Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Feldmeßkunst“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 114116
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Feldmeßkunst. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 114–116. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Feldme%C3%9Fkunst (Version vom 12.03.2022)

[114] Feldmeßkunst, im engern Sinn derjenige Teil der Vermessungskunst (Geodäsie), welchem die Ausmessung von Erdflächen für das wirtschaftliche Leben des Staats wie des Privatmanns (Grundeigentümers) obliegt; sie ist ein Teil der niedern Geodäsie (vgl. Geodäsie), insofern bei ihren Aufgaben, rücksichtlich der engern Begrenzung ihrer Arbeitsräume, die Erdoberfläche gewöhnlich als eben betrachtet und nur nach Bedarf auf die Resultate der höhern Geodäsie (Erdkrümmung, Lotablenkung u. dgl.) rekurriert wird. Die feldmesserischen Arbeiten werden im Staate durch hierfür geprüfte und konzessionierte Feldmesser (Landmesser, Geometer) ausgeübt, deren Befugnisse und Arbeitsforum durch besondere Feldmesserreglements u. Instruktionen geregelt sind. Nach dem preußischen Feldmesserreglement vom 2. März 1871 geschieht die Vereidigung und Anstellung der Feldmesser durch die Provinzialregierungen, sie stehen unter der Disziplin der Regierung und des Handelsministeriums; die bei den sogen. Auseinandersetzungsbehörden: des landwirtschaftlichen Ministeriums; die bei der Grundsteuervermessung: des Finanzministeriums. Der [115] Feldmesser wird für Richtigkeit seiner Instrumente verantwortlich gemacht. Als Maße müssen die staatlich vorgeschriebenen: Meter, Hektare, Are, angewendet, die Winkel nach alter 60gradiger oder neuer Zentesimalteilung gemessen werden. Im übrigen ist der Feldmesser unter Freistellung der Arbeitsmethoden für richtige Arbeit verantwortlich; Maßstäbe für herzustellende Pläne sind 1 : 2500 für die Flächenmessungen, 1 : 5000 für die Längenverhältnisse und 1 : 200 für die Höhenverhältnisse bei Nivellements. Die Grenzen für die Arbeits- und Berechnungsfehler sind reglementsmäßig festgestellt. Die Gebühren, als Diäten, Feldzulagen, Reisegelder, Gehilfengelder, Papiergelder, sowie die Revision der Arbeit durch Vermessungskontrolleure, -Inspektoren, -Revisoren sind staatlich geregelt. Außer diesen staatlichen Reglements existieren noch andre, die seitens privater Institute für den jedesmaligen Spezialfall emaniert werden. Zur Anstellung als Feldmesser bedarf es eines Unbescholtenheitsattestes, der Reife für Prima, einer ein- bis zweijährigen Lehrzeit in praktischen Arbeiten und des Bestehens des Feldmesserexamens (theoretisch und praktisch) in der Mathematik, Felderteilungslehre, F., Nivellierkunst. Die Aufgaben des Feldmessers sind im allgemeinen folgende.

