Kaiser Wilhelm und seine Paladine
Kaiser Wilhelm und seine Paladine.
Seit den Tagen des „großen Jubels“ hatten wir die neue Kaiserstadt nicht wiedergesehen. Mit den Bildern aus dem Feste ohne Gleichen in Geist und Herzen waren wir zurückgekehrt nach unserm ländlichen Sommerasyle; noch von ihnen erfüllt, die Eindrücke noch frisch und unverwischt, kamen wir mit dem Blätterfallen heim in die gewohnten Winterquartiere an der Spree. In Wirklichkeit hatte Berlin schon längst wieder sein Alltagskleid angelegt, wir aber, für welche die mannigfachen Zwischenstadien von der abnormen Erregung zur normalen Alltäglichkeit nicht vorhanden gewesen, wir sahen uns noch auf Schritt und Tritt gefolgt von den Erinnerungen an die gewaltige Feier. Was uns umgab, wir schauten’s
„– – – wie im Weiten,
Und was verschwand, ward uns zu Wirklichkeiten.“
Wo wir gingen und standen, überall war’s, als umbrauste uns noch das Festgewoge, als umwehten uns noch die Fahnen, als schritten wir noch zwischen den Trophäenspalieren einher, als betäubte uns noch das hunderttausendstimmige Hurrah, welches die Sieger in dreiundzwanzig Schlachten, mehr, die Neubauer des deutschen Reiches, empfing, als umflösse uns noch das Lichtermeer, [671] in dem der Jubel allmählich versank. Von allen den reichbewegten Bildern aber und all den heitern wie rührenden Scenen, welche uns auf’s Neue vor die Seele treten, während wir, zum ersten Male nach Monaten, durch Linden und Brandenburger Thor in den Thiergarten hinausschlendern, bleibt unsere Erinnerung wieder und wieder auf einer Gruppe haften, denn in ihr gipfelt wie das äußere so zugleich das innere, das geistige und nationale Interesse des weltgeschichtlichen Festes. Es ist dieselbe, mit welcher der berühmte Düsseldorfer Meister die gegenwärtige Nummer der Gartenlaube geschmückt hat: Wilhelm der Siegreiche mit seinen Paladinen, mit dem hellstrahlenden Dreigestirn Bismarck, Moltke und Roon und mit den glorreichen Marschällen und Führern des deutschen Heeres.
Die Gestalten sind uns längst vertraute. Unzählige Male haben unsere Augen auf ihnen geruht, auf den leibhaftigen Männern und auf ihren Conterfeis, wie diese jetzt, in jeglichem Grade der Vollendung und Abscheulichkeit, Heimath und Fremde überschwemmen; allein wir können uns nicht versagen, unsere Blicke stets von Neuem auf sie zu richten, wann und wo sie in unsern Gesichtskreis treten. Nicht weil sie alle so mannhaft-deutsche, so vornehm-stattliche Erscheinungen sind, sondern weil wir in ihnen die Schöpfer und Träger der neuen Aera verehren, welche Deutschland für alle Zeiten aus der Schattenhaftigkeit des bloßen geographischen Begriffs zur staatlichen Wirklichkeit erhoben und das verlorengegangene Reich in einer Herrlichkeit wieder aufgerichtet hat, vor der selbst sein alter Glanz erbleichen muß. Darum und weil schon ihre äußere Persönlichkeit darthut, daß sie nicht zu den Dutzendmännern gehören, weil vielmehr sich in Physiognomie und Haltung unverkennbar die geistige Bedeutung ausprägt, welche sie zu dem gemacht hat, was sie uns geworden sind – darum dürfen wohl auch wir, die sonst das schlichte Bürgerkleid sympathischer zu berühren pflegt als die bänder- und sternenbedeckte Uniform, mit warmer Theilnahme die hohen Reiterfiguren betrachten, welche der Griffel des genialen Künstlers so lebens- und wirkungsvoll veranschaulicht, ebenso wie wir, begeistert gleich den Tausenden um uns her, aus vollem Herzen unser Hurrah losgejubelt haben, als sie an der Spitze unserer tapferen Brüder, mit denen sie getreulich Nöthen und Gefahren getheilt, den beispiellosen Triumphzug eröffneten.
