Insectenfressende Pflanzen/Vierzehntes Capitel

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aus: Insectenfressende Pflanzen
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von: Charles Darwin
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Vierzehntes Capitel.
Aldrovanda vesiculosa.

Fängt Krustenthiere. – Structur der Blätter im Vergleich mit denen der Dionaea. – Aufsaugung der Drüsen, der viertheiligen Fortsätze und der Spitzen an den nach innen gefalteten Rändern. – Aldrovanda vesiculosa, var. australis – Fängt sich Beute. – Aufsaugung thierischer Substanz. – Aldrovanda vesiculosa, var. verticillata. – Schluszbemerkungen.

Diese Pflanze kann eine kleine, im Wasser wachsende Dionaea genannt werden. Stein entdeckte 1873, dasz die zweilappigen Blätter, welche in Europa gewöhnlich geschlossen gefunden werden, sich unter einer genügend hohen Temperatur öffnen und wenn sie berührt werden, plötzlich schlieszen [1]. Sie breiten sich in von 24 bis 36 Stunden wieder aus; aber, wie es scheint, nur wenn unorganische Gegenstände eingeschlossen wurden. Die Blätter enthalten zuweilen Luftblasen und wurden früher für Blasen gehalten; daher der specifische Name "vesiculosa". Stein beobachtete, dasz Wasser-Insecten manchmal gefangen wurden, und Prof. Cohn hat wiederholt in den Blättern natürlich wachsender Pflanzen viele Arten von Krustenthieren und Larven gefunden [2]. Pflanzen, die in filtrirtem Wasser gehalten worden waren, wurden von ihm in ein Gefäsz, welches zahlreiche Krustenthiere der Gattung Cypris enthielt, gethan, und am nächsten Morgen wurden [291] viele gefangen gefunden, noch lebendig und in den geschlossenen Blättern herumschwimmend, aber zu gewissem Tode verurtheilt.

Gleich nachdem ich Prof. Cohn's Abhandlung gelesen hatte, erhielt ich durch Dr. Hooker's Güte lebende Pflanzen aus Deutschland. Da ich nichts zu Prof. Cohn's ausgezeichneter Beschreibung hinzufügen kann, so will ich nur zwei Abbildungen geben, die eine von einem Wirtel von Blättern aus seiner Abhandlung copirt, und die andere von einem flach offen gedrückten Blatte, von meinem Sohne Francis gezeichnet. Ich will jedoch einige Bemerkungen über die
Fig. 13. (Aldroranda esiculosa.) Obere Figur: Blattwirtel (nach Cohn). Untere Figur: ein flach offen gedrücktes Blatt, stark vergröszert.
Verschiedenheiten zwischen dieser Pflanze und der Dionaea daran knüpfen.

Aldrovanda besitzt keine Wurzeln und schwimmt frei im Wasser. Die Blätter sind in Wirteln rings um den Stamm angeordnet. Ihre breiten Stiele enden in von vier bis sechs steifen Vorsprüngen [3], jeder [292] an der Spitze mit einer steifen kurzen Borste versehen. Das zweilappige Blatt, dessen Mittelrippe gleichfalls an der Spitze mit einer kurzen Borste versehen ist, steht in der Mitte dieser Vorsprünge und wird augenscheinlich von ihnen geschützt. Die Lappen werden von einem sehr zarten Gewebe gebildet, so dasz sie durchsichtig sind; sie öffnen sich, wie Cohn sagt, ungefähr eben so viel als die beiden Klappen einer lebenden Muschelschale, daher selbst noch weniger als die Lappen der Dionaea; und dies musz das Fangen von im Wasser lebenden Thieren noch leichter machen. Die Auszenseite der Blätter und Stiele ist mit sehr kleinen, zweiarmigen Papillen bedeckt, augenscheinlich den achtstrahligen Papillen der Dionaea entsprechend.

