MKL1888:Aufnahme, topographische

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Aufnahme, topographische“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 6264
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Aufnahme, topographische. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 62–64. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Aufnahme,_topographische (Version vom 06.01.2023)

[62] Aufnahme, topographische (Aufnehmen), im Gegensatz zur geometrischen Feldmeßkunst (s. Feldmesser) derjenige Teil der niedern Geodäsie, welcher die Anfertigung eines Terrainbildes unmittelbar an Ort und Stelle, im Feld, zum Zweck hat. Die A. eines Landstriches geschieht nach dem Gesetz der orthographischen Horizontalprojektion (vgl. Projektion), wonach jede horizontale Linie, im Bild projiziert, genau in Länge und Gestalt wiedergegeben wird, während eine schiefe Linie nach Maßgabe ihres Böschungs- (Elevations-, Neigungs-) Winkels verkürzt erscheint (und zwar nach der Formel P [Projektion] = L [wahre Länge] × cosinus α [Böschungswinkel]). Die Bildfläche wird durch eine ebene, mit Zeichenpapier bespannte, horizontal stellbare Zeichenplatte dargestellt. Die früher bei der A. benutzten Instrumente lieferten meist nicht hinreichend genaue Ergebnisse, um danach völlig zuverlässige Detailpläne [63] zu bearbeiten. Erst der von Prätorius im 16. Jahrh. in Bayern erfundene, allmählich, namentlich durch Lehmann in Dresden 1790, Breithaupt in Kassel und durch die topographischen Abteilungen der Landesaufnahmen, verbesserte Meßtisch erlaubte eine korrekte A. Heute wird zur Landesaufnahme in fast allen Staaten der Meßtisch meist in Verbindung mit der Kippregel als dem eigentlichen Apparat zum Projizieren angewendet, daher Meßtischaufnahme, Kippregelaufnahme genannt. Der Maßstab für die im Feld zu erzielende „Originalaufnahme“ variiert um 1 : 25,000, d. h. 1 km Weg = 4 cm Papier. Die Meßtischplatte mit dem Papier gibt die horizontale, sehr fest und stabil aufgestellte Projektionsebene, die Kippregel die Mittel zum Absehen (Visieren) der Richtungs- (Visier-) Linien mittels Fernrohrs, zum Messen der Länge sowie der Böschung, der Visierlinien und zum Auftragen derselben in der Projektion auf das Papier in dem geforderten verjüngten Maßstab, ferner auch zum „Orientieren“ der Meßtischplatte, d. h. Einrichten derselben nebst der Zeichnung auf die Himmelsrichtungen, so daß jede Seite der quadratischen Platte einer Himmelsrichtung entspricht, oder auf eine bestimmte sichtbare Richtungslinie im Terrain. Demnach besteht der Kippregelapparat aus einem Lineal, über dem auf einer kurzen Säule oder Bock ein Fernrohr so befestigt ist, daß es in gleicher Ebene mit der Ziehkante des Lineals auf- und abgekippt werden kann. Das Fernrohr ist mit einem Visierkreuz im Innern versehen, welches zum Fixieren der anvisierten Terrainpunkte und in Verbindung mit einer eventuell dort aufgestellten Distanzlatte (Maßstab) zur sofortigen Ermittelung der Lattendistanz konstruiert ist. Das Fernrohr kann mittels einer an demselben angebrachten Röhrenlibelle (Niveau) horizontal eingestellt und jede Abweichung von der Horizontalen mit Hilfe eines mit dem Fernrohr verbundenen, an einer Kreisteilung entlang gehenden Zeigers, Alhidade oder Kreisbogen, Vertikalkreis, in kleinen Winkelteilchen gemessen werden. Außerdem ist an dem Apparat ein genauer Transversalmaßstab für die geforderte Verjüngung angebracht (gewöhnlich auf dem Lineal eingraviert) und eine Bussole (Kastenbussole) angeschraubt, deren Nordlinie parallel der Ziehkante gestellt ist. Die Kippregel, deren Urbild das Diopterlineal ist (ein Lineal mit zwei an den Enden der Ziehkante zu dieser senkrecht errichteten Visierrahmen [„Diopter“] mit Löchern oder aufgespannten Pferdehaaren), wurde von Reichenbach in München zuerst konstruiert, dann von Breithaupt wesentlich verbessert, auch in Dänemark als „dänische Kippregel“ oder „Universaldiopter“ gebräuchlich und ist augenblicklich in besonders vervollkommter Fassung bei der deutschen Landesaufnahme im Gebrauch.

