Konrad Engelbert Oelsner’s Briefe und Tagebücher

Textdaten
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Autor: Alfred Stern
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Titel: Konrad Engelbert Oelsner’s Briefe und Tagebücher
Untertitel: Eine vergessene Quelle der Geschichte der Französischen Revolution
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 3 (1890), S. 100–127
Herausgeber: Ludwig Quidde
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
siehe auch Konrad Engelbert Oelsner
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[100]
Konrad Engelbert Oelsner’s Briefe und Tagebücher.
Eine vergessene Quelle der Geschichte der Französischen Revolution.
Von
Alfred Stern.


Während der Ausarbeitung meiner Biographie Mirabeau’s stiess ich zufällig auf ein Buch, das schon bei flüchtigem Durchblättern meine Aufmerksamkeit in hohem Grade erweckte. Es führt den Titel „Bruchstücke aus den Papieren eines Augenzeugen und unparteiischen Beobachters der Französischen Revolution“ s. l. 1794. X und 310 S. 8°. Auf dem Titelblatte liest man als Motto: „Freiheit! Gleichheit! Das Recht auf Eurem Altare Weihrauch zu brennen, ist nur den tugendhaften Menschen vorbehalten. Die Aristokraten sind Atheisten, welche nicht an Eure Existenz glauben. Die Rottirer sind Fanatiker, welche Euch durch die Verfolgung derer lästern, die Eure Gottheit nicht auf ihre Weise anbeten.“ Es folgt ein „Vorbericht“, in welchem der ungenannte Herausgeber erklärt, er habe seinen Freund, den ungenannten Verfasser der nachfolgenden „Aufsätze und Briefe“ bewogen, sie trotz ihrer Lücken und Nachlässigkeiten bekannt zu machen. Er versichert, sein Freund, „ein scharfsinniger, philosophischer und genauer Beobachter der ausserordentlichsten Begebenheit“, sei „Augenzeuge aller Vorfälle“ gewesen; was nun im Druck erschienen, sei aber nur „ein kleiner Theil dessen, was der Verfasser über die Revolution niedergeschrieben hat“. „Sein Wille ist, eine vollständige, authentische Geschichte derselben auszuarbeiten, sobald ihn Musse und [101] Geistesruhe begünstigen werden; aber der Himmel weiss, wenn dies geschehen wird.“ „Die Aufsätze,“ sagt er kurz vorher, „sind von gemischtem Interesse, zum Theil unvollständig, unausgeführt, in der Sprache vom französischen Styl nicht ganz rein und unausgefeilt. Der Verfasser hatte weder Zeit noch Geduld, einen Federstrich an diesen vor Jahren geschriebenen Briefen zu ändern; er würde jetzt dem Ganzen eine andere Form geben, und dazu fehlt es ihm an Musse.“

Ueberblickt man das Inhaltsverzeichniss, welches sich dem Vorberichte anschliesst, so fällt in der That die Formlosigkeit und der gemischte Charakter der unter den Ueberschriften „1790“, „1791“, „1792“ eingeordneten Mittheilungen sofort in die Augen. Allgemeine Reflexionen (wie über „die Sittenverderbniss des französischen Adels“, „über die Abschaffung der Titel“, „über die Unwissenheit des Landvolks in Frankreich“ u. s. w.) wechseln mit der eingehenden Schilderung einzelner revolutionärer Ereignisse. Charakteristiken hervorragender Persönlichkeiten und Anekdoten, mitunter ziemlich anstössigen Inhaltes, lösen einander ab. Hie und da machen die Bruchstücke den Eindruck von Tagebuchblättern, meistens stellen sie sich als Auszüge von Briefen dar, schon äusserlich durch Angabe des Datums und gewisse Redewendungen (z. B. S. 70, 26. April 1791: „Ich behalte mir für einen andern Brief vor“, S. 192, 27. Nov. 1791: „Die Seltenheit Ihrer Briefe, theurer Freund, gibt mir kein Recht nachlässig zu sein“) als solche kenntlich. Ein chronologischer Faden wird nicht strenge eingehalten, sondern der Zusammenhang mitunter durch Rückblicke auf Früheres unterbrochen. Immer aber hört man einen Mann von Geist sprechen, dem es weder an wissenschaftlicher Bildung noch an mannigfacher Lebenserfahrung zu fehlen scheint.

Seine politische Gesinnung tritt scharf hervor und wird schon durch das Motto ausgedrückt. Ein Freund der Parole Freiheit und Gleichheit, weil er von beiden die Erreichung einer höheren Culturstufe erwartet, gegen „die Albernheit der Aristokratie“, „göttliches Recht des Königs“ und die „Gewissenstyrannei der Priester“ eingenommen, widmet er der Revolution seine volle Sympathie und betrachtet einen Mallet du Pan, „der die Fürsten Europa’s gegen eine Nation aufzuhetzen sucht“, als einen „verworfenen Menschen“. Dabei übt er jedoch einschneidende [102] Kritik an dem Verfassungswerke der Constituante, dem er den Vorwurf macht, dass „fünf Sechstheile republikanischer seien als Rom, Karthago und Athen“, während doch „die Versammlung die Beibehaltung der monarchischen Erblichkeit nothwendig glaubte“. Auch meint er der vorhandenen Generation, in deren höheren Classen er überaus viel sittliche Fäulniss sieht, nicht die Kraft zutrauen zu dürfen, für diese Verfassung reif zu sein. „Sie ist bloss für die Vernunft berechnet, und hier hat sie mit Leidenschaften, mit verdorbenen Leuten zu thun, es ist ein schönes Kind, in den Ausschweifungen eines Bordels geboren, wer darf erwarten, dass es gesund darin erzogen werde. Wir müssen hoffen, dass die folgende Generation besser ausfällt.“ Ebenso hat er ein scharfes Auge für die Gefahren, welche von der „Dictatur“ des Jacobinerclubs drohen. Er fürchtet, dass sie „grosses Unheil anrichten werde“, so fest er auch von der Meinung durchdrungen ist, dass „patriotische Gesellschaften“ für die politische Bildung des Volkes unentbehrlich seien.

Alles Gesagte würde den Verfasser der Bruchstücke noch nicht einer grossen Beachtung werth machen. Ueberaus merkwürdig wird er dadurch, dass er in einem bestimmten Zeitraume mit den bedeutendsten Persönlichkeiten Fühlung hat und an bedeutenden Ereignissen als Hörer, Zuschauer oder Mithandelnder Antheil nimmt. Was vor dem October 1790 liegt, scheint er allerdings vielfach nur aus Berichten anderer, darunter aber vieler, welche im Vordergrunde des öffentlichen Lebens gestanden hatten, erfahren zu haben. Vom October 1790 bis zum Juli 1792, abgesehen von einer kurzen Reise während des Frühlings 1792, steht er dagegen selbst auf der grossen Bühne. Und welche Galerie der Hauptacteure macht er uns bekannt! Von Mirabeau spricht er als von einem nicht selten Gesehenen. Er erzählt Dinge von ihm, die sich sonst nicht finden. Er weiss, dass Talleyrand, „der Bischof von Autun, eine vollständige Liste aller Verfasser der Werke Mirabeau’s besitzt“. Er trifft „in zwei oder drei Häusern einen Knaben, den man als einen Sohn Mirabeau’s vorstellte“[1]. Mit Sièyes hat er vertrauten Umgang. Er verdankt ihm allem Anscheine nach manche wichtige Mittheilung, [103] hört ihn, „den leidenschaftslosesten und gültigsten Richter“, u. a. sagen, „dass ihn Lafayette achtzehnmal betrogen habe“. Auf diesen ist er je länger je schlechter zu sprechen. Er findet, dass „die Ohnmacht Entschlüsse aus sich selbst zu spinnen und das Bedürfniss, geführt zu sein, ihn zum Verräther machen“, wenn er auch „die Freiheit lieben und den Despotismus hassen mag“. Und er fügt hinzu: „Ich äussere hier nichts, wovon ich nicht gleichsam die Anschauung gehabt. Beständig habe ich ihn kalt, unbestimmt, schlaff, mit einem gutmüthigen, aber verlegenen Lächeln gesehen“. Noch übler kommt freilich Robespierre bei ihm weg. Er nennt ihn einen „boshaften Tollhäusler“, „einen Scharlatan, dessen schwarzer Hass aller, welche wahres Verdienst über ihn erhebt, nur allein seinen Fanatism übertrifft… von dem unverständigen Haufen für ein Orakel gehalten, von Schlauen gespornt, von Tölpeln angebetet, dem vernünftigen und unverdorbenen Theile der Jakobiner verhasst“. Auch hier spricht er aus eigener Anschauung. Am 14. Juli 1791 hat er nach einer „republikanischen Mahlzeit bei den Jakobinern“, als er ihn „in einer Allee einsam, aber heiterer als gewöhnlich“ findet, eine Unterhaltung mit ihm, aus der er auf Robespierre’s Zuversicht „in wenigen Tagen Sieger des Throns zu sein“ schliesst. Ein anderes Mal speist er mit ihm, „mit Pethion, Brissot und der bekannten Astronomin Md. Duperry“ bei einem Ungenannten. Er hört daselbst, wie Robespierre „über das repräsentative System herfällt und auf Pethion’s sehr gesunde Widerlegung durch verachtendes Stillschweigen und durch beleidigende Halblaute antwortet, die zu ertragen man so gutmüthig sein muss wie Pethion“. Er lässt eine Charakterschilderung Robespierre’s folgen, die mit den prophetischen Worten endigt: „Robespierre gelangt schwerlich zur Herrschaft über den Theil der Gesellschaft, der auch Ansprüche hat, und endigt, wenn er seinen blutigen Eingebungen bis zum Ausbruche folgt, mit einer Katastrophe“[2]. Nach dem Gesagten wird es nicht Wunder nehmen, wenn der Verfasser der Bruchstücke auch von [104] Barnave, Camille Desmoulins, Isnard, Clavière, Chamfort, Theroigne de Méricourt u. a. nach seinen persönlichen Eindrücken redet.