Jeder Lappen ist etwas gröszer als ein Halbkreis in der Convexität, und besteht aus zwei sehr verschiedenen concentrischen Theilen; die innere und kleinere Partie oder die der Mittelrippe nähere ist leicht concav und wird, nach Cohn, von drei Zellenschichten gebildet. Seine obere Fläche ist mit farblosen Drüsen, gleich denen der Dionaea, aber einfacher als diese, dicht besetzt; sie werden von bestimmten Stielen, welche aus zwei Reihen von Zellen bestehen, getragen. Der äuszere und breitere Theil des Lappens ist flach und sehr dünn und wird immer von zwei Zellenschichten gebildet. Seine obere Fläche trägt keine Drüsen, aber an ihrer Stelle kleine vierspaltige Fortsätze, von denen jeder aus vier spitz zulaufenden Vorsprüngen besteht, welche sich von einer gemeinsamen Hervorragung erheben. Diese Fortsätze werden von einer sehr zarten Membran gebildet, welche mit einer Schicht von Protoplasma ausgekleidet ist; sie enthalten zuweilen zusammengeballte kuglige Massen von hyaliner Substanz. Zwei der leicht auseinander laufenden Arme sind gegen die Peripherie gerichtet und zwei gegen die Mittelrippe, sie bilden so zusammen eine Art von griechischem Kreuz. Gelegentlich werden zwei der Arme durch einen ersetzt und dann ist der Vorsprung dreitheilig. Wir werden in einem späteren Capitel sehen, dasz diese Vorsprünge in sonderbarer Weise den in den Blasen der Utricularia gefundenen gleichen, ganz besonders denen der Utricularia montana, obgleich diese Gattung nicht mit der Aldrovanda verwandt ist.

Ein schmaler Rand des breiten flachen äuszeren Theils jedes Lappen ist einwärts gebogen, so dasz, wenn die Lappen geschlossen sind, die äuszeren Oberflächen der eingefalteten Theile in Berührung kommen. Der Rand selbst trägt eine Reihe von conischen, abgeplatteten, [293] durchsichtigen Spitzen mit breiten Basen, gleich den Stacheln am Stamme eines Brombeerstrauches oder Rubus. Da der Rand eingebogen ist, so sind diese Spitzen nach der Mittelrippe zugerichtet und es scheint zuerst, als seien sie dazu angepaszt, das Entkommen der Beute zu verhindern; aber dies kann kaum ihre hauptsächliche Thätigkeit sein, denn sie bestehen aus sehr zarter und stark biegsamer Membran, welche leicht gebogen oder ganz zurückgefaltet werden kann, ohne zerbrochen zu werden. Demungeachtet müssen die eingebognen Ränder mit den Spitzen zusammen die rückgängige Bewegung irgend eines kleinen Geschöpfes verhindern, so bald die Lappen sich zu schlieszen anfangen. Der peripherische Theil des Blattes der Aldrovanda weicht hiernach sehr von dem der Dionaea ab; auch können die Spitzen auf dem Rande nicht mit den Speichen oder Spitzen rings um die Blätter der Dionaea für homolog gehalten werden, da diese letzteren Verlängerungen der Blattscheibe und nicht blosze Producte der Epidermis sind. Sie scheinen also einem ganz verschiedenen Zwecke zu dienen.

Auf dem concaven drüsentragenden Theil des Lappens und besonders auf der Mittelrippe sind zahlreiche lange, fein zugespitzte Haare, welche, wie Prof. Cohn bemerkt, ohne Zweifel gegen Berührung empfindlich sind, und, wenn berührt, es verursachen, dasz das Blatt sich schlieszt. Sie werden von zwei Reihen Zellen gebildet, oder, wie Cohn sagt, manchmal von vier, und enthalten kein Gefäszgewebe. Sie weichen auch von den sechs empfindlichen Filamenten der Dionaea dadurch ab, dasz sie farblos sind, und ebenso wohl eine mittlere als eine basale Articulation haben. Ohne Zweifel verdanken sie es diesen zwei Gelenken, dasz sie trotz ihrer Länge dem Zerbrechen beim Schlieszen der Lappen entgehen.

Die Pflanzen, welche ich in der ersten Hälfte des Oktober aus Kew erhielt, öffneten niemals ihre Blätter, obgleich sie einer hohen Temperatur ausgesetzt wurden. Nachdem ich die Structur von einigen derselben untersucht hatte, experimentirte ich nur an zweien, da ich hoffte, die Pflanzen würden wachsen; und ich bedaure nun, dasz ich nicht eine gröszere Anzahl geopfert habe.

