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der größten Deutschlands, die Stellung eines Direktors, welche er erst aufgab als er sich selbständig machte.

Herr W. Koch ist auf dem Gebiete der technischen wie kaufmännischen Praxis vollendeter Fachmann. Als er seine Fabrik begründete, warf er den größten Teil des englischen Systems in der Axminsterteppichfabrikation über den Haufen und ließ Maschinen und Webstühle nach seinen eigenen Erfindungen und Angaben bauen. Auch im Stoffe selbst schuf er sofort neue Qualitäten und brachte als erste Spezialität der Firma den „Koch & te Kocks Prima Axminster“ einen Teppich, der seitdem sozusagen ganz Europa erobert hat. Manche Konkurrenzfirma hat vergeblich versucht ihn nachzuahmen. Ihm folgte die Qualität „Bagdad“, mit welcher die Firma 1882 begann, den Kampf gegen die orientalische Teppichweberei aufzunehmen; die Bagdad-Qualität ist in erster Linie zur Polsterung und Dekoration von Möbeln bestimmt. Um noch mehr mit der orientalischen und persischen Industrie konkurrieren zu können, ersann der rastlos thätige Mann ferner die Mohairteppiche – Marke Sultan und Emir für Möbeldekoration und Fußboden. Durch immer neue Erfindungen in Webarten wie in praktischen Qualitäten, brachte er es schließlich so weit, daß die englische und schottische Konkurrenz vollständig überflügelt wurde und daß die Firma Koch & te Kock nicht nur die erste Axminsterteppichfabrik der Welt besitzt, sondern daß London und Glasgow schon längst mit zu ihren besten Absatzgebieten gehören. Diesen kunstgewerblichen Schöpfungen reihen sich sodann noch eine Anzahl bemerkenswerter Verbesserungen und Neuerungen an den Maschinen des Etablissements an, die ebenfalls auf die Erfindungsgabe des Genannten zurückzuführen sind. Wie er die Fabrik technisch auf die Stufe der Vollendung brachte, so drang sein Organisationstalent, auch auf kaufmännischem Gebiete durch. Er rechnete, kalkulierte und offerierte schließlich in allen Ländern die Waren franko verzollt, Domizil dort, und machte es dem Auslande bequem und angenehm; ohne Rücksicht auf die enormen Unkosten übersäte er ganz Europa und Amerika mit kunstvoll ausgeführten kolorierten Bildern seiner Teppichmuster, ließ für den Druck neue Façons von Möbeln entwerfen und ganze Interieurs zusammenstellen, in denen nur Koch & te Kocksche Fabrikate zur Anwendung kommen; jeden Monat läßt er an 2000 Kunden 2000 gedruckte Vorratsbücher versenden, welche den momentanen Lagerbestand nachweisen und hält überhaupt durch rasch aufeinander folgende praktische Mitteilungen, Einladungen, Neuerungen und Erfindungen die Aufmerksamkeit des Teppichhandels fortwährend auf die Firma Koch & te Kock gerichtet. – Insbesondere auch versteht er es als Generaldirektor seines Unternehmens, sich auf allen Gebieten, in der Fabrik, im Atelier, im Versand, auf dem Kontor, tüchtige Kräfte heranzuziehen und anzulernen, so daß er sich monatweise persönlich mit am Verkaufe auf der Reise beteiligen kann, wo er insbesondere die schwierigeren Gebiete, wie London, Amerika, Österreich-Ungarn, aufgeschlossen hat und weiter bearbeitet – Koch ist ein Frühaufsteher und beginnt sein Tagewerk nicht selten früh um 6 Uhr mit den Arbeitern.

Der Löwenanteil an der Reisethätigkeit im Dienste der Firma ist jedoch Herrn Fritz te Kock zuzusprechen. Er ist der Typus eines Geschäftsreisenden im großen Stile, ein Mann, der mit allen europäischen Nationen in Berührung getreten, mit ihrer Sprache und ihren Gewohnheiten vertraut ist. Herr te Kock spricht denn auch fließend Englisch, Französisch, Italienisch, Holländisch, Schwedisch, Russisch, Spanisch und Portugiesisch – und zwar nicht nur die Schriftsprache, sondern auch die hauptsächlichsten Dialekte. Zuletzt, kurz vor seiner Beteiligung am Geschäft, Reisevertreter einer großen rheinischen Tuchfabrik in Spanien, hat er mit 38 Jahren ganz Europa bereist und durchquert, von Portugal bis in den Osten Rußlands, von Italien bis nach Schweden. Es ist

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/224&oldid=- (Version vom 3.7.2022)