Es versteht sich von selbst, dass er ein Besucher der Sitzungen von Constituante und Legislative ist. Aber er stellt sich auch mit grossem Eifer bei den Verhandlungen der Jacobiner ein. Er wohnt jener berühmten Sitzung des Clubs vom 28. Februar 1791 an, in der Mirabeau den harten Strauss mit Duport und Alexander Lameth ausfocht. Er ist Zeuge der Scenen, welche sich nach der Flucht des Königs am 21. und 22. Juni 1791 im Jacobinerkloster ereigneten. Wenige Wochen später, am 15. und 16. Juli, ist er dabei, wie jene Petition beschlossen wird, die Ludwig’s XVI. Absetzung forderte, und den Tag darauf, als es auf dem Marsfelde zum Blutvergiessen kam, wird er „von der Neugier und Beobachtungsliebe“ in der Vorstadt St. Germain in ein sehr bedenkliches Getümmel verwickelt. Auch die von Danzard gestiftete „brüderliche Gesellschaft“, in der beide Geschlechter vertreten waren, sucht er auf. „Ich führte“, erzählt er gelegentlich, „vor einigen Tagen den Doctor aus H… in die brüderliche Gesellschaft, die in Beziehung auf die Jacobiner eine Art Layenbrüder [im Druck: Layenbruder] und -Schwestern formirt und ihnen grossen Einfluss auf die Leute vom schlichten Bürgerstande verschafft.“ Den Jacobinerversammlungen bleibt er indessen seit dem Mai 1792 fern. Er berichtet über eine daselbst gehaltene Rede Robespierre’s, in der die Soldaten wegen der Ermordung ihrer Officiere in Schutz genommen werden, nach „dem Logograph[3] der Jakobiner“. „Ich selbst,“ fügt er hinzu, „habe es nicht gehört, weil ich, der Scharlatanerie, der Heuchelei, des Blutdurstes Robespierre’s seit lange müde, endlich nicht mehr den schauderhaften Anblick der Convulsionen des Fanatismus auszuhalten vermögend, mich aus der Gesellschaft zurückgezogen habe.“

Nach allem könnte man glauben, es liege hier nur eine Fiction vor, wie sie aus buchhändlerischer Speculation nicht selten dagewesen ist. Man könnte das Ganze für eine mit Erfindungen untermischte Zusammenstellung von Zeitungs- und Journalauszügen halten, der die willkürliche Form von Briefen und Tagebüchern gegeben wäre. Allein auf den ersten Blick spricht vieles dagegen. Es werden auch eine Menge für das [105] allgemeine Interesse ganz gleichgültige Dinge erzählt, wovon der Verfasser als Augenzeuge spricht: wie er den Dauphin hat spazieren gehen sehen, wie man im Gehölz von Boulogne und auf den Boulevards „vor Staub umkommt“, wie er desshalb „den Mangel an Bewegung durch Bäder zu ersetzen“ sucht u. a. m. Es wird hie und da ganz ehrlich bemerkt: „Noch kennt man die Details nicht“, oder „Herr Destournelle, Kapitän einer Grenadierkompagnie, hat mir erzählt“, oder eine Zeitung, wie schon erwähnt, wird ausdrücklich als Quelle genannt, während ein Fälscher sich wohl davor gehütet haben würde, seine Unwissenheit zu gestehen und seine Karten aufzudecken. Endlich zeigt sich, soweit eine Controle möglich ist, eine unbestreitbare Selbständigkeit der Erzählung unseres Unbekannten. Von jener bedeutungsvollen Sitzung des Jacobinerclubs, in der Mirabeau mit Duport und Lameth rang, gibt es z. B. einen Bericht, dem bisher alle Historiker, oft nur allzu sklavisch, gefolgt sind. Er steht in Camille Desmoulins’ Blatt „Révolutions de France et de Brabant“ Nr. 67, und Desmoulins sagt daselbst S. 92 ganz mit Recht: „Aucun journaliste n’a parlé de cette séance des jacobins“. Aus dieser einzigen Quelle hätte der Verfasser der Bruchstücke also schöpfen müssen, hätte er nur die Maske eines Augen- und Ohrenzeugen angelegt. Nimmt man sich aber die Mühe, beide Erzählungen genau zu vergleichen, so bemerkt man leicht, dass die eine ganz unabhängig von der anderen ist. Diejenige des Unbekannten ist viel kürzer als die Desmoulins’, aber sie ist nichts weniger als eine Zusammenziehung derselben. Beachtenswerth ist eine Stelle, die Sièyes betrifft. Nach Desmoulins S. 90 sagte Mirabeau u. a.: „J’ai boudé les Jacobins, mais en leur rendant justice; car je pense d’eux comme l’abbé Syeyes qui disait de 89 (gemeint ist der „Club von 1789“) en pleine séance: »à l’exception de deux ou trois Jacobins que j’ai en horreur, j’aime tous les membres de cette société et excepté une douzaine de membres que j’aime parmi vous, je vous méprise tous«.“ Der Verfasser der Bruchstücke kommt auch (S. 105, nicht bei der Schilderung der Clubsitzung) darauf zu sprechen: „Mirabeau, erinnere ich mich, warf in seiner Fehde am 28. Februar den Lameths vor, die einzige Ursache der Entfernung Sièyes zu sein. Dieser Mann, sagte er, dem üble Laune der Grösse seines Genies zu gute gehalten werden muss, äusserte neulich im Club [106] von 89, dass er bei den Jacobinern nur fünf oder sechs Individuen unleidlich, im Club von 89 nur fünf oder sechs Individuen leidlich fände“. Wie hätte ein Fälscher auf diese Abweichungen verfallen sollen, anstatt sich die viel besser epigrammatisch zugespitzte Version von Desmoulins anzueignen? Ich habe daher auch kein Bedenken getragen, die Erzählung des Unbekannten, als bisher völlig übersehen, im Anhang zum 2. Bande meiner Biographie Mirabeau’s wörtlich abzudrucken[4].

Je mehr man sich mit der Ansicht durchdringen wird, die „Bruchstücke“ als eine echte Quelle, und zwar als eine Quelle ersten Ranges, zu betrachten, desto lebhafter wird der Wunsch sein, ihren Verfasser zu enträthseln. Sehen wir zu, was sich aus ihnen selbst für die Enthüllung dieses Geheimnisses gewinnen lässt. Es wird jedem Leser auffallen, wie viel an’s Französische anklingende Wendungen sie enthalten. Ausdrücke wie „die Sitzung heben“ (lever la séance), „in der Ueberredung“ (dans la persuasion), „die Revolutionäre im Gesicht ihrer Stärke“ (en vue de leur force) und ähnliche gehören nicht zu den Seltenheiten. Allein es wäre voreilig, daraus schliessen zu wollen, dass die Bruchstücke ausnahmslos ungeschickt aus dem Französischen übertragen, noch voreiliger, dass sie von einem Franzosen verfasst wären. Man erinnere sich der eigenthümlichen, entschuldigenden Bemerkung des Vorberichtes, die Bruchstücke seien „in der Sprache vom französischen Styl nicht ganz rein und unausgefeilt“. Man beachte, dass es einmal, unter dem 29. Juni 1791, in dem Buche heisst: „Vorgestern sind die Königin und der König verhört worden; ich wüsste im Deutschen den gelinden Ausdruck der Versammlung nicht nachzuahmen.“ Man rechne dazu, dass S. 241 ein in einem Französischen Journale[5] erschienener Dialog „über die Existenz des österreichischen Komite“ ausdrücklich als ins Deutsche „übersetzt“ mitgetheilt wird („Ich übersetze, so gut ich kann“). Dies alles lässt darauf schliessen, dass ein Deutscher, der sich allerdings Gallicismen angewöhnt hatte, Schreiber der Brief- und Tagebuchauszüge gewesen ist. Auch geht dies aus der Bemerkung hervor: „In [107] Teutschland kennt man die französische Abgeschliffenheit nicht“, dessgleichen aus der Beobachtung, wie viele Handwerker und Tagelöhner in der Vorstadt St. Antoine Deutsche seien u. a. m.

Der Deutsche, welcher damals seine Eindrücke des Pariser Lebens für sich und andere aufzeichnete, kennt Wien. Denn er zieht zwischen beiden Städten einen Vergleich, der freilich nicht sehr schmeichelhaft für die Residenz an der Donau ausfällt. „Der animalische Wiener schmaust, während der geistreiche Pariser raisonnirt“. Dass er kein Oesterreicher ist, lässt sich auch aus der Notiz schliessen: „Ich begegnetete M…, dem ich in einem beileidigen Tone sagte: Da haben Sie ja Ihren [Druck: ihren] Leopold verloren, wie bedauere ich Sie“. Eher möchte man ihn für einen Preussen halten. „Der König von Preussen kömmt mit 52,000 Mann“, sagt er im Juli 1792 sorglosen Bekannten, „Ihr könnt Euch darauf verlassen“. „Die Neugier“, berichtet er zum 17. Juli 1791, „hatte den preussischen Graf **** bis auf die Wälle des Marsfeldes getrieben, die Kugeln pfiffen ihm um die Ohren, und er dankt es seinem Genius, mit heiler Haut davon gekommen zu seyn“.