Ein Blatt wurde entlang der Mittelrippe aufgeschnitten und die Drüsen unter starker Vergröszerung untersucht. Es wurde darauf in einige wenige Tropfen eines Aufgusses von rohem Fleisch gethan. Nach 3 Stunden 20 Minuten hatte noch keine Veränderung stattgefunden; [294] aber als es dann nach 23 Stunden 20 Minuten wieder untersucht wurde, enthielten die äuszeren Zellen der Drüsen, anstatt einer durchsichtigen Flüssigkeit, kuglige Massen von körniger Substanz, welche bewiesen, dasz Substanz aus dem Aufgusz aufgesaugt worden war. Dasz diese Drüsen eine Flüssigkeit absondern, welche thierische Substanz aus den Körpern der Geschöpfe, welche die Blätter fangen, auflöst oder verdaut, ist auch durch die Analogie der Dionaea höchst wahrscheinlich. Wenn wir derselben Analogie vertrauen dürfen, so schlieszen sich wahrscheinlich die concaven und inneren Theile der Lappen durch eine langsame Bewegung, sobald die Drüsen eine geringe Menge von schon löslicher thierischer Substanz aufgesaugt haben. Das eingeschlossene Wasser würde so heraus gedrückt werden und das Secret folglich nicht zu verdünnt zum Einwirken sein. In Bezug auf die viertheiligen Fortsätze an den äuszeren Theilen der Lappen war ich nicht im Stande zu entscheiden, ob der Aufgusz auf sie eingewirkt hatte; denn die Auskleidung von Protoplasma war etwas eingeschrumpft, ehe sie eingetaucht wurden. Bei vielen der Spitzen auf den umgebogenen Rändern war das auskleidende Protoplasma gleichfalls eingeschrumpft, und enthielt kuglige Körner von hyaliner Substanz.

Eine Lösung von Harnstoff wurde zunächst angewendet. Diese Substanz wurde zum Theil mit deshalb gewählt, weil sie von den Drüsen der Utricuraria – einer Pflanze, welche, wie wir später sehen werden, sich von zerfallener thierischer Substanz nährt, absorbirt wird. Da der Harnstoff eines der letzten Producte der chemischen im lebenden Körper vor sich gehenden Verwandlungen ist, so scheint er dazu passend zu sein, die ersten Stadien des Zerfallens des todten Körpers darzustellen. Ich wurde auch noch durch eine sonderbare kleine Thatsache, die Prof. Cohn erwähnt, darauf geführt, den Harnstoff zu versuchen, nämlich dasz, wenn ziemlich grosze Kruster zwischen den sich schlieszenden Lappen gefangen werden, sie während ihres Entkommens so stark gedrückt werden, dasz sie oft ihre wurstförmigen Excremente ausleeren, welche in den meisten der Blätter gefunden wurden. Diese Massen enthalten ohne Zweifel Harnstoff. Sie werden entweder auf den breiten äuszeren Flächentheilen der Lappen, wo die viertheiligen Fortsätze sitzen, oder in der geschlossenen Concavität gelassen. In dem letzteren Fall wird mit excrementitieller und verwesender Substanz getränktes Wasser langsam nach auszen gepreszt und die viertheiligen [295] Fortsätze umspülen, wenn ich mit der Annahme Recht habe, dasz die concaven Lappen sich nach einiger Zeit zusammenziehen, wie die der Dionaea. Faulendes Wasser wird auch zu allen Zeiten leicht ausflieszen, besonders wenn kleine Luftblasen in der Concavität enthalten sind.

