Die Donau bei Kellheim in Bayern

CCLX. Le Puy Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band (1839) von Joseph Meyer
CCLXI. Die Donau bei Kellheim in Bayern
CCLXII. Carlscrona
  Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
[Ξ]

DIE DONAU BEY KELLHEIM
in Bayern

[73]
CCLXI. Die Donau bei Kellheim in Bayern.




Ordnung und Schönheit ist der ewige Charakter des Weltalls. In der Natur finden wir bei der höchsten Gesetzmäßigkeit und innern Einheit den reichsten Wechsel. Nichts vergeht und doch bleibt nichts dasselbe; bei gleichem Stoffe herrscht dennoch unendliche Verschiedenheit. Von der Edeltanne in unsern Wäldern oder der Palme des Morgenlandes, bis zum Wasserfadenmoose; vom Wallfisch, der lebendigen Insel des Meers, bis zur Milbe; vom wolfenumhüllten Urgebirge bis zum Sandstäubchen, welches ein Hauch der Wüste fortträgt; vom Mississippi, auf dessem Busen sich Flotten wiegen, bis zur sickernden Quelle ist Alles, bei inniger Verwandtschaft der Elemente, doch selbstständig in seiner Erscheinung; Alles ist Individuum, mit eigenthümlichen Zügen und nur ein [74] einziges Mal vorhanden. Unter Myriaden Blätter des Waldes ist keins einander vollkommen gleich. Jebes Ding im Universum bildet gewissermaßen wieder eine Welt für sich; jedes hat seinen eignen Zweck, obschon wir Alles wieder in Beziehung auf einander denken müssen und uns immer gegenwärtig bleiben soll, daß Ein Band alle Wesen. vereinigt. Das Auffassen, oder das bloße Ahnen dieses Verhältnisses, – von Selbstständigkeit und Freiheit in der Natur bei aller Nothwendigkeit; von Absicht, bei allem Scheine des Zufalls; von Einheit, bei allem bunten Wechsel und aller Veränderung; kurz, von einem erhabenen Rhytmus in der Natur, bei aller scheinbaren Dissonanz: – Das ist es, was den tiefern Beobachter von jenem unterscheidet, der nur mit eilendem Blick an der sinnlichen Gegenwart hängt und in jeglicher Erscheinung nur das Aeußere ergreift und darstellt. Auch in der Beschreibung des Unbedeutenden wird bei jenem die tiefere Beschauung durchschimmern und dem Leser, ist er überhaupt dafür empfänglich, der Sinn des Nachdenkens und der Forschung aufgehen, deren er sich nur hingeben darf, damit ihm die erhabenste aller Offenbarungen werde. –

Fürchte, christlicher Leser, bei solchem Forschen nicht für deinen Glauben! Denn das ist ja eben der größte Vorzug der Lehre des Nazareners, das ja eben der untrüglichste Beweis ihrer göttlichen Wahrheit, daß sie bei dem Fackellichte der Naturoffenbarung selbst geoffenbarter erscheint. Unsere Religion entseelt die Natur nicht, wie ihre Anatomiker es versuchen, oder der rohe Pseudo-Naturalist es thut, obschon er dir vorsagt, daß er sie vergöttere. Im Gegentheil, das stille Gesetz der Nothwendigkeit, das der Denker als Ausfluß der ewigen Güte andachtsvoll anerkennt, nimmt der christliche Glaube als eine Verfügung der ewigen Weisheit voller Demuth an, und zweifelt niemals an der besten Absicht. Der christliche Begriff von der Gottheit ruht, nach meiner Ueberzeugung, recht eigentlich auf jenem erhabenen Pantheismus, wie ihn schon das alte Testament entfaltet. Lies, willst du ihn erkennen, die Lobgesänge, womit die Barden des alten Bundes den Schöpfer des Himmels und der Erde verherrlichen. In den poetischen Riesenbildern der Ebräer tritt die ganze Natur in persönliche Beziehung auf Jehova; Wind und Feuerflammen sind seine Boten, Mond und Sonne seine Diener, die Gestirne der Schmuck seines Kleides; sein Gewand die Himmel: – kurz, jeder erhabene Gedanke sucht seine Hieroglyphe in der Natur, Alles in ihr ist untergeordnet der Idee des Höchsten und des Einen, dessem Winke die Naturkräfte nach Gesetzen dienen, welche er ihnen für die Ewigkeit dictirte.