Mit alledem ist noch nicht viel gewonnen, um den Schleier der Anonymität des Verfassers der „Bruchstücke“ zu lüften. Indessen führte mich die folgende Betrachtung weiter. Unter allen hervorragenden Mitspielern des revolutionären Dramas flösst keine dem Unbekannten so viel Achtung ein wie Sièyes. Er sagt von ihm zu Ende der constituirenden Versammlung, dass er vor allen „ihr gesetzgebender Genius zu sein verdiene“, und wird nicht müde, sich seiner Bekanntschaft zu rühmen. Zwei Jahre nach Veröffentlichung der „Bruchstücke“, d. h. 1796, erschienen nun in zwei stattlichen Bänden „Emanuel Sièyes’ Politische Schriften vollständig gesammelt von dem deutschen Uebersezer nebst zwei Vorreden über Sièyes’ Lebensgeschichte, seine politische Rolle, seinen Charakter, seine Schriften etc.“. Wie „die Herausgeber“ am Schlusse der Vorrede zum zweiten Bande versichern, hatte sich das Erscheinen dieser Uebersetzung bis zur Leipziger Ostermesse 1796 „verzögert“. Aus ihren Worten ist aber zu schliessen, dass die Herausgabe schon für das Jahr 1794 geplant war. In der That trägt die Vorrede zum ersten Bande die Ueberschrift „Im Frühjahre 1794“, und in der Vorrede zum zweiten Bande S. LXXII, da wo eine biographische Skizze von Sièyes endigt, liest [108] man: „geschrieben im Juny 1794“. Auf diese Datumangabe folgt die Mittheilung: „Der Verfasser der Vorrede des ersten Theils schickte das Manuscript derselben an einen seiner Freunde nach Paris mit der Bitte, alle Lükken, die er darin fände, auszufüllen. Das Manuscript wurde Sièyes’en mitgetheilt. Er selbst entschloss sich Zusäze zu liefern und eine nothwendig gewordene Antwort auf so viele Beschuldigungen, denen er ausgesezt war, hinzuzufügen. So entstand diese Vorrede zum zweiten Theil, wovon vieles aus Sieyes’ens Feder selbst floss. Der Verfasser wurde gebethen, aus allen ihm überschikten Zusäzen ein Ganzes zu machen, und dasselbe als eine für sich bestehende Broschüre unter dem Titel: »Notice sur la vie de Sieyes« auch für Frankreich herauszugeben. Wenn also nach einigen Monaten eine so betitelte Broschüre irgendwo in Frankreich erscheint, so ist das Publicum, das sich um fremde Litteratur bekümmert, durch diese Anmerkung im voraus unterrichtet, dass diese Notize nichts anders sei, als die deutsche Vorrede zum zweiten Th. dieser Übersezung der Schriften Sieyes’ens:
 A. d. H[6]… geschrieben im Sommer 1794.“

Die Herausgeber schliessen die weitere Mittheilung an: „Dass die Übersezung von Sieyes’ens Schriften später in Deutschland in Druck erscheinen würde, als die Uebersezung der Vorrede des zweiten Th. in Frankreich, dachten die Herausgeber nicht. Umstände und Hindernisse, die sich nicht wegräumen liessen, raubten denselben alle Musse, die Herausgabe dieser deutschen Übersezung zu befördern oder zu besorgen. Die Vorrede zum zweiten Th. ist im Monat Februar 1795 in Paris und in der Schweiz unter folgendem Titel erschienen: „Notice sur la vie de Sieyes, membre de la première Assemblée nationale et de la Convention ecrite en Messidor, deuxième année de l’ère républicaine (Juin et Juillet 1794).“

Diese mit Sièyes’ Portrait nach Bréa geschmückte „Notice sur la vie de Sièyes“ ist bekannt genug[7]. Sie bildet die Grundlage [109] fast aller Lebensbeschreibungen von Sièyes. Weniger bekannt ist, dass sie, nach dem Angeführten, wesentlich Sièyes selbst zu danken ist. Durch eine deutsche Uebersetzung, welche separat gleichfalls schon 1795 erschien, wird dies aber nachdrücklich bestätigt[8]. Hier heisst es in der Vorrede: „Es liegt uns ob, ein Wort über den Ursprung dieser Schrift zu sagen. Sie wurde veranlasst durch eine bis daher noch nicht erschienene Übersetzung der Sieyeschen Werke. Der schätzbare deutsche Gelehrte, so sich damit beschäftigt, schrieb an einen seiner Freunde in Paris um Nachrichten über Sieyes’ens Lebensumstände. Die Person, an welche er sich wandte, hatte das unvergessliche Glück, mit dem Philosophen im Umgange zu stehn und von ihm einiges Vertrauens gewürdigt zu werden. Sie machte ihn bekannt mit dem Wunsche des Auslandes. Sieyes liess sich bereit finden, zu willfahren. Er entwickelte ihr in einigen heitern Morgenstunden die Geschichte seines gedankenreichen Lebens, doch unter der ausdrücklichen Bedingung, dass das Gesagte blos dem Gedächtniss anvertraut bleibe und in Frankreich nicht niedergeschrieben würde. Diese Vorsicht, welche treulich beobachtet worden ist, war den Zeitumständen angemessen und nicht zu weit getrieben. Ein Aufsatz der Art, in den Papieren eines Fremden gefunden, hätte den Tyrannen Frankreichs erwünschten Vorwand geliefert, eine Konspiration zu erdichten, um das Haupt des unantastbaren Weisen aufs Schaffot zu bringen. So verstrich ein ganzes Jahr, ehe es dem Herausgeber gelang, sich gegen Todschlag und Kerker auf dem gastfreundlichen Boden der Schweiz sicher zu stellen. Hier geschah es, dass er die Vorräthe seines Gedächtnisses zu Papiere brachte. Allein die Fluth neuerer Eindrücke und ihre konvulsivische Heftigkeit hatten die Spuren vieler alten verwischt und ausgelöscht. Er empfand diesen Mangel am lebhaftesten, da er sich des köstlichen Schmuckes [110] von Weisheit zu erinnern suchte, womit Sieyes die Geschichte seines Lebens durchflochten hatte. Aber die Freundschaft erhörte seine Klagen und kam ihm zu Hülfe. So entstand[WS 1] der in den Friedens-Präliminarien abgedruckte Aufsatz[9]. Man würde ihn für die Uebersetzung der Sieyeschen Werke aufbewahrt haben, wenn diese nicht mit unbegreiflicher Langsamkeit gesäumt hätte, und es für das Herz und den Geist des Herausgebers dringend geworden wäre, den Lügen und Verläumdungen Einhalt zu thun, wodurch kleine und eifersüchtige Geister sich an der Überlegenheit des grossen Mannes zu rächen suchen.“

Wer war der „schätzbare deutsche Gelehrte“, der sich mit der Uebersetzung von Sièyes’ Werken beschäftigte? Wer war „sein Freund in Paris“, der für ihn von Sièyes selbst zuerst mündliche Aufschlüsse erhielt, dann nachdem er sich gegen Todtschlag und Kerker in die Schweiz gerettet hatte, von eben diesem Bewunderten schriftliche Mittheilungen empfing, sie für einen Artikel in dem von Ludwig Ferdinand Huber herausgegebenen, bekannten Sammelwerke Friedens-Präliminarien und hierauf für jene Notice sur la vie de Sieyes verwerthete, die sich wesentlich mit der Vorrede zum zweiten Theile der deutschen Uebersetzung von Sièyes’ Schriften deckt? Wir werden um so neugieriger gemacht, eine Antwort auf diese Frage zu finden, wenn wir wahrnehmen, dass die Bruchstücke aus den Papieren eines Augenzeugen in der Vorrede zum ersten Theile dieser deutschen Uebersetzung von Sièyes’ Werken eine grosse Rolle spielen. Während die „Bruchstücke“ sonst von der Mitwelt so gut wie gar nicht beachtet, von der Nachwelt gänzlich vergessen worden sind, werden sie hier mehrmals angeführt. So S. XXXVII in der Anmerkung mit den Worten: „Es wäre zu weitläuftig, alles, was die Geschichte der Lameth’schen Faktion angeht, hier zu erzählen. Ich verweise den Leser, welcher begierig ist, auf die Bruchstücke aus den Papieren eines Augenzeugen u. s. w. S. 63–138“. Noch eigenthümlicher S. XXXVI, wo eine Behauptung der „Bruchstücke“ in gewissem Sinne corrigirt wird[10]. Das abfällige Urtheil, welches hier über [111] Mallet du Pan und die Genfer überhaupt gefällt wird, S. LIX, erinnert sofort an das in den „Bruchstücken“ enthaltene. Aber noch mehr. Es finden sich ganze Sätze der „Bruchstücke“ so gut wie wörtlich hier aufgenommen. Eine kleine Auswahl von Parallelstellen mag das vor Augen führen:

Bruchstücke S. 74.   Sièyes’ Schriften I, Vorrede S. XXI.
„Es liegt in der Natur einer gesetzgebenden Versamlung, welche ein grosses Beginnen mitten unter Stürmen verfolgt, mehr die Einsichten zu benuzzen, welche ihr vorangegangen sind, als diejenigen, welche sich darbieten, ihren Gang zu erleuchten.“   „Es liegt in der Beschaffenheit einer grossen Versammlung, welche ein ausserordentliches Beginnen mitten unter Stürmen verfolgt, mehr die Einsichten zu benuzzen, die ihr vorangegangen sind, als die, welche sich darbieten, ihren Gang zu erleuchten.“
Bruchstücke S. 75.   Sièyes’ Schriften I, Vorrede S. XIII.
„Das Meisterstück seiner Denkkraft, seine unsterbliche Deklaration der Rechte des Menschen und des Bürgers, die zweifelsohne zu tiefsinnig für den grossen Hauffen, wenigstens Legislatoren zur Fakkel dienen sollte, ist von ihnen mit einer Gleichgültigkeit aufgenommen worden, die die engen Schranken ihrer Vernunft zu beweisen schien.“   „Die Sieyesche Rechtserklärung des Menschen und Bürgers, welche absichtlich vielleicht zu tiefsinnig für den grossen Haufen war, die aber wenigstens Gesezgebern zur Leuchte dienen sollte, ist von den damaligen mit einer Gleichgültigkeit aufgenommen worden, welche die engen Schranken ihrer Vernunft bewiess.“
Bruchstücke S. 109.   Sièyes’ Schriften I, Vorrede S. XXXVII.
„Ein Blatt mit einer diesem Denker eigenen Bestimtheit die Anerkenntniss der Rechte Gleichheit   „Dieses Blatt, worin mit einer diesem Denker eignen Bestimmtheit die Anerkenntniss der Rechtegleichheit,

[112]

[sic!], der Pressfreiheit, und der Einheit der Legislatur konsakrirend, lud zu einer freiwilligen Unterschrift ein und sollte durch ganz Frankreich lauffen. Man hätte dadurch die Personen kennen gelernt, auf welche zu rechnen war, weil, eine völlig freiwillige Verpflichtung zu einem Privatpersonsvorschlage, den Bundesbrüchigen nothwendig bei allen Parteien verhasst gemacht hätte. Das ausgedachte Mittel“ u. s. w.   der Pressfreiheit und die Homogeneität des gesezgebenden Korpus im Gegensaz mit einer adlichen Kammer vereinigt wurde, lud zu einer freiwilligen Unterschrift ein, und sollte durch ganz Frankreich lauffen. Man hätte dadurch die Personen kennen gelernt, auf welche zu rechnen war, weil eine völlig freiwillige Verpflichtung zu einem Privat-Vorschlage, den Bundbrüchigen bei allen Partheien diskreditirt hätte. Das ausgedachte Mittel“ u. s. w.

