zur Verfügung. Trotz derselben scheiterte ihre allgemeine Einführung am geringen Effekt dieses Propellers; dergleichen Konstruktionen sind, weil der Fortgang ihrer Schiffe nicht über 10 Meilen zu steigern war, nur vereinzelt geblieben.

Bauart der Dampfschiffe.

Äußerlich unterscheiden sich Dampfer und Segelschiffe sehr wesentlich. Zwar verursacht (abgesehen von den Raddampfern, deren Schaufelräder von großen, halbcylindrischen Radkasten umschlossen sind) der Motor im Äußern keine auffallende Veränderung, denn man kann beim Schraubenschiff nur den Ausschnitt für die Schraube vor dem Steuerruder sowie beim Prallschiff nur die Ausflußrohre sehen. Aber der ganze Habitus des Dampfers ist ein andrer, auch abgesehen von dem Schornstein, der auf Kriegsschiffen zuweilen teleskopisch eingerichtet und nicht selten doppelt und mehrfach vorhanden, zuweilen auch zum Umlegen (der Brücken wegen) eingerichtet ist, und abgesehen von der Takelage, welche auf allen Dampfern viel schwächer ist und weiter auseinander stehende Masten führt als auf Segelschiffen. Der Bau des Dampferrumpfes ist viel gestreckter als der des Seglers: dieser ist etwa viermal so lang als breit, der Seedampfer ist fünf- bis sieben- und neuerdings oft zehnmal so lang als breit, der Flußdampfer sogar acht- bis sechzehnmal. Früher baute man die Dampfer ausschließlich aus Holz, jetzt aus Eisen oder Stahl.

Für Berechnung der Maschinen beim Bau eines Dampfers muß der Widerstand bekannt sein, den das Schiff bei seiner Bewegung im Wasser erleidet. Im allgemeinen wächst der Widerstand mit der Größe des Hauptquerschnitts und mit dem Quadrat der Geschwindigkeit des Schiffs. Zur Bestimmung des Widerstandes ist indessen das Produkt aus dem Hauptquerschnitt und jenem Quadrat der Geschwindigkeit noch mit einer je nach der Bauart des Schiffs groß oder klein ausfallenden Zahl, dem Widerstandskoeffizienten, zu multiplizieren. Diesen Widerstandskoeffizienten von vornherein haarscharf anzugeben oder ihn gar zu berechnen, ist unmöglich; durch Versuche hat sich herausgestellt, daß derselbe für sehr gute Schiffsformen 0,05–0,10 beträgt, bei einem prismatischen Schiff ohne alle Verfeinerung der Form dagegen 1,1. Für wirklich gut geformte Schiffe dürfte anzunehmen sein, daß der Widerstand fast nur von der Reibung des Wassers an den Schiffswänden herrührt, entsprechend der Reibung, welche in Röhren fließendes Wasser erleidet. Dem entsprechend bedürfen sehr lange Schiffe stärkerer Maschinen als kürzere von gleichem Querschnitt, wie sie in Nordamerika auf den Binnendampfern teilweise noch im Gebrauch sind.

An die Dampfkessel der Dampfschiffe, welche meist in der Mitte des Schiffs und möglichst tief liegen, aber auf nordamerikanischen Booten nicht selten auf dem Hauptdeck aufgestellt sind (Fig. 1), stellt man in vielen Beziehungen ähnliche Anforderungen wie an die der Lokomotiven, und die günstigen Erfahrungen, welche man bei diesen mit Röhrenkesseln gemacht hat, führten, namentlich seit Benutzung hoch gespannter Dämpfe, zur allgemeinen Einführung dieser Kesselgattung auf Dampfschiffen. In Seedampfern, welche ihre Kessel mit Seewasser speisen, bringt dessen Salzgehalt den Übelstand hervor, daß sich bei fortschreitender Verdampfung eine Salzkruste auf der innern Kesselwandung ablagert, welche die Verdampfung erschwert und die Verbrennung der Kesselbleche veranlaßt. Seedampfer waren daher gezwungen, in verhältnismäßig kurzen Zeiträumen einen Teil des Kesselwassers abzulassen und aus See zu ersetzen. Wegen des damit verbundenen bedeutenten Wärmeverlustes ist die Oberflächenkondensation, bei der ein Rohrsystem angewandt wird, in welchem der Dampf mit durch Seewasser gekühlten Metallflächen in Berührung kommt, eingeführt worden. Das so gewonnene Kondensationswasser wird mittels der Speisepumpe in die Kessel zurückgeschafft. Die Oberflächenkondensation gewährt bedeutende Ersparnis (20 Proz.) an Brennmaterial und hat namentlich auch die Anwendung hoch gespannter Dämpfe auf Seeschiffen ermöglicht. Die Spannung der Dämpfe beträgt jetzt durchschnittlich 6 und erreicht mehr als 8 Atmosphären. Ein weiterer Vorteil ist für Niederdruckmaschinen durch die Überhitzung des Dampfes erzielt worden, welche für den Kesseldampf auf seinem Weg nach den Cylindern die Wärme der abziehenden Heizgase nutzbar macht. Das Heizmaterial der Schiffskessel ist vorzugsweise Steinkohle und Anthracit; die Wal- und Robbenboote verbrennen auch Fischrückstände, und auf dem Schwarzen Meer und der Wolga werden mit großem Vorteil Petroleum-Destillationsrückstände benutzt.

