Insectenfressende Pflanzen/Dreizehntes Capitel

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aus: Insectenfressende Pflanzen
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von: Charles Darwin
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[259]
Dreizehntes Capitel.
Dionaea muscipula.

Structur der Blätter. – Empfindlichkeit der Filamente. – Rapide Bewegung der Lappen, durch Reizung der Filamente verursacht. – Drüsen, ihr Absonderungsvermögen. – Langsame Bewegung durch Absorption animaler Substanz verursacht. – Beweis der Aufsaugung in dem zusammengeballten Zustand der Drüsen. – Verdauende Kraft des Secrets. – Wirkung von Chloroform, Äther und Blausäure. – Die Art und Weise, wie Insecten gefangen werden. Nutzen der randständigen Spitzen. – Arten der Insecten, die gefangen werden. – Die Übermittelung des motorischen Impulses und der Mechanismus der Bewegungen. – Wiederausbreitung der Lappen.

Diese gewöhnlich Venusfliegenfalle genannte Pflanze ist wegen der Rapidität und Kraft ihrer Bewegungen eine der wunderbarsten in der Welt[1]. Sie ist ein Glied der kleinen Familie der Droseraceen und wird nur in dem östlichen Theil von Nord-Carolina, in feuchten Situationen wachsend, gefunden. Die Wurzeln sind klein; die einer mäszig schönen Pflanze, die ich untersuchte, bestanden aus zwei ungefähr 1 Zoll langen Zweigen, welche von einer knolligen Verdickung entsprangen. Sie dienen wahrscheinlich, wie bei Drosera, nur zur Aufsaugung von Wasser; denn ein Gärtner, welcher mit der Cultur dieser Pflanze sehr erfolgreich gewesen ist, zieht sie, wie eine schmarotzende Orchidee, in gut durchlassendem feuchten Moose ohne irgend welche Erde[2]. Die Form des zweilappigen Blattes mit seinem blattartigen Stiele ist in der umstehenden Figur dargestellt (Fig. 12). Die beiden Lappen stehen in etwas weniger als einem rechten Winkel zu einander. Drei sehr kleine zugespitzte Fortsätze oder Filamente,

[260] die im Dreieck gestellt sind, springen von der oberen Fläche eines jeden vor; ich habe aber zwei Blätter gesehen mit vier Filamenten auf jeder Seite und ein anderes mit nur zweien. Diese Filamente sind wegen ihrer äuszersten Empfindlichkeit gegen eine Berührung merkwürdig, wie sie sich nicht durch ihre eigene Bewegung, sondern durch die der Lappen zeigt. Die Ränder des Blattes sind in scharfe
Fig. 12. (Dionaea muscipula.) Blatt im ausgebreiteten Zustande von der Seite gesehen.
starre Vorsprünge ausgezogen, welche ich Spitzen (oder Speichen) nenne; in jede derselben tritt ein Bündel von Spiralgefäszen ein. Dieselben haben eine solche Stellung, dasz, wenn sich die Blattlappen schlieszen, sie ineinander greifen wie die Zähne einer Rattenfalle. Die Mittelrippe des Blattes ist auf der unteren Seite stark entwickelt und vorspringend.

Die obere Fläche des Blattes ist, ausgenommen nach den Rändern zu, dicht mit minutiösen Drüsen von einer röthlichen oder purpurnen Färbung besetzt, während das Übrige des Blattes grün ist. An den Speichen finden sich keine Drüsen, ebenso wenig an dem blattartigen Stengel. Die Drüsen werden aus zwanzig bis dreiszig polygonalen Zellen gebildet, die mit purpurner Flüssigkeit gefüllt sind. Ihre obere Fläche ist convex. Sie stehen auf sehr kurzen Stielen, in welche keine Spiralgefäsze eintreten, in welcher Beziehung sie von den Tentakeln der Drosera abweichen. Sie sondern ab, aber nur, wenn sie durch die Absorption gewisser Substanzen gereizt werden; und sie haben die Fähigkeit der Absorption. Minutiöse Vorsprünge, die aus acht divergirenden Armen einer röthlich-braunen oder orangenen Färbung gebildet werden und unter dem Mikroskope wie elegante kleine Blumen erscheinen, sind in beträchtlicher Anzahl über den Stengel, die Rückenfläche der Blätter und die Speichen zerstreut; auch finden [261] sich einige wenige auf der oberen Fläche der Lappen. Diese achttheiligen Vorsprünge sind ohne Zweifel mit den Papillen auf den Blättern der Drosera rotundifolia homolog. Es sind auch noch einige wenige sehr minutiöse, einfache, zugespitzte Haare, ungefähr 7/12000 Zoll (0,0148 Mm.) lang auf der Rückseite der Blätter vorhanden.

Die empfindlichen Filamente werden aus mehreren Reihen verlängerter, mit purpurähnlicher Flüssigkeit gefüllter Zellen gebildet. Sie sind ein wenig mehr als 1/20 Zoll lang, sind dünn und zart und verjüngen sich zu einer Spitze. Ich untersuchte die Basen von mehreren, indem ich Durchschnitte von ihnen machte, es war aber keine Spur des Eintritts irgend eines Gefäszes zu sehen. Die Spitze ist zuweilen zwei- oder selbst dreitheilig, in Folge einer leichten Trennung zwischen den endständigen zugespitzten Zellen. Nach der Basis zu findet sich eine Einschnürung, die aus breiteren Zellen gebildet wird, unterhalb deren ein von einer verbreiterten, aus verschiedentlich geformten polygonalen Zellen bestehenden Basis getragenes Gelenk liegt. Da die Filamente in rechten Winkeln zu der Oberfläche des Blattes vorspringen, so würden sie sehr leicht abgebrochen werden, sobald sich nur immer die Lappen zusammenschlieszen, wenn ihnen nicht dies Gelenk gestattete, sich platt niederzulegen.

Diese Filamente sind von ihren Spitzen bis zu ihren Basen ganz ausgesucht empfindlich für eine momentane Berührung. Es ist kaum möglich, sie überhaupt je so leicht oder so schnell mit irgend einem harten Gegenstande zu berühren, ohne das Schlieszen der Lappen zu verursachen. Ein 2½ Zoll langes Stückchen sehr zarten menschlichen Haares, welches über einem Filamente hängend gehalten und hin und her geschwungen wurde, so dasz es dasselbe berührte, erregte keine Bewegung. Wenn aber ein ziemlich dicker baumwollener Garnfaden von derselben Länge ähnlich geschwungen wurde, schlossen sich die Lappen. Prisen feinen Weizenmehls, aus einer ziemlichen Höhe fallen gelassen, brachten keine Wirkung hervor. Das oben erwähnte Haar wurde dann in einem Handgriff befestigt und so weit abgeschnitten, dasz 1 Zoll vorragte; dieses Stück war lang genug und hinreichend steif, sich in einer nahezu horizontalen Linie zu halten. Das Ende wurde nun durch eine langsame Bewegung seitlich mit der Spitze eines Filaments in Berührung gebracht, und augenblicklich schlosz sich das Blatt. Bei einer andern Gelegenheit waren zwei oder drei Berührungen derselben Art nöthig, ehe irgend eine Bewegung erfolgte. [262] folgte. Wenn wir bedenken, wie biegsam ein feines Haar ist, so können wir uns eine Idee davon machen, wie leicht die von dem Ende eines 1 Zoll langen, langsam bewegten Stückes verursachte Berührung gewesen sein musz.