Sollte, nach allem Vorangegangenen, die Vermuthung abzuweisen sein, dass der Mann, aus dessen Papieren die „Bruchstücke“ stammen, mit dem „Pariser Freunde des schätzbaren deutschen Gelehrten“ ein und dieselbe Person sei? Der gleiche Augenzeuge der Ereignisse, der dem Uebersetzer von Sièyes’ Schriften, I S. LXXIV, berichtet: „Ich bin bei allen Sizungen, in denen sich der Konvent mit dem Prozesse des Königs beschäftigt, zugegen gewesen, und erinnere mich nicht, dass Sieyes für den Tod des Königs mit dem Zusaze gestimmt: Ohne Phrase. Ich habe diesen Vorwurf erst im Auslande vernommen, und behaupte geradezu, dass er erlogen ist. Er könnte unmöglich meiner Aufmerksamkeit entgangen seyn“ u. s. w.

Zum Glück kommt die folgende Thatsache dem Fortgange unserer Untersuchung zu Hilfe. Man liest S. LXXXII des Vorwortes zum ersten Theil der Uebersetzung von Sièyes’ Schriften: „Wir fügen gewissermassen als Fortsezung dieser Vorrede, einige Fragmente über Sieyes bei, die wir aus der, für die Französische Zeitgeschichte unstreitig wichtigsten deutschen Zeitschrift »Klio« (Januar und Februar 1796) entlehnen.“ Die „Klio, Monatsschrift für die Französische Zeitgeschichte“, war eine Zeitschrift, welche der nachmals als Züricher Staatsmann berühmte Dr. med. Paul Usteri (geb. 1768, gest. 1831) in seiner jugendlichen Begeisterung für die Französische Revolution herausgab. Es war nicht das einzige Unternehmen der Art, das man ihm dankte. Zwei weitere Zeitschriften „Beyträge zur Geschichte der Französischen [113] Revolution“ und „Humaniora“ waren demselben Zwecke gewidmet. Der Erwerb einer Buchhandlung in Leipzig, die von ihrem Geschäftsführer den Namen der Peter Philipp Wolff’schen erhielt, kam ihm dabei zu statten[11]. In der That enthält die „Klio“ an den bezeichneten Stellen die in der Uebersetzung von Sièyes’ Werken (I S. 82–116) abgedruckten Fragmente über Sièyes, die seine Autobiographie ergänzen. Hier wie dort ist die Form eines Briefes, den der Herausgeber der „Klio“ erhalten hat, beibehalten[12]. Usteri hatte schon vorher sein Interesse an Sièyes bekundet und zugleich seine nahen Beziehungen zu dem Uebersetzer von Sièyes’ Werken und dessen Pariser Freund bezeugt. Denn das Hauptstück des ersten Bandes seiner mit Sièyes’ Bildniss geschmückten Beyträge zur Geschichte der französischen Revolution 1795 (S. 381–504) ist, wie der Vergleich lehrt, nichts anderes, als die typographisch genau stimmende Verdeutschung der „Notice sur la vie de Sieyes“. Paul Usteri also hat diese Verdeutschung, und aller Wahrscheinlichkeit nach das Französische Original, verlegt. Er hat gleichfalls im ersten Bande seiner Zeitschrift Humaniora (1796) S. 445–457 eine rühmende Anzeige der zweibändigen Uebersetzung von Sièyes’ Werken aufgenommen, in welcher auch der Verfasser der „vorangeschickten fragmentarischen Nachrichten von Sieyes Geschichte und Karakter“ – nach unserer Annahme gleichbedeutend mit dem Autor der räthselhaften „Bruchstücke aus den Papieren eines Augenzeugen“ – sehr herausgestrichen wird. „Man wird darin“, heisst es, „die geistvolle, originelle Manier eines Mannes nicht verkennen, der unstreitig von allen Deutschen Schriftstellern derjenige ist, welcher verschiedene Gegenstände der Revolutionsgeschichte sich am meisten zu eigen gemacht hat, und am tiefsten in die nationellen Eigenheiten dieser Geschichte gedrungen ist“.

In Paul Usteri’s Bekanntenkreise wird man also sowohl den „schätzbaren deutschen Gelehrten“, der Sièyes’ Schriften übersetzte, [114] wie seinen eingeweihten „Pariser Freund“ suchen dürfen. Der kenntnissreiche Biograph Usteri’s weist uns ausdrücklich auf diesen Weg, indem er entwickelt, woher Usteri den besten Stoff für seine drei genannten Zeitschriften nahm: „Die Schreckensmänner in Frankreich waren gestürzt. Aus ihren Schlupfwinkeln erschienen wieder die berühmten Kämpfer aus den schönen Zeiten der Freiheit. Sie hatten sich, während sie verborgen lebten, mit dem Andenken an ihre Schicksale, mit Aufsätzen, welche die Welt damit bekannt machen sollten, beschäftigt. Jetzt, wo sie jene Zeiten der Freiheit zu erneuen bemüht waren, liebten sie auch von denselben zu erzählen und zeigten sich mittheilend gegen diejenigen, denen an ihrer Verherrlichung gelegen war. Es lebten damals in dem wieder sicher gewordenen Paris manche junge Männer aus Deutschland, geistreiche Beobachter des politischen Lebens, welche mit Usteri bekannt, zum Theil in freundschaftlichen Verhältnissen standen. Sie redeten jenen berühmten Männern von ihm und verschafften ihm von ihren Aufsätzen. Sie einverleibten auch ihre eigenen Beobachtungen den an ihn gerichteten Briefen“[13].

Namen werden nicht genannt. Aber man braucht in der Veröffentlichung der Schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft, welche Usteri’s Biographie enthält, nur weiter zu blättern, um auf einen Namen zu stossen, der uns den Schlüssel zur Lösung des Räthsels bietet. Es ist der Name Johann Gottfried Ebel’s, des ausgezeichneten Naturforschers, der 1764 zu Züllichau in Schlesien geboren, von 1790–1792 in der Schweiz, und namentlich in Zürich lebte, wohin er 1810 zu dauerndem Aufenthalte zurückkehrte. In der Zwischenzeit waren seine Wohnorte, mehrere Reisen abgerechnet, Frankfurt a. M., Paris und dann wieder Frankfurt. Während des ersten Aufenthaltes in Frankfurt beschäftigte ihn neben der Vorbereitung seiner „Schilderung der Gebirgsvölker der Schweiz“ vorzüglich die Uebersetzung der Schriften von Sièyes. Sein Biograph, dem seine Correspondenzen vorgelegen haben, bezeugt, dass sie „durch Usteri’s Vermittelung zu Leipzig“ ohne seinen Namen 1796 erschien. Er nennt aber auch unter Berufung auf den durchforschten Briefwechsel jenen Freund Ebel’s, welchem dieser so [115] manche werthvolle Nachricht über Sièyes verdankt: „Die Einleitung ist von Oelsner[14]. Ebel also wäre der „schätzbare Deutsche Gelehrte“, Oelsner sein „Pariser Freund“, der Verehrer und Vertraute von Sièyes, der Mann, auf dessen Bitten und unter dessen Mithilfe die autobiographische Skizze von Sièyes zu Stande kam, und aus dessen Papieren, wenn unsere Combination richtig ist, die „Bruchstücke“ stammen.

Konrad Engelbert Oelsner (1764–1828) aus Goldberg, Schlesier wie Ebel, mit ihm seit der Studienzeit zu Frankfurt a. d. O. befreundet und später im diplomatischen Dienste der Stadt Frankfurt a. M. wiederum in Paris mit ihm vereint, ist als genauer Freund und schwärmerischer Bewunderer von Sièyes bekannt genug. Der Katalog der Stadtbibliothek Zürich, wie manches viel benutzte Nachschlagewerk, nennt ihn als Verfasser der Notice sur la vie de Sièyes. Auch ein späteres Buch über Sièyes wird ihm, ohne Zweifel mit Recht, zugeschrieben[15]. Alles Persönliche, was sich an dem Verfasser der „Bruchstücke“ entdecken liess, trifft auf Oelsner zu. Der Unbekannte schien ein Preusse zu sein, und Oelsner ist es in der That. Der Unbekannte hat Wien gesehen, ehe er nach Paris gelangte. Oelsner hat, wie man weiss, nach Beendigung seiner Studien, einen jungen Edelmann auf Reisen begleitet und sich in Wien von ihm getrennt, um selbst den Schauplatz der Revolution an der Seine aufzusuchen. Der Unbekannte hat etwas von einem Preussischen Grafen zu berichten, den die Neugier am 17. Juli 1791 aufs Marsfeld getrieben hatte, und Oelsner verkehrte sehr viel mit jenem Grafen Schlabrendorf, dessen merkwürdiges Wesen und Dasein namentlich von Varnhagen mit Meisterschaft geschildert [116] worden ist. Man besitzt historische Briefe Oelsner’s über die Zeitereignisse, die in den Jahrgängen 1792 u. 1793 von Archenholz’ „Minerva“ mit den Initialen seines Namens C. E. O. erschienen sind[16]. Sie schliessen sich genau an die „Bruchstücke“ an und zeigen den gleichen Styl und die gleiche Auffassung[17].