Die Dampfmaschinen der Dampfschiffe gehören sehr verschiedenen Systemen an. Die hauptsächlichsten Maschinentypen für Radschiffe sind Oszillations-, Diagonal-, Balancier- und Turmmaschinen. Unter diesen Maschinenformen ist die Balanciermaschine eine der ältesten, die in Europa nun aber fast ganz ausgestorben ist. Nachdem sie ihre ursprüngliche Gestalt, welche das erste in Europa bewährte Dampfboot (der Bellsche Komet) 1812 auf dem Clyde zwischen Glasgow und Greenock zeigte, mannigfach verändert und modernisiert hatte, war sie zum herrschenden Typus geworden. Sehr verschieden davon ist die amerikanische Balanciermaschine, welche lange schon und gegenwärtig noch die herrschende Maschinenform auf den Fahrzeugen der Binnengewässer des östlichen Nordamerika bis zum St. Lorenzstrom hinauf darstellt, aber auch auf flach gehenden Küstendampfern der allergrößten Art dort noch heute heimisch ist. Während die englische Balanciermaschine [484] zwei Balanciers neben dem Cylinder besitzt, hat ihre amerikanische Schwester nur einen über dem Cylinder liegenden, aber hoch über sämtliche Decke emporragenden Balancier, so daß Gang und Stillstand der Maschine aus großer Ferne in Sicht sind (Fig. 1, S. 478). Diese Hochbalanciermaschine hat die Vorzüge der Leichtigkeit, Billigkeit, bequemen Zugänglichkeit und leichten Bedienung; sie zeichnet sich außerdem durch langen Hub (10–14 Fuß) aus. Wie diese beiden Formen, zählt auch die Turmmaschine zu den ältesten an Bord. Sie ist in England und Amerika neben der Balanciermaschine, aber nicht in gleich starkem Maß, auf Flußdampfern verbreitet und in der Union durch Stevens eingeführt. Es ist gleichfalls eine Maschinenform mit aufrecht stehendem Cylinder, die Kolbenführung liegt über demselben, wo sie sich hoch hinaufbaut, daher der Name steeple engine dieser aufrecht stehenden Maschine mit rückgreifender Kurbelstange. Sie beansprucht nur geringen Flächenraum, ist leicht und billig und besitzt weniger bewegliche Teile als die Balanciermaschine beider Arten; aber sie konzentriert den Druck ihres Gewichts auf eine nur kleine Fläche des Schiffsbodens, und ihr Hub ist auch durch die Tiefe des Schiffs beschränkt.

Die Oszillationsmaschine, von Trewithick eingeführt und von Penn zu höchster Vollkommenheit ausgebildet, eine der besten Formen für Radschiffe, verbindet die Kolbenstange direkt mit dem Kurbelzapfen, während ihr Cylinder schwingt. Immer oder doch fast immer zweifach an Bord vorhanden, wirkt sie am besten mit einem Überdruck von 2 Atmosphären, ist in neuerer Zeit aber auch nach dem Compoundprinzip (welches gegenwärtig fast den ganzen Schiffsmaschinenbau beherrscht) gebaut worden. Sie besitzt den Vorzug großer Einfachheit und geringer Zahl ihrer beweglichen Teile. Langer Hub kann ihr dadurch erteilt werden, daß man die Mittellage des Cylinders, statt vertikal, in geneigter Lage anordnet. Mit Diagonalmaschine wird diejenige Form der Maschine mit direkt wirkender Kurbelstange bezeichnet, deren Cylinder geneigt liegt und zwar in Radmaschinen mit Hochlage der Radwelle. Sie beginnt der Oszillationsmaschine scharfe Konkurrenz auf Flußschiffen zu machen. Sie beansprucht zwar beträchtlichen Raum in der Länge des Schiffs, jedoch nicht so viel, wie die Oszillations- und Seitenbalanciermaschinen querschiffs fordern; sie ist etwas schwerer und teurer als die übrigen Typen, wenigstens in ihrer ältern Konstruktion, dafür aber geeignet für große Kraftentfaltung in wenig tief tauchenden Schiffen und dort überall am Platz, wo es auf ängstliche Raumersparnis eben nicht ankommt. Vorteilhaft für sie ist auch, daß ihr Gewicht sich auf eine größere Basis verteilt, wodurch der Schiffskörper gleichmäßiger beansprucht wird.

Die Einführung der Schraubendampfer stellte der Maschinenbaukonstruktion schwierige Aufgaben. Statt der Hoch- und Querschiffslage der Maschine und Propellerwelle mußte sie die Längsschiffs- und Tieflage acceptieren, und außerdem verlangte die Schraube eine schnellere Rotation als das Rad, um leistungsfähig zu werden. Für die Oszillationsmaschinen wurde der Wellenstrang so geneigt, daß die Cylinder unter ihm schwingen konnten, während das andre Wellenende so tief zu liegen kam, wie es die Tauchung des Propellers verlangte, woraus eine stark schräge Lage der Wellenleitung resultierte. Andre stellten den Cylinder über die Kurbelwelle, so daß die Kolbenstange nach unten arbeitete. Auch die Turmmaschine wurde versucht, indem ihr die horizontale Lage gegeben und die Kolbenführung diesem Umstand entsprechend abgeändert wurde, ein erfolgreiches Experiment, das endlich zur Konstruktion der noch heute üblichen, auf Kriegsschiffen häufig adoptierten Maschinenform führte, die unter dem Namen horizontale Maschine mit rückgreifender Kurbelstange bekannt ist. Ebenso wurde die Maschine mit direkt wirkender Kurbelstange in horizontaler Lage mit den entsprechenden Änderungen montiert, was gleichfalls zu brauchbaren Konstruktionen, die in der Kriegsmarine noch heute Anwendung finden, geführt hat. Diese Form besitzt thatsächlich große Vorzüge im Vergleich mit andern Horizontalmaschinen. Wenn sie auch hinsichtlich der von ihr beanspruchten Breite den andern Formen nachsteht, so zeichnet sie sich doch durch größere Zugänglichkeit ihrer Partien vorteilhaft aus. Seit Einführung höhern Dampfdrucks, gegen den sich die Kriegsmarinen auffallend lange gesträubt haben, so daß ihnen die Handelsflotten darin weit voraus waren und noch sind, Torpedoboote ausgeschlossen, ist diese Form ganz besonders für die Bewegung von Kriegsschiffen geeignet.