Kaiser Wilhelm, der Greis von mehr als siebenzig Jahren, der noch heute so fest und gerade im Sattel sitzt, wie ein Mann in der Fülle seiner Kraft, ist nach seiner äußern strammen, stattlichen Erscheinung schon so oft und in so beredten, glänzenden Farben geschildert worden, daß wir den Lesern der Gartenlaube hier kein in die Einzelnheiten gehendes Bild des Mannes zu geben brauchen, der, bedürfnißloser als der jüngste Lieutenant, mit frohem Muthe die Beschwerden eines langen Feldzugs auf sich genommen und seinen Thron zum mächtigsten der Gegenwart gemacht hat. Kaiser Wilhelm ist vielleicht nicht der Idealkopf, nach dem sich der Bildhauer einen Karl den Großen oder Barbarossa modelliren möchte; sein Kopf hat nichts gemein mit dem Haupte eines römischen Imperators, dessen Blick uns erstarren macht wie der Blick der Medusa; nichts mit den wie aus Stein gemeißelten Zügen eines Napoleon des Ersten, welche uns bannen mit unheimlichem Zauber – aber er ist deutsch durch und durch, der echte Hohenzollernkopf. Daß in seiner Erscheinung, in seinem ganzen Wesen das Soldatische vorwaltet, ist bekannt. Er liebt das militärische Element in seinem Staate und pflegt es mit um so größerer Vorliebe, nachdem er ihm so weittragende Erfolge verdankt. Hoffen wir denn, daß das Leben seines Nachfolgers zwar nicht lassen möge von der alten tüchtigen Art, aber das Leben eines Bürgerkaisers werde, dem die Uniform nicht höher gilt, als der Civilrock, und die Heldenthat auf dem Schlachtfeld nicht höher, als der Sieg im Wettkampf des Geistes – und wir haben Ursache zu glauben, daß sich unsere Hoffnung verwirklicht.
Wilhelm der Erste hatte noch nicht den Thron bestiegen, er war noch Prinz von Preußen, als er einst an einem Julitage nach Frankfurt am Main kam. Das gesammte diplomatische Corps des Bundestages hatte sich am Bahnhofe aufgestellt, den erlauchten Reisenden zu empfangen, darunter ein hochgewachsener, breitschulteriger Mann in den dreißiger Jahren und mit der Uniform eines einfachen Landwehrlieutenants. Die meisten der übrigen Herren Gesandten, Legationsräthe und Legationssecretäre erstickten fast unter der Last von Kreuzen und Sternen und Bändern auf ihrer Brust, der Officier war mit einer einzigen Decoration erschienen, der simplen Medaille „für Rettung aus Gefahr“, die ihm zu Theil geworden, weil er „die Gewohnheit hatte, gelegentlich einmal Menschen das Leben zu retten“, und hätte sich auch mit keiner andern schmücken können, aus dem triftigen Grunde, weil er keine andere besaß. Der Mann war zwar schon eine politische Persönlichkeit, hatte im Vereinigten Landtage, in der preußischem zweiten Kammer, im Erfurter Parlament als Heißsporn unter den Hochconservativen sich einen Namen erworben und bei allen Liberalen zu einer Art Popanz gemacht, als die Verkörperung des rücksichtslosesten, hochmüthigsten Junkerthums, in diplomatischer Schule aber war er nie gewesen, ja er hatte, nach seiner eigenen Erzählung, überhaupt nur zweimal ein Universitätscolleg besucht, „im Dienste“ es nicht weiter gebracht, als bis zum Referendarius und nachher das Amt eines Deichhauptmanns bekleidet. Ehe er sich verheirathete, hatte er in Berlin, in der Mark, in Pommern, auf Reisen ein ziemlich wildes Leben geführt, so daß man ihn weit und breit den „Tollen“ hieß und seine Schwiegereltern nur mit Widerstreben die Hand ihrer Tochter in die seinige legten. Trotz alledem aber war er von seinem Gönner Friedrich Wilhelm dem Vierten zum preußischen Gesandten am Bundestage zu Frankfurt am Main bestimmt.
Der Prinz von Preußen mochte das offene, frische Wesen des neu creirten Diplomaten wohl leiden, allein daß derselbe so ganz ohne Weiteres mit dem wichtigen und gerade in jenen Tagen besonders heiklen Posten eines Bundestagsgesandten betraut werden sollte, das wollte ihm nicht in den Kopf, und er unterdrückte seine diesfälligen Bedenken gegen den ergrauten Gesandten nicht, den der Landwehrlieutenant und Deichhauptmann zu ersetzen ausersehen war.
