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fertig, indeß ein dritter, dessen schöner Schimmel von einem breit lächelnden Burschen gehalten wird, die Stiefel emporzieht, um aufzusitzen. Rechts im Vordergrunde sitzt eine Bäuerin mit dem Kinde vor dem Feuerheerde auf der Erde; neben ihr haben zwei kleine Bauerjungen eine Ziege aufgezäumt. Der eine Junge zieht und der andere schiebt das sich sträubende kleine Thier, um es zu bewegen, über einen daliegenden Balken zu springen. Im Mittelgrunde finden fünf Rosse, an die Krippen befestigt, reichlichen Platz, und im Hintergrunde grade vorwärts wird ein Fuder Heu von zwei Männern abgeladen. Der alte Schimmel vor dem Wagen, dessen Kopf, Hals und Kummt man sieht, wäre sonach das neunte Pferd auf dem Bilde. Hühner und Hunde treiben ebenfalls ihr Wesen in diesem Gebäude, dessen Boden mit Heu angefüllt ist. Aber noch nicht genug mit dieser ungemeinen Fülle von Leben: links im Mittelgrunde beschenkt uns der reiche und freigebige Meister noch mit einer Art Idyll: ein ganzes, von stillem Genügen zeugendes Sein eröffnet er uns in dem kleinen Häuschen, wo oben aus dem Bogenfenster ein Mädchen nach dem scheidenden Reiter blickt, indeß unten ein Schweinestall angebracht ist, wo man die borstigen Insassen eifrig mit Fressen beschäftigt sieht.

Und das Alles ist mit so genialer Ungezwungenheit neben einandergestellt, so harmonisch geordnet, hier ist nirgend ein Gedrängtes, mit Figuren Ueberladenes, Alles hat hier so freien Spielraum, daß man den Maler, obgleich man ihn längst als großen Meister in der Composition und als mit einer unerschöpflichen Phantasie begabt kennt, von Neuem bewundert, als sähe man zum ersten Mal eines seiner Bilder. Bedenkt man die ungemeine Fruchtbarkeit Wouvermans und vergleicht mit der Masse der Bilder, welche er malte, die höchste Sauberkeit der Ausführung derselben, die nur selten durch flüchtig hingeworfene Stellen verflacht wird: so kann man einen Schluß auf die wunderbare technische Fertigkeit des in seinem Genre unübertroffenen Malers machen.




Karl I. von England.
Von Van Dyck.

Es ist ein wehmuthgemischtes Interesse, diesen unglücklichen Stuart durch die herrliche Kunst Van Dycks in allem Reize männlicher Schönheit uns lebend vorgezaubert zu sehen. Der Ruf des edelsten Aeußern und der vollkommensten ritterlichen Erscheinung, welchen Karl I. besaß, wird durch dies Bildniß um so mehr bestätigt, als Van Dyck keineswegs geneigt war, den Personen, die ihm saßen, irgendwie zu schmeicheln. Selten wohl möchte wie hier ein Antlitz den Charakter der Person klarer, unverhüllter abspiegeln. Wir sehen Karls I. feine Sitte und Galanterie in den harmonischen Zügen des Bildnisses, und das braune, tiefe, wenig bewegliche Auge mit dem melancholischen Ausdrucke – das Erbtheil aller Stuarts – erinnert uns an den Zug tiefer Religiosität, an die halbe Schwärmerei, womit Karl I. gleich der Maria Stuart den Episcopat der katholischen Kirche festhielt und vertheidigte. Seine wahrhaft königliche Stirn scheint zum

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 751. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/768&oldid=- (Version vom 1.8.2018)