Koch & te Kock, Oelsnitz, Vogtl., Teppich- und Möbelstoff-Fabrik

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Titel: Koch & te Kock, Oelsnitz, Vogtl., Teppich- und Möbelstoff-Fabrik
Untertitel:
aus: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil, in: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild.
Herausgeber: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Koch & te Kock, Oelsnitz, Vogtl.
Teppich- und Möbelstoff-Fabrik.


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Koch & te Kock, Oelsnitz, Vogtl.
Teppich- und Möbelstoff-Fabrik.

Daß ein Etablissement auf bescheidener Basis begründet und in kurzer Zeit blühend und groß wurde, ist schon oft vorgekommen und vor allem in diesem Werke häufig genug geschildert worden. Daß aber ein Fachmann eine Anzahl leerer Räume mietet, in diesen Räumen ganz allein mit lauter neuen, der Branche unkundigen Leuten seine Maschinen aufstellt, dann in eigener Person seinen ersten Arbeiter anlernt und seine Meister ausbildet und schließlich in der Lage ist, binnen zwölf Jahren die Zahl seiner Meister, Gehilfen und Angestellten von diesem einen auf 950 zu bringen – das dürfte nicht nur ungewöhnlich sein, sondern in der Geschichte der sächsischen Industrie wohl einzig dastehen.

Buchstäblich, wie hier geschildert, ist die Gründung der Firma Koch & te Kock vor sich gegangen: Im Dezember des Jahres 1880 kam Herr Karl Wilhelm Koch, der sich mit seinem Schwager Fritz te Kock associiert hatte, nach Oelsnitz im Vogtlande, mietete dort eine Fabrik, stellte dreißig Teppichwebstühle und die dazugehörigen Vorbereitungsmaschinen und Appreturmaschinen auf und begann dann den Betrieb. Jener erste Weber, den er selbst anlernte, steht noch heute im Dienste der Firma und heißt: Carl Schedel, der Senior jener nahezu tausend Weber und Arbeiter, welche die Firma heute beschäftigt.

Eine derartig kraftvolle und erfolgreiche schöpferische Thätigkeit auf industriellem Gebiet überschreitet weit die Grenzen normaler technisch-kaufmännischer Befähigung. Es ist deshalb ganz selbstverständlich, wenn in der Geschichte dieser Firma den beiden Begründern, sowie ihrem Associé, Herrn Alfred Müller, der als Dritter zwei Jahre nach der Eröffnung des Geschäfts derselben beitrat, einige biographische Notizen gewidmet werden.

Beginnen wir mit dem Senior der Firma. Herr Karl Wilhelm Koch erlernte bereits als Knabe unter den Augen seines Vaters praktisch die Weberei, bildete sich zum Kaufmann aus und studierte dann längere Zeit in Deutschland, später in England und in Amerika die Teppichweberei. Nach Deutschland zurückgekehrt, übernahm er in der Teppichweberei zu Düren, [Ξ] der größten Deutschlands, die Stellung eines Direktors, welche er erst aufgab als er sich selbständig machte.