So viel wir wissen, ist dies die erste mehr als oberflächliche Begegnung des nachmaligen deutschen Kaisers mit seinem nachmaligen Reichskanzler gewesen – denn der Diplomat in der Lieutenantsuniform war der märkische Junker Otto von Bismarck-Schönhausen, derselbe reckenhafte Mann mit den vorstehenden, großen graublauen Augen, dem bleichen Gesicht und dem dicken kranzartigen Schnurrbart um die vollen Lippen, den wir dort auf dem schweren dunkelbraunen Rosse seinem Kaiser voraus reiten sehen; nicht mehr in unscheinbarer Lieutenantsuniform, sondern in Generalsgala, das orangefarbige Band des Schwarzen Adlers über der Schulter – nicht mehr Otto von Bismarck-Schönhausen, sondern Bismarck schlechtweg, Fürst-Reichskanzler des neuerstandenen Deutschlands, und im vollen Ernst der „populärste Mann“ nicht blos Deutschlands, sondern der Welt, wie er dies, seinen Gegnern zum Hohne, vor neun Jahren geweissagt. Ob er es selbst geglaubt? Wer, außer ihm allein, vermöchte dies zu entscheiden?
Daß er in Wirklichkeit dieser populärste Mann unserer Zeit geworden, was beweist dies schlagender, als die Thatsache, daß sich bereits ein Mythenkreis um ihn zu ziehen begonnen hat. Gleich allen im eminenten Sinne populären Menschen, wie Friedrich der Zweite, Napoleon der Erste etc., umspinnt auch ihn schon ein Gewebe von Aussprüchen und Anekdoten, von denen es schwer ist zu sagen, wo die Wahrheit aufhört und die Dichtung anfängt, welche aber alle wahr sein könnten, weil sie Geist und Wesen des Mannes, seine offene, rücksichtslose, joviale, schlagfertige, sarkastische, geniale Natur, charakterisiren. Solcher „Bismarckiana“ haben wir bereits Legion. Zahllos sind die „geflügelten Worte“, die man ihm mit Recht oder Unrecht in den Mund legt, existiren doch schon mehrere Sammlungen davon. Ebenso besitzen wir bereits umfängliche Darstellungen von Leben und Wirken des mächtigen deutschen Reichskanzlers, und keine Woche vergeht, ohne daß eine oder die andere Zeitung irgend ein pikantes Dictum oder Factum Bismarck’s auftischt. Daß viele derselben ihm in der That ihren Ursprung verdanken, werden am besten die Mitglieder der verschiedenen Land- und Reichstage bezeugen können, die so manchmal über seine witzigen Bemerkungen und Entgegnungen gelacht haben, auch wenn seine Pfeile ihnen im Fleische staken.
Gewiß, ein populärer Mann wie kein zweiter der Gegenwart, das ist Bismarck. Wo er sich zeigt, und ob auch neben seinem Kaiser, neben Moltke, neben dem Kronprinzen, neben allen Heerführern des letzten Kriegs, immer wird er es sein, welcher zunächst den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses bildet. „Bismarck! Bismarck!“ läuft es durch die Reihen des Volks,
[672][674] sobald sich in den Straßen und Promenaden Berlins sein blauer Uniformrock mit dem schwefelgelben Kragen nur von Weitem blicken läßt, und Vornehm und Gering, Männer und Frauen treten grüßend zur Seite, wenn der Reichskanzler auf seinem hohen Pferde vorübertrabt. Reisende berichten, daß selbst im spanischen Amerika Bismarckportraits einen stehenden Handelsartikel abgeben, und in den Vereinigten Staaten sind mehrere Städte nach dem großen Kanzler getauft. Den Namen „Bismarck“ am Spiegel, segeln deutsche Schiffe auf allen Meeren, und vor dem letzten Kriege fabricirte man in der Champagne einen Bismarck-Schaumwein. Daß endlich längere Zeit hindurch ein Bismarckbraun als Modefarbe florirt hat, brauchen wir unseren Lesern nicht erst zu berichten.
Ist Bismarck aber bei alledem auch der „Liebling des Volks“? Trotz des Bürgerblutes, das von der Mutter ihm in den Adern fließt, ist er dafür, so fürchten wir, ein zu großer Herr, und nicht so leicht dürfte die Kluft seiner Antecedentien, seines schneidenden Wortes und seines menschenverachtenden Hohnes zu überbrücken sein, welche ihn vom Volke trennt. Man verehrt den Mann als den Gründer des neuen Deutschlands, man bewundert seinen Genius und seine Thatkraft – der Liebling des Volks würde er sein, wäre er auch nach innen der Bismarck, der er nach außen, der Gründer der deutschen Freiheit, wie er der Gründer der deutschen Einheit gewesen ist.
