Paul Usteri über K. E. Oelsner, 1799

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Autor: Alfred Stern
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Titel: Paul Usteri über K. E. Oelsner, 1799
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aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 5 (1891), S. 374–376.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br
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Quelle: Scans auf Commons
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[374] Paul Usteri über K. E. Oelsner, 1799. Nachtrag zu dem Aufsatz: K. E. Oelsner’s Briefe und Tagebücher; eine vergessene Quelle der Geschichte der Französischen Revolution. (Bd. III p. 100–127.)

Der Güte von Hrn. Dr. Johannes Strickler in Bern verdanke ich den Hinweis auf die folgende Stelle aus dem „Neuen Helvetischen Tagblatt“ (Fortsetzung des Schweizerischen Republikaners) herausgegeben von Escher und Usteri, Mitgliedern der gesetzgebenden Räthe der Helvetischen Republik, Band I, Nr. LXIII vom 24. August 1799, S. 248 (Bern und Zürich bei H. Gessner 1800):

„Der helvetische Ami des Loix“.

„Dieser mein guter Freund wird seinen alten Bekannten nicht untreu, wenn er auch neue Allianzen schliesst: er theilt freundlich seine Gaben zwischen Poultier und Lacombe, damit keiner auf den andern eifersüchtig werde. In Nr. 1449 des Pariser Blattes (v. 29. Thermidor) finde ich folgende Stelle: „„Die Partei der Föderalisten in Helvetien ist sehr thätig; man versichert, sie bediene sich als ihres Agenten eines gewissen Oelsner, eines Schlesiers und grossen Freundes des Senator Usteri, welcher die Seele dieser Partei ist. Der Bürger Oelsner bildet sich ein, bei dem Fränkischen Directorium sehr wohl angeschrieben zu sein, allein dasselbe wird solchen kleinen Intriguen kein Gehör geben und unter seinen Gliedern wird die föderative Verfassung der Schweiz, die wieder zur oligarchischen Tyrannei führen würde, keine Anhänger finden. Der Bürger Oelsner kann also seine Projecte nur aufgeben.““

[375] Der Director Sieyes, der, wenn man gewissen Leuten glauben soll, mit dem Helvetischen Ami des Loix in einer sehr ununterbrochenen Correspondenz steht, wird sich bei demselben sonder Zweifel in seinem nächsten Schreiben für den freundschaftlich warnenden Wink gar höflich bedanken.

Ich meinerseits finde mich durch die Stelle, die der Ami des Loix mir anzuweisen beliebt, ungemein geschmeichelt, und will ihm zum Dank eine kleine Geschichte erzählen. Die alte Zürcher Regierung hat vor 4 Jahren schon meine Verhältnisse mit Oelsner[1] gar sehr verdächtig gefunden. Dieser besuchte mich damals auf meinem kleinen Landhäuschen am Zürichersee und wir lebten einige der Freundschaft geweihte köstliche Herbstwochen zusammen. Mein Freund war nur wenige Tage bei mir, als wir eines Mittags vor einen der ehemaligen hochgeachten Herren Statthalter gerufen, und von diesem unterrichtet wurden: ,es wäre diesen Morgen in der Sitzung des geheimen Rathes von uns die Rede gewesen, und man wünsche zu wissen, was eigentlich Herr Oelsner bei mir thue; man könne nicht bergen, dass seine Ankunft aus Paris, die gerade mit der Ankunft verschiedener Ochsenhändler aus Schwaben zusammentreffe, dem geheimen Rathe sehr verdächtig vorkomme‘. Mein Freund, der von Contrebande und von Ochsenhandel ungefähr so viel verstund, als ich (und wer mich kennt, der weiss, wie ganz entsetzlich wenig das ist) konnte sich der gravitätischen Perücke, die vor uns über stund, unerachtet, nicht enthalten, laut aufzulachen, – und ich danke dem Himmel, dass unser damaliger Examinator einen der Grundsätze des Helvetischen Ami des Loix noch nicht kannte, in Kraft dessen, wer über eine absurde Zumuthung lacht, dadurch seine Schuld beweist; sonst würde ich es vergebens versucht haben, ihn zu überzeugen, dass mein Freund an der Ankunft der Ochsenhändler sehr unschuldig sei. Es gelang mir für eine Weile, aber am Ende ward es den gnädigen Herren doch zu lang, Oelsner musste Zürich verlassen; er hielt sich eine Weile in Bern auf; aber auch da war für den guten Mann kein langes Bleiben – und so vertrieben die ehemaligen Oligarchen ihren aufrichtigsten Freund, und liessen sich nicht träumen, dass er 4 Jahre [376] später, wenn sie längst gefallen waren, als Agent des Senator Usteri, für ihre Wiederherstellung beim Fränkischen Directorium arbeiten würde.

Doch zum Schlusse ein kleines Wörtchen ernsthaftern Inhalts an den Helvetischen Ami des Loix: Nur ein Verräther kann in Frankreich Agenten haben, durch die er, ohne Wissen der Regierung seines Vaterlandes, auf die öffentlichen Angelegenheiten desselben Einfluss haben will; nur ein Verräther kann den Agenten, die seine Regierung an die Fränkische mit Aufträgen und Vollmachten versehen, abgesandt hat, durch besondere Agenten und Correspondenten entgegenzuwirken suchen.

Usteri.“     

Die Notiz Usteri’s bedarf keiner Erläuterung. Nur hinsichtlich der beiden von ihm erwähnten Franzosen Poultier und Lacombe sei darauf hingewiesen, dass der erste, der die Pressfreiheit im Rathe der Fünfhundert vertheidigt, sein Journal „Ami des Loix“ zeitweise durch Fouché unterdrückt sah, während der zweite, nachdem er sich als Scherge des Terrorismus in Bordeaux verhasst gemacht hatte, daselbst am 15. August 1794 guillotinirt wurde. Höchst bemerkenswerth ist, dass, wie nunmehr feststeht, Oelsner schon im Jahre 1799 öffentlich als Autor der Bruchstücke und des Lucifer genannt war, was völlig übersehen oder vergessen wurde. Ich füge noch hinzu, dass die in meinem Artikel angekündigte Arbeit von Hrn. Dr. Kracauer, die u. a. Oelsner’s diplomatische Thätigkeit zu Gunsten der Stadt Frankfurt a./Main beleuchtet, inzwischen im Archiv für Frankfurt’s Geschichte und Kunst, dritte Folge, dritter Band, S. 142 bis 216 unter dem Titel „Frankfurt am Main und die Französische Republik 1795–1797“ erschienen ist.

Alfred Stern.     

Anmerkungen

  1. „Oelsner hat seit 1789 beinahe immer in Paris gelebt, und eine Zeit lang die Interessen der Stadt Frankfurt daselbst besorgt. Er ist einer der geistvollsten und scharfsinnigsten Beobachter der Revolution. In den Jahrgängen 1792 und 93 der Minerva und in der Klio sind zahlreiche Briefe, die er aus Paris schrieb, abgedruckt, und überdem hat er in zwei besonderen Werken: Bruchstücke aus den Papieren eines Augenzeugen zur Geschichte der Französischen Revolution, seine Erfahrungen und Beobachtungen bekannt gemacht.“