Herr W. Koch ist auf dem Gebiete der technischen wie kaufmännischen Praxis vollendeter Fachmann. Als er seine Fabrik begründete, warf er den größten Teil des englischen Systems in der Axminsterteppichfabrikation über den Haufen und ließ Maschinen und Webstühle nach seinen eigenen Erfindungen und Angaben bauen. Auch im Stoffe selbst schuf er sofort neue Qualitäten und brachte als erste Spezialität der Firma den „Koch & te Kocks Prima Axminster“ einen Teppich, der seitdem sozusagen ganz Europa erobert hat. Manche Konkurrenzfirma hat vergeblich versucht ihn nachzuahmen. Ihm folgte die Qualität „Bagdad“, mit welcher die Firma 1882 begann, den Kampf gegen die orientalische Teppichweberei aufzunehmen; die Bagdad-Qualität ist in erster Linie zur Polsterung und Dekoration von Möbeln bestimmt. Um noch mehr mit der orientalischen und persischen Industrie konkurrieren zu können, ersann der rastlos thätige Mann ferner die Mohairteppiche – Marke Sultan und Emir für Möbeldekoration und Fußboden. Durch immer neue Erfindungen in Webarten wie in praktischen Qualitäten, brachte er es schließlich so weit, daß die englische und schottische Konkurrenz vollständig überflügelt wurde und daß die Firma Koch & te Kock nicht nur die erste Axminsterteppichfabrik der Welt besitzt, sondern daß London und Glasgow schon längst mit zu ihren besten Absatzgebieten gehören. Diesen kunstgewerblichen Schöpfungen reihen sich sodann noch eine Anzahl bemerkenswerter Verbesserungen und Neuerungen an den Maschinen des Etablissements an, die ebenfalls auf die Erfindungsgabe des Genannten zurückzuführen sind. Wie er die Fabrik technisch auf die Stufe der Vollendung brachte, so drang sein Organisationstalent, auch auf kaufmännischem Gebiete durch. Er rechnete, kalkulierte und offerierte schließlich in allen Ländern die Waren franko verzollt, Domizil dort, und machte es dem Auslande bequem und angenehm; ohne Rücksicht auf die enormen Unkosten übersäte er ganz Europa und Amerika mit kunstvoll ausgeführten kolorierten Bildern seiner Teppichmuster, ließ für den Druck neue Façons von Möbeln entwerfen und ganze Interieurs zusammenstellen, in denen nur Koch & te Kocksche Fabrikate zur Anwendung kommen; jeden Monat läßt er an 2000 Kunden 2000 gedruckte Vorratsbücher versenden, welche den momentanen Lagerbestand nachweisen und hält überhaupt durch rasch aufeinander folgende praktische Mitteilungen, Einladungen, Neuerungen und Erfindungen die Aufmerksamkeit des Teppichhandels fortwährend auf die Firma Koch & te Kock gerichtet. – Insbesondere auch versteht er es als Generaldirektor seines Unternehmens, sich auf allen Gebieten, in der Fabrik, im Atelier, im Versand, auf dem Kontor, tüchtige Kräfte heranzuziehen und anzulernen, so daß er sich monatweise persönlich mit am Verkaufe auf der Reise beteiligen kann, wo er insbesondere die schwierigeren Gebiete, wie London, Amerika, Österreich-Ungarn, aufgeschlossen hat und weiter bearbeitet – Koch ist ein Frühaufsteher und beginnt sein Tagewerk nicht selten früh um 6 Uhr mit den Arbeitern.

Der Löwenanteil an der Reisethätigkeit im Dienste der Firma ist jedoch Herrn Fritz te Kock zuzusprechen. Er ist der Typus eines Geschäftsreisenden im großen Stile, ein Mann, der mit allen europäischen Nationen in Berührung getreten, mit ihrer Sprache und ihren Gewohnheiten vertraut ist. Herr te Kock spricht denn auch fließend Englisch, Französisch, Italienisch, Holländisch, Schwedisch, Russisch, Spanisch und Portugiesisch – und zwar nicht nur die Schriftsprache, sondern auch die hauptsächlichsten Dialekte. Zuletzt, kurz vor seiner Beteiligung am Geschäft, Reisevertreter einer großen rheinischen Tuchfabrik in Spanien, hat er mit 38 Jahren ganz Europa bereist und durchquert, von Portugal bis in den Osten Rußlands, von Italien bis nach Schweden. Es ist [Ξ] sein Verdienst, wenn die prachtvollen Erzeugnisse der Fabrik in ganz Europa Verbreitung und Wertschätzung fanden, und wenn eine New-Yorker Zeitschrift, „The Carpet and Upholstery Trade Review“, ihn als „one of the best salesmen in Europa“ bezeichnet, so ist damit sicherlich nicht zuviel gesagt. Gleichwertig steht diesen beiden Ebengenannten endlich der dritte Mitinhaber der Firma, Herr Alfred Müller zur Seite, nach dessen Beitritt eigene Fabrikgebäude errichtet wurden. Er beteiligte sich erst zwei Jahre nach der Begründung der Firma, und wie seine beiden Kompagnons, so repräsentiert auch er eine scharf ausgeprägte kaufmännische Individualität. Herr Alfred Müller ist der geschäftliche Leiter der Firma, soweit Kasse und Buchhaltung in Betracht kommen – der jahraus jahrein von 7½ Uhr früh bis Abends 7 Uhr, mit Ausnahme der Mittagsstunden, im Geschäft zu sprechen ist. Er ist es, der, wenn die beiden anderen Chefs auf Reisen sich befinden, den umfangreichen finanziellen und Verwaltungsapparat überwacht, der durch seine exakte und korrekte Methode der Buchführung dem ganzen Organismus Leben und Einheit verleiht.

Es ist erklärlich, daß ein solches Dreigestirn der Intelligenz, wie es die Inhaber der Firma Koch & te Kock darstellen, unter allen Umständen geschäftliche Erfolge erzielen wird. Der derzeitige Stand des von ihnen geleiteten Unternehmens ist der beste Beweis dafür. Einige wenige kurze Notizen mögen es bestätigen.