„Bismarck den Streitbaren“ – so möchten wir ihn nennen; denn Kampf ist das Element seines Lebens. „Ich sehne mich nach frischem, ehrlichem Kampf,“ schreibt er an seine Schwester, und das aus Frankfurt aus Main, wo es ihm doch wahrhaftig an Kampf nicht fehlte, an Kampf gegen den alten Zopf der Diplomatie, an Kampf gegen die Rücksichten und Bedenklichkeiten des Berliner Hofes, an Kampf gegen die Anmaßungen Oesterreichs, denn es war die Schwarzenberg’sche Zeit, und in Wien hieß die Parole: „Erst Preußen demüthigen und dann es vernichten!“ Gekämpft hat er sein Lebenlang: als flotter Studio, der in einem einzigen Semester an zwanzig Paukereien ausficht, als Abgeordneter, als Minister, als Friedensunterhändler, und wer weiß, welche Siege er noch erkämpfen muß? Darf es uns also Wunder nehmen, wenn ein so Kampfeslustiger und Kampfesmuthiger auch dem äußeren Gewande des Kampfes, der Uniform, den Vorzug giebt vor dem Kleide des Friedens? Die Uniform, „seines Königs Rock“, ist von jeher Bismarcks Lieblingskleid gewesen. Wie der Reichskanzler heute selten anders erscheint, als in der Kürassiermontur, so trug der Gesandte Preußens am hohen Bundestage zu Frankfurt am Main bei allen feierlichen Gelegenheiten, zumal bei Militärfestlichkeiten, seine Lieutenantsuniform mit der Rettungsmedaille, so daß er von den Soldaten, deren großer Günstling er war, als „Se. Excellenz der Herr Lieutenant von Bismarck“ angeredet zu werden pflegte.
Als im Jahre 1866 der Krieg an Oesterreich erklärt war, wußte man, daß ordnungsgemäß der Chef des preußischen großen Generalstabs die strategischen Operationen leiten würde. Es war dies ein General von Moltke. Derselbe sollte ein gelehrter Officier sein, auch unterschiedliche militärische Schriften verfaßt haben. Darauf beschränkte sich aber auch, was das große Publicum bislang von dem Manne vernommen hatte, in dessen Hände jetzt eine so große Verantwortlichkeit gelegt werden sollte. Kein Monat ging indeß in’s Land, und der seither dem Volke völlig unbekannte Mann war mit Einem Schlage eine Berühmtheit ersten Ranges geworden und sein Name in Aller Munde. Jedermann sprach von dem „großen Moltke“ und seiner genialen Heeresleitung, und nur darüber erstaunte man, wie sich ein geistreicher Schriftsteller treffend ausdrückt, „daß der Mann so lange hatte unberühmt bleiben können“, daß er volle sechsundsechzig Jahre alt werden mußte, bevor die Welt erfuhr, weß Geistes Kind er war.
Darüber staunte man, allein man fühlte sich beruhigt, geborgen ist dem Bewußtsein, daß man einen solchen Mann besaß, um den uns das Ausland jetzt beneidete, wie es uns um unsern Bismarck beneidete, und als es in den Franzosenkrieg ging, da sah man die Truppen ruhig ziehen und vertrauensvoll dem Ausgang entgegen: man hatte ja seinen Moltke, den größten Strategen, und seinen Bismarck, den ersten Staatsmann der Gegenwart, und der Erfolg hat gezeigt, daß man sein Vertrauen nicht an die unrechten Männer verschenkt hatte.