Obgleich diese Filamente für eine momentane und zarte Berührung so empfindlich sind, so sind sie doch für länger anhaltenden Druck bei weitem weniger empfindlich als die Drüsen der Drosera. Mehreremale gelang es mir, mit Hülfe einer mit äuszerster Langsamkeit bewegten Nadel Stückchen von ziemlich dickem menschlichen Haar auf die Spitze eines Filaments zu legen, und diese regten keine Bewegung an, obschon sie mehr als zehnmal so lang waren wie diejenigen, die die Tentakeln der Drosera sich zu biegen veranlaszten; und trotzdem sie in diesem letztern Falle zum groszen Theile von der dicken Absonderung getragen wurden. Auf der andern Seite können die Drüsen der Drosera mit einer Nadel oder irgend einem harten Gegenstande einmal, zweimal oder selbst dreimal mit beträchtlicher Kraft gestoszen werden, und es folgt doch keine Bewegung. Dieser eigenthümliche Unterschied in der Natur der Empfindlichkeit der Filamente der Dionaea und der Drüsen der Drosera steht offenbar in Beziehung zu den Lebensgewohnheiten der beiden Pflanzen. Wenn ein äuszerst kleines Insect sich mit seinen zarten Füszen auf den Drüsen der Drosera niederläszt, so wird es von dem klebrigen Secrete gefangen und der unbedeutende, indessen verlängerte Druck gibt die Notiz von der Anwesenheit der Beute weiter, welche nun durch das langsame Biegen der Tentakeln gesichert wird. Auf der andern Seite sind die empfindlichen Filamente der Dionaea nicht klebrig und das Fangen der Insecten kann nur durch ihre Empfindlichkeit für eine augenblickliche Berührung gesichert werden, welcher das schnelle Schlieszen der Lappen folgt.

Wie eben angeführt wurde, sind die Filamente nicht drüsig und sondern nicht ab, Auch haben sie die Fähigkeit der Absorption nicht, wie daraus geschlossen werden kann, dasz Tropfen einer Lösung von kohlensaurem Ammoniak (1 Theil auf 146 Theile Wasser), auf zwei Filamente gebracht, keine Wirkung auf den Inhalt ihrer Zellen hervorbrachte und auch nicht die Lappen zu schlieszen veranlaszte. Wenn indessen ein kleines Stück eines Blattes mit daran haftendem Filament abgeschnitten und in die nämliche Lösung eingetaucht wurde, so wurde die Flüssigkeit innerhalb der basalen Zellen beinahe augenblicklich [263] zu purpurartigen oder farblosen, unregelmäszig geformten Massen von Substanz zusammengeballt. Der Procesz der Zusammenballung gieng allmählich von Zelle zu Zelle die Filamente hinauf bis zu ihren Spitzen; das ist also ein umgekehrter Lauf, verglichen mit dem, der in den Tentakeln der Drosera vorkommt, wenn sie gereizt worden sind. Mehrere andere Filamente wurden dicht an ihrer Basis abgeschnitten und 1 Stunde 30 Minuten lang in eine schwächere Lösung von einem Theile des kohlensauren Salzes auf 218 Theile Wasser gelegt; und dies verursachte Zusammenballung in allen Zellen, wieder wie vorher an den Basen der Filamente beginnend.

Langes Eintauchen der Filamente in destillirtes Wasser verursacht gleichfalls Zusammenballung. Es ist auch nicht selten, den Inhalt einiger wenigen endständigen Zellen in einem von selbst eingetretenen Zustand der Zusammenballung zu finden. Die zusammengeballten Massen erleiden unablässig langsame Formveränderungen, vereinigen sich und trennen sich wieder; und einige von ihnen drehen sich allem Anscheine nach rund um ihre eigene Achse. Es ist auch das Flieszen eines Stroms farblosen körnigen Protoplasmas rund um die Zellen den Wänden entlang zu sehen. Dieser Strom hört auf, sichtbar zu sein, sobald der Inhalt gut zusammengeballt ist; er dauert aber wahrscheinlich noch fort, obschon nicht länger mehr sichtbar, weil alle Körnchen in der strömenden Schicht sich mit den centralen Massen vereinigt haben. In allen diesen Beziehungen verhalten sich die Filamente der Dionaea genau so wie die Tentakeln der Drosera.

Trotz dieser Ähnlichkeit besteht doch eine merkwürdige Verschiedenheit. Wenn die Drüsen der Tentakeln der Drosera wiederholt berührt worden sind oder wenn ein Körperchen irgend welcher Art auf sie gelegt worden ist, so werden sie eingebogen und ihr Zelleninhalt wird stark zusammengeballt. Keine solche Wirkung wird durch die Berührung der Filamente der Dionaea hervorgebracht; ich verglich nach einer oder zwei Stunden einige Filamente, welche berührt worden waren, mit andern, welche es nicht waren, und noch andere nach 25 Stunden, und es fand sich in dem Inhalte der Zellen keine Verschiedenheit. Die Blätter wurden während der ganzen Zeit durch Klemmer offen gehalten, so dasz die Filamente nicht gegen den Lappen der anderen Seite angepreszt wurden.

Wassertropfen oder ein dünner, unterbrochener, aus einer gewissen Höhe auf die Filamente herabfallender Strom verursachte keinen [264] Schlusz der Blattscheiben; obschon die nämlichen Filamente später als in hohem Grade empfindlich erwiesen wurden. Ohne Zweifel ist, wie es auch bei der Drosera der Fall ist, die Pflanze gegen den schwersten Regenschauer ganz indifferent. Tropfen einer Lösung von einer halben Unze Zucker in einer flüssigen Unze Wasser wurden wiederholt aus einer gewissen Höhe auf die Filamente fallen gelassen; es wurde aber keine Wirkung hervorgebracht, wenn sie nicht an den Filamenten hängen blieben. Ferner blies ich viele male durch eine feine zugespitzte Röhre mit äuszerster Kraft gegen die Filamente, aber ohne irgend welche Wirkung; ein derartiges Blasen wurde mit so viel Gleichgültigkeit aufgenommen, wie es ohne Zweifel ein heftiger Sturmwind wurde. Wir sehen hieraus, dasz die Empfindlichkeit der Filamente von einer specialisirten Beschaffenheit ist und eher zu einer momentanen Berührung als zu einem länger andauernden Druck in Beziehung steht; auch darf der Druck nicht von Flüssigkeiten, wie z. B. Luft oder Wasser, sondern musz von irgend einem festen Gegenstande ausgehen.