„Aber was hat diese Einkleidung, – fragt wohl Mancher, – mit unserm Bilde da zu schaffen? Ich sehe eine der schönsten Stromgegenden Europa’s vor mir aufgethan, langsam steuert ein Marktschiff durch das Thor des Engpasses, den die steilen Felsen an beiden Ufern bilden, und mich ergötzt die Perspektive, welche, wie die einer tiefen Meer bucht, die Conturen der im Strome wurzelnden Bergmassen schließen. Vortrefflich ist die Ansicht, schön wie das Epos eines zeichnenden Dichters; und doch ist’s, – schon die Unterschrift sagt’s mir, – nur eine treue Copie vaterländischer Natur!“

[75] So ist es; keine Linie in diesem Bilde gehört der Phantasie seines Zeichners. Aber betrachte es mit mir noch einmal! – Bemerke, wie jene leichten, ziehenden Wolken im Hintergrunde der Abend mit glühendem Gold umsäumt, wie er Feuer auf die Wipfel der Bäume wirft und die runzlichen, finstern Gesichter der alten Felsen röthet, daß sie ihre Gestalt wohlgefällig im Gewässer beschauen. Wie majestätisch erscheint dies Knochenwerk der Erde, wie ernst das Gebirge, dieß ewig starre, in die Höhe strebende und bleibende, dessen Eingeweide elementarisches Feuer wärmt, welches das todte Gestein zum Leben und zur Thätigkeit ruft und seinen sonst kahlen Scheitel mit der Pracht des Waldes bekleidet. Und nun, neben dem starken Felsen, als Gegensatz, das bewegliche, fortfließende, in die Tiefe eilende, Verborgenheit suchende Element, das Wasser! – hier ein gewaltiger Strom; aber in seinem Wesen eins mit der kleinsten Quelle, die sich im Grase versteckt, und wie sie seine Gewässer zum Ocean hintragend. Hier, wie überall hat die Natur antagonistische Elemente zusammengepaart, und doch, wie einig erscheinen sie in diesem Bilde! wie mild ist ihr Zusammenstoßen, ihr Auseinanderstreben, ihre Liebe, ihr Haß! Hier, wie überall, können wir erkennen, wie aller Orten auf der Erde ein Alleben sich äußert, wie es der Natur zahllose Glieder durchströmt, und wie alle ihre Kräfte, trotz eines scheinbaren Kampfes der Gegensätze, in einander und durch einander ewigen Kreislaufes harmonisch sich bewegen: und wenn wir dieß thun, wird da nicht der Anblick dieses geheimnisvollen Wirkens uns mit heiligem Schauer vor der Weisheit des Schöpfers erfüllen, und indem es uns überwältigt, wird es nicht zugleich uns trösten und erheben? Sieh’, lieber Leser! so führt jede innige Betrachtung der Natur immer auf den höchsten und lautersten Begriff der Gottheit, und im Heiligthume der wahren Naturreligion findest du die Propyläen der christlichen.

Diesem Gedanken sollte mein Wortkleid gelten, nicht dem Bilde. Das Oertliche desselben ist für dich ohne Bedeutung, und selbst die Bemerkung, daß die Gegend bei Kellheim (oberhalb Regensburg) eine der imposantesten der Donauufer ist, kann, dem vortrefflichen Konterfei gegenüber, nur als überflüssige Wiederholung erscheinen.