Ein Blatt wurde aufgeschnitten und untersucht, und es fand sich, dasz die äuszeren Zellen der Drüsen nur durchsichtige Flüssigkeit enthielten. Einige der viertheiligen Fortsätze umschlossen einige wenige sphärische Körner, aber mehrere waren durchsichtig und leer, und deren Stellungen wurden bezeichnet. Dieses Blatt wurde nun in ein wenig Lösung von einem Theil Harnstoff auf 146 Theile Wasser oder drei Gran auf eine Unze gethan. Nach 3 Stunden 40 Minuten war noch keine Veränderung weder in den Drüsen, noch in den viertheiligen Fortsätzen da; noch war nach 24 Stunden irgend eine sichere Veränderung in den Drüsen vorhanden, so dasz, soweit ein Versuch reicht, Harnstoff nicht in derselben Weise auf die Drüsen einwirkt, wie ein Aufgusz von rohem Fleisch. Die viertheiligen Fortsätze verhielten sich anders; denn die Protoplasma-Auskleidung war, anstatt ein gleichmäsziges Gefüge darzubieten, nun leicht zusammengeschrumpft und stellte an vielen Stellen kleine, verdickte, unregelmäszige, gelbliche Flecken und Leisten dar, genau wie die, welche in den viertheiligen Fortsätzen der Utricularia erscheinen, wenn sie mit derselben Lösung behandelt wird. Überdies enthielten mehrere der viertheiligen Fortsätze, welche vorher leer waren, jetzt mäszig grosze oder sehr kleine, mehr oder weniger zusammengeballte Körnchen gelblicher Substanz, wie es gleichfalls unter denselben Umständen bei Utricularia vorkommt. Einige der Spitzen an den eingebogenen Rändern der Lappen waren genau so afficirt; denn ihre Auskleidung von Protoplasma war etwas eingeschrumpft und umschlosz gelbliche Flecken; und diejenigen, welche vorher leer waren, enthielten nun kleine Kugeln und unregelmäszige Massen von hyaliner Substanz, mehr oder weniger zusammengeballt, so dasz Beides, die Spitzen auf den Rändern und die viertheiligen Fortsätze, im Laufe von 24 Stunden Substanz aus der Lösung aufgesaugt hatten; aber ich werde auf diesen Gegenstand wieder zurückkommen. In einem andern ziemlich alten Blatt, welchem nichts gegeben, welches aber in faulem Wasser gelassen worden war, enthielten einige der viertheiligen Fortsätze zusammengeballte, durchsichtige Kügelchen. Eine Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniaks [296] auf 218 Theile Wasser wirkte auf diese nicht ein; und dieses negative Resultat stimmt damit überein, was ich unter gleichen Umständen bei Utricularia beobachtet habe.

Aldrovanda vesiculosa, var. australis. – Getrocknete Blätter dieser Pflanze von Queensland in Australien wurden mir von Prof. Oliver aus dem Herbarium in Kew geschickt. Ob sie als eine bestimmte Species oder als eine Varietät betrachtet werden musz, kann nicht entschieden werden, bis die Blüthen nicht von einem Botaniker untersucht worden sind. Die Vorsprünge an dem oberen Ende des Stieles (von vier bis sechs an Zahl) sind beträchtlich länger in Bezug auf die Scheibe und viel mehr verdünnt als jene der europäischen Form. Sie sind in einer beträchtlichen Ausdehnung nahe ihren Enden dicht mit nach oben gebogenen Stacheln bedeckt, welche in der letzten Form ganz fehlen, und gewöhnlich tragen sie auf ihren Spitzen zwei oder drei gerade Stacheln anstatt eines. Das zweigelappte Blatt scheint auch etwas länger und etwas breiter zu sein, und das kleine Stielchen, mit welchem es an das obere Ende des Blattstiels befestigt ist, ist etwas länger. Die Spitzen auf den umgebogenen Rändern sind gleichfalls verschieden; sie haben schmälere Basen und sind mehr zugespitzt; lange und kurze Spitzen wechseln auch mit viel mehr Regelmäszigkeit ab als in der europäischen Form. Die Drüsen und empfindlichen Haare sind in beiden Formen ähnlich. Es konnten an mehreren der Blätter keine viertheiligen Fortsätze gesehen werden, aber ich bezweifle nicht, dasz sie da waren, obgleich wegen ihrer Zartheit, und deshalb, weil sie geschrumpft waren, nicht bemerkbar; denn sie waren auf einem Blatt unter Umständen, die sofort erwähnt werden sollen, ganz deutlich.