Der Cylinder der eben besprochenen Maschinenform ist auch über die Kurbelwelle gestellt worden, so daß er umgekehrt erscheint, indem die Kolbenstange nach unten wirkt. Dieser Typus (Hammermaschine, weil ihr Aufbau mit dem Dampfhammer große Ähnlichkeit hat) ist in der Handelsflotte allgemein der herrschende, an Bord von Ozeandampfern sogar der alleinherrschende geworden. Was die Überlegenheit der Hammermaschine über die andern Formen vor allem bezeugt, ist die bequeme Zugänglichkeit ihrer gesamten Partien, die überall an Bord gefordert werden muß, in Handelsdampfern aber von weit größerer Bedeutung ist als in Kriegsschiffen. In ihrer einfachsten Form besteht die Hammermaschine aus einem auf zwei Säulen ruhenden Cylinder, flankiert auf einer Schiffsseite von dem Kondenser, auf der andern von der Steuerung. Die Kurbelstange verbindet Kreuzkopf und Wellenkurbel, ein Schwungrad auf der Kurbelwelle regelt die Wellendrehung. Am häufigsten ist die Form der Zwillingshammermaschine; die beiden Cylinder werden in größern Ausführungen von einem Bockgestell getragen, Kurbelwelle und Kurbeln sind aus dem Ganzen. Der Kondenser hat annähernd zentrale Lage, um den Schwerpunkt der Konstruktion möglichst in die Mittellinie des Schiffs zu bringen. Die Hammermaschinen werden jetzt allgemein als Compoundmaschinen gebaut, deren Hochdruckcylinder oft auf den Niederdruckcylindern stehen, und deren Kolben desselben Systems an gemeinschaftlichen Kolbenstangen arbeiten, sodann aber namentlich auch als Dreicylinder-Compoundmaschinen, welche für große Kraftentfaltung ganz entschieden geeignet sind. Selbst sechs Cylinder haben schon Anwendung gefunden.

Auch die Diagonalmaschine hat eine Umwandlung erfahren, um sie für Schraubenschiffe brauchbar zu machen. Die Cylinder wurden umgekehrt, so daß die Kurbelstangen, der Tieflage der Kurbelwelle entsprechend, nach unten arbeiten. Bevor die Hammermaschine allgemein als die beste Form für Handelsdampfer erkannt worden, war dieser Typus zuerst nicht unbeliebt, kam dann aber infolge häufigen Bruches der Kurbelwelle immer seltener zur Anwendung. Eine Abart dieser, auch nach dem Compoundprinzip eingeführten Maschine ist dadurch geschaffen worden, daß nur ein Cylinder (in der Regel der kleine) geneigt, der andre aber über die Kurbelwelle gestellt ist. – Außer den bisher erwähnten Maschinenformen, [485] welche sich sämtlich aus den Radmaschinen entwickelten, ist eine Form zu erwähnen, welche speziell für den Schraubenpropeller geschaffen und an Bord von Kriegsschiffen von hoher Bedeutung geworden ist: die durch Penn eingeführte Trunkmaschine. Sie ist für große Kraftentfaltung bei Anwendung niedrigen Dampfdrucks vorzüglich brauchbar, eignet sich aber nicht für hoch gespannten Dampfdruck.

Volkswirtschaftliche Bedeutung der Dampfschiffe.

In volkswirtschaftlicher und handelspolitischer Beziehung hat die Erfindung des Dampfschiffs und die allgemeine Benutzung desselben eine wahre Revolution hervorgebracht. Vor allem bedeutungsvoll wurde der von Wind- und Wasserströmungen nun ziemlich unabhängige regelmäßige und schnelle Verkehr zwischen Europa und den übrigen Weltteilen, welcher durch die Dampfschiffahrt (s. d.) eine in früherer Zeit nicht geahnte Ausdehnung erhalten hat. Die Ein- und Ausfuhr der für ein Land notwendig oder entbehrlich gewordenen Produkte ist eine wesentlich andre geworden, seitdem ein regelmäßiger Verkehr zu Wasser durch Dampfschiffe ins Leben gerufen ist. Daß die Dampfschiffe ihren Zwecken immer mehr genügen, ist eine besondere Errungenschaft der neuesten Zeit. Die Sicherheit des Verkehrs hat durch die wachsende Solidität des Schiffbaues und der Maschinen fortwährend Steigerung erfahren. Auch die Schnelligkeit der Dampfschiffe hat durch Aufstellung verbesserter Schiffsformen, durch richtig gewähltes Verhältnis zwischen der Kraft der Maschinen und dem Widerstand des Schiffs Bedeutendes erreicht. Die Fahrt zwischen Irland und New York ist schon wiederholt in 6–7 Tagen (gegen 17–25 Tage beim Beginn der Dampfschiffahrt) vollendet worden. Während man durchschnittlich mit Rücksicht auf die Ungleichmäßigkeit des Wetters die Schnelligkeit der Seedampfer auf 14 Seemeilen in der Stunde berechnete, gibt es nun auch Hochseedampfer, welche 18 Meilen laufen. Der Wunsch, die Transportkosten möglichst zu verringern, führte zu der Konstruktion außergewöhnlich großer Schiffe. Wenn das Eigengewicht des Schiffs mit seiner Ladefähigkeit in gleichem Verhältnis wüchse, wenn das zur Reise erforderliche Brennmaterial ebenfalls in geradem Verhältnis zur Größe des Schiffs stände, so wäre kein Zweifel, daß unter Voraussetzung gleicher Sicherheit und Schnelligkeit kleine und große Schiffe in der angedeuteten Beziehung denselben ökonomischen Wert haben müßten. Die eigentlich tote Last der Schiffe, ihr Eigengewicht, steht indessen keineswegs in einem geraden Verhältnis zu ihrer Ladefähigkeit. Im Gegenteil wird der eigne Bau für große Schiffe unverhältnismäßig leichter und billiger, und hierin liegt der Hauptvorteil derselben. Anderseits gebrauchen die Dampfer bedeutende Quantitäten von Brennmaterial, und je mehr sie davon führen, desto weniger Ladung können sie nehmen; mit weniger Kohlen müssen sie weite Umwege machen, um ihren Bedarf zu ergänzen, und auf diesen Zwischenhäfen haben sie unverhältnismäßig hohe Preise zu zahlen. Alle diese Gründe drängten zum Bau immer größerer Dampfer. Der entschiedenste Repräsentant dieses Gedankens ist der 1852–57 auf der untern Themse von Scott Russell und Brunel erbaute Great Eastern, das größte Schiff der Welt, ursprünglich zur Fahrt zwischen England und Australien bestimmt, wobei es unterwegs nie Kohlen nehmen sollte, aber seiner passenden Größe wegen meist zur Legung von Telegraphenkabeln verwandt. Der Great Eastern, welcher Rad- und Schraubendampfer zugleich ist, ist 207 m lang und 25,3 m breit; Raddurchmesser 17 m, Schraubendurchmesser 7,3 m, Gewicht der Schraube 60 Ton., 7 Masten, 6500 QYards Segelfläche, Raum für 3000 Reisende. Es sind aber Ozeandampfer in beständiger Fahrt, welche jenem Riesenschiff nur wenig an Größe nachstehen.