Endlich sei auch das noch hervorgehoben, dass wer von Oelsner’s Freunden sich über ihn ausgesprochen hat, nicht genug von seiner Personal- und Sachkenntniss hinsichtlich der Revolutionsgeschichte zu sagen weiss. Varnhagen, Zschokke, Jochmann von Pernau stimmen darin völlig überein. Vielleicht Niemand, äussert sich Zschokke, hätte die Geschichte der Revolution gründlicher, treuer und belehrender schreiben können, als Oelsner. „Nicht nur war er seit dem Beginn des grossen Schauspiels Augenzeuge desselben in Paris gewesen, und an der Seite des Grafen Schlabrendorf unbefangener Augenzeuge geblieben, ohne sich theilnehmend in das Kampfgewühl und die ränkereichen Umtriebe der Parteien zu mischen; nicht nur standen ihm die reichen geschichtlichen Sammlungen seines Schlesischen Landsmannes zu jeder Stunde zu Gebot; sondern er selbst war mit vielen Hauptpersonen der Revolution… in Bekanntschaft und Verkehr gekommen[18].

[117] Indessen man kann auf Häufung weiterer Indicien verzichten, da sich schon aus der gedruckten Literatur die Identität des Autors der „Bruchstücke“ und Oelsner’s unwiderleglich beweisen lässt. Im October und November 1790, gleichzeitig mit Oelsner verweilte der Oldenburger Gerhard Anton von Halem in Paris, wie Oelsner durch die Begeisterung für das Schauspiel der Französischen Umwälzung dorthin geführt. Sein Werk „Blicke auf einen Theil Deutschlands, der Schweiz und Frankreichs bey einer Reise vom Jahre 1790“ (2 Theile, Hamburg 1791), ein Buch, zwar nicht so völlig vergessen wie die „Bruchstücke“, aber doch entfernt nicht seinem Werthe gemäss beachtet, legt dafür vollgültiges Zeugniss ab. Man wusste bereits aus Halem’s „Selbstbiographie nebst einer Sammlung von Briefen an ihn“[19], dass er nach der Rückkehr in die Heimath in Correspondenz mit Oelsner stand. Die vollständigen Briefe Oelsner’s an Halem vom 11. December 1790 bis 10. März (irrthümlich ist Mai gedruckt) 1792 sind aber nach der Originalhandschrift erst 1858 herausgegeben worden[20]. Sie sind mitunter ebensowenig von Gallicismen frei wie die „Bruchstücke“ und dem Inhalte nach Kinder desselben Geistes. Uebrigens decken sie sich nur sehr selten mit denselben, so dass man den Vortheil hat, bei ihrem Studium etwas Neues zu lernen. Wo sich beide aber berühren, genügt eine einfache Nebeneinanderstellung der betreffenden Sätze, um sofort zu erkennen, dass, wer an Halem geschrieben, auch den Stoff für die „Bruchstücke“ geliefert hat.

Oelsner an Halem S. 58.
„26. August“ [1791].
  Bruchstücke S. 139.
30. August (Schreib- oder Druckfehler statt 26.) 1791.“
„Man wird heute die Frage über die Konventionen verhandeln. Ihre   „Man wird heute die Frage über die Konventionen verhandeln. Ihre

[118]

Wirksamkeit ist unbestreitbar, allein da sie ein äusserstes Mittel sind, so vermögen sie ebensowenig als das schwache und einseitige Veto die N. Versammlungen zu hindern wetterwendisch und despote zu seyn… Indess empfindet man täglich mehr das Bedürfniss eines Regulators“ u. s. w.   Wirksamkeit ist unbestreitbar, allein da sie ein äusserstes Mittel sind, so können sie ebensowenig als das parteiische Veto, denjenigen Regulator liefern, dessen man bedarf… Die Versammlung verfährt despotisch, wie einige frappante vor Augen liegende Beispiele beweisen“ u. s. w.
Oelsner an Halem S. 69.   Bruchstücke S. 260.
„Der König tritt in die Schlinge… gestern früh wird Narbonne das Ministerium abgefordert.“   „Narbonne wird… gestürzt… Das neue Ministerium tritt in die Schlinge.“
Oelsner an Halem S. 69.   Bruchstücke S. 223.
„Ich promenirte vor einigen Tagen in den Tuillerien. Die Königin befand sich mit ihrem Sohne am Fenster. Ein junger Mensch spielte auf der Flöte. Dem Kinde gefiel das. Der Spieler liess sich einfallen Ça ira zu blasen; flugs zog sich die Königin mit dem Prinzen zurück und das Fenster wurde zugemacht.“   „Die Königin stand gestern mit ihrem Sohne am Fenster; ein junger Mensch spielte auf der Flöte; dem Kinde gefiel das. Der Spieler liess sich einfallen, ça ira zu blasen. Flugs zog sich die Königin mit ihrem Sohne zurück und das Fenster wurde zugeworfen.“

Man könnte hiernach einen Augenblick versucht sein zu glauben, kein anderer als Halem sei der Herausgeber der „Bruchstücke“, der Verfasser des „Vorberichtes“ gewesen, in welchem mit so viel Liebe von dem Augenzeugen der beschriebenen Vorfälle gesprochen wird. Auch scheint so viel gewiss zu sein, dass Halem von Deutschland aus seinen in Paris zurückgebliebenen Freund aufforderte, die Welt mit dem von ihm Gesehenen und Gehörten bekannt zu machen. Am 10. März 1792 (S. 70) erwidert ihm Oelsner offenbar auf eine vorausgegangene Anfrage: „Ich habe Volumina im Kopfe, vielerlei habe ich auf dem Papiere, und es thut mir leid von allen an meine Freunde geschriebenen Briefe nicht Kopie behalten zu haben. Das ist eine Lükke, die ich nicht auszufüllen weiss und es lässt sich nicht hoffen, dass sie dieselben aufbewahrt, die bloss im Zusammenhange untereinander, und mit dem, was ich noch besitze, von einigem Werthe [119] seyn können. Wie ich dazu gelangen werde, meine Materialien in Ordnung zu bringen? Der Ruhm reizt mich noch weniger als der Gewinn, wie wol letzerer mir äusserst zuträglich wäre, aber ich müsste alsdann die Zeit mit Schreiben verbringen, die ich lieber aufs Lesen verwende. Und dann noch eine Schwierigkeit, ich habe nie geschrieben und verstehe die Kunst zu schreiben gar nicht. Ja wenn Sie mir den Dienst erweisen wollten mit Ihrem geübten Pinsel über das Gemälde herzufahren und es aufzustutzen, ja dann wäre ein Skrupel gehoben“ u. s. w. Indessen wäre es wirklich Halem gewesen, der dem Freunde diesen Dienst erwiesen hätte, wie wäre es zu erklären, dass eben die grosse Masse der höchst interessanten Berichte, die er von Oelsner erhalten hatte, in den “Bruchstücken“ fehlt? Auch wird man bemerkt haben, dass da, wo beide sich berühren, in der Satzbildung und in der Wahl der Worte doch kleine Unterschiede vorkommen. Man hat sich ohne Zweifel zu denken, dass Oelsner, vielleicht mit Benutzung eines Tagebuches (s. o. S. 117 Anm. 1), unter demselben Datum oder rasch hintereinander an mehrere Freunde geschrieben und sich, wie das jedem begegnen wird, gleichartiger Wendungen bedient hat. Wer die „Bruchstücke“ ans Licht gefördert hat, bleibt dunkel. Möglicherweise war es der damals in Frankfurt a. M. weilende Ebel, wie man denn mitunter in bibliographischen Nachschlagebüchern Frankfurt als Ort des Erscheinens der „Bruchstücke“ angegeben findet[21].

Unsere Untersuchung könnte hier abbrechen, wenn es nur eine einzige Auflage der „Bruchstücke“ gäbe. Dies Buch aber hat das merkwürdige Schicksal gehabt, nicht nur nach einem ersten, sondern selbst nach einem zweiten Erscheinen ganz und gar der Vergessenheit anheimgefallen zu sein. Das Dasein einer zweiten Auflage wurde mir bekannt, als ich ein zweibändiges gleichfalls anonymes Druckwerk mit dem Titel „Luzifer oder gereinigte Beiträge zur Geschichte der Französischen Revolution“ zu Gesicht bekam. Der „zweite Theil“ (s. l. 1799, 470 S.) führt den Nebentitel „Historische Briefe über die neuesten Begebenheiten Frankreichs. (Ehemals in den Monaten August, September, October, November, December 1792, Januar, Februar, März 1793 des Journals Minerva abgedruckt.)“ Dies ist nur eine fast wortgetreue [120] Wiederholung der oben S. 116 erwähnten Beiträge, welche Archenholz von Oelsner erhalten. Doch finden sich hie und da Zusätze, und S. 428–470 erscheinen Auszüge aus Briefen und Journalen, die in der Minerva fehlen. Der „erste Theil“ aber (s. l. 1797, XXXII und 462 SS.) ist nichts anderes, als eine neue Ausgabe der „Bruchstücke“[WS 2], freilich mit bedeutenden Abweichungen von der früheren.

