Kaiser Napoleon des Ersten Dejeuner in Frankfurt a. M. 1807
[459] Kaiser Napoleon des Ersten Dejeuner in Frankfurt a. M. 1807. (Aus den nachgelassenen Aufzeichnungen eines Zeitgenossen.) Der für Deutschland und besonders für Preußen so unglückliche Friede von Tilsit am Niemen war geschlossen (9. Juli 1807), und Napoleon kehrte als Sieger nach Frankreich und Paris zurück. In Frankfurt a. M. hatten sich die Fürsten und Souveraine Deutschlands zahlreich versammelt, den Kaiser, welcher Vormittags ankommen wollte, festlich zu empfangen und im Fürstlich Thurn und Taxis’schen Palais mit einem glänzenden Dejeuner zu bewirthen. König Friedrich von Württemberg hatte die Arrangements und Honneurs bei diesem Fest, welches die sämmtlichen Mitglieder des kaum vor Jahresfrist gestifteten Rheinbundes ihrem hohen Protector geben wollten, übernommen und mit königlicher Verschwendung ausgestattet. Napoleon hielt seinen Einzug und stieg im Residenzpalast des Großherzogs Fürsten Primas Carl Dalberg ab. Die Könige von Baiern, Sachsen und Württemberg führten ihn in die prachtvoll decorirten Zimmer, und der König von Württemberg zeigte sich als geschickter Festordner. Aber Kaiser Napoleon war nie ein Freund dieses Souverains gewesen, weil ihm dessen Eigenthümlichkeiten nicht gefielen. Das große Dejeuner begann, und König Friedrich leitete die Anordnungen mit einer Umsicht und Aufmerksamkeit, welche Bewunderung erregten. Ein Heer von Kammerherren, Hofmarschällen und untergeordneten Hofdienern rannte hin und her, die Speisen und Getränke zu präsentiren.
Natürlich mußte Alles dem Kaiser, dem gefeierten hohen Gaste, zuerst offerirt werden; der König selbst näherte sich und bat um die Annahme. Aber diese wurde von dem Allgewaltigen bei jedem Gerichte geweigert. Das fiel auf und erregte allgemeine Bestürzung, um so mehr, als nun nach der Hofetiquette kein einziger der anwesenden Fürsten etwas annehmen und genießen durfte. Als endlich Alles an der großen Tafel herumgereicht, Alles vergeblich dem Kaiser präsentirt worden war, und dieser die Annahme nicht allein jeder duftenden Speise, sondern auch eines jeden gefüllten Glases beharrlich abgelehnt hatte, wagte es die württembergische Majestät, dem Kaiser wiederholt zu nahen und zu fragen, ob und womit der kaiserlichen Majestät, die doch soeben von weiter, ermüdender Reise angelangt sei, aufzuwarten stehe? „Mit Ananas!“ erwiderte rasch und scharf Napoleon, der mit seinem Adlerblicke gleich die Tafel überschaut und gerade den Mangel dieser Frucht wahrgenommen hatte. Alsbald befahl der König der Unzahl der anwesenden Kammerherren die Herbeischaffung der befohlenen Ananas, und es begann ein unglaubliches Rennen und Jagen nach dieser Erfrischung, was dem Kaiser zum Ergötzen diente. Denn es beliebte ihm, den König Friedrich einmal in Verlegenheit zu setzen.
Es trat eine peinliche Pause ein. Die Verlegenheit steigerte sich, als die Kammerherren keuchend mit der Hiobspost zurückkehrten, es sei keine Ananasfrucht zu erlangen, und auch der Befehl des Königs, schleunigst danach in allen Gärten und Treibhäusern in Frankfurt zu forschen, ein günstigeres Ergebniß nicht lieferte. Die gedrückte Stimmung erreichte ihren Höhepunkt, als Napoleon, nachdem ihm das Mißgeschick gemeldet war, die Räume des Speisesaals sofort verließ und seine Reise fortsetzte, ohne das Geringste genossen zu haben.