Dampffähren (Trajektschiffe).

Eigentümliche Verwendung haben Dampfschiffe als Dampffähren (Trajektschiffe) gefunden, besonders zur Vermittelung des Eisenbahnverkehrs über Ströme, Seen und Meeresarme. Man benutzt dazu entweder Räder- oder Schraubendampfer, oder man verrichtet die Überfahrt durch Zug an Ketten oder Seilen vom Schiff aus. In beiden Fällen aber wird das Schiff selbst als Prahm (Ponton) konstruiert. Zuerst sind derartige Dampffähren bei den Trajektanstalten der Edinburg-Perth-Dundee-Eisenbahn über den Firth of Forth und Firth of Tay benutzt worden; dann fanden sie Nachahmung bei der Homburg-Ruhrorter Rheintrajektanstalt, beim Elbübergang der Lüneburg-Lauenburger Bahnstrecke, als Trajektanstalt über den Nil bei der Bahn von Alexandria nach Kairo, beim Übergang über den Detroit in Kanada und beim Transport der Eisenbahnwagen von der Württembergischen Staatseisenbahn über den Bodensee auf die Schweizerische Nordostbahn. Man benutzt dabei Pontondampfschiffe, große, besonders breite, aber nicht sehr hohe Fahrzeuge mit Schornsteinen an der Seite. Ihr besonders starkes Deck dient zur Aufnahme der Eisenbahnwagen, die durch eine schiefe Ebene vom Ufer aus oder auch senkrecht durch hydraulisches Hebewerk auf das Schiff und von demselben mittels am Ufer aufgestellter Dampfmaschinen befördert werden. Das Deck (die Plattform) dieses Schiffs ist der Länge nach mit Bahnschienen belegt, um den ganzen Zug mit einemmal aufnehmen zu können. Die Lokomotiven und Tender bleiben jedoch am Ufer zurück und werden an dem andern Ufer abgelöst. Auf den Schiffen finden die Passagiere bequeme Kajütten. Zu der zweiten Gattung von Dampffähren gehört z. B. die zum Übersetzen von Fuhrwerken der Essen-Osterrather Eisenbahn bestimmte Trajektanstalt über den Rhein bei Rheinhausen unweit Duisburg, welche, um die Fähren in völlig geradliniger Fortsetzung mit den Eisenbahngeleisen an beiden Ufern und deshalb rechtwinkelig gegen die Stromrichtung überführen zu können, mit drei Drahtseilen und außerdem mit einer Kette ausgestattet ist. Ein Zugseil von 33 mm Durchmesser dient dazu, das Fährschiff von Ufer zu Ufer zu schaffen; ein damit paralleles Halteseil von 46 mm Durchmesser erzwingt die bestimmte Fahrrichtung, ein Ankerseil dient zum Verankern des jedesmaligen Halteseils und eine in der Stromrichtung durchgehende Kette zur Befestigung der Ankertaue. Dampfmaschine und Kessel liegen in der Längsrichtung des Schiffs hintereinander und nehmen kaum ein Drittel der Breite des 7,85 m breiten Schiffs ein, während der übrige Raum zur Aufstellung der Eisenbahnwagen frei bleibt.

Geschichte des Dampfschiffs.