Der Meßtisch (Mensel) besteht aus einem hölzernen dreifüßigen Stativ (zusammenlegbar), auf welchem mittels Schraube und Feder der messingene Aufsatz für die Platte aufgesetzt und befestigt ist. Der Aufsatz hat den Zweck, der Meßtischplatte, die über ihm aufgeschraubt, eine genaue seitliche Drehung mit der Hand oder mittels Mikrometerschrauben zu verleihen sowie eine sichere Horizontalstellung, die mittels des Niveaus kontrolliert wird. Hierzu besteht der Aufsatz im Prinzip aus einem kleinen Dreifußtischchen, in dessen Mitte sich senkrecht eine Zentralachse erhebt; um diese dreht sich eine Hülse, feststellbar und dann auch mikrometrisch drehbar, welche nach oben zu dem unmittelbar die Meßtischtafel, eine parkettartig zusammengesetzte Holztafel, tragenden Teller sich erweitert. Der Aufsatz ist vielfach auch anders konstruiert, jedoch immer unter Festhaltung des Zwecks: Horizontalstellung, Horizontaldrehung, Festklemmung der Platte, so von Bauernfeind, Pistor, Baumann, Starke, Jähns u. v. a.

Verfahren bei der topographischen Aufnahme.

In der Regel geht, wie bei der zusammenhängenden Landesaufnahme, der Meßtischarbeit des Topographen (Aufnehmers) eine trigonometrische Netzlegung (vgl. „Triangulierung“ bei Geodäsie) voraus. Dann werden vor der „Feldarbeit“ die „trigonometrischen Netzpunkte“, ihrer geographischen Lage entsprechend, auf das Meßtischblatt übertragen (eingestochen) und erhält der Topograph ein Positions- und Höhenverzeichnis dieser im Terrain durch „Steinpfeiler- oder Holzpyramidensignale“ weit sichtbar gemachten Punkte mit.

Fehlt die trigonometrische Netzlegung, und erstreckt sich das aufzunehmende Gebiet nur über den Erdraum eines Meßtischblattes, so muß der Topograph zur geometrischen oder graphischen Triangulierung oder Netzlegung schreiten: es wird zuerst eine Standlinie markiert (durch Flaggen, Jalons oder Fluchtstäbe) und, mit Maßstäben oder der Kette gemessen, verjüngt eingezeichnet und beginnt die Netzlegung, indem man durch „Vorwärtsabschneiden“ eine Anzahl für die A. wichtiger, gut sichtbarer, bez. markierter Punkte festlegt, die auch eine Aufstellung des Meßtisches zum „Stationieren“ zulassen müssen, als Weg-, Wald-, Wiesen-, Grabenecken, Türme, Giebel und andre Orientierungspunkte. Dies geschieht durch „Visierlinienziehen“ von den beiden Endpunkten und einem dritten Kontrollpunkt der Basis (Standlinie) aus.

Ist eine trigonometrische Netzlegung vorhanden (in Preußen über zehn Punkte pro Quadratmeile), so dienen diese als Orientierungs- und Kontrollpunkte; der Aufnehmer „stationiert“ sich entweder auf einem Netzpunkt oder außerhalb dieser Punkte, sich „nach denselben stationierend“. Die A. des Terrains um den Stationspunkt ist die Stationsarbeit. Die Gesamtaufnahme des Meßtischblattes besteht aus der allmählichen Zusammenfügung aller nötigen Stationsarbeiten.