Obgleich Tropfen von Wasser und von einer mäszig starken Zuckerlösung, wenn sie auf die Filamente fallen, dieselben nicht reizen, so bewirkt doch die Eintauchung eines Blattes in reines Wasser zuweilen, dasz sich die Lappen schlieszen. Ein Blatt wurde 1 Stunde 10 Minuten lang und drei andere Blätter für einige Minuten in Wasser gelassen, dessen Temperatur zwischen 15° bis 18,3° C. (59° bis 65° F.) schwankte; indessen ohne Wirkung. Als indessen eines dieser vier Blätter sanft aus dem Wasser gezogen wurde, schlosz es sich ziemlich schnell. Die drei anderen Blätter wurden als im guten Zustande befindlich nachgewiesen, da sie sich schlossen, als ihre Filamente berührt wurden. Nichtsdestoweniger schlossen sich zwei frische Blätter augenblicklich, als sie in Wasser von 23,8° und 16,9° C. (75° und 62½° F.) getaucht wurden. Diese wurden dann mit ihren Stengeln in Wasser gestellt und breiteten sich nach 23 Stunden theilweise wieder aus; bei Berührung ihrer Filamente schlosz sich das eine. Nach Verlauf von weiteren 24 Stunden breitete sich dieses letztere Blatt nochmals wieder aus, und als nun die Filamente beider Blätter berührt wurden, schlossen sich beide. Wir sehen hiernach, dasz ein kurzes Eintauchen in Wasser die Blätter durchaus nicht verletzt, sondern zuweilen die Lappen sich zu schlieszen reizt. Die Bewegung war in den oben erwähnten Fällen offenbar nicht durch die Temperatur [265] des Wassers verursacht. Es ist gezeigt worden, dasz langes Eintauchen es bewirkt, dasz die purpurne Flüssigkeit innerhalb der Zellen der empfindlichen Filamente zusammengeballt wird; und langes Eintauchen wirkt auf die Tentakeln der Drosera in der nämlichen Weise, häufig werden sie etwas eingebogen. In beiden Fällen ist das Resultat wahrscheinlich eine Folge eines leichten Grades von Exosmose.

Ich werde in dieser Annahme durch die Wirkungen des Eintauchens eines Blattes der Dionaea in eine mäszig starke Auflösung von Zucker bestärkt; das Blatt hatte vorher 1 Stunde 10 Minuten lang in Wasser gelegen ohne irgend welche Wirkung; nun aber schlossen sich die Lappen ziemlich geschwind, die Spitzen der randständigen Speichen kreuzten sich in 2 Minuten 30 Secunden und das Blatt war in 3 Minuten vollständig geschlossen. Drei Blätter wurden dann in eine Lösung von einer halben Unze Zucker in einer flüssigen Unze Wasser eingetaucht, und alle drei Blätter schlossen sich schnell. Da ich darüber zweifelhaft war, ob zur Hervorbringung dieser Wirkung die Exosmose auf die Zellen an der oberen Fläche der Lappen oder auf die empfindlichen Filamente eingewirkt habe, so wurde zuerst ein Blatt in der Weise versucht, dasz ein wenig von der nämlichen Lösung auf die Furche über der Mittelrippe zwischen den beiden Lappen, welches der hauptsächlichste Sitz der Bewegung ist, gegossen wurde. Es wurde einige Zeit da gelassen, es folgte aber keine Bewegung. Dann wurde die ganze obere Fläche des Blattes mit derselben Lösung bestrichen (ausgenommen dicht um die Basen der empfindlichen Filamente, wo ich es nicht ohne die Gefahr sie zu berühren thun konnte); es wurde aber keine Wirkung hervorgebracht. Die Zellen auf der oberen Fläche werden daher hierdurch nicht afficirt. Als es mir aber nach vielen Versuchen gelang, einen Tropfen der Lösung an einem der Filamente hängen bleiben zu lassen, schlosz sich das Blatt schnell. Wir können, wie ich meine, hieraus schlieszen, dasz die Lösung es verursacht, dasz Flüssigkeit aus den zarten Zellen der Filamente durch Exosmose austritt; und dasz dies irgend eine moleculare Veränderung in ihrem Inhalt veranlaszt, analog der, welche durch eine Berührung hervorgebracht werden musz.

Das Eintauchen der Blätter in eine Lösung von Zucker wirkt eine viel längere Zeit auf dieselben, als es Eintauchen in Wasser oder eine Berührung der Filamente thut; denn in diesen letzteren Fällen [266] fangen die Lappen an, sich in weniger als einem Tage wieder auszubreiten. Auf der anderen Seite breitete sich von den drei Blättern, welche eine kurze Zeit lang in die Lösung eingetaucht und dann mittelst einer zwischen die Lappen eingeschobenen Spritze gewaschen wurden, das eine nach zwei Tagen wieder aus, ein zweites nach sieben Tagen und das dritte nach neun Tagen. Das Blatt, welches sich in Folge davon geschlossen hatte, dasz ein Tropfen der Lösung an einem der Filamente hängen geblieben war, öffnete sich nach zwei Tagen wieder.

Ich war überrascht, bei zwei Gelegenheiten zu finden; dasz die Wärme der Sonnenstrahlen, durch eine Linse auf die Basen mehrerer Filamente concentrirt, so dasz sie versengt und entfärbt wurden, keine Bewegung verursachte, trotzdem dasz die Blätter lebendig waren, da sie sich, wenngleich etwas langsam, schlossen, als ein Filament der anderen Seite berührt wurde. Bei einem dritten Versuche schlosz sich ein frisches Blatt nach einiger Zeit, obschon sehr langsam; die Geschwindigkeit nahm nicht zu, als eines der Filamente, welches nicht verletzt worden war, berührt wurde. Nach Verlauf eines Tages öffneten sich diese Blätter wieder und waren ganz ordentlich empfindlich, als die nicht verletzten Filamente berührt wurden. Das plötzliche Eintauchen eines Blattes in kochendes Wasser bewirkt nicht, dasz es sich schlieszt. Nach der Analogie mit Drosera zu schlieszen, war in diesen verschiedenen Fällen die Hitze zu grosz und wurde zu plötzlich angewendet. Die Oberfläche der Blattscheibe ist sehr unbedeutend empfindlich; man kann sie reichlich und derb berühren, ohne dasz irgend eine Bewegung verursacht würde. Ein Blatt wurde ziemlich derb mit einer Nadel gekratzt, schlosz sich aber nicht; als aber der dreieckige Raum zwischen den drei Filamenten auf einem andern Blatte in ähnlicher Weise gekratzt wurde, schlossen sich die Lappen. Sie schlossen sich immer, wenn die Scheibe oder die Mittelrippe tief gestochen oder geschnitten wurde. Unorganische Körper, selbst von bedeutender Grösze, sowie Stückchen Stein, Glas u. s. w., – oder organische Körper, welche keine lösliche stickstoffhaltige Substanz enthalten, wie Stückchen Kork, Holz, Moos, – oder stickstoffhaltige Substanz enthaltende Körper in vollkommen trockenem Zustand, wie Stückchen Fleisch, Eiweisz, Gelatine u. s. w. können lange Zeit (und es wurden viele versucht) auf den Lappen gelassen werden, ohne dasz eine Bewegung erregt wird. Das Resultat ist indessen [267] dessen sehr verschieden, wie wir sofort sehen werden, wenn stickstoffhaltige organische Körper, wenn sie nur überhaupt etwas feucht sind, auf den Blattlappen liegen gelassen werden; denn dieselben schlieszen sich dann mit einer langsamen und allmählichen Bewegung, sehr verschieden von der, welche durch Berührung eines der empfindlichen Filamente hervorgerufen wird. Der Blattstiel ist nicht im mindesten empfindlich; man kann eine Stecknadel durch ihn hindurchstecken oder er kann durchschnitten werden, und es erfolgt doch keine Bewegung.