Mechanische Mittel und Kombinationen zur Fortbewegung von Schiffen ohne Handruder und Segel sind schon in sehr früher Zeit versucht worden. Vielleicht haben die Chinesen zuerst Schiffe mit Ruderrädern an beiden Seiten gebaut; sicherer scheint zu sein, daß der Konsul Appius Claudius 263 v. Chr. die römische Armee nach Sizilien auf Schiffen übersetzte, welche statt der Ruder Schaufelräder hatten, die von wahrscheinlich am Göpel arbeitenden Ochsen in Umdrehung gesetzt wurden. Im J. 1472 veröffentlichte Valturius die Abbildung zweier Galeeren, welche gleichfalls durch Schaufelräder (fünf an jeder [486] Seite des Schiffs) bewegt werden sollten. Die Räder sollten durch eine gekröpfte Welle in der Mitte und unter Mithilfe von Seilen entsprechend zur gemeinsamen Aktion vereinigt werden. Die Erfindung, den Dampf als Triebkraft zu benutzen, hat man einige Zeitlang dem spanischen Seekapitän Blasco de Gary (1543) zugeschrieben; indes hat Mac Gregor nachgewiesen, daß hier ein Mißverständnis vorlag und nur von Experimenten die Rede sein kann, Schiffe durch Schaufelräder, welche von Menschen betrieben wurden, in Bewegung zu setzen. Die ersten Patente auf verschiedene mechanische Mittel, Schiffe ohne Handruder und Segel zum Fortlauf zu bringen, datieren in England von 1618; doch ist hinsichtlich deren Ausführung nichts bekannt geworden. Somit beginnt die Geschichte der Dampfschiffe thatsächlich erst mit dem 1681 von Papin geschriebenen Buch, in welchem er den Vorschlag machte, die Dampfkraft zur Bewegung der Schiffe zu benutzen. Papin wurde einige Jahre darauf Professor der Physik in Marburg, und es ist völlig zweifellos, daß er 27. Sept. 1707 mit einem von ihm angegebenen Ruderradschiff, wobei der Wasserdampf als bewegende Kraft benutzt wurde, auf der Fulda von Kassel nach Münden gefahren ist. Papin wollte mit diesem Schiffchen nach England übersetzen und scheint den Durchgang bei Münden, da ihm die obrigkeitliche Erlaubnis versagt worden war, mit Gewalt versucht zu haben. Dabei zerstörten ihm die dortigen Schiffer sein Fahrzeug, und dies Mißgeschick entmutigte ihn so sehr, daß er alle weitern Bemühungen aufgab. Im J. 1736 erhielt Hull ein Patent auf die Verwendung der Newcomenschen atmosphärischen Dampfmaschine zur Umdrehung von Ruderrädern auf Schiffen. Doch ist von einer Ausführung seiner Ideen nichts bekannt. Interessant ist, daß schon damals der Physiker Daniel Bernoulli vorgeschlagen hat (in seiner 1727 bearbeiteten und 1738 in Straßburg erschienenen „Hydrodynamica“), Schiffe durch die Reaktion von an ihrem Hinterteil unter dem Wasserspiegel ausströmendem Wasser in Bewegung zu setzen. Im J. 1753 erinnerte Bernoulli in einer von der Pariser Akademie gekrönten Preisschrift über den besten Schiffsmotor an diesen Vorschlag, gab aber dabei einer nach Art der Windräder konstruierten Schraube den Vorzug. Auf den Ruhm, das D. erfunden zu haben, macht auch Frankreich große Ansprüche, obwohl erst 1774 Auxiron und 1775 Périer Dampfboote konstruierten, welche aber viel zu langsam liefen, als daß sie zur weitern Verfolgung der Sache hätten anregen können. Im J. 1776 begann auch der Marquis Joffroy auf dem Doubs seine Versuche, und 1783 soll dieser mit einem größern Boot bei Lyon eine kurze Zeit gegen den Strom gefahren sein. Wegen der Geringfügigkeit des Erfolgs lehnte indes Calonne das Patentgesuch ab, und ein erneuter Versuch, den Joffroy 1816 unternahm, nachdem bereits die Korvette L’Elise auf der Themse über den Kanal bis Paris gedampft war, schlug gleichfalls fehl. In England begann man ungefähr um dieselbe Zeit mit derartigen Bemühungen. Im J. 1787 befuhr Patrick Miller den Firth of Forth mit einem Doppelboot, welches von zwei durch Handhaspel umgedrehten Ruderrädern bewegt wurde, und im folgenden Jahr benutzte er zum Betrieb der Räder eine zweipferdige, von Symington erbaute Dampfmaschine zu einer erfolgreichen Probefahrt auf dem Landsee zu Dalswinton. Im J. 1785 hatte Bramah ein englisches Patent auf Schrauben als „Schiffspropeller“ erhalten; aber 1787 befuhr Fitch mit dem ersten Schraubendampfer den Schuylkill, und noch in demselben Jahr kam Rumsey in Philadelphia mit einem Boot zu stande, welches die Reaktionskraft aus Röhren fließenden Wassers als Motor benutzte. Dies war das erste Prallschiff. Beide Amerikaner scheiterten auch in England; bez. Frankreich an ihren Arbeiten an Widerwärtigkeiten und Unglücksfällen verschiedener Art. Dagegen schleppte Symington, der den Lord Dundas für Dampfschiffahrtsversuche interessiert hatte, 1801 durch sein mit einer doppelt wirkenden Wattschen Dampfmaschine und einem Heckrad ausgestattetes Schiff 1802 auf dem Forth- und Clydekanal zwei Kanalboote mit einer Geschwindigkeit von 3,25 engl. Meilen die Stunde. Symington gebührt das Verdienst, zum erstenmal die Verbesserungen miteinander vereinigt zu haben, welche die Basis des heutigen Systems der Dampfschiffe bilden; seine Bemühungen scheiterten jedoch am Unverstand der Kanalschiffahrtsgesellschaft, bei der auch Lord Dundas mit seiner bessern Erkenntnis nicht durchzudringen vermochte. 1803 hatte der Amerikaner Robert Fulton mit einem Dampfboot auf der Seine Versuchsfahrten angestellt, reüssierte aber vollständig erst mit seinem D. Clermont, welches 7. Okt. 1807 den Hudson von New York bis Albany mit einer Maximalgeschwindigkeit von 5 engl. Meilen befuhr. Dieses Schiff war 42,67 m lang, 4,57 m breit und mit zwei an den Schiffsseiten angeordneten Ruderrädern von 4,7 m Durchmesser ausgestattet. Nach der Versuchsfahrt wurde es sofort als Passagierboot benutzt, und damit war die Dampfschiffahrt eröffnet. Fulton kann jedoch nicht als Erfinder wesentlicher Teile des Schiffs betrachtet werden; er benutzte eine Dampfmaschine von Watt, die Ruderräder von Miller, die Kombination der Räder mit der Maschine wesentlich nach den Ideen Symingtons, und die Gestalt des Schiffs war vorzugsweise auf Beaufoys Versuche gestützt. Seine Erfolge fanden aber so großen Anklang, daß schon 1812 mehr als 50 in Nordamerika erbaute Dampfer die dortigen Flüsse befuhren. Im J. 1818 lief in New York das für die Fahrt New York-Liverpool-St. Petersburg bestimmte dreimastige D. Savannah vom Stapel und vollendete seine erste Fahrt von Savannah bis Liverpool in 26 Tagen, wobei 18 Tage unter Dampf. Amerikaner verbesserten die Dampfschiffe mit großer Energie, sie erreichten eine Geschwindigkeit von 10 Knoten, und so schnell breitete sich nun die Dampfschiffahrt aus, daß 1823 schon über 300 Schiffe die Flüsse, Seen und Küsten befuhren. Charakteristisch für diese Dampfer waren die auf Deck gebauten Passagierräume, welche, noch jetzt dort üblich, sich auch auf unsern Flußdampfern einbürgerten.