Die Stationsarbeit beginnt damit, daß man den Meßtisch, auf ihm die Kippregel, horizontal aufstellt, die Platte durch Drehung unter Beobachtung entweder einer schon eingetragenen Orientierungslinie oder der Bussole orientiert und den „Stationspunkt“ nun auf der Meßtischplatte festlegt. Die Operation, eigentliches Stationieren, muß, wenn der Standpunkt nicht gerade auf einem Netzpunkt liegt, gewöhnlich mittels „Rückwärtseinschneidens nach drei Netzpunkten“ (unter Zugrundelegung der geometrischen „Pothenotschen Aufgabe“) und Korrektur der Orientierung vor sich gehen. Zur Festlegung der Umgegend der Station wird die Distanzlatte verwendet; jeder Punkt von Wichtigkeit wird nach Richtung und Entfernung abgemessen und aufgezeichnet. Sind genügend „Lattenpunkte“ eingetragen, so verbindet der Aufnehmer diese zu den Terrainlinien, als Wegen, Bächen, Gräben, Dorf-, Waldgrenzen, und erhält so einen Grundriß der „Situation“ in Blei. Mit der Situationsaufnahme wird heute die Terrainaufnahme verbunden (Terrain hier s. v. w. Relief, Unebenheiten), indem von jedem wissenswerten Punkt mittels der Kippregel auch die Höhe gemessen wird. Hierzu bedient man sich der Formel h = e tang. α, d. h. Höhenunterschied zwischen der [64] Stationshöhe und dem anvisierten Terrainpunkt ist gleich projizierter Entfernung beider mal tang. des Visierwinkels. Die Höhe der Station muß bekannt sein oder wird auf Grund der bekannten Netzpunkthöhen nach ähnlicher Formel ermittelt. Bei weiterer Entfernung der Punkte von der Station wird die Refraktion oder atmosphärische Strahlenberechnung sowie die Erdkrümmung in Rechnung gezogen. Als Hilfstafel für die Höhenberechnung (Kotierung) benutzt der Aufnehmer eine hypsometrische Tabelle (Kotentafel, Höhentafel); die besten hypsometrischen Tabellen sind die von Kaupert in Berlin. Sind genug Terrainpunkte (namentlich Kuppen, Schluchtlinien, Terrassenränder, Kessel, Einsattelungen, Thalfurchen u. dgl.) nach ihrer Höhe bestimmt, wozu die Distanzlatte mitbenutzt wird, so geht der Aufnehmer an die Einzeichnung des „Terrains“. Diese geschieht meist in „Niveaulinien“ (Linien gleichen Niveaus, d. h. gleichen Höhenabstandes von einer bestimmten Niveaufläche, z. B. einem Meeresspiegel; in Deutschland ist seit 1879 ein Punkt an der Berliner Sternwarte als Normalnullpunkt bestimmt worden). Die Niveaulinien werden zur Darstellung der Reliefformen auf Grund folgender Vorstellung benutzt: Ist ein Bergkegel in gleichen Abständen (Äquidistanzen) von Niveauflächen durchschnitten, und werden die sich daraus an der Außenfläche des Bergs ergebenden Schnittlinien auf die unterste Nullniveaufläche nun als Niveaulinien projiziert, so ergibt sich in der Zeichnung, daß jede höhere Niveaulinie von der nächstniedrigen umschlossen wird, sowie daß die Niveaulinien da enger aneinander liegen, wo die Böschung des Bergabhanges steiler ist. Die Formengestaltung der Niveaulinien läßt hiernach auf die des Terrainreliefs schließen. Normalschichthöhe für preußische Aufnahmen: 5 m. Der Topograph kann durch „Abkommen“ oder direkte Messung zwischen immer je zwei der von ihm festgelegten Höhenpunkte (Koten) den Durchgangspunkt einer Niveaulinie (von je 5 oder weniger Metern) ermitteln und nun unter sachgemäßer eigner Anschauung der Terrainformation den Zug der Niveaulinien (oder Horizontalen, auch Isohypsen, Höhenschichtenlinien) entwerfen. Ist die Stationsarbeit vollendet, so „arbeitet“ man „fort“: man nimmt einen neuen Stationspunkt, schneidet sich entweder unabhängig von dem vorhergehenden wieder rückwärts ein, oder sucht durch Entfernungmessen und Benutzung der Bussole den Anschluß an den eben verlassenen Stationspunkt; dies Verfahren heißt, wenn die „Latte“ dazu verwendet wird, der „Lattenüberschlag“ und wird oft da angewendet, wo man keine Aussicht auf trigonometrische Punkte hat.

