Textdaten
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Autor: Karl Chop
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Titel: Aus dem Leben der Katzen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 459
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[459] Aus dem Leben der Katzen. In der Umgegend von Sondershausen und insbesondere in den Wäldern, die sich am Nordabhange der Hainleite unter der noch ziemlich erhaltenen Burg Straußberg hin nach Westen erstrecken, aber auch in den Dickichten, welche südöstlich von unserer kleinen Residenz die steilen Vorberge des Kyffhäusergebirges hinaufklimmen, kommt die eigentliche Wildkatze nicht selten vor, und es vergehen wohl kaum einige Jahre, ohne daß eines dieser höchst unbändigen und dem sonstigen Wildstande sehr gefährlichen Thiere erlegt würde. Das hiesige Naturaliencabinet bewahrt einzelne Exemplare von ganz ansehnlicher Größe, die es kaum zweifelhaft lassen, daß selbst der stärkste Hund im Kampfe mit diesen Thieren hätte unterliegen müssen. Tschudi erzählt einen Fall, in dem sich eine auf dem Rücken liegende Wildkatze sogar gegen drei Hunde siegreich vertheidigte, und der jüngere Brehm einen anderen, bei dem sogar ein Waldhüter im Gothaischen Forste durch den Angriff des wüthenden Thieres getödtet wurde. In den letzten Tagen des April nun glückte es hier durch ein seltsames Ungefähr, einer lebendigen und unversehrten Wildkatze nebst mehreren Jungen habhaft zu werden. Sie hatte sich ein gewöhnlich einsam liegendes Jagdhaus ausersehn, um daselbst ihr Wochenbett abzuhalten. Jüngst nun, als das Haus einmal benutzt wurde, leitete das Miauen der jungen Thiere auf die Spur des Eindringlings. Man öffnete, nachdem man vorsichtig den einzigen Ausweg verstopft hatte, die Thür des Nebenraumes, und erblickte nun sofort das alte Thier, das wuthschnaubend und verzweifelnd in dem engen Gemache umher raste. Und doch war auch in dieser gefährlichen Lage die Liebe der Mutter noch so stark, daß sie auf einen klagenden Laut der Jungen zur Hülfe herbeieilte und wieder in den Schlupfwinkel zu ihnen kroch. Ein inzwischen schnell herbeigebrachter Sack wurde nun an die Oeffnung gehalten, und in diesem fing sich die Wildkatze, sobald der bisherige Verschluß vorsichtig entfernt wurde. Auch die unter Genist wohl versteckten Jungen wurden dann in den Sack zu der Mutter gesteckt, und so gelangte der Behälter mit seinem seltenen lebenden und wohlbehaltenen Inhalte in die Reitbahn beim Schlosse. Da die glückliche Idee auftauchte, die seltene Beute einem zoologischen Garten zu übergeben, so brachte man einen vorn mit starkem Eisendraht verwahrten Kasten herbei und schüttete dort vorsichtig den Inhalt des Sackes hinein. Aber man hatte dennoch leider die Stärke und Wildheit des alten Thieres nicht gehörig geschätzt. Einen Augenblick lang prüfte es mit funkelnden Blicken die neue Umgebung. Dann stürzte es jäh gegen das Gitter, und wenige Augenblicke genügten seiner Kraft, um das Gefängniß zu öffnen. Die Katze war frei, wenigstens in dem weiten Raume der Reitbahn und tobte nun dort herum, bis zwei Schüsse des Prinzen sie niederstreckten. – Dieser Ausgang ist um so mehr zu beklagen, als lebende Wildkatzen in zoologischen Gärten meines Wissens überhaupt selten sind, namentlich solche mit Jungen, und als das gefangene Thier, dessen Gewicht von einem Kenner auf fünfundzwanzig Pfund geschätzt wurde, überhaupt zu den sehr großen Exemplaren gehörte. Die blinden Jungen, welche dann noch an dem Körper der todten Mutter vergeblich die gewohnte Nahrung suchten, sind inzwischen, wie ich höre, gleichfalls gestorben.

Hieran reihe ich eine andere verbürgte Mittheilung aus dem Leben einer zahmen Hauskatze. Dieselbe wurde im Hause von Verwandten des Verfassers gehalten und war gewöhnlich sehr sanft und zutraulich. Da ihr aber wiederholt die Jungen genommen und ertränkt worden waren, so hielt sie bald ihre Wochenbetten nur noch an den verborgensten Orten ab und kam mit den Jungen erst dann zum Vorschein, wenn dieselben nach der mütterlichen Meinung über die Gefahr des Ertränktwerdens hinaus waren. Eines Tages aber mußte die vorsichtige Mutter wohl eine giftige Speise genossen haben, oder sie war sonst gefährlich erkrankt. Kurz, als das arme Thier den Tod herannahen fühlte, da mochte auch zugleich in ihrem Hirne dunkel die Besorgniß aufdämmern, daß die geliebten Kleinen an dem abgelegenen und versteckten Orte sicher verkommen müßten. Mit Aufbietung ihrer letzten Kräfte brachte sie jetzt selbst ihre Jungen, eins nach dem andern, in die Wohnstube des Hauses herab, bettete sie dort möglichst gut und – starb kurz darauf.

Liegt darin nicht eine seltsame und rührende Hoffnung des Thieres, daß sich in diesem einen Falle wenigstens die unbarmherzigen Menschen der verlassenen und ohne die mütterliche Sorge verkommenden Kleinen mitleidig annehmen würden?
Karl Chop in Sondershausen.