In Europa wurde das erste dauernd in Fahrt gestellte D. 1812 von Wood im Auftrag von Bell an der Clydemündung erbaut und noch in demselben Jahr als Passagierboot zwischen Greenock und Glasgow benutzt. Bell hatte anfänglich mit John Thomson in Verbindung gestanden, und diesem gelang es 1812, auf eigne Hand ein D. zu bauen, welches schneller lief als das von Bell; fast gleichzeitig erbaute Robertson ein D., welches in Europa die erste Reise zur See machte. Ein andrer Glasgower Mechaniker, Buchanan, erfand 1813 die feathering paddle-wheels, deren Schaufeln in vertikaler Richtung ein- und austraten und auch so durch das Wasser gingen, aber in der Praxis sich nicht bewährten (s. S. 480). Die englischen Dampfschiffunternehmungen hatten guten Erfolg, 1815 fuhren in England und Schottland schon 20, im J. 1823 über 160 Boote. Deutsche Flüsse (Rhein und Elbe) wurden 1818 zuerst von englischen Dampfern befahren, aber [487] auf der Donau erschien erst 1830 ein D. In Frankreich datiert die Dampfschiffahrt von 1820, und drei Jahre später soll man dort mit dem Bau von Kriegsdampfschiffen begonnen haben. Die erste größere Dampfschiffahrtsgesellschaft war die General Steam-Navigation Company, deren Schiffe eine Geschwindigkeit von 9 Knoten erreichten. Sie wurde 1825 gegründet; in demselben Jahr benutzte auch ein englisches Schiff die Dampfkraft zur Aushilfe seiner Segelkraft auf der Fahrt nach Kalkutta, und ein andres englisches D. vollendete die erste Fahrt nach Ostindien ausschließlich mit Dampfkraft in 113 Tagen, wovon 10 Tage zum Anlegen und zur Aufnahme frischer Kohlen gebraucht wurden. Im J. 1830 besaß England schon 315 Dampfschiffe und fünf Jahre später 538. Im J. 1833 baute Lang das erste englische Kriegsdampfschiff, eine Fregatte von 110 Pferdekräften und 807 Ton., die 360 T. Kohlen an Bord nehmen konnte und zuerst ohne Mithilfe der Segelkraft die Fahrt über den Atlantischen Ozean vollendete. – Einen wichtigen Abschnitt in der Geschichte des Dampfschiffs bildet die Anwendung der Schraube als Motor, die 1829 zu Triest Joseph Ressel gelang. Die Schraube hatte einen und einen halben Umgang, 1,57 m Gewindehöhe und lag völlig unter Wasser zwischen Hintersteven und Steuerruder. Leider veranlaßte ein geringfügiger Unfall bei der Probefahrt die österreichische Polizei, alle weitern Versuche zu untersagen, und so hörte man nichts von der Anwendung der Schraube bis 1836, wo Smith in England großes Aufsehen mit einem Schraubendampfer erregte. Es gelang ihm, die Verwendbarkeit seiner Schraube für Fluß- und Seeschiffe darzuthun, und nach mehreren Versuchen erhielt er von der englischen Admiralität den Auftrag zum Bau eines größern Schraubendampfers. Dies Schiff, der Archimedes, machte 1839 seine Probefahrten mit so gutem Erfolg, daß von da ab die Schraube nach und nach auch bei andern Nationen Eingang fand. Die Probefahrten des Archimedes ergaben, daß eine kurze, zweigängige Schraube wirksamer und überhaupt vorteilhafter ist als eine lange, eingängige. Ericsson, der gleichzeitig mit Smith auftrat, benutzte dagegen zwei hintereinander liegende Räder mit je acht getrennten Schraubenflächen, welche beide nach entgegengesetzten Richtungen ansteigen, sich aber auch nach verschiedenen Richtungen umdrehen. Diese Konstruktion bewährte sich so gut, daß sie in Nordamerika, wohin Ericsson übersiedelte, allgemein angenommen ward und auch in Frankreich Verbreitung fand. Smith hatte eine Geschwindigkeit von 9,75 Knoten erreicht, Ericsson aber fuhr mit 10 Knoten. Inzwischen hatten sich in England große Dampfschiffahrtsgesellschaften gebildet, und 1843 lief das von Brunel erbaute eiserne Schiff Great Britain, der erste mit einer Schraube versehene Ozeandampfer, vom Stapel. Er hatte 98 m Decklänge, war 15 m breit, besaß eine Lastigkeit von 3500 Ton., 4 Dampfmaschinen von 2000 Pferdekräften und eine vierflügelige Schraube von 4,7 m Durchmesser und 8,5 m Steigung. Ein ausgezeichnetes Schraubenlinienschiff, den Napoleon, mit vierflügeliger Schraube erbaute Dupuy de Lôme von 1848 bis 1852 und erreichte mit demselben eine Geschwindigkeit von 12–13, selbst 14 Knoten. Das größte Aufsehen aber erregten Brunel und Scott Russell mit ihrem Great Eastern, der 1852 begonnen und 1857 vollendet wurde. Dies Schiff (s. S. 485) war zwar finanziell ein entschiedener Fehlschlag, lieferte aber die wertvollsten Ergebnisse bezüglich des Baues eiserner Schiffe.

Die neueste Zeit hat für Seeschiffe den Vorzug der Schraube endgültig dargethan; die erste Compoundmaschine erhielt 1854 der Dampfer Brandon, seitdem wurde der Dampfdruck von 19 bis auf 45 und mehr Kilogramm gesteigert. Trotz dieser Erfolge der Compoundmaschinen zögerten die Kriegsmarinen sowie die großen Dampferlinien und Reeder lange, bevor sie sich zur Einführung derselben entschlossen. Der erste Reeder, welcher die Hoch- und Niederdruckmaschine adoptierte, war die Pacific Steam-Navigation Company. Seit 1869 ist die Compoundmaschine in allgemeinem Gebrauch, doch erst 1872 entschlossen sich die Cunardlinie und die Peninsular and Oriental Company zur Adoptierung derselben, und die Kriegsmarinen sind deren Beispiel später gefolgt.