Die obere Fläche der Blattlappen ist, wie bereits angegeben wurde, dicht mit kleinen, purpurnen, beinahe sitzenden Drüsen bedeckt. Diese haben sowohl die Fähigkeit der Absonderung als auch die der Absorption; aber verschieden von denen der Drosera sondern sie nicht eher ab als bis sie durch Absorption stickstoffhaltiger Substanz gereizt sind. Kein anderes Reizmittel bringt, so weit ich es beobachtet habe, diese Wirkung hervor. Es können Gegenstände, wie Stückchen Holz, Kork, Moos, Papier, Stein oder Glas lange Zeit auf der Oberfläche eines Blattes gelassen werden, und es bleibt ganz trocken. Es macht auch keinen Unterschied, ob sich die Lappen über solchen Gegenständen schlieszen. Es wurden beispielsweise kleine Kugeln von Löschpapier auf ein Blatt gelegt und ein Filament berührt; und als sich nach 24 Stunden die Lappen wieder zu öffnen anfiengen, wurden die Kugeln mit Hülfe dünner Pincetten entfernt und stellten sich als vollkommen trocken heraus. Wenn auf der andern Seite ein Stückchen feuchten Fleisches oder eine zerdrückte Fliege auf die Oberfläche eines ausgebreiteten Blattes gelegt wird, so sondern nach einiger Zeit die Drüsen reichlich ab. In einem derartigen Falle war ein wenig Secret direct unter dem Fleisch in 4 Stunden vorhanden; und nach Verlauf von weiteren 3 Stunden fand sich eine beträchtliche Quantität sowohl unter ihm als auch rings um dasselbe herum. In einem andern Falle war das Stückchen Fleisch nach 3 Stunden 40 Minuten ganz nasz. Aber keine Drüse sonderte ab, ausgenommen diejenigen, welche factisch das Fleisch oder das aufgelöste animale Substanz enthaltene Secret berührten.

Wenn indessen die Blattlappen durch ein Stückchen Fleisch oder ein Insect zum Schlieszen gebracht werden, so ist das Resultat verschieden; denn nun sondern die Drüsen über die ganze Oberfläche des Blattes reichlich ab. Da in diesem Falle die Drüsen auf beiden [268] Seiten gegen das Fleisch oder das Insect angedrückt werden, so ist die Absonderung von Anfang an zweimal so bedeutend, als wenn ein bischen Fleisch auf die Oberfläche eines Lappens gelegt wird; und da die Lappen in beinahe ganz dichte Berührung kommen, so verbreitet sich die aufgelöste animale Substanz enthaltende Absonderung durch Capillarattraction und veranlasst frische Drüsen auf beiden Seiten in sich beständig erweiternden Kreisen zur Absonderung; das Secret ist beinahe farblos, leicht schleimig, und nach der Art und Weise, wie es Lackmuspapier färbte, zu urtheilen, stärker sauer als das der Drosera, Es ist so reichlich, dasz bei einer Gelegenheit, wo ein Blatt aufgeschnitten wurde, auf welches vor 45 Stunden ein kleines Eiweiszwürfelchen gelegt worden war, Tropfen vom Blatt herunterrollten, Bei einer andern Gelegenheit, wo ein Blatt, welches ein Stückchen gerösteten Fleisches eingeschlossen hatte, sich nach acht Tagen von selbst wieder öffnete, war so viel Secret in der Furche über der Mittelrippe, dasz es herabtröpfelte. Eine grosze zerdrückte Fliege (Tipula) wurde auf ein Blatt gelegt, aus welchem ein kleines Stück an der Basis des einen Lappens vorher herausgeschnitten worden war, so dasz eine Öffnung blieb; und durch diese lief das Secret neun Tage lang fortwährend den Blattstiel hinab, – d. i. während der ganzen Zeit, so lange überhaupt das Blatt beobachtet wurde. Dadurch, dasz ich den einen Lappen gewaltsam aufhob, konnte ich eine Strecke weit zwischen ihnen hinsehn; und alle Drüsen, die ich sehen konnte, sonderten reichlich ab.

Wir haben gesehen, dasz unorganische und nicht stickstoffhaltige Körper auf die Blätter gelegt keine Bewegung anregen; aber stickstoffhaltige Körper, wenn sie nur im allergeringsten Grade feucht sind, bewirken, dasz sich die Lappen nach mehreren Stunden langsam schlieszen. So wurden Stückchen von vollständig trockenem Fleisch und Gelatine auf die entgegengesetzten Ende eines und desselben Blattes gelegt und regten in 24 Stunden weder Absonderung noch Bewegung an. Sie wurden dann in Wasser getaucht, ihre Oberfläche mit Löschpapier abgetrocknet, und sie dann auf dasselbe Blatt zurückgebracht, während die Pflanze nun mit einer Glasglocke bedeckt wurde. Nach 24 Stunden hatte das feuchte Fleisch etwas saure Absonderung erregt und die Lappen waren an diesem Ende des Blattes beinahe geschlossen. Am andern Ende, wo die feuchte Gelatine lag, war das Blatt noch immer vollständig offen, auch war keine [269] Absonderung angeregt worden; so dasz, wie wir es bei Drosera sahen, Gelatine eine nicht annähernd so stark reizende Substanz ist wie Fleisch. Das Secret unterhalb des Fleisches wurde so geprüft, dasz ein Streifen Lackmuspapier unter dasselbe geschoben wurde (ohne dasz die Filamente berührt wurden), und dieser unbedeutende Reiz bewirkte es, dasz sich das Blatt schlosz. Am elften Tage öffnete es sich wieder; aber das Ende, wo die Gelatine lag, breitete sich mehrere Stunden früher als das andere Ende mit dem Fleische aus.

Ein zweites Stückchen gerösteten Fleisches, welches dem Anscheine nach trocken war, obschon es nicht absichtlich getrocknet worden war, wurde 24 Stunden lang auf einem Blatte gelassen und verursachte weder Bewegung noch Absonderung. Die Pflanze in ihrem Topfe wurde nun mit einer Glasglocke bedeckt und das Fleisch absorbirte etwas Feuchtigkeit aus der Luft; dies reichte hin, eine saure Absonderung anzuregen, und am nächsten Morgen war das Blatt dicht geschlossen. Ein drittes Stückchen Fleisch, welches so getrocknet worden war, dasz es ganz spröde und zerbrechlich war, wurde auf ein Blatt unter einer Glasglocke gelegt; auch dies wurde in 24 Stunden leicht feucht und regte etwas saure Absonderung an, aber keine Bewegung.

Ein ziemlich groszes Stück vollkommen trockenen Eiweiszes wurde auf dem einen Ende eines Blattes 24 Stunden ohne irgend welche Wirkung liegen gelassen. Es wurde dann wenige Minuten lang in Wasser eingeweicht, auf Löschpapier umhergerollt und auf das Blatt zurückgebracht; in 9 Stunden war etwas unbedeutend saure Absonderung angeregt, und in 24 Stunden war dies Ende des Blattes theilweise geschlossen. Das Stückchen Eiweisz, was nun von viel Secret umgeben war, wurde sanft entfernt, und obschon kein Filament berührt wurde, schlossen sich die Lappen. Aus diesem und dem vorhergehenden Falle scheint hervorzugehen, dasz die Aufsaugung animaler Substanz durch die Drüsen die Oberfläche des Blattes viel empfindlicher für eine Berührung macht, als sie es in ihrem gewöhnlichen Zustande ist; und dies ist eine merkwürdige Thatsache. Zwei Tage darauf fieng das Ende des Blattes, wo nichts hingelegt worden war, an sich wieder zu öffnen und war am dritten Tage viel weiter offen als das entgegengesetzte Ende, wo das Eiweisz gelegen hatte.