Eine Vorrede aus Oelsner’s Feder, aber ohne Oelsner’s Namen zu verrathen, klärt darüber auf, wie es zu jener früheren Ausgabe gekommen sei. Der Sammler der „Bruchstücke“ habe gewünscht, dass erst „die sichtende Zeit“ seinen „Vorrath von Materialien zu einem wohlgebildeten Ganzen ordne“, sein ernster Vorsatz sei aber „durch eine Horde fanatischer Barbaren“ vereitelt worden. „Ein Manuscript in fremder Sprache, bei einem Ausländer, hätte diesen aufs Schaffot gebracht… Allein wer hätte nicht gern das erste Produkt jugendlichen Fleisses dem frühen Tode zu entreissen gesucht? Ein Theil desselben, der vorher unter dem Titel: „Bruchstücke“ erschienen ist, wurde aufs Gerathewohl der Post übergeben. Gelang der Versuch, so sollte das Uebrige folgen. Doch während man noch der Nachricht von glücklicher Ankunft entgegensah, brach die Katastrofe des 31. Mai aus. Dadurch hörte jede persönliche Sicherheit gänzlich auf. Die Haussuchungen wurden häufiger und mit hartnäckigerem Forschen betrieben. So blieb kein Ausweg als den Flammen zu opfern was sich nicht ohne Furcht aufbewahren, und ohne Sorge anvertrauen liess. Vergebens suchte mein Assistent das Urtheil zu lindern. Ich schlief nach vollbrachter That ruhiger, und vielleicht stünde es um meinen Frieden besser, mehr ähnliche Autodafe angestellt zu haben. Den verstörten Flüchtling nahm unterdess ein gütiger Freund eben so liebreich auf, wie er mich selbst in seine brüderlichen Arme geschlossen hätte. Die durch Gewohnheit eines fremden Idioms[22] unwillkürlichen Eigenheiten und Mängel der Schreibart hielten ihn nicht ab über den Stoff selbst günstiger zu urtheilen, als ich, bekannt mit des Werks zahlreichen Gebrechen, hoffen durfte… Ich willigte in den Druck um so leichter, als Teutschland durch ein unzugängliches [121] Meer von mir abgesondert lag, mich die Scheusslichkeit der Epoche über Welt und Menschen gleichgültig, und das Schicksal meines Buchs so unbedeutend machte, dass ein ganzes Jahr verging, ehe es mir einfiel mich danach umzusehen.“

Auf die Vorrede folgt S. IX–XIX eine historisch-politische Ansprache „An Dr. P. U.“, die aus Oelsner’s abschätziger Beurtheilung der alten „Regierungen“ und ihres Bundes wider die Revolution kein Hehl macht. Daran reiht sich der „Vorbericht des ersten Herausgebers“ hier mit dem Datum „Februar 1793“ und das frühere Werk selbst, weit besser geordnet als vordem.

Nach dem Vorangegangenen wird man leicht auf die Vermuthung kommen, Dr. P. U. sei der Züricher Dr. Paul Usteri. Dies wird zur Gewissheit aus den noch erhaltenen Briefen Oelsner’s an Usteri. Zugleich aber lehrt diese mir zugänglich gewordene Quelle, dass die zwei Theile des Luzifer in Usteri’s Verlag erschienen, und dass Oelsner mit seinem Schweizer Freunde, in dessen gastfreiem Hause er früher geweilt hatte, von Paris aus schriftlich alle Einzelheiten der neuen Ausgabe besprach. Er erklärt ihm, warum er den vieldeutigen Titel Luzifer wählt: „Für Freunde der Wahrheit bin ich ein Engel des Lichts, für Feinde derselben ein Kind der Finsterniss, wo man mich immer hinstellen mag, bin ich an meinem Platze.“ Er erläutert ihm, warum er „gereinigte Beiträge“ statt „verbesserte Beiträge“ sagt: „Theils, weil die Arbeit, welche ich vornehme, mehr Ausmistung als Düngung eines Landes ist, in das der Unverstand des Druckers Disteln d. h. Futter für Esel gesäet hat“, sodann um Leser anzulocken, die unter dem Ausdruck „gereinigt“ Apostasie suchen könnten. „Denn ich weiss, dass sich bei vielen meiner Bekannten verbreitet hat, als hätte ich meine ehemaligen Grundsätze abgeschworen. Sie werden nunmehr sehen, was an der Sache ist.“ Es geht aus dieser Correspondenz mit keinem Wort hervor, dass es etwa Usteri gewesen, der die erste Herausgabe der „Bruchstücke“ besorgt hätte. Dagegen gewinnt man aus Oelsner’s brieflichen Bekenntnissen ein überraschendes Ergebniss zur Kritik jener ersten Ausgabe. „Bald bin ich, heisst es in einem der Oelsner’schen Briefe, mit dem Verbessern des ersten Theiles fertig. Ich habe alles Fremdartige herausgeworfen und vielfältige Verbesserungen angebracht. Nur bin ich wegen fünf Briefen ungewiss. Das Bequemste und Liebste für mich wäre [122] sie ganz wegzulassen, erstens weil sie mir nicht angehören, sondern bloss aus einem französischen Journale übersetzt sind, zweitens weil sie just die meisten Korrekturen erheischen, indem sie von Druckfehlern und von Unsinn wimmeln. Andererseits passen diese Stücke ganz vortrefflich in den Zusammenhang des Ganzen und gewähren besonders dadurch, dass ich die Namen der Masken beigesetzt, eine vollkommene, wiewohl kurze Karakteristik der konstituirenden Nationalversammlung. Am liebsten liesse ich sie weg; wenn Sie jedoch meinen, dass es besser sei sie zu behalten, nun so lassen wir sie, und ich zeige das Warum in der Vorrede an.“ Ein anderes Mal schreibt Oelsner an Usteri: „Vielleicht verdient die Arbeit einigermassen Ihre Zufriedenheit. Indess wäre sie bis aufs Ordnen zu Ende, wenn mich nicht die sechs vermaledeyten Briefe aufhielten, die ich gern wegliesse.“ Fünf oder sechs: das kommt weniger in Betracht als die Ehrlichkeit, mit der Oelsner hier von der Sache spricht. Sie verbürgt bis auf Weiteres die Originalität des Uebrigen.

Welche Stücke es aber waren, die ihm nicht zugehörten, darüber gibt eine Vergleichung der ersten und der zweiten Auflage der „Bruchstücke“ und des „Luzifer“ einigermassen Aufschluss. Sicherlich die ganze Stelle der „Bruchstücke“ S. 57 bis 78, die mit den Worten beginnt: „Sie verlangen, mein Herr, das Schauspiel zu kennen, welches die Nationalversammlung in ihren wichtigsten Berathschlagungen darbietet nebst dem Geiste, so sie überhaupt belebt.“ Sie ist in sechs fingirte Briefe vom 5. April bis 28. Mai 1791, die unter dem Texte Angaben von Personennamen enthalten, eingetheilt. Das wären also die „vermaledeyten Briefe“, von deren Unechtheit Usteri Kunde erhielt. Im „Luzifer“[WS 3] sind sie ausgelassen worden, wie das Oelsner’s ursprüngliche Absicht gewesen war[23]. Wenn sodann der „Dialog über die Existenz des österreichischen Komite“ gleichfalls im „Lucifer“[WS 4] ausgefallen ist, so erklärt sich das daraus, dass dieser Dialog, wie o. S. 106 erwähnt, schon in den „Bruchstücken“ als [123] aus dem Französischen „übersetzt“ bezeichnet war[24]. Schwieriger ist es zu sagen, ob aus demselben Grunde eine Stelle der „Bruchstücke“, die das Briefdatum „27. November 1791“ trägt (S. 192 bis 198), unterdrückt worden ist. Sie hat doch ein sehr persönliches Gepräge und kündigt sich durch nichts als eine Entlehnung aus einem Journale oder einer ähnlichen Vorlage an. Handelt es sich hier um Ausmerzungen ganzer Seiten, so gibt auch der Wegfall von ein paar Worten zu denken. In der ersten Auflage, wo vom Begräbniss Mirabeau’s die Rede ist, liest man S. 301: „Am Begräbnisstage Mirabeaus erschien die Gesellschaft der Jakobiner zum erstenmale ordentlich. Eins der Mitglieder, neben dem ich mich befand, wandte sich zu Lafayette“ u. s. w. In der zweiten Auflage heisst es „öffentlich als Gesellschaft“ statt „ordentlich“. Ausserdem aber fehlen die gesperrten Worte. Man könnte glauben, Oelsner hätte später nicht mehr neben einem Jacobiner figuriren wollen. Dann hätte er aber sein halbes Buch kassiren müssen[25]. Sollte also die Vermuthung abzuweisen sein, dass er oder, wenn nicht er selbst, sein Freund, der erste Herausgeber, hier der Versuchung erlag, den Briefschreiber selbst auftreten zu lassen, um das Interesse des Lesers zu steigern? Etwas anders mag es sich mit einer dramatischen Schilderung der Scene vom 20. Juni 1792 in den Tuilerien verhalten. Nach der ersten Auflage („Bruchstücke“, S. 286–292) wäre Oelsner selbst Zeuge aller Vorgänge gewesen. In der zweiten Auflage („Luzifer“ I, S. 430–441) lässt er sich alles von einem „Augenzeugen“ mittheilen. Dort schliesst der Bericht: „Ich habe da eine treue Schilderung geliefert, von dem, was ich selbst gesehen,“ hier: „Ich habe eine treue Schilderung geliefert, von dem, was ich in Erfahrung bringen konnte.“ Vielleicht hatte Oelsner die Aufzeichnung eines Freundes vorgelegen, die er in Copie nach Deutschland schickte, wo man sie für sein [124] Eigenthum halten mochte. Doch kann es nicht jener Zeuge der Scenen vom 20. Juni gewesen sein, aus dessen Feder die „zwey Briefe eines Deutschen aus Paris“ in der Minerva 1792, III S. 453–502 herrühren. So viel ist gewiss: Wer sich das Verdienst erwerben will, eine neue Ausgabe des höchst selten gewordenen Werkes von Oelsner zu veranstalten, darf ihm nicht das Unrecht thun, die „Bruchstücke“ zu Grunde zu legen, sondern muss auf den von ihm revidirten „Luzifer“ zurückgehen.