Die dritte Art von D.-Motoren, die Reaktionsröhren (Turbinenschiff, Prallschiff, Spritzschiff), wurde, wie erwähnt, schon 1727 von Daniel Bernoulli vorgeschlagen (s. S. 486); Allen ließ sich dasselbe Triebmittel 1729 patentieren, und Albert Euler erörterte 1764 neben der Verwendung von Ruderrädern und Schrauben auch die der Reaktion des Wassers bei seinem Ausfluß aus gekröpften Röhren. Das erste Schiff mit Reaktionsröhren wurde aber 1787 von Rumsey erbaut; dann ruhte die Idee, bis die Edinburger Mechaniker Ruthven Vater und Sohn 1850 ein kleines Boot mit Reaktionspropeller zu stande brachten. Dies Boot soll eine Geschwindigkeit von 8 Knoten erreicht haben, aber weitere Versuche mißlangen. Seydel, dessen Prallschiff Albert 1855 vom Stapel lief, nahm das Reaktionspropellersystem wieder auf. Die vollkommene Manövrier- und Steuerfähigkeit des Schiffs und seine Verwendbarkeit für jeden Tiefgang regten die Maschinenfabrik Cockerills in Seraing zur Nachfolge an; 1866 machte das von der englischen Admiralität erbaute eiserne Panzer-Dampfkanonenboot Waterwitch mit Reaktionspropeller auf der Themse fast 9 Knoten Fahrt. Ein von der deutschen Marine 1870 erbautes Torpedoboot, der Rival, arbeitete ökonomischer als das englische Schiff, erreichte aber auch nur 7 Knoten Fahrt. Bei allen diesen Prallschiffen wirkt der Dampf durch Vermittelung einer Maschine auf das Reaktionswasser, bei Fleischers Hydromotor dagegen direkt. Der Bewegungsmechanismus dieses Systems ist im Prinzip mit dem der Dampfmaschine von Savery (s. Dampfmaschine, S. 471) und dem des Pulsometers verwandt. Bei ersterer wird durch Kondensation des Dampfes in einem geschaffenen Gefäß eine Luftleere erzeugt, so daß es leicht voll Wasser gesaugt werden kann, welches sich durch den Dampfdruck auf eine gewisse Höhe heben läßt. Der Dampf, welcher nun das Gefäß füllt, kondensiert sich, und das Spiel beginnt von neuem. Von dieser Maschine unterscheidet sich das Pulsometer nur dadurch, daß es zwei Gefäße enthält, und daß Abschluß und Zuleitung des Dampfes wie bei der Steuerung einer Dampfmaschine selbstthätig erfolgen. Als ein vierter Motor kann die Kette oder das Seil betrachtet werden, welches bei der Tauerei (s. d.) angewandt wird.

Vgl. Scott Russell, Treatise on steam and steam-navigation (Lond. 1841); Tredgold, Treatise on steam-engines and steam-navigation (das. 1845); Woodcroft, A sketch of the origin and progress of steam-navigation (das. 1849); Main und Braun, The marine steam-engine (das. 1849); Burgh, Modern marine engineering (das. 1872); Derselbe, Modern marine compound engines (Lond. u. New York 1873); R. Murray, Treatise on marine engines and steam-vessels (Lond. 1878); Fincham, [488] History of naval architecture (das. 1851); A. und R. Murray, Ship-building in iron and wood (2. Aufl., Edinb. 1875); Russell, The modern system of naval architecture (Lond. 1865, 3 Bde.); Rankine, Ship-building (das. 1866); Bourne, A treatise on the screw propeller (neue Ausg., das. 1867); Reed, Ship-building in iron and steel (das. 1869); Seaton, Manual of marine engineering (das. 1883); Pollock, Modern ship-building (das. 1885); Steinhaus, Eisenschiffbau (Hamb. 1867); Rühlmann, Allgemeine Maschinenlehre, Bd. 4 (Braunschw. 1872); Knorr, Schiffs-Dampfmaschinenkunde (Berl. 1867); Marchetti, Die Schiffsdampfmaschine (Wien 1867); Schwarz-Flemming, Kesselabteilung auf Dampfschiffen (Berl. 1873, 2 Tle.); Ernst, Schiffsmaschinendienst (Triest 1870–71, 3 Bde.); Busley, Die Schiffsmaschine (2. Aufl., Kiel 1884 ff.); Amman, Handbuch zur Vorbereitung auf die Prüfung der See-Dampfschiffsmaschinisten (das. 1884); Freminville, Études sur les machines compound (Par. 1878).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 171172
korrigiert
Indexseite