Endlich wurden grosze Tropfen einer Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser auf einige Blätter [270] gebracht; es erfolgte aber keine sofortige Bewegung. Ich wuszte damals nicht, dasz animale Substanz eine langsame Bewegung verursachte, sonst würde ich die Blätter eine längere Zeit hindurch beobachtet haben, und sie würden dann wahrscheinlich geschlossen gefunden worden sein, obschon die Lösung (nach Drosera zu urtheilen) vielleicht zu stark war.

Nach den vorstehend angeführten Thatsachen ist es sicher, dasz Stückchen von Fleisch und Eiweisz, wenn sie nur im allergeringsten feucht sind, nicht nur die Drüsen zu secerniren veranlassen, sondern auch die Lappen zu schlieszen. Diese Bewegung ist von dem rapiden, durch die Berührung eines der Filamente verursachten Schlieszen sehr verschieden. Wir werden ihre Bedeutung erkennen, wenn wir von der Art und Weise handeln werden, wie Insecten gefangen werden. Es besteht ein groszer Contrast zwischen Drosera und Dionaea in den, einerseits durch mechanische Reizung, andererseits durch die Absorption animaler Substanz hervorgebrachten Wirkungen. Stückchen Glas, welche auf die Drüsen der äuszeren Tentakeln der Drosera gelegt werden, erregen Bewegung innerhalb nahezu derselben Zeit, wie es Stückchen Fleisch thun, und die letzteren sind ziemlich die wirksamsten Körper; wenn aber den Drüsen der Scheibe Stückchen Fleisch gegeben worden sind, so übermitteln sie den äuszern Tentakeln einen motorischen Impuls viel schneller, als es dieselben Drüsen thun, wenn sie anorganische Theilchen tragen, oder wenn sie durch wiederholte Berührungen gereizt worden sind. Auf der andern Seite erregt bei Dionaea eine Berührung der Filamente eine unvergleichlich schnellere Bewegung als Absorption animaler Substanz durch die Drüsen. Trotzdem ist in gewissen Fällen dieses letztere Reizmittel das wirksamere von den beiden. Bei drei Gelegenheiten wurden Blätter gefunden, welche aus irgend welcher Ursache torpid waren, so dasz sich ihre Lappen nur unbedeutend schloszen, wie sehr auch ihre Filamente gereizt werden mochten; als aber zerdrückte Insecten zwischen die Lappen gebracht wurden, wurden sie in einem Tage dicht geschlossen.

Die soeben mitgetheilten Thatsachen zeigen deutlich, dasz die Drüsen die Fähigkeit der Absorption besitzen; denn im andern Falle wäre es unmöglich, dasz die Blätter von nichtstickstoffhaltigen und von stickstoffhaltigen Körpern, und von den letzteren in einem feuchten und einem trockenen Zustande so verschieden afficirt werden [271] sollten. Es ist überraschend, in wie unbedeutendem Grade ein Stückchen Fleisch oder Eiweisz feucht zu sein braucht, um Absonderung und später langsame Bewegung anzuregen, und in gleicher Weise überraschend ist es, eine wie minutiös kleine Menge animaler Substanz, wenn sie absorbirt wird, hinreicht, diese beiden Wirkungen hervorzubringen. Es erscheint kaum glaublich und ist doch sicherlich eine Thatsache, dasz ein Stückchen hart gekochten Eiereiweiszes, erst vollständig getrocknet und dann für ein paar Minuten in Wasser gelegt und auf Löschpapier herumgerollt, in wenigen Stunden genug animale Substanz an die Drüsen abgeben kann, um sie zum Absondern und später die Lappen zum Schlieszen zu veranlassen. Dasz die Drüsen die Fähigkeit der Absorption haben, zeigt sich gleichfalls in der sehr verschiedenen Länge Zeit (wie wir sofort sehen werden), während welcher die Lappen über Insecten und andern lösliche stickstoffhaltige Substanz darbietenden Körpern und über solchen, welche keine solche Substanz abgeben, geschlossen bleiben. Es liegt aber ein directer Beweis für die Absorption in dem Zustand der Drüsen, welche einige Zeit lang mit animaler Substanz in Berührung geblieben sind. So wurden Stückchen Fleisch und zerdrückte Insecten mehrere Male auf Drüsen gelegt und diese nach Verlauf einiger Stunden mit andern Drüsen von entfernten Stellen des Blattes verglichen. Die letzteren zeigten nicht eine Spur von Zusammenballung, während diejenigen, welche mit der animalen Substanz in Berührung gewesen waren, gut zusammengeballt waren. Man kann sehen, wie Zusammenballung sehr schnell eintritt, wenn ein Stückchen eines Blattes in eine schwache Lösung von kohlensaurem Ammoniak eingetaucht wird. Ferner wurden kleine Würfelchen von Eiweisz und Gelatine acht Tage lang auf einem Blatte gelassen, welches dann aufgeschnitten wurde. Die ganze Oberfläche war mit saurem Secrete benetzt, und eine jede Zelle in den vielen Drüsen, welche untersucht wurden, bot eine Zusammenballung des Inhalts dar, und zwar zeigten sich in einer wunderschönen Art dunkel oder blasz purpurne oder farblose kuglige Massen von Protoplasma. Diese erlitten unaufhörliche langsame Formveränderungen, zuweilen trennten sie sich von einander und vereinigten sich dann wieder, genau so wie in den Zellen der Drosera. Kochendes Wasser macht den Inhalt der Drüsenzellen weisz und opak, aber nicht so rein weisz und porzellanartig, wie es bei Drosera der Fall ist. Wie lebende Insecten, wenn sie auf natürliche [272] Weise gefangen sind, die Drüsen reizen, so schnell abzusondern, wie sie es wirklich thun, weisz ich nicht; ich vermuthe aber, dasz der grosze Druck, denen sie ausgesetzt sind, ein wenig Substanz aus einem der beiden Enden ihres Körpers herauszwängt; und wir haben gesehen, dasz eine äuszerst geringe Menge stickstoffhaltiger Substanz genügt, die Drüsen zu reizen.

Ehe ich auf die Frage von der Verdauung übergehe, will ich anführen, dasz ich, aber ohne Erfolg, die Verrichtungen der kleinen achttheiligen Fortsätze, mit denen die Blätter übersäet sind, zu entdecken versuchte. Nach später in den Capiteln über Aldrovanda und Utricularia mitzutheilenden Thatsachen schien es wahrscheinlich zu sein, dasz sie dazu dienten, zerfallene von den gefangenen Insecten übrig bleibende Substanz zu absorbiren; aber ihre Stellung auf der Rückseite der Blätter und auf den Stielen machte dies beinahe unmöglich. Trotzdem wurden Blätter in eine Lösung von einem Theil Harnstoff auf 437 Theile Wasser eingelegt, und nach 24 Stunden erschien die orangerothe Schicht Protoplasma in den Armen dieser Fortsätze nicht mehr zusammengeballt als in andern, in Wasser gehaltenen Exemplaren. Ich machte dann den Versuch und hieng ein Blatt in einer Flasche über einem excessiv faul riechenden Aufgusz von rohem Fleisch auf, um zu sehen, ob diese Fortsätze den Dampf absorbirten; ihr Zelleninhalt wurde aber nicht afficirt.

