CCLIX. Valenzia Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band (1839) von Joseph Meyer
CCLX. Le Puy
CCLXI. Die Donau bei Kellheim in Bayern
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CHATEAU DE PUY

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CCLX. Le Puy.




Die Loire’gegenden gehören zu den malerischen und interessanten Frankreichs. Sie sind in der schönen Jahreszeit das Ziel vieler Touristen, besonders Pariser, welche den Aufwand einer größern und kostspieligern Reise scheuen und doch sich ein paar Wochen außerhalb des Rauchs der Hauptstadt vergnügen wollen; denn in keinem Lande reist man billiger und mit weniger Ansprüchen, als in der Auvergne und der Lionnaise.

Einige Meilen von Le Puy, bei Monistrol, verläßt der Weg das breite, blühende Thal der mächtigen Loire und wendet sich dem Gebirge zu, welches in grotesken und fremdartigen Formen seitwärts aufstrebt. Dieß ist die Schweiz jener Touristen. Eine Brücke, ein Werk aus Römerzeit, führt in den engen Grund der Lignon, die, von Bäumen und Gesträuchen dicht überwachsen, nur zuweilen den silbernen Blick aus dem tiefen Bette dem Reisenden zuwirft. An die Stelle des regen, lauten Loirelebens tritt tiefe Stille, das Gefühl der [73] Einsamkeit ergreift den Wanderer und macht seine Phantasie für die Eindrücke der neuen Scene empfänglich, die seiner am Ende des Grundes erwartet. Hier angelangt, glaubt er eine Gegend zu sehen, wo die Cyklopen den Himmel stürmten. Umgestürzte Berge bedecken den Boden, oder ragen als Thurm- und Säulenkolosse aus demselben empor; und ungeheuere Spalten, die, halb ausgefüllt mit Schutt, das Terrain durchfurchen, lassen erkennen, daß er sich auf einem Schauplatz der gewaltigsten vulkanischen Zerstörungen zu urweltlicher Zeit befindet. In der Mitte dieser Wildniß aber erhebt sich mit freundlichem Angesicht die Stadt Le Puy, und hinter ihr thürmen sich, schroff und finster, die Kuppel des 5000 Fuß hohen Le Dome und der niedrigere Kegel gleichen Namens auf. Des letztern Spitze schmückt eine Kapelle, ein besuchter Wallfahrtsort Frankreichs.

Die Stadt, die fast 15,000 Einwohner zählt, ist schon des unebenen Bodens wegen sehr unregelmäßig; hat jedoch viele recht hübsche Gebäude, und ihre Cathedrale, auf dem Gipfel eines Basaltfelsens, ist eine der ältesten Kirchen Frankreichs. Der Reliquienschatz in derselben – die Kerzen, welche am Sterbebette der Mutter Gottes brannten und der Mantel Aarons, – ziehen Gläubige zu Tausenden an die silbernen Schreine, welche sie verwahren. Wo die Kirche jetzt steht, stand ein Isistempel der Römer, und die Stadt selbst ist römischer Gründung.