Die Zahl der Arbeiter der Firma beträgt, wie schon bemerkt, zur Zeit 950. Drei Dampfkessel mit 160 □m Heizfläche bilden die Kraftquelle für den maschinellen Apparat des Etablissements, dessen Hauptprodukte die bekannten Axminsterteppiche, Tischdecken, Vorhänge, Divandecken, Treppenläufer und Satteltaschen sind. Der Umsatz des Geschäftes beläuft sich jährlich auf ca. 3 Millionen Mark und als Absatzgebiet ist die ganze Welt zu betrachten, soweit sie Luxus und Komfort kennt, vor allem aber Europa und Amerika. Trotz der fortwährenden Zollerhöhungen seitens des Auslandes haben es Koch & te Kock verstanden, ihren bedeutenden Export nicht nur zu erhalten, sondern auch zu vergrößern. Nur die Verhältnisse in Rußland und Spanien üben einen schädigenden Einfluß auf ihren Absatz aus. An Rohmaterialien verarbeitet die Fabrik Wolle, Leinen, Baumwolle und Jute. Nicht vergessen sei auch, daß ihre Erzeugnisse auf der Antwerpener Weltausstellung (1885) und in München (1888) preisgekrönt wurden, sowie daß Se. Majestät der König Albert 1890 die Teppichfabrik besichtigte. An arbeiterfreundlichen Institutionen sei endlich die Weihnachtsstiftung der Firma erwähnt, deren Fonds ein Kapital von 30 000 Mark bildet, von dessen Zinsen alljährlich die hundert ältesten Arbeiter ein Bargeschenk von 9 Mark erhalten. –

Von größtem Interesse für den Volkswirt ist es, die Wechselwirkungen zu beobachten, die zwischen dem Hause Koch & te Kock und seinem Domizil, der Stadt Oelsnitz, bestehen. Als Herr C. W. Koch den Grund zu der späteren Weltfirma legte, zählte Oelsnitz (1880) rund 5000 Einwohner. Der Hauptindustriezweig der Bevölkerung war die Korsettfabrikation, welche zwar den Mädchen und Frauen Arbeit gab, die Männer aber unbeschäftigt ließ. Daher denn viele der letzteren – ihres Zeichens meist Weber – Nähmaschinen anschafften und Steppereien lieferten. Auf diese Weise verdiente ein guter Handweber wöchentlich – etwa 6 Mark. Die junge Firma Koch & te Kock brachte bald Wandel in diese Verhältnisse. Sie brauchte tüchtige Arbeiter und zahlte hohe Löhne; ihre Weber verdienten und verdienen noch jetzt 18–25 Mark die Woche bei 10½-stündiger Arbeitszeit. Jedes Jahr vergrößerten sie ihre Anlagen und jedes Jahr wurden mehr Leute eingestellt. Zuletzt beschäftigte sie nicht nur die ganze disponible männliche Bevölkerung von Oelsnitz, sondern sah sich auch gezwungen aus dem benachbarten Bayern und Böhmen [Ξ] Arbeitskräfte heranzuziehen. Diese Bayern und Böhmen aber brachten wieder ihre Frauen und Töchter mit, die sehr bald brauchbare Arbeiterinnen für die Korsettbranche abgaben. Nicht lange währte es und es mangelte an Wohnungen für die Zuzügler. Da entschloß sich denn die Firma kurz und bündig und baute in der Nähe der Fabrik eine ganze Straße, die jetzige Wiesenstraße, welche 19 stattliche, massive Wohnhäuser mit Gärten enthält. Heute zählt Oelsnitz 10 000 Einwohner und im selben Verhältnis wie die Stadt, sind auch die angrenzenden Dörfer und Vororte Voigtsberg, Raschau, Lauterbach mitgewachsen.

Zum Schlusse sei noch ein kurzer Hinweis auf die Beteiligung der Firma Koch & te Kock an der Weltausstellung zu Chicago gestattet. Es ist nicht zu viel behauptet, wenn gesagt wird, die Kollektion dieses Etablissements sei die reichste und schönste Ausstellung von Teppichen in der ganzen „Worlds Fair“. Ein Prachtstück darunter ist der Firmateppich, welcher ca. 5,59 m groß ist und 305 000 Maschen enthält. Besonderes Aufsehen erregen auch die Mohairteppiche. Sie glänzen, so schreibt der „Konfektionär“, wie Seide und umsomehr, je länger sie in Gebrauch sind; die Farben sind echt und mit feinem Kunstverständnis zusammengestellt; jedes einzelne Muster ist gediegen und mit Sorgfalt durchgearbeitet. Die Kollektion von Koch & te Kock enthält übrigens noch fertig gepolsterte, elegante und praktische Möbel, Vorhänge, Tischdecken und Verwandtes.

Wir schließen hiermit diese flüchtige Skizze. Möge sie dazu beitragen, der Firma Koch & te Kock vor allem im engeren Vaterlande das Ansehen und die Bedeutung zu sichern, die dieses Welthaus zu beanspruchen hat.