Verdauungskraft des Secrets[3]. – Wenn sich ein Blatt über irgend einen Gegenstand schlieszt, so kann man sagen, dasz es sich zu einem zeitweiligen Magen umbilde; und wenn der Gegenstand [273] auch noch so wenig animale Substanz abgibt, so dient dieselbe, um Schiff's Ausdruck zu brauchen, als Peptogen, und die Drüsen an der Oberfläche ergieszen ihr saures Secret, welches wie der Magensaft der Thiere wirkt. Da so viele Versuche über die verdauende Kraft der Drosera angestellt worden waren, wurden nur einige wenige mit Dionaea gemacht: sie waren aber reichlich genügend, zu beweisen, dasz sie verdaut. Überdies ist diese Pflanze nicht so für Beobachtungen eingerichtet, wie Drosera, da der Procesz innerhalb der geschlossenen Lappen vor sich geht. Wenn Insecten, selbst Käfer, mehrere Tage lang der Einwirkung des Secrets ausgesetzt waren, sind sie in überraschender Weise erweicht, obschon ihre chitinhaltigen Hüllen nicht corrodirt sind.

1. Versuch. – Ein Eiweiszwürfel von 1/10 Zoll (2,54 Mm.) Seitenlänge wurde auf das eine Ende eines Blattes gelegt, auf das andere ein längliches Stückchen Gelatine 1/5 Zoll (5,08 Mm.) lang und 1/10 Zoll breit; dann wurde das Blatt zum Schlieszen gebracht. Nach 45 Stunden wurde es aufgeschnitten. Das Eiweisz war hart und zusammengedrückt, die Kanten nur ein wenig abgerundet; das Gelatinestückchen war zu einer ovalen Form corrodirt; beide waren in einer solchen Menge sauren Secrets eingetaucht, dasz es vom Blatt herabtropfte. Der Verdauungsprocesz ist allem Anscheine nach etwas langsamer als bei Drosera, und dies stimmt mit der Länge der Zeit überein, während welcher die Blätter über verdaulichen Gegenständen geschlossen bleiben.
2. Versuch. – Ein Stückchen Eiweisz von 1/10 Zoll im Geviert, aber nur 1/20 Zoll dick, und ein Stückchen Gelatine von derselben Grösze wurden auf ein Blatt gelegt, welches acht Tage später aufgeschnitten wurde. Die Oberfläche war ganz benetzt mit einem unbedeutend klebrigen, sehr sauren Secrete, und die Drüsen fanden sich sämmtlich in zusammengeballtem Zustande. Nicht eine Spur Eiweisz oder Gelatine war übrig geblieben. Ähnlich grosze Stücke waren zu gleicher Zeit auf feuchtes Moos in demselben Topfe gelegt worden, so dasz sie annähernd ähnlichen Bedingungen ausgesetzt waren; nach acht Tagen waren dieselben braun, im Zerfall begriffen und von Moderfasern bedeckt, waren aber nicht verschwunden.
3. Versuch. – Ein Stückchen Eiweisz, 3/20 Zoll (3,81 Mm.) lang und 1/20 Zoll breit und dick, und ein Stückchen Gelatine von derselben Grösze wie vorhin, wurden auf ein anderes Blatt gelegt, welches nach sieben Tagen aufgeschnitten wurde; nicht eine Spur von einer der beiden Substanzen war übrig geblieben, und nur eine mäszige Menge von Secret fand sich auf der Oberfläche.
4, Versuch. – Stücke von Eiweisz und Gelatine von derselben Grösze wie im letzten Experiment wurden auf ein Blatt gelegt, welches sich nach zwölf Tagen von freien Stücken öffnete; und hier wiederum war nicht eine Spur von beiden übrig, und nur ein wenig Secret fand sich an dem einen Ende der Mittelrippe. [274] 5. Versuch. – Stückchen von Eiweisz und Gelatine von derselben Grösze wurden auf ein anderes Blatt gelegt, welches nach zwölf Tagen noch immer fest geschlossen war, aber angefangen hatte zu welken; es wurde aufgeschnitten und enthielt nichts, ausgenommen eine Spur brauner Masse da, wo das Eiweisz gelegen hatte.
6. Versuch. – Ein Eiweiszwürfel von 1/10 Zoll und ein Stückchen Gelatine von derselben Grösze wie vorhin wurden auf ein Blatt gelegt, welches sich nach dreizehn Tagen von selbst wieder öffnete. Das Eiweisz, welches zweimal so dick wie in den letzten Experimenten gewesen war, war zu grosz; denn die Drüsen, welche mit ihnen in Berührung waren, waren verletzt und fielen ab; es war auch ein Eiweiszhäutchen von brauner Farbe, mit Moder überzogen, übrig geblieben. Das ganze Gelatine war absorbirt und es fand sich nur ein wenig sauren Secrets auf der Mittelrippe.
7. Versuch. – Ein Stückchen halbgerösteten Fleisches (nicht gemessen) und ein Stückchen Gelatine wurden auf die beiden Enden eines Blattes gelegt, welches sich nach elf Tagen von selbst wieder öffnete; eine Spur von dem Fleische war noch übrig gelassen, und an dieser Stelle war die Oberfläche des Blattes geschwärzt; das Gelatine war ganz verschwunden.
8. Versuch. – Ein Stückchen halbgerösteten Fleisches (nicht gemessen) wurde auf ein Blatt gelegt, welches durch einen Klemmer gewaltsam offen gehalten wurde, so dasz es nur an seiner untern Fläche vom Secret (sehr sauer) befeuchtet war. Nichtsdestoweniger war es nach nur 22½ Stunden in überraschendem Grade erweicht, wenn es mit einem an dem Stückchen desselben Fleisches verglichen wurde, welches feucht gehalten worden war.
9. Versuch. – Ein Würfel von 1/10 Zoll sehr festen gerösteten Rindfleisches wurde auf ein Blatt gelegt, welches sich nach zwölf Tagen freiwillig wieder öffnete; es war so viel schwach saure Absonderung auf dem Blatte geblieben, dasz sie abtröpfelte. Das Fleisch war vollständig zersetzt, aber nicht ganz aufgelöst; es war kein Moder vorhanden. Die kleine Masse wurde unter das Mikroskop gebracht; einige der Muskelfasern in der Mitte boten noch immer Querstreifen dar, andere zeigten nicht eine Spur von Streifen; und zwischen diesen beiden Zuständen konnte man jede mögliche Abstufung verfolgen. Kügelchen, allem Anscheine nach Fett, und etwas unverdautes elastisches Fasergewebe blieb zurück. Das Fleisch fand sich daher in demselben Zustande, wie das früher beschriebene, welches von der Drosera halb verdaut war. Hier wiederum, wie in dem Fall mit dem Eiweisz, scheint der Verdauungsprocesz langsamer zu sein als bei Drosera. Auf das entgegengesetzte Ende desselben Blattes war ein fest zusammengedrücktes Brodkügelchen gelegt worden; dies war vollständig zerfallen, wie ich glaube, in Folge der Verdauung des Leimes, schien aber an Umfang nur sehr wenig abgenommen zu haben.
10. Versuch. – Ein Würfel von 1/20 Zoll von Käse und ein anderer von Eiweisz wurden auf die gegenüberliegenden Enden eines und desselben Blattes gelegt. Nach neun Tagen öffneten sich die Lappen von freien Stücken ein wenig an dem Ende, welches den Käse umschlossen [275] hatte; es war aber kaum irgend etwas davon oder gar nichts aufgelöst, obgleich er erweicht und von Secret umgeben war. Zwei Tage später öffnete sich auch das Ende mit dem Eiweisz von selbst (d. i. also elf Tage, nachdem es darauf gelegt worden war); es war eine blosze Spur davon in einem geschwärzten und trockenen Zustande übrig geblieben.
11. Versuch. – Dasselbe Experiment mit dem Käse und dem Eiweisz wurde an einem andern und etwas torpiden Blatt wiederholt. Nach Verlauf von sechs Tagen öffneten sich die Blattlappen an dem Ende, wo der Käse lag, von selbst ein wenig; das Käsewürfelchen war bedeutend erweicht, aber nicht aufgelöst, und nur wenig, wenn überhaupt, an Grösze reducirt. Zwölf Stunden später öffnete sich das Ende mit dem Eiweisz, welches jetzt aus einem groszen Tropfen durchscheinender, nicht saurer, klebriger Flüssigkeit bestand.
12. Versuch. – Ein gleicher Versuch wie die beiden letzten; hier wiederum öffnete sich das Blatt an dem Ende, wo der Käse lag, vor dem andern mit dem Eiweisz; es wurden aber keine weiteren Beobachtungen gemacht.
13. Versuch. – Ein Kügelchen von chemisch dargestelltem Casëin, ungefähr 1/10 Zoll im Durchmesser, wurde auf ein Blatt gelegt, welches sich nach acht Tagen freiwillig wieder öffnete. Das Casëin bestand nun aus einer weichen klebrigen Masse, hatte in der Grösze nur sehr wenig, wenn überhaupt, abgenommen, war aber ganz von saurem Secrete umflossen.