Auch die Zusätze, die sich im „Luzifer“ finden, machen dies unbedingt nöthig. Es sind ihrer zu viele, als dass sie hier sämmtlich aufgezählt werden könnten. Manche verstärken den Eindruck der Ursprünglichkeit der Berichte in der ersten Auflage. War dort nur von dem „Doctor aus H…“ die Rede, mit dem Oelsner die brüderliche Gesellschaft besucht, so wird hier der Name des Doctors („Doktor T…“ S. 143) angedeutet. Fand er dort am 14. Juli 1791 Robespierre „in einer Allee einsam, aber heiterer als gewöhnlich“, so heisst es hier: „Wir, B. und ich, fanden ihn“. Auch der Gastgeber, bei dem er mit Robespierre, Pethion, Brissot u. s. w. speiste, wird hier wenigstens mit dem Anfangsbuchstaben seines Namens bezeichnet (S. 308: „Ich speiste bei B…“). Andere Zusätze enthalten neue Nachrichten über Personen und Ereignisse, die Oelsner erst später zugekommen sein mögen. Vieles davon betrifft Mirabeau, dem Oelsner hier eine Gesammtwürdigung zu Theil werden lässt, die manche Weglassung der ersten Ausgabe aufwiegt[26]. Schilderungen von Reiseerlebnissen, wie eines Besuches des Marstalles von Kaunitz, launige Nutzanwendungen alltäglicher Erfahrungen aufs politische Leben, scharfe Bemerkungen über die Fehler von Aristokratie und Königthum: alles das sind werthvolle Ergänzungen des Früheren. Charakteristisch sind die Veränderungen des kleinen Abschnittes, der sich mit Camille Desmoulins beschäftigt. Er heisst in der ersten Auflage (S. 164) noch „ein Narr, ein niederträchtiger Schurke, der zu Tiberius’ Zeiten der frechste Delator gewesen wäre, wie er jetzt der schamloseste Verläumder ist“. In der zweiten Auflage (S. 335–338) würde man diese Worte [125] vergeblich suchen. Die ganze Desmoulins betreffende Stelle ist gemildert und eine Anmerkung hinzugefügt, welche folgendermassen beginnt: „Camille Desmoulins hat durch sein rühmliches Ende die Flecken ausgelöscht, welche seine Laufbahn besudelt hatten. Nie wird seiner ohne Rührung die Nachwelt denken. Während der langen blutigen Tirannei der Zehnmänner war er der einzige, welcher für Milde und Erbarmung die Stimme zu erheben wagte. Sein Heldenmuth stürzte ihn ins Grab.“

Es werden sich noch zwei Fragen aufdrängen: einmal, wie war es möglich, dass bisher Oelsner’s Name in keiner seiner Biographien mit diesem Werke in Verbindung gebracht worden ist, sodann wie konnte es so ganz und gar der Vergessenheit anheimfallen? Was das Erste anbetrifft, so ist bekannt genug, dass Oelsner selbst, so ausgedehnt während seines langen Lebens seine schriftstellerische Thätigkeit auch war, doch fast niemals mit seinem Namen hervortrat, gelegentlich die Erzeugnisse seines Geistes sogar Anderen überliess. Sein Sohn, welcher unter dem Titel „Politische Denkwürdigkeiten aus Oelsner’s Schriften“ eine Reihe seiner Arbeiten herausgegeben hat, hebt dies nach Varnhagen, Jochmann u. A. mit vollem Rechte hervor[27]. Oelsner fürchtete nicht selten von der Nennung seines Namens „Schaden und Verdruss“. Ehe der „Luzifer“ erschien, berieth er sich mit Usteri darüber, ob er dem, namentlich in seinem ersten Theile so verfänglichen Werke[28] seinen vollen Namen vorsetzen oder [126] nur die Anfangsbuchstaben unter die Vorrede drucken lassen solle. „Sie würden mir Unrecht thun,“ schrieb er, „wenn Sie glaubten, dass ich mich schämte, mich zu gewissen Grundsätzen zu bekennen. Nein so was liegt weder in meinem Karakter noch in meiner Denkungsart. Allein indem ich meinen Namen ins Publikum werfe, sieht es aus, als wenn ich nach einer schriftstellerischen Reputation lüstern wäre, die für mich beständig mit weit mehr Dorner [sic] als Rosen besäet sein dürfte“. Ein anderes Mal verwahrt er sich dagegen, die Beschimpfungen der Recensenten oder die Verfolgungen, die ihm bei einer Reise nach Deutschland bevorstehen könnten, zu fürchten. „Aber was ich mit Grund besorge“, fügt er hinzu, „ist meiner Familie, meinem Schwager zu schaden, der schon einige Male meinetwegen gezupft worden ist, endlich auch einem meiner Brüder zu schaden, der in Breslau seine Carrière machen soll… Ich würde, könnte der Name von der Vorrede wegbleiben, mit einer derberen Freimüthigkeit schreiben, als ich es sonst thun kann.“ Das Ergebniss der Berathungen war, dass nur im zweiten Theile des „Luzifer“ an ziemlich versteckter Stelle (S. 427) die Namenschiffre Oelsner’s erschien.

Immerhin bleibt es merkwürdig, dass Niemand darauf verfallen ist, ihm die Autorschaft dieses Buches zuzusprechen, da er doch als Verfasser der Beiträge zur Minerva, die den zweiten Theil des „Luzifer“ bilden, allgemein bekannt ist. Eine Notiz in Varnhagen’s Tagebüchern hätte vielleicht, wenigstens in neuerer Zeit, dies Uebersehen gut machen lassen können, wäre Varnhagen, der ohne Zweifel aus dem Gedächtnisse citirte, nicht das Unglück begegnet, die Worte „Luzifer“ und „Phosphorus“ zu verwechseln[29]. Dass Oelsner selbst aber in seinem späteren Leben von den „Bruchstücken“ wie vom „Luzifer“ nicht viel Aufhebens machte, wird man begreifen. Er hatte noch vor dem Ablaufe des Jahrhunderts zu erfahren, wie anrüchig er in seinem Vaterlande bei den Behörden war. Als er 1798 seine Mutter in [127] Schlesien besuchen wollte, wurde er verhaftet und dankte nur dem Einschreiten von Sièyes, damaligen Gesandten der Französischen Republik in Berlin, seine baldige Freilassung[30]. Nach Napoleon’s Sturz zum Preussischen Legationsrath ernannt, ohne doch bei der Ungunst der Zeit weder in Berlin noch in Frankfurt oder Paris eine seinen Fähigkeiten angemessene Wirksamkeit zu finden, hütete er sich gewiss noch viel mehr, an jene Aufzeichnungen seiner Jugend zu erinnern.

Und so blieben denn die „Bruchstücke“ wie der „Luzifer“[WS 5] als namenlose Bücher vergessen. Jene, die erste Ausgabe der Tagebücher und Briefe, sind wenigstens, so viel ich sehe, in einigen zeitgenössischen Deutschen Journalen erwähnt[31]. Vom „Luzifer“ (Theil I) hat die Kritik, so viel mir bekannt, nur in der Allgemeinen Literaturzeitung mit ziemlich scharfen Worten Notiz genommen[32]. Wenn beide Ausgaben in Zürich, der Vaterstadt Paul Usteri’s, zu finden sind, so werden sie doch in grossen Deutschen Bibliotheken vermisst[33]. Dies hat wohl am meisten dazu beigetragen, dass meines Wissens kein Geschichtschreiber der Revolution sich bisher der werthvollen Nachrichten bedient hat, die ein eingeweihter Augenzeuge in einem gedruckten, zweimal aufgelegten Werke bietet. Auch auf dieses Werk lässt sich das Wort anwenden: „Habent sua fata libelli“.