Einige der geschlossenen Blätter enthielten keine Beute, aber in einem war ein ziemlich groszer Käfer, welcher wegen seiner abgeplatteten Schienen, wie ich vermuthe, eine wasserlebende Art, aber nicht mit Colymbetes verwandt war. Alle die weicheren Gewebe dieses Käfers waren vollständig aufgelöst und seine chitinhaltigen Hautbedeckungen waren so rein, als ob sie in ätzendem Kali gekocht worden wären, so dasz sie eine beträchtliche Zeit eingeschlossen gewesen sein müssen. Die Drüsen waren brauner und undurchsichtiger als die an andern Blättern, welche nichts gefangen hatten; und die viertheiligen Fortsätze, dadurch, dasz sie theilweise mit brauner körniger Substanz gefüllt waren, konnten deutlich unterschieden werden, was, [297] wie schon bemerkt wurde, bei den andern Blättern nicht der Fall war. Einige der Spitzen auf den eingebogenen Rändern enthielten gleichfalls bräunliche, körnige Substanz. Wir gewinnen dadurch weitere Beweise, dasz die Drüsen, die viertheiligen Fortsätze und die randständigen Spitzen alle das Vermögen haben, Substanz aufzusaugen, obgleich wahrscheinlich von verschiedener Natur.

In einem andern Blatte waren zerfallene Überbleibsel eines ziemlich kleinen Thieres, nicht eines Krustenthieres, welches einfache, starke undurchsichtige Mandibeln und eine grosze nicht gegliederte, chitinhaltige Hülle hatte, vorhanden. Stücke schwarzer organischer Substanz, möglicherweise vegetabilischer Natur, waren in zwei andern Blättern eingeschlossen; aber in einem derselben war auch ein kleiner Wurm stark verwest. Aber die Natur von theilweise verdauten und verwesten Körpern, welche flach gedrückt lange getrocknet und dann in Wasser aufgeweicht worden sind, kann nicht leicht wiedererkannt werden. Alle Blätter enthielten einzellige und andere Algen, noch von einer grünlichen Färbung, welche augenscheinlich als Eindringlinge dort gelebt hatten, in derselben Weise, wie es nach Cohn's Angabe in den Blättern dieser Pflanze in Deutschland vorkommt.

Aldrovanda vesiculosa var. verticillata. – Dr. King, Superintendent des botanischen Gartens, schickte mir gütigst einige getrocknete nahe bei Calcutta gesammelte Exemplare. Diese Form wurde, glaube ich, von Wallich als eine verschiedene Species betrachtet unter dem Namen verticillata. Sie gleicht der australischen Form viel mehr als der europäischen; nämlich darin, dasz die Vorsprünge am oberen Ende des Stieles viel mehr verdünnt und mit nach oben gebogenen Stacheln bedeckt sind; sie enden auch in geraden kleinen Stacheln. Die zweigelappten Blätter sind, glaube ich, gröszer und sicherlich breiter als selbst die der australischen Form; so dasz die gröszere Convexität ihrer Ränder augenfällig war. Die Länge eines offenen Blattes zu 100 genommen, war die Breite der bengalischen Form beinahe 173, die der australischen Form 147 und die der deutschen 134. Die Spitzen an den eingebogenen Rändern sind ähnlich denen in der australischen Form. Von den wenigen Blättern, welche untersucht wurden, enthielten drei entomostrake Krustenthiere.