Diese Versuche genügen um zu zeigen, dasz das Secret aus den Drüsen der Dionaea Eiweisz, Gelatine und Fleisch auflöst, wenn keine zu grosze Stücke den Blättern gegeben werden. Fettkügelchen und elastisches Fasergewebe werden nicht verdaut. Das Secret mit der von ihm absorbirten Substanz wird später, wenn es nicht in Überschusz auftritt, wieder aufgesaugt. Obgleich aber andererseits chemisch präparirtes Casëin und Käse (wie es bei Drosera der Fall war) viel saure Absonderung anregen, wie ich vermuthe, in Folge der Absorption von etwas eingeschlossener albuminöser Substanz, so werden doch diese Substanzen nicht verdaut, und nicht wahrnehmbar, wenn überhaupt, an Umfang reducirt.

Wirkungen der Dämpfe von Chloroform, Schwefel-Äther und Blattsäure. – Eine Pflanze, welche ein Blatt trug, wurde mit einer Drachme (3,549 Cub. Cent.) Chloroform in eine grosze Flasche gebracht, deren Öffnung nur unvollkommen mit Baumwolle geschlossen wurde. Der Dampf bewirkte, dasz sich in 1 Minute die Lappen mit einer nicht wahrnehmbar langsamen Geschwindigkeit zu bewegen begannen; aber in 3 Minuten kreuzten sich die Randspitzen, und bald war das Blatt vollkommen geschlossen. Die Dosis war indessen viel zu stark; denn nach 2 bis 3 Stunden erschien das Blatt wie verbrannt und starb bald ab. [276] Zwei Blätter wurden 30 Minuten lang in einem Zwei-Unzengefäsz dem Dampfe von 30 Minims (1,774 Cub. Cent.) von Schwefel-Äther ausgesetzt. Ein Blatt schlosz sich nach einiger Zeit, ebenso das andere, während es, ohne berührt zu werden, aus der Flasche entfernt wurde. Beide Blätter waren bedeutend beschädigt. Ein anderes Blatt, welches 20 Minuten lang 15 Minims Äther ausgesetzt wurde, schlosz seine Lappen bis zu einem gewissen Grade, und die empfindlichen Filamente waren nun völlig empfindungslos. Nach 24 Stunden erhielt dies Blatt seine Empfindlichkeit wieder, war aber noch immer etwas torpid. Ein Blatt, welches in einer groszen Flasche nur 3 Minuten lang zehn Tropfen ausgesetzt war, wurde unempfindlich gemacht. Nach 52 Minuten erhielt es seine Empfindlichkeit wieder, und als eines der Filamente berührt wurde, schlossen sich die Lappen. Nach 20 Stunden fieng es an, sich wieder zu öffnen. Zuletzt wurde noch ein anderes Blatt 4 Minuten lang nur vier Tropfen Äther ausgesetzt; es wurde unempfindlich gemacht und schlosz sich nicht, als seine Filamente wiederholt berührt wurden, schlosz sich aber, als das Ende des offenen Blattes abgeschnitten wurde. Dies beweist, entweder dasz die inneren Theile nicht unempfindlich gemacht worden waren, oder dasz ein Einschnitt ein kräftigerer Reiz ist als wiederholte Berührungen der Filamente. Ob die gröszeren Dosen von Chloroform und Äther, welche die Blätter sich langsam zu schlieszen veranlaszten, auf die empfindlichen Filamente oder auf das Blatt selbst einwirkten, weisz ich nicht.

Cyankali erzeugt, wenn es in einer Flasche gelassen wird, Cyanwasserstoff- oder Blausäure. Ein Blatt wurde 1 Stunde 35 Minuten lang dem dabei gebildeten Dampfe ausgesetzt; die Drüsen wurden in dieser Zeit so farblos und zusammengeschrumpft, dasz sie kaum sichtbar waren und ich zuerst glaubte, sie wären sämmtlich abgefallen. Das Blatt war nicht unempfindlich gemacht worden; denn sobald eines der Filamente berührt wurde, schlosz es sich. Es hatte indessen gelitten, denn es öffnete sich nicht eher wieder, als bis beinahe zwei Tage vergangen waren, und war selbst dann nicht im mindesten empfindlich. Nach Verlauf eines weiteren Tages erhielt es seine Fähigkeiten wieder und schlosz sich, wenn es berührt wurde, und öffnete sich später wieder. Ein anderes Blatt verhielt sich, nachdem es diesem Dampfe eine noch kürzere Zeit ausgesetzt war, in nahezu derselben Art und Weise.

Über die Art und Weise, in welcher Insecten gefangen werden. – Wir wollen nun das Benehmen der Blätter betrachten, wenn Insecten zufällig eines der empfindlichen Filamente berühren. Dies kam in meinem Gewächshause häufig vor, ich weisz aber nicht, ob die Insecten auf irgend eine besondere Art von den Blättern angezogen werden. In dem Heimathslande der Pflanze werden Insecten in groszer Anzahl von ihr gefangen. Sobald ein Filament berührt wird, schlieszen sich beide Lappen mit staunenerregender Schnelligkeit; und da sie in einem kleineren Winkel als in einem [277] rechten zu einander stehen, so ist die Wahrscheinlichkeit, dasz sie einen Eindringling fangen, nicht gering. Der Winkel zwischen der Blattscheibe und dem Blattstiel ändert sich nicht, wenn sich die Lappen schlieszen. Der hauptsächliche Sitz der Bewegung ist in der Nähe der Mittelrippe, sie ist aber nicht auf diesen Theil beschränkt; denn wenn die bei den Lappen zusammenkommen, krümmt sich ein jeder quer über seine ganze Breite einwärts; die randständigen Speichen werden indesz nicht gekrümmt. Diese Bewegung des ganzen Lappens war an einem Blatte gut zu sehen, dem eine grosze Fliege gegeben worden war, und aus welchem am Ende des einen Lappens ein groszes Stück herausgeschnitten worden war, so dasz der Lappen der andern Seite, der an dieser Stelle auf keinen Widerstand stiesz, fortfuhr, sich weit über die Mittellinie nach innen zu krümmen. Später wurde noch der ganze Lappen, aus dem ein Stück herausgeschnitten worden war, entfernt, und nun rollte sich der gegenüberstehende Lappen vollständig über, indem er sich durch einen Winkel von 120 bis 130° bewegte, so dasz er beinahe unter rechtem Winkel zu der Stellung war, welche er eingenommen haben würde, wenn der andere Lappen noch vorhanden gewesen wäre.