[171] Dampfschiff. (Fahrzeit.) Auf dem Atlantischen Ozean hat sich eine Unsitte ausgebildet, welche darin besteht, daß die Dampfer der verschiedenen Linien in der Schnelligkeit einander den Rang abzulaufen suchen. Anfangs waren die Engländer den Deutschen weit voraus, in den letzten Jahren aber haben deutsche Schiffe die englischen wiederholt geschlagen, und von beiden Seiten werden die größten Anstrengungen gemacht, um (leider auf Kosten der Sicherheit des Schiffspersonals und der Reisenden) die Fahrzeit immer mehr abzukürzen. Der größte je gebaute Dampfer war der Great Eastern von 207,25 m Länge, 27,400 Ton. Wasserverdrängung, aber mit nur 7650 Pferdekräften und 14,5 Knoten Geschwindigkeit. Ihm schließen sich an die beiden Riesenschiffe Teutonic und Majestic der White Star-Linie mit 172,21 m Länge, 17,68 m Breite, 12,000 Ton. Wasserverdrängung und 18,000 Pferdekräften. Dann folgen City of Rome der Anchorlinie, die beiden vielgenannten unglücklichen Schiffe City of Paris und City of New York der Inmanlinie, dann der Fürst Bismarck der Hamburg-Amerikanischen Paketfahrtgesellschaft mit 153,16 m Länge, 17,57 m Breite, 11,400 T. Wasserverdrängung und 2 dreifachen Expansionsmaschinen von je 8000 Pferdekräften. Das Schiff hat 2700 T. (3500 cbm) Kohlen an Bord und ist eingerichtet für 420 Reisende erster, 170 zweiter Klasse, 705 Zwischendecksreisende und 270–300 Mann Besatzung. Es wurde auf der Werft des Vulkan in Bredow bei Stettin, sein Schwesterschiff, die Normannia, auf der Werft zu Fairfield gebaut. Die größten Schiffe des Norddeutschen Lloyd zu Bremen, die Spree und die Lahn, sind zwar nur 141,12 m lang, 15,8 m breit, haben 8900 T. Wasserverdrängung, aber vortreffliche Maschinen von 12,770 Pferdekräften, welche den Schiffen eine solche Geschwindigkeit geben, daß sie die englischen Schiffe überholten. Fürst Bismarck hat seine Erstlingsreise von Hamburg über Southampton nach New York in den Tagen vom 9.–16. Mai 1891 in 6 Tagen 14 Stunden 15 Minuten zurückgelegt und hierbei auf der Strecke von Southampton bis Sandy Hook, welche in Deutschland und Frankreich diesen Berechnungen und Bestimmungen zu Grunde gelegt wird, eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 19,51 Seemeilen in der Stunde entwickelt. Seine beste Leistung während eines Tages betrug 20,4 Knoten. Die Erstlingsreise dauerte beim Fürst Bismarck 158 Stunden, bei City of Paris 106, Majestic 170, Teutonic 174, Lahn 181, City of New York 193, Spree 200 Stunden. Die Rückreise des Fürst Bismarck dauerte sogar nur 6 Tage 13 Stund. 15 Min., so daß hier eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 19,78 Seemeilen erreicht wurde (die deutschen und englischen Angaben der Reisedauer scheinen sich häufig zu widersprechen, weil ihr die Engländer die Überfahrt von Queenstown auf Irland nach Sandy Hook, dem Leuchtturm an der Einfahrt in die Bai von New York, die nur 2800 Seemeilen mißt, die Deutschen aber, wie erwähnt, [172] die Linie Southampton-Sandy Hook zu Grunde legen). Während die in England gebauten großen Schnelldampfer, um die größte Leistung zu erzielen, 350–400 T. Kohle am Tage verbrauchen, hat Fürst Bismarck nur 280 T. verbrannt. Teutonic und City of Paris haben jüngst die Erreichung einer die des Fürst Bismarck übertreffenden Leistung angemeldet. Die Angaben des Teutonic aber (20,06 Knoten) werden von Fachmännern ernstlich in Zweifel gezogen, und die City of Paris hatte auf der Reise, auf welcher sie 19,9 Knoten erreicht hat, beständig Maschinenhavarien, so daß das Schiff jetzt überhaupt nicht mehr fährt. Ähnlich erging es dem Schwesterschiff City of New York, welches Risse in seinen Cylinderständern und Fundamentplatten erhielt, so daß eine starke Anspannung der Maschine ausgeschlossen ist. Die älteste der englisch-amerikanischen Schiffahrtsgesellschaften, die Cunard-Gesellschaft, hat jetzt den Bau eines Schnelldampfers von 183 m Länge und 12,000 Ton. Wasserverdrängung bei der Schiffbaugesellschaft in Fairfield in Bestellung gegeben. Die Maschinen des Schiffes sollen 21,000 Pferdekräfte entwickeln, 2 Schrauben treiben und dem Schiffe eine größte Geschwindigkeit von 22, für die Dauerfahrt auf hoher See von 21 Knoten geben.

Vor 10 Jahren fingen die Schiffsdampfmaschinen mit dreifacher Expansion, also mit dreifacher Ausnutzung des Dampfes, an, sich einzuführen, und der höchste Dampfdruck betrug 5,4 kg auf 1 qcm. Heute beträgt dieser Druck bereits 14 kg und die Dreifach-Expansionsmaschine ist zur Regel geworden; ebenso der sogen. künstliche Zug zur Anfachung des Feuers in den Kesseln, wenigstens bei den Kriegsschiffen, während die Handelsdampfer ihn nur zeitweise anwenden, weil Mannschaft und Kessel dadurch übermäßig angestrengt werden. Ferner werden die Schiffe jetzt fast sämtlich mit zwei Maschinen und zwei Schrauben gebaut. Sehr vermindert hat sich der Kohlenverbrauch. Er beträgt jetzt durchschnittlich nur noch etwa 700 g für die Pferdekraft und Stunde. Den größten Fortschritt weist jedoch die Gesamtkraft der Schiffsmotoren auf. Vor 10 Jahren stieg die indizierte Stärke, d. h. die Kraftäußerung der Maschinen am Cylinder gemessen, auf höchstens 11,000 Pferdekräfte; jetzt werden 18–20,000 erreicht, das italienische Panzerschiff Sardegna soll es sogar auf 22,800 bringen. Ja man spricht von Maschinen von 25,000 und 30,000 Pferdekräften. Diesen Fortschritten verdankt die Ozeanschiffahrt ihren mächtigen Aufschwung. Die alten Maschinen verbrauchten bei weit geringerer Kraft ebensoviel Kohlen wie die jetzigen; auch war der mitzuführende Brennstoffvorrat viel größer, weil die Reisen länger dauerten, so daß für Passagiere und Fracht weniger Raum übrigblieb. Die jetzigen gewaltigen Passagierdampfer machen sich daher im ganzen besser bezahlt als die frühern. Auch bieten sie weniger Gefahren, und zwar hauptsächlich wegen der Doppelmaschinen und der beiden Schrauben. Wird die eine Maschine beschädigt, so ist das Schiff nicht hilflos, sondern fährt mit der andern Maschine, wenn auch langsamer, weiter. Gleiches gilt für einen etwa vorkommenden Bruch der Schrauben.