Körner’s Todtenkranz
[400] Körner’s Todtenkranz. Es ist bekannt, daß der jugendliche Held und Dichter oft von dem Vorgefühle seines frühen Todes beschlichen wurde. Kurz vorher, ehe diese trübe Ahnung sich verwirklichen sollte, war er in G. in einer fröhlichen, meist aus jungen Leuten beiderlei Geschlechts bestehenden Gesellschaft. Man scherzte, man lachte, bis durch eine unvermuthete Wendung des Gespräches die Rede auf einen kürzlich verstorbenen jungen Officier kam, dessen Sarg man reich bekränzt mit allen militärischen Ehren zu Grabe getragen habe. Bei diesem Gespräch wurde Körner sehr ernst und äußerte: er fühle nur zu gewiß, daß auch er bald diesen letzten Weg antreten müsse. Man wollte ihm natürlich diese schweren Gedanken ausreden; vor allen war es ein junges, hübsches, lebhaftes Mädchen, die sich für den liebenswürdigen Dichter interessirte und ihm theilnehmend bei dieser Gelegenheit zusprach. „Nun, Mademoiselle,“ sprach Körner, „wenn Sie von dem Gegentheile meiner Ahnung überzeugt sind, so werden Sie mir um so leichter eine Bitte gewähren: winden Sie mit Ihren schönen weißen Händen einen Kranz von Myrthen und Rosen und legen mir diesen Kranz auf den Sarg.“ Julie G. versprach es wie im Scherze mit einem Handschlag, aber mit einem wehmüthigen Schauer. Kurze Zeit darauf drang der Schmerzensschrei: Körner ist gefallen! auch nach G. und zu ihr. Unter heißen Thränen wand das junge Mädchen den versprochenen Todtenkranz und reiste so schnell wie möglich ab. Da aber in jener Zeit Gedanke und That nicht auf Flügeln eilten wie jetzt, kam sie in dem etwa 3 Meilen von G. entfernten Dorfe Wöbbelin erst an, als Körner bereits unter der schönen, von ihm selbst zum Ruheplatze auserwählten Eiche eingesenkt war. Seine Freunde, welche diese traurige Pflicht schweren Herzens erfüllt, waren hingezogen, Körner’s frisches Blut am Feinde zu rächen, und so schlief der Dichter von „Leyer und Schwert“ einsam unter der Eiche, und die Nacht senkte sich auf die Erde, und die Sterne woben ihren unvergänglichen Strahlenkranz.
Da eilte leicht wie ein Schatten eine schlanke weibliche Gestalt über den Feldweg dem einsamen Grabhügel zu. Hier scharrte sie mit ihren zarten Händen und einer kleinen Hacke, die sie mitgebracht, die frisch aufgeworfene Erde hinweg, und als sie den Deckel des Sarges erreicht, rief sie, dreimal an denselben klopfend: „Theodor Körner, ich bringe Dir den versprochenen Myrthenkranz!“ Unter Thränen nahm sie dann Abschied von dem stillen Grabe und eilte heimwärts.
Diese vorstehende Thatsache erzählte mir eine erst kürzlich verstorbene alte würdige Dame. Sie selbst war jene Julie gewesen, welche in ihrer Schwärmerei dies Zeichen inniger Verehrung noch dem jungen Dichter im Grabe darbrachte.