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sein Verdienst, wenn die prachtvollen Erzeugnisse der Fabrik in ganz Europa Verbreitung und Wertschätzung fanden, und wenn eine New-Yorker Zeitschrift, „The Carpet and Upholstery Trade Review“, ihn als „one of the best salesmen in Europa“ bezeichnet, so ist damit sicherlich nicht zuviel gesagt. Gleichwertig steht diesen beiden Ebengenannten endlich der dritte Mitinhaber der Firma, Herr Alfred Müller zur Seite, nach dessen Beitritt eigene Fabrikgebäude errichtet wurden. Er beteiligte sich erst zwei Jahre nach der Begründung der Firma, und wie seine beiden Kompagnons, so repräsentiert auch er eine scharf ausgeprägte kaufmännische Individualität. Herr Alfred Müller ist der geschäftliche Leiter der Firma, soweit Kasse und Buchhaltung in Betracht kommen – der jahraus jahrein von 7½ Uhr früh bis Abends 7 Uhr, mit Ausnahme der Mittagsstunden, im Geschäft zu sprechen ist. Er ist es, der, wenn die beiden anderen Chefs auf Reisen sich befinden, den umfangreichen finanziellen und Verwaltungsapparat überwacht, der durch seine exakte und korrekte Methode der Buchführung dem ganzen Organismus Leben und Einheit verleiht.

Es ist erklärlich, daß ein solches Dreigestirn der Intelligenz, wie es die Inhaber der Firma Koch & te Kock darstellen, unter allen Umständen geschäftliche Erfolge erzielen wird. Der derzeitige Stand des von ihnen geleiteten Unternehmens ist der beste Beweis dafür. Einige wenige kurze Notizen mögen es bestätigen.

Die Zahl der Arbeiter der Firma beträgt, wie schon bemerkt, zur Zeit 950. Drei Dampfkessel mit 160 □m Heizfläche bilden die Kraftquelle für den maschinellen Apparat des Etablissements, dessen Hauptprodukte die bekannten Axminsterteppiche, Tischdecken, Vorhänge, Divandecken, Treppenläufer und Satteltaschen sind. Der Umsatz des Geschäftes beläuft sich jährlich auf ca. 3 Millionen Mark und als Absatzgebiet ist die ganze Welt zu betrachten, soweit sie Luxus und Komfort kennt, vor allem aber Europa und Amerika. Trotz der fortwährenden Zollerhöhungen seitens des Auslandes haben es Koch & te Kock verstanden, ihren bedeutenden Export nicht nur zu erhalten, sondern auch zu vergrößern. Nur die Verhältnisse in Rußland und Spanien üben einen schädigenden Einfluß auf ihren Absatz aus. An Rohmaterialien verarbeitet die Fabrik Wolle, Leinen, Baumwolle und Jute. Nicht vergessen sei auch, daß ihre Erzeugnisse auf der Antwerpener Weltausstellung (1885) und in München (1888) preisgekrönt wurden, sowie daß Se. Majestät der König Albert 1890 die Teppichfabrik besichtigte. An arbeiterfreundlichen Institutionen sei endlich die Weihnachtsstiftung der Firma erwähnt, deren Fonds ein Kapital von 30 000 Mark bildet, von dessen Zinsen alljährlich die hundert ältesten Arbeiter ein Bargeschenk von 9 Mark erhalten. –

Von größtem Interesse für den Volkswirt ist es, die Wechselwirkungen zu beobachten, die zwischen dem Hause Koch & te Kock und seinem Domizil, der Stadt Oelsnitz, bestehen. Als Herr C. W. Koch den Grund zu der späteren Weltfirma legte, zählte Oelsnitz (1880) rund 5000 Einwohner. Der Hauptindustriezweig der Bevölkerung war die Korsettfabrikation, welche zwar den Mädchen und Frauen Arbeit gab, die Männer aber unbeschäftigt ließ. Daher denn viele der letzteren – ihres Zeichens meist Weber – Nähmaschinen anschafften und Steppereien lieferten. Auf diese Weise verdiente ein guter Handweber wöchentlich – etwa 6 Mark. Die junge Firma Koch & te Kock brachte bald Wandel in diese Verhältnisse. Sie brauchte tüchtige Arbeiter und zahlte hohe Löhne; ihre Weber verdienten und verdienen noch jetzt 18–25 Mark die Woche bei 10½-stündiger Arbeitszeit. Jedes Jahr vergrößerten sie ihre Anlagen und jedes Jahr wurden mehr Leute eingestellt. Zuletzt beschäftigte sie nicht nur die ganze disponible männliche Bevölkerung von Oelsnitz, sondern sah sich auch gezwungen aus dem benachbarten Bayern und Böhmen

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/225&oldid=- (Version vom 4.8.2020)