I. Im Interesse der Grundeigentümer: a) Die Flurvermessung (eigentliche Feldmessung) geschieht in technischer Hinsicht: 1) durch Längenmessungen (Linearkonstruktionsmethode) mittels Kette, Stahlband, Tachymeter, indem nach geometrischen Gesetzen jedes Dreieck durch die drei Seiten bestimmt, jede unregelmäßige Figur aber in Dreiecke (durch Festlegung eines Dreiecksnetzes) zerlegbar ist; einen Punkt durch Längenmessungen bestimmen nennt der Feldmesser „einbinden“; 2) oder durch Längenmessung nebst Fällen von Senkrechten (Koordinatenmethode), bei Gebieten bis 100 m Breite anwendbar; Instrument hierzu oft der Winkelspiegel; 3) oder durch Theodolitaufnahme, Winkelbestimmung (Polygonalsystem), entsprechend der Triangulierung der höhern Geodäsie (s. d.); 4) auch mit Meßtischaufnahme (als Polar-, Abschneide-, Umfangs-, Koordinaten- und Triangulierungsmethode). Hauptgrundsatz bei der Flurvermessung ist Arbeiten aus dem Großen ins Kleine, d. h. Festlegen von Hauptpunkten (Benutzung der Triangulation des Landes), Aufnahme der Einzelheiten, Parzellen (als Bau-, Weg-, Fluß-, Teich-, Feld-, Wiesen-, Acker-, Hutungs-, Waldparzellen). In der daraus sich ergebenden Flur-, Feld-, Gemarkungs-, auch wohl Gemeindekarte müssen die Grenzlinien genau eingezeichnet, die Parzellen numeriert, mit Buchstaben oder Signaturen versehen sein, im Terrain selbst werden die Parzellen „abgepflockt“. Während der Abpflockung wird ein „Handriß“ angefertigt, mit „Bindelinien“ zur Kontrolle der Entfernungen (Diagonalen) versehen. Die Maße werden in einer Tabelle zusammengeschrieben („Rechnungsheft“). b) Flächenberechnung. Geschieht rein arithmetisch unter Anwendung algebraischer Formeln, jede krumme Linie gilt als gebrochen. Hilfsmittel für mechanische Methode: Produktentafel, Thomassche Rechenmaschine. Rein geometrisch: mittels Teilung der Fläche in Dreiecke (wobei der „Eingang“ des Papiers zu berücksichtigen). Kombiniertes Verfahren: durch Abgreifen der Längen aus der Gemarkungskarte und Messen der Breiten (Flurbreiten) auf dem Feld. Rein mechanisches Verfahren: von der Karte aus mittels Planimeter, Polarplanimeter von Amsler, auch mittels Rechenschieber. Die Resultate der Berechnung werden tabellarisch in ein „Vermessungsregister“ (Fundbuch, Lagerbuch, Salbuch, Grundbuch) eingetragen: Grundstück, Nummer, Besitzer, Kulturart, Fläche. Etwas verschieden davon ist der besonders (eventuell durch andre Behörden) zu verfertigende „Kataster“, in welchen außer obigem noch die Besteuerung eingetragen wird. Die Einträge in die gerichtlichen Grundbücher erfolgen nach Maßgabe der amtlichen Vermessung (s. Grundbücher). c) Teilung von Grundstücken. Geschieht geometrisch oder algebraisch in mannigfaltigen Aufgaben, je nach den Wünschen der Besitzer und nach verschiedenen Gesichtspunkten.

Das erste Feldmesserreglement datiert in Preußen von 1813; es regelte die Formen für Ausübung des Vermessungswesens, stellte die Winkeleinteilung und das Maß (Feldmesserrute, Decempeda [zehnteilig], nach Direktorialbefehl vom 28. Nov. 1773 = 1669,56 Par. Linien = 1 rheinländ. Rute, der „Morgen“ = 180 QRuten) sowie die Bezahlung fest. Im übrigen aber wurde das Feldmessen mehr oder weniger gewerbeartig und handwerksmäßig betrieben. Die Einführung der Eisenbahnen, die Benutzung der Dampfkraft auch in der Landwirtschaft und deren Aufschwung erheischten besondere Vermessungsgeschäfte. Auf das Reglement von 1813 folgten die von 1831, 1857, 1871, ohne allerdings wesentliche Verbesserungen zu bringen (s. weiter unten).

Neuere landwirtschaftliche Vermessungsarbeiten (vgl. O. Koch, Aufsatz in Jordan und Steppes’: „Das deutsche Vermessungswesen“, Stuttg. 1880) sind die der 1) „Landesauseinandersetzung“, wobei der Feldmesser unter der Landes-Ökonomiekommission und für dieselbe eine Karte und den Nachweis der Parzelleninhalte nach Fläche und Bonitierung (Vermessungsbonitierungsregister) zu schaffen, demnächst eine Neuteilung der Gemarkung, Ausweisung neuer Grenzen (sogen. Planberechnung) zu besorgen, resp. vorzubereiten, endlich die Übertragung dieser Grenzen aus der Karte auf die Örtlichkeit durch „Planabsteckung und Versteinung“ vorzunehmen hat. 2) Vermessungen zur „Bodenmelioration“, die oft mit Flußregulierungen verbunden, Drainierung; daher genaues Nivellement erforderlich, welches heute, absehend von den veraltenden Kanal- und Quecksilberwagen, meist mit guten Nivellierinstrumenten bewirkt wird.

