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einziges Mal vorhanden. Unter Myriaden Blätter des Waldes ist keins einander vollkommen gleich. Jedes Ding im Universum bildet gewissermaßen wieder eine Welt für sich; jedes hat seinen eignen Zweck, obschon wir Alles wieder in Beziehung auf einander denken müssen und uns immer gegenwärtig bleiben soll, daß Ein Band alle Wesen vereinigt. Das Auffassen, oder das bloße Ahnen dieses Verhältnisses, – von Selbstständigkeit und Freiheit in der Natur bei aller Nothwendigkeit; von Absicht, bei allem Scheine des Zufalls; von Einheit, bei allem bunten Wechsel und aller Veränderung; kurz, von einem erhabenen Rhytmus in der Natur, bei aller scheinbaren Dissonanz: – Das ist es, was den tiefern Beobachter von jenem unterscheidet, der nur mit eilendem Blick an der sinnlichen Gegenwart hängt und in jeglicher Erscheinung nur das Aeußere ergreift und darstellt. Auch in der Beschreibung des Unbedeutenden wird bei jenem die tiefere Beschauung durchschimmern und dem Leser, ist er überhaupt dafür empfänglich, der Sinn des Nachdenkens und der Forschung aufgehen, deren er sich nur hingeben darf, damit ihm die erhabenste aller Offenbarungen werde. –

Fürchte, christlicher Leser, bei solchem Forschen nicht für deinen Glauben! Denn das ist ja eben der größte Vorzug der Lehre des Nazareners, das ja eben der untrüglichste Beweis ihrer göttlichen Wahrheit, daß sie bei dem Fackellichte der Naturoffenbarung selbst geoffenbarter erscheint. Unsere Religion entseelt die Natur nicht, wie ihre Anatomiker es versuchen, oder der rohe Pseudo-Naturalist es thut, obschon er dir vorsagt, daß er sie vergöttere. Im Gegentheil, das stille Gesetz der Nothwendigkeit, das der Denker als Ausfluß der ewigen Güte andachtsvoll anerkennt, nimmt der christliche Glaube als eine Verfügung der ewigen Weisheit voller Demuth an, und zweifelt niemals an der besten Absicht. Der christliche Begriff von der Gottheit ruht, nach meiner Ueberzeugung, recht eigentlich auf jenem erhabenen Pantheismus, wie ihn schon das alte Testament entfaltet. Lies, willst du ihn erkennen, die Lobgesänge, womit die Barden des alten Bundes den Schöpfer des Himmels und der Erde verherrlichen. In den poetischen Riesenbildern der Ebräer tritt die ganze Natur in persönliche Beziehung auf Jehova; Wind und Feuerflammen sind seine Boten, Mond und Sonne seine Diener, die Gestirne der Schmuck seines Kleides; sein Gewand die Himmel: – kurz, jeder erhabene Gedanke sucht seine Hieroglyphe in der Natur, Alles in ihr ist untergeordnet der Idee des Höchsten und des Einen, dessem Winke die Naturkräfte nach Gesetzen dienen, welche er ihnen für die Ewigkeit dictirte.

„Aber was hat diese Einkleidung, – fragt wohl Mancher, – mit unserm Bilde da zu schaffen? Ich sehe eine der schönsten Stromgegenden Europa’s vor mir aufgethan, langsam steuert ein Marktschiff durch das Thor des Engpasses, den die steilen Felsen an beiden Ufern bilden, und mich ergötzt die Perspektive, welche, wie die einer tiefen Meerbucht, die Conturen der im Strome wurzelnden Bergmassen schließen. Vortrefflich ist die Ansicht, schön wie das Epos eines zeichnenden Dichters; und doch ist’s, – schon die Unterschrift sagt’s mir, – nur eine treue Copie vaterländischer Natur!“

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/132&oldid=- (Version vom 25.11.2024)