Als Hilfsarbeit im Detail dient auch bei der korrekten Meßtischaufnahme vielfach das Krokieren, indem man unter Zugrundelegung bereits gemessener Terrainlinien die in der nächsten Nähe derselben liegenden Gegenstände, wie z. B. Häuser, Umfassungen, Tümpel, Bäume, Wegweiser u. dgl., durch Abschreiten oder Abschätzen erst in einem Brouillon (Skizze oder Kroquis) aufzeichnet und dann auf die Meßtischplatte überträgt. Vielfach stehen hierbei dem Topographen auch andre Hilfsmittel zu Gebote, wie Ortschaftspläne, Gemarkungskarten etc. (vgl. Landesaufnahme).

An die Feldarbeit schließt sich die Zimmerarbeit an, d. h. das am Tag Aufgenommene wird in Tusche festgelegt. Das fertig aufgenommene Meßtischblatt wird zum Schluß „ausgezeichnet“, entweder nur in schwarzer Tusche oder mit Wasserfarben. Normen für den Modus der „Auszeichnung“ geben die amtlichen Signaturvorschriften (in Österreich Zeichenschlüssel). In Farben werden Gewässer gewöhnlich blau, Wiesen grün, Wälder grün oder violett, Häuser rot oder schwarz, Straßen und Wege je nach Bedeutung rot, braun, gelb oder karmin „angelegt“. Die Niveaulinien sind gleichfalls je nach Wichtigkeit zu markieren (Instrument hierzu: Kurvenziehfeder von E. Sprenger in Berlin). Soll das Terrainrelief deutlich und lesbar erscheinen, so ist die Auszeichnung in „Bergstrichen“ erforderlich, welche in stets senkrecht auf die Niveaulinien gezogenen je nach dem Böschungsgrad mehr oder weniger dicken, schwarzen oder braunen Schraffen bestehen (nach Lehmannscher Manier geradlinig, nach Müfflingscher Manier je nach dem Böschungsgrad verschieden gestaltet, geschlängelt, gestrichelt etc.); oder die Böschung wird mittels Pinsels in Tusche oder Sepia geschummert, laviert aufgetragen. Das Aufnahmeblatt wird dann mit allen Namen und Zahlen richtig, schön und in bestimmungsgemäßer Schriftgröße ausgewiesen und die Endausstattung des fertigen Plans durch Titel, Nummer, Längen-, Breitenangaben, Maßstab, Nordnadel (Linie, mit Norden und Süden bezeichnet), Datum der Anfertigung, Namen des Aufnehmers, Revisionsbemerkung des kontrollierenden Beamten ausgeführt (s. Landesaufnahme). Vgl. v. Bauernfeind, Elemente der Vermessungskunde (6. Aufl., Stuttg. 1879); v. Rüdgisch, Instrumente und Operationen der niedern Vermessungskunst (Kass. 1875); „Instruktion für die Topographen der Landesaufnahme“ (Berl. 1876).