Schluszbemerkungen. – Die Blätter der drei vorstehend erwähnten nahe verwandten Species oder Varietäten sind offenbar zum [298] Fangen von lebenden Geschöpfen eingerichtet. Was die Functionen der verschiedenen Theile betrifft, so kann wenig Zweifel sein, dasz die langen gegliederten Haare sensitiv sind, wie die der Dionaea, und dasz sie, wenn sie berührt werden, verursachen, dasz sich die Lappen schlieszen. Dasz die Drüsen eine wahre verdauende Flüssigkeit absondern, und später die verdaute Substanz aufsaugen, ist sehr wahrscheinlich, einmal nach der Analogie der Dionaea, – dann weil die durchsichtige Flüssigkeit in ihren Zellen in sphärische Massen zusammengeballt wird, nachdem sie einen Aufgusz von rohem Fleisch aufgesaugt hatten, – ferner, weil die Zellen des Blattes, welches lange Zeit einen Käfer eingeschlossen hatte, sich in einem undurchsichtigen und körnigen Zustand befanden, – und endlich, weil die Integumente dieses Insects, eben sowohl wie die der Kruster (wie Cohn beschrieben hat) welche lange gefangen gewesen sind, so rein waren. Ferner ist es nach der Wirkung, welche ein Eintauchen von 24 Stunden in eine Lösung von Harnstoff auf die viertheiligen Fortsätze hervorbrachte, – nach der Anwesenheit von brauner körniger Substanz in den viertheiligen Fortsätzen des Blattes, worin der Käfer gefangen worden war, – und nach der Analogie der Utricularia – wahrscheinlich, dasz diese Fortsätze excrementitielle und zerfallende thierische Substanz aufsaugen. Es ist ein noch merkwürdigerer Fall, dasz die Spitzen auf den eingebogenen Rändern augenscheinlich dazu dienen, zerfallene thierische Substanz in derselben Weise wie die viertheiligen Fortsätze aufzusaugen. Wir können hier noch die Bedeutung der eingebogenen Ränder der Lappen, die mit zarten nach innen gerichteten Spitzen versehen sind, und der breiten flachen äuszeren Theile, welche viertheilige Fortsätze tragen, verstehen; denn diese Flächen müssen dem ausgesetzt sein, von faulem Wasser benetzt zu werden, welches von der Concavität des Blattes abflieszt, wenn es todte Thiere enthält. Dieses würde aus verschiedenen Ursachen erfolgen: – wegen der allmählichen Contraction der Concavität, – weil Flüssigkeit im Übermasz abgesondert wird, – und wegen der Entstehung von Luftblasen. Mehr Beobachtungen sind über diesen Punkt nöthig, aber wenn diese Ansicht richtig ist, so haben wir den merkwürdigen Fall, dasz verschiedene Theile eines und desselben Blattes sehr verschiedenen Zwecken dienen, – der eine Theil zu wahrer Verdauung, und ein andrer zur Aufsaugung zerfallener thierischer Substanz. [299] Wir können auch hiernach verstehen, wie eine Pflanze durch den allmählichen Verlust einer der beiden Fähigkeiten, nach und nach der einen Thätigkeit angepaszt werden kann, mit Ausschlusz der andern; und es wird später gezeigt werden, dasz zwei Gattungen, nämlich Pinguicula und Utricularia, die zu derselben Familie gehören, diesen zwei verschiedenen Functionen angepaszt worden sind.


  1. Seit seiner ersten Publication hat Stein gefunden, dasz die Reizbarkeit der Blätter von De Sassus beobachtet worden ist, was im "Bullet. Soc. de Bot. de France", 1861, mitgetheilt wird. Delpino gibt in einem, 1871 publicirten Aufsatz an (Nuovo Giornale Bot. Ital. Vol. III, p. 74), dasz "una quantità di chioccioline e di altri animalcoli acquatici" gefangen und von den Blättern erstickt werden. Chioccioline sind Süszwasser-Schalthiere. Es wäre interessant, zu wissen, ob ihre Schalen überhaupt von der Säure des verdauenden Secrets angegriffen wurden.
  2. Ich bin diesem ausgezeichneten Naturforscher zu Dank verpflichtet, dasz er mir seine Abhandlung Über Aldrovanda noch vor ihrer Veröffentlichung in den "Beiträgen zur Biologie der Pflanzen" 5. Heft, 1875, p. 71 geschickt hat.
  3. Man hat die homologen Beziehungen dieser Vorsprünge unter den Botanikern vielfach erörtert. Dr. Nitschke (Botan. Zeitung, 1861, p. 146) glaubt, dasz sie den gefransten schuppenartigen Körpern, die sich an den Basen der Blattstiele bei Drosera finden, entsprechen.