II. Die im Interesse des Finanzministeriums auszuführenden Feldmesserarbeiten sind: a) Domänenvermessung, analog der Flurvermessung und den oben genannten landwirtschaftlichen Arbeiten. b) Forstvermessungen (jeder Forsteleve muß seit 6. April 1871 das Feldmesserexamen absolvieren, wie früher bis 1849 auch jeder Baueleve). Hierfür: Instruktion für den preußischen Forstgeometer vom 13. Juli 1819. In jedem Forstrevier ist ein Geometer staatlich angestellt. Die Arbeitsmethode hat sich usancemäßig verbessert und besteht heute unter Benutzung der Daten der Landesaufnahme (s. Geodäsie, das dort über Triangulierung Gesagte) in einer Detailtriangulation mittels Repetitionstheodolit und Stahlband oder Meßlatte; das Innere der Waldungen wird mit der veraltenden Bussole (Feldmesserkompaß) vermessen. Maßstab für die Originalpläne 1 : 5000, für die reduzierte Forstkarte 1 : 25,000 (vgl. Defert, Die Horizontalaufnahme der Neumessung der Wälder, Berl. 1880).

III. Feldmesserarbeiten im Interesse des Eisenbahnbaues. Dieselben bestehen a) für Herstellung des generellen Projekts in Beschaffung von Situations- und Nivellementsplänen (1 : 10,000), unter Benutzung der „Landesaufnahme“; b) für das spezielle Projekt in Absteckung, Messung, Einzeichnung, Nivellierung [116] eines „Polygonzugs“ (Folge von mit je einer Seite zusammenhängenden Dreiecken), Messung von Höhenpunkten, Konstruktion von Querprofilen, Einzeichnung von Höhenkurven, Herstellung eines Schichtenplans, auf welchem der Ingenieur dann die Trace feststellt. Dann folgen Feldmesserarbeiten im Terrain: Abstecken und Messen der geraden Linien (Tangenten) und Winkel, Kurven, Nivellement. Anfertigung des dem Ministerium einzureichenden („Muster“-) Plans. Nach Feststellung des Projekts: Parzellenaufnahme 1 : 500, 1 : 2000, für Ankauf des Terrains, Anfertigung von Grunderwerbskarten, Flächenberechnungen, Vermessungsregister (unter Benutzung der Katasterkarten). In diese Karte werden die Bahnbreiten, Namen der Grundeigentümer nebst Katasterbezeichnungen, Nummern der Flurkarten und Parzellen eingetragen. Die laufenden Arbeiten während des Baues sind Vermessung der fertigen Bahn, Darstellung derselben, Flächenberechnung der benutzten Grundstücke. Allgemein folgende laufende Arbeiten sind endlich Verwaltung der Pläne, Reparaturvermessungen etc. Vgl. Winckel, Über Eisenbahnvermessung, in Jordan und Steppes’: „Das deutsche Vermessungswesen“ (Stuttg. 1880).

Die deutschen Feldmesser haben sich seit einigen Jahren zu einem „Deutschen Geometerverein“ verbunden, welcher sich, neuerdings auch unterstützt durch bezügliche Anträge im Parlament (vgl. „Denkschrift“ von Sombart, 1879), die Aufstellung zeitgemäßer Prinzipien für Technik, Arbeitsmethode, Anstellung, Prüfung und staatliche Position der Feldmesser angelegen sein läßt.

Ein Umschwung ist denn auch seit 1885 zu konstatieren, indem nunmehr jeder, der in Gemäßheit des § 36 der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 als „Landmesser“ (neue offizielle Bezeichnung) angestellt sein will, eine gegen frühere Bestimmungen höher geschraubte Prüfung durchmachen muß in den einschlagenden Fächern der reinen und angewandten niedern und höhern Mathematik, in der Landmeßkunde, dem Nivellieren, Tracieren, der Instrumentenkunde, der Landeskulturtechnik und den hierher gehörigen Kapiteln der Rechtskunde. Auf Grund jenes Examens erfolgt dann die Bestallung als geprüfter Landmesser, demnächst die Vereidigung und spezielle Anstellung im Staats- oder Privatdienst.

Vgl. Barfuß, Handbuch der Meßkunde (Berl. 1842); Bauernfeind, Elemente der Vermessungskunde (6. Aufl., Stuttg. 1879); Jordan, Handbuch der Vermessungskunde (das. 1878, 2 Bde.); Jordan u. Steppes, Das deutsche Vermessungswesen (das. 1880); „Die Landmesser und Feldmesser in Preußen, ihre Ausbildung, Prüfung und Bestallung“ (Berl. 1884); Bohn, Die Landvermessung (das. 1885, Bd. 1); „Zeitschrift für Vermessungswesen“ (hrsg. von Jordan, München, seit 1872) und die „Berichte über Versammlungen des deutschen Geometervereins“.