Aber weiß man darum vom Sein und Leben des großen Strategen jetzt viel mehr als ehedem? Während fast jede Woche ein neues geflügeltes Wort, ein neues Begegniß Bismarck’s in die Welt hinaus trägt; während der Berliner genau weiß oder wenigstens wissen will, wie es draußen in der Wilhelmstraße Nr. 76 bei Bismarcks zugeht, wann der Reichskanzler das Frühstück einnimmt, wann er die Räthe seines Ministeriums empfängt, wann er ausreitet und wann er sich zum Kaiser begiebt, wer mit ihm im Garten unter den alten Bäumen sitzt und wo er sich mit seinem Seidel Bairisch erquickt, – aus dem täglichen Leben Moltke’s weiß er nichts zu erzählen, und wer sich etwa in Büchern oder Zeitungen, im Kalender oder dergleichen darüber Raths erholen will, der wird vergeblich suchen; „Moltkiana“ sind vorläufig nicht gesammelt. In allen Verhältnissen bleibt der große Mann auch der „große Schweiger“, im Salon und Cabinet wie im Felde, und sehr ergötzlich ist die Geschichte, welche ein höherer Officier von einem Abende bei Moltke erzählt. „Da saßen wir Beide zusammen am Kamin, und nachdem wir uns eine Stunde lang etwas vorgeschwiegen hatten, ging ich nach Hause.“
Bismarck und Moltke! Wer Beide nebeneinander sieht, muß der nicht fast glauben, der Natur sei eine kleine Verwechselung passirt? Die kolossale Gestalt in der Kürassieruniform mit dem gebieterischen Blick und dem dicken Schnurrbart, sieht die nicht ganz aus wie der geborene Feldmarschall, die schmächtige hagere Figur dagegen mit dem langen bartlosen Gesicht, den Denkerfalten auf der Stirn und den festgeschlossenen schmalen Lippen, ist das nicht eine leibhaftige Diplomatenerscheinung? Und vielleicht, dem Vaterlande zum Heile, steckt auch in dem Einen zugleich ein Stück vom Andern, im Diplomaten etwas vom Feldherrn, im Feldherrn etwas vom Diplomaten; sicher wenigstens hat die Feder des Erstern nicht wieder verdorben, was das Schwert des Zweiten gut gemacht hatte, und so wollen wir uns, um mit Goethe zu sprechen, freuen, daß wir zwei solche „Kerle“ haben, wie Bismarck und Moltke!
Vom Dritten im Bunde, dem Kriegsminister Roon, läßt sich kaum sagen, daß er je in die große Oeffentlichkeit getreten ist, wiewohl er als geographischer Schriftsteller nicht Unerhebliches geleistet und sein „kleiner Roon“ schon manchem Fähndrichsaspiranten den Kopf heiß gemacht hat. Die Unpopularität von 1862 und 1865 her, als er, oft in sehr kaustischen Worten, die Armeereorganisation vor der Kammer vertrat, scheint noch einigermaßen auf ihm zu lasten, wenngleich schon der Krieg mit Oesterreich den Werth der Neugestaltung über alle Zweifel hinaus hob. Bismarck und Moltke kennt jeder Berliner Gassenbube, an Roon schreiten Tausende vorüber, ohne eine Ahnung davon zu haben, daß der Officier mit den scharfen Zügen und dem militärisch gedrehten Schnurrbart der Mann ist, der das ausgezeichnete Material gebildet hat, welchem wir unsere von der Welt bestaunten Siege verdanken – der aber mit der ihm eigenthümlichen Bescheidenheit sich selbst blos „seines Königs Feldwebel“ zu nennen pflegte.
Als eines charakteristischen Momentes glauben wir zum Schlusse noch des Umstandes gedenken zu müssen, daß Roon sowohl als Moltke einst die militärischen Begleiter und Rathgeber unserer beiden ruhmgekrönten Generalfeldmarschälle gewesen sind; der Erstere dem Prinzen Friedrich Karl zugetheilt, mit dem er Deutschland, die Schweiz, Italien, Frankreich und Belgien bereiste, der Letztere als persönlicher Adjutant des Kronprinzen. Mit diesem stattete er unter Anderem einen Besuch in den Tuilerien ab. Napoleon der Dritte stand im Zenith seiner Macht, er war der Beherrscher der europäischen Politik, und wie hätten Gast oder Wirth sich träumen lassen können, daß der Genius des Erstern vor Allem es sein sollte, der vierzehn Jahre später den Letztern zum „Manne von Sedan“ erniedrigte, als welcher derselbe in der Geschichte fortleben wird!
Ist es eine zu kühne Vermuthung, wenn wir annehmen, daß eine solche Schule nicht ohne Einfluß geblieben sein wird auf die Lorbeerfülle, die heute die Stirnen der beiden prinzlichen Heerführer umschattet, wie sie den Kaiser Wilhelm und alle seine Paladine unverwelklich bekränzt?
Mögen sie ausruhen auf diesen Lorbeeren, die tapferen Kämpen, die unser Bild uns so lebenswahr vergegenwärtigt, und fortan nur Eichenkronen des Friedens ihre Schläfen schmücken! Der kriegerischen Lorbeeren hat Deutschland genug „bis an’s Ende aller Dinge“.