Karl I. von England (Gemälde der Dresdener Gallerie)

Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Karl I. von England
Untertitel: Von Van Dyck
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
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Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1848−1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[Ξ]

Charles Ist. Carl Ie.
(König von England.)
[300]
Karl I. von England.
Von Van Dyck.

Es ist ein wehmuthgemischtes Interesse, diesen unglücklichen Stuart durch die herrliche Kunst Van Dycks in allem Reize männlicher Schönheit uns lebend vorgezaubert zu sehen. Der Ruf des edelsten Aeußern und der vollkommensten ritterlichen Erscheinung, welchen Karl I. besaß, wird durch dies Bildniß um so mehr bestätigt, als Van Dyck keineswegs geneigt war, den Personen, die ihm saßen, irgendwie zu schmeicheln. Selten wohl möchte wie hier ein Antlitz den Charakter der Person klarer, unverhüllter abspiegeln. Wir sehen Karls I. feine Sitte und Galanterie in den harmonischen Zügen des Bildnisses, und das braune, tiefe, wenig bewegliche Auge mit dem melancholischen Ausdrucke – das Erbtheil aller Stuarts – erinnert uns an den Zug tiefer Religiosität, an die halbe Schwärmerei, womit Karl I. gleich der Maria Stuart den Episcopat der katholischen Kirche festhielt und vertheidigte. Seine wahrhaft königliche Stirn scheint zum [301] Sitze klarer und großer Gedanken geschaffen und dennoch vermag sie nicht, diesem Gesichte den Stempel überwiegender geistiger Befähigung zu verleihen. Dies ist der Kopf eines Edelmannes, eines hohen Aristokraten, eines ritterlichen Hofcavaliers, aber will man denjenigen eines Herrschers in ihm finden: so kann man nicht umhin, dem Ausdrucke dieser Züge einen Mangel an Erhabenheit, an genialer Kraft und Willensstärke vorzuwerfen. Es drängt sich unwillkürlich uns das Gefühl auf, daß dieser Mann – auch wenn wir seinen Namen nicht wüßten – weniger zum Handeln, als zum Leiden getaugt haben müsse und hierauf übt der Umstand, daß der König mit dem Arm in der Binde gemalt wurde, allerdings keinen Einfluß. Hält man die Geschichte des hingerichteten Monarchen mit diesem Bilde zusammen: so muß man gestehen, daß letzteres einen unübertrefflichen Commentar dazu abgiebt. Die Kunst des Meisters Van Dyck im Portrait ist übrigens, wie auch die hier dargelegte, große, charakteristische Auffassung beweist, gleichwie diejenige Tizians und Leonardo da Vinci’s in diesem Fache über alles Lob erhaben.