WS: vgl. Nachtrag: Paul Usteri über K. E. Oelsner, 1799

Anmerkungen

  1. Es war jener Lucas (de Montigny), der 1834, 1835 die sogenannten Mémoires de Mirabeau herausgegeben hat.
  2. Dies ganze Stück von den Worten an: „Es fehlte nicht an Leuten, die sich einbildeten, Mirabeau’s Erben zu sein“, findet sich mit einigen Abweichungen in Archenholz, Minerva 1794 III, 87–95 unter dem Titel: „Robespierre. Ein Fragment aus dem historischen Tagebuch eines deutschen Beobachters in Paris. Geschrieben im Jahr 1792.“
  3. Gemeint ist ohne Zweifel das „Journal logotachygraphique de la Société des Jacobins“ s. Aulard: La société des Jacobins 1889, I S. CXVII.
  4. Das Vorhandensein einer zweiten, verbesserten Auflage der „Bruchstücke“ (s. u.) war mir damals noch unbekannt.
  5. Chronique de Paris. 23. Mai 1792 Nr. 145.
  6. Vermuthlich: Anmerkung der Herausgeber.
  7. In der Züricher Stadtbibliothek in dem Sammelbande W. G. 1549, mit der Angabe auf dem zweiten Titelblatte: „En Suisse. MDCCXCV“. 104 S. am Schlusse des Vorwortes: „En Suisse Fevr. 1795. Les Editeurs“. Auf dem ersten Titelblatte die Bemerkung: „La Traduction allemande de la Notice sur la Vie de Sièyes est sous presse et paraîtra incessament“. Nach Lafayette, Mém. IV, 1 und Mignet, Notices et Mémoires hist. 1843 I, 2 muss auch eine Ausgabe „Paris, chez Maradan 1794“ existiren.
  8. Ueber Sièyes’ens Leben. Von ihm selbst geschrieben. Aus dem Französischen übersetzt, und mit Anmerkungen und Beilagen begleitet. Mit Sièyes’ens Portrait von Bréa gezeichnet und von Lips gestochen. In der Schweiz 1795. XIV u. 111 S. Züricher Stadtbibliothek Gal. XVIII, 1353. Varia. Persönliches. Schweizerisches.
  9. Friedenspräliminarien VII, 18–43. (Ich kann nur nach Meusel Bibl. hist. XI, 1 S. 194 citiren, da das Journal mir nicht zur Hand ist.)
  10. In den Bruchstücken S. 77 war es zweifelhaft gelassen, ob „die Wiedervereinigung des Abbe Sieyes mit der Gesellschaft der Jacobins“ ihr nicht mehr zum Gewinne als zum Verluste ausgeschlagen sei. Hier wird erklärt, Sièyes habe durch seinen Schritt mehr genützt als geschadet, indem er wesentlich dazu beigetragen habe, „zu verhüten, dass die Gesellschaft kein Werkzeug des Hofes geworden ist“.
  11. S. Das Leben von Paul Usteri. Von Konrad Ott. (Verhandlungen der Schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft 1835, 2. Abtheilung. Trogen. S. 26; 27.)
  12. „Ich bin Ihnen Antwort auf die Frage schuldig, warum Sièyes so spät mit seiner Meynung über die Konstitution zum Vorschein gekommen ist? … Sie erinnern sich mein lieber Doktor“ u. s. w.
  13. Ott a. a. O. S. 26; 27.
  14. Johann Gottfried Ebel. Nach seinem Leben und Wirken geschildert von Professor Heinrich Escher. Verhandlungen der Schweiz. gemeinnützigen Gesellschaft a. a. O. S. 114; 115. Vgl. Allg. Deutsche Biographie V, 518. Ich verdanke Frau Regierungsrath Hagenbuch in Zürich, einer Enkelin Paul Usteri’s, die Erlaubniss der Einsicht von Ebel’s und Oelsner’s Briefen an Usteri und bin dadurch in Stand gesetzt, Escher’s Angaben zu bestätigen und zu ergänzen.
  15. Des opinions politiques du citoyen Sièyes et de sa vie comme homme public. A Paris chez Goujon fils. An VIII. Vgl. Barbier, Dictionnaire des ouvrages anonymes et pseudonymes, 1827. IV, 86. Nouvelle Biographie Générale p. p. Didot 1864. Vol. 43. Art. Sièyes. Oettinger, Bibliographie universelle, Paris 1866. Art. Sièyes etc.
  16. Archenholz, der Oelsner ohne Zweifel kurz vorher bei seinem zehnmonatlichen Aufenthalte in Paris (s. Minerva 1792, III, 108–110) kennen gelernt hatte, behauptet a. a. O. S. 327, dass Oelsner „seit vier Jahren“ in Paris lebe. Damit stimmt Jochmann (s. u. Anm. 3) I, 236, demzufolge Oelsner jedenfalls bald nach der Einnahme der Bastille dort war.
  17. Forster an seine Frau über Oelsner, Paris 17. Mai 1793 (Forster’s Schriften IX, 26). „Die besten Aufsätze in Archenholz Minerva sind alle von ihm,“ ebenda IX, 57; 126 weitere Erwähnungen Oelsner’s u. a. „Oelsner mag gut schreiben, aber er meint, die Republik wäre nun mit Brissot und Vergniaud zu Grunde gegangen“ u. s. w.
  18. C. G. Jochmann’s v. Pernau Reliquien. Aus seinen nachgelassenen Papieren gesammelt von H. Zschokke Band I (Hechingen 1836) S. 201. Vgl. Dorow, Briefe Oelsner’s an Staegemann (Briefe Preussischer Staatsmänner Band I), S. 8. Die anderweitige Litteratur über Oelsner s. angeführt am Schlusse des Artikels Oelsner in der Allg. Dt. Biographie, der mancher Ergänzungen und Berichtigungen bedarf. Ausser der Correspondens Oelsner’s mit Usteri habe ich noch im Frankfurter Stadtarchive die Actenstücke von ihm und über ihn einsehen können, die sich auf seine diplomatische Thätigkeit zu Gunsten Frankfurts im Jahre 1796 beziehen. Man hat eine Arbeit über diesen Gegenstand von Hrn. Dr. Kracauer in Frankfurt zu erwarten.
  19. Herausgegeben von C. F. Strackerjahn. Oldenburg 1840. Aus dem daselbst S. 109 abgedruckten Briefe Wieland’s an Halem vom 30. Nov. 1790 nebst der Anmerkung ergibt sich, dass die Proben des „Pariser Tagebuches eines jungen teutschen Gelehrten“ im N. Teutschen Merkur, Dec. 1790 S. 396–410 (vgl. 394) von Oelsner herrühren.
  20. Briefe des nachmaligen Königlich-Preussischen Legationsraths Karl Ernst (so irrthümlich statt Konrad Engelbert) Oelsner von Paris aus geschrieben in den Jahren 1790–1792. Wortgetreu aus dem Original-Manuscripte herausgegeben von Dr. Merzdorf. Berlin, J. Springer 1858. S. über G. A. von Halem, Allg. Dt. Biogr. X, 407–409.
  21. So in Heinsius, Allgemeines Bücherlexikon (1812) I, 442, in Kayser, Vollständiges Bücherlexikon (1835) III, 615.
  22. Oelsner correspondirte selbst mit deutschen Freunden hie und da französisch. Wieland sprach im N. T. Merkur a. a. O. S. 404 Anm. mit Schärfe von dem „Französisch-Teutsch“ Oelsner’s.
  23. Diesem Abschnitte der Bruchstücke gehört jenes Urtheil über die Folgen von Sièyes Wiedervereinigung mit den Jacobinern an, das in der Vorrede zum 1. Theile der Uebersetzung von Sièyes’ Werken corrigirt wird (s. o. S. 110 Anm. 2). Man begreift nun, dass Oelsner eine Ansicht, die von einem Zeitungsschreiber herrührte, nicht zu vertreten brauchte.
  24. Die Chronique de Paris von Condorcet, Rabaut St.-Etienne etc. ist auch sonst von Oelsner benutzt. So stammt ein ganzes Stück des Luzifer II, 47–53, eine Kritik des Manifestes des Herzogs von Braunschweig, aus der Nummer vom 2. Aug. 1792, desgleichen II, 94–98 die in Anführungszeichen eingeschlossene Beschreibung der Gefangenschaft des Königspaares im Temple aus der Nummer vom 21. Aug. 1792, II, 129–134, Condorcet’s Urtheil über J. de Bry’s „Tyrannenfänger-Corps“ aus der Nummer vom 28. Aug. 1792.
  25. Oelsner figurirt auch neben Schlabrendorf, Halem u. a. ohne Zweifel ab „étranger“ in der Liste der Mitglieder des Klubs bei Aulard a. a. O. S. LXV.
  26. Eine merkwürdige Notiz findet sich S. 180: „Mirabeau hinterlässt ein Werk über die Mängel und nothwendigen Verbesserungen der Französischen Constitution“. Hatte Oelsner vielleicht etwas von Mirabeau’s grosser Denkschrift Nr. 47 für den Hof erfahren?
  27. Politische Denkwürdigkeiten aus Oelsner’s Schriften. Herausgegeben von Dr. G. Oelsner-Monmerqué. Bremen, Schlodtmann 1848. Dem Herausgeber ist entgangen, dass einige Stücke schon in Oelsner’s (anonymer) Zeitschrift Die Bundeslade, Frankfurt a. M., Wilmans 1817 stehen, die kaum begonnen wieder einging. Er theilt im Vorworte mit, dass sich im Nachlasse seines Vaters noch Correspondenzen, sowie „geordnete Materialien über die französische Revolution“ finden, und ich gebe die Hoffnung nicht auf, diesen Schriftstücken auf die Spur zu kommen.
  28. Auch im zweiten Theile kommen starke Stellen vor, z. B. S. 203 ff.: „Deutsche! Wie lange wollt ihr noch der Hohn und die Verachtung civilisirter Nationen seyn“ u. s. w. Archenholz hatte für gut befunden, solche Stellen in seiner Zeitschrift zu verstümmeln oder zu unterdrücken, und Oelsner konnte nicht jede Lücke mehr ausfüllen. Er schrieb darüber während der Arbeit an Usteri: „Einige der Stellen, welche Archenholz sich unterstanden hat zu streichen, habe ich aus dem Gedächtniss ersetzen gekonnt. Drei oder vier aber fehlen mir durchaus. Ich schreibe an Archenholz um mein Manuscript. Macht der Bursche Schwierigkeiten, wie das von einem Menschen der Art zu erwarten steht, so schleudre ich eine Leuchtkugel in seine Zeitung, die seine ganze verächtliche Blösse sichtbar machen soll.“
  29. Varnhagen, Tagebücher XIV, 355. „21. August 1858“, Ueber Oelsner’s Briefwechsel mit v. Halem (s. o. S. 117). „Gern sähe ich seinen Phosphorus wiedergedruckt auch meinen Briefwechsel mit ihm“ u. s. w. Auch dass in Jochmann’s Reliquien mehrmals (I, 30. 279. 285) von Oelsner’s „Fragmenten über die Fr. Revolution“ die Rede ist, hat wunderbarerweise keine Beachtung gefunden.
  30. Einen höchst interessanten Brief Oelsner’s an Usteri über diese Sache habe ich vorgefunden. Vgl. auch Jochmann’s Reliquien I, 218. Der Verfasser des Artikels Oelsner in der Allg. Dt. Biographie setzt diese Episode irrig nach 1814 und lässt doch den 1807 gestorbenen Hoym dabei mitwirken!
  31. Meusel, Bibliotheca historica Vol. IX pars I p. 177 (1797). Hier wird in Klammern Altona als Druckort der Bruchstücke angegeben und verwiesen auf „Neueste crit. Nachrichten [Greifswald] a. 1794 p. 206 sq.“.
  32. Allg. Literaturzeitung 1799 I, 758. Die Anzeige bezieht sich auf die Bruchstücke und Luzifer I zugleich.
  33. Ich verdanke Hrn. Dr. Wohlwill die Notiz, dass sich die „Bruchstücke“ in der Hamburger Bibliothek befinden und zwar mit dem Ms.-Vermerk „von K. E. Oelsner.“ Mit dem „Luzifer“ wird Oelsner’s Name in Verbindung gebracht von C. G. Kayser, Vollständiges Bücherlexikon III, 615.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: enstand
  2. Vorlage: Bruchstüke
  3. Vorlage: Lucifer
  4. Vorlage: Lucifer
  5. Vorlage: Lucifer