In Folge der Einwärtskrümmung der beiden Lappen, bei ihrer Bewegung auf einander zu, kreuzen sich die geraden randständigen Spitzen zuerst mit ihren freien Enden und schlieszlich mit ihren Basen. Das Blatt ist dann vollständig geschlossen und umfaszt eine seichte Höhlung. Wenn es dadurch zum Schlieszen gebracht worden ist, dasz einfach eins der empfindlichen Filamente berührt worden ist, oder wenn es einen Gegenstand einschlieszt, welcher keine lösliche stickstoffhaltige Substanz abgibt, so behalten die beiden Lappen ihre nach innen concave Form, bis sie sich wieder ausbreiten. Die Wiederausbreitung unter solchen Umständen, – d. h. wenn keine organische Substanz eingeschlossen war, – wurde in zehn Fällen beobachtet. In diesen allen breiteten sich die Blätter bis auf ungefähr zwei Drittel ihrer völligen Öffnung in 24 Stunden von der Zeit der Schlieszung an gerechnet wieder aus. Selbst das Blatt, aus dessen einem Lappen ein Stück herausgeschnitten worden war, öffnete sich innerhalb der nämlichen Zeit in einem unbedeutenden Grade. In einem Falle breitete sich ein Blatt bis auf ungefähr zwei Drittel der vollständigen Öffnung in 7 Stunden, und vollständig in 32 Stunden wieder aus; doch war nur eines seiner Filamente einfach mit einem Haar eben [278] hinreichend berührt worden, das Blatt zum Schlieszen zu veranlassen. Von diesen zehn Blättern breiteten sich nur ein paar vollständig in weniger als zwei Tagen wieder aus, und zwei oder drei gebrauchten selbst noch ein wenig längere Zeit. Ehe sie sich indessen völlig wieder ausbreiteten, sind sie bereit, sich augenblicklich zu schlieszen, wenn ihre empfindlichen Filamente berührt werden. Wie viele male ein Blatt fähig ist sich zu schlieszen und wieder zu öffnen, wenn keine animale Substanz eingeschlossen bleibt, weisz ich nicht; ein Blatt wurde aber viermal zum Schlieszen gebracht und öffnete sich später innerhalb sechs Tagen. Bei der letzten Gelegenheit fieng es eine Fliege und blieb dann viele Tage lang geschlossen.

Diese Fähigkeit, sich schnell wieder zu öffnen, wenn die Filamente zufällig durch Grashalme oder vom Winde auf das Blatt gewehte fremde Körper berührt worden waren, wie es doch gelegentlich im Heimathlande der Pflanze vorkommt[4], musz für die Pflanze von einiger Bedeutung sein; denn so lange ein Blatt geschlossen bleibt, kann es natürlich kein Insect fangen.

Wenn die Filamente gereizt werden und ein Blatt wird dazu gebracht, sich über ein Insect zu schlieszen, oder über ein Stückchen Fleisch, Eiweisz, Gelatine, Casëin oder zweifelsohne über irgend einen andern, lösliche stickstoffhaltige Substanz enthaltenden Körper, drücken die Lappen, anstatt concav zu bleiben, und dabei eine Concavität einzuschlieszen, langsam ihrer ganzen Breite nach gegen einander. Wenn dies stattfindet, werden die Ränder allmählich ein wenig nach auszen gekehrt, so dasz die Speichen, welche sich zuerst kreuzten, zuletzt in zwei parallelen Reihen vorspringen. Die Lappen drücken sich mit solcher Gewalt gegen einander, dasz ich gesehen habe, wie ein Eiweiszwürfel bedeutend abgeplattet wurde und deutliche Eindrücke der kleinen vorspringenden Drüsen erhielt; der letztere Umstand dürfte aber wohl theilweise durch die anätzende Wirkung des Secrets verursacht worden sein. Die Lappen werden so fest zusammengepreszt, dasz, wenn ein groszes Insect oder ein anderer gröszerer Gegenstand gefangen ist, eine entsprechende Hervorragung auf der Auszenseite des Blattes deutlich sichtbar wird. Wenn die bei den Lappen in dieser Weise vollständig geschlossen sind, so widerstehn sie einem künstlichen Öffnen, wie z. B. durch einen dünnen zwischen sie hinein [279] getriebenen Keil, mit erstaunlicher Kraft, und werden meist eher durchbrochen, als dasz sie nachgäben. Werden sie nicht gebrochen, so schlieszen sie sich, wie mir Dr. Canby in einem Briefe mittheilt, „mit einem förmlichen lauten Schlage.“ Wenn aber das Ende eines Blattes fest zwischen Daumen und Zeigefinger oder von einem Klemmer gehalten wird, so dasz die Lappen nicht anfangen können sich zu schlieszen, so äuszern sie, während sie sich in dieser Lage befinden, sehr wenig Kraft.

Ich glaubte zuerst, dasz das allmähliche Gegeneinanderdrücken der Lappen ausschlieszlich durch gefangene Insecten verursacht würde, welche über die empfindlichen Filamente wegkröchen und sie wiederholt reizten; diese Ansicht schien mir um so wahrscheinlicher zu sein, als ich von Dr. Burdon Sanderson hörte, dasz, sobald die Filamente eines geschlossenen Blattes gereizt würden, der normale elektrische Strom gestört würde. Es ist aber trotzdem eine solche Reizung durchaus nicht nothwendig, denn ein todtes Insect, oder ein Stückchen Fleisch oder Eiweisz, alles wirkt gleichmäszig gut; es wird dadurch bewiesen, dasz es in diesen Fällen die Absorption von animaler Substanz ist, welche die Lappen reizt, sich langsam gegen einander zu drücken. Wir haben gesehen, dasz die Absorption einer äuszerst geringen Quantität solcher Substanz es auch bewirkt, dasz sich ein vollständig ausgebreitetes Blatt langsam schlieszt; und diese Bewegung ist dem langsamen Gegeneinanderdrücken der concaven Lappen offenbar analog. Diese letztere Thätigkeit ist für die Pflanze von hoher functioneller Bedeutung, denn es werden dadurch die Drüsen auf beiden Seiten mit einem gefangenen Insect in Berührung gebracht, und in Folge dessen sondern sie ab. Das Secret, welches nun animale Substanz gelöst enthält, wird dann durch Capillarattraction über die ganze Fläche des Blattes gezogen, veranlaszt alle Drüsen abzusondern und läszt sie die diffundirte animale Substanz aufsaugen. Die durch die Absorption derartiger Substanz angeregte Bewegung ist zwar langsam, aber doch für ihren endlichen Zweck ausreichend, während die durch die Berührung eines der empfindlichen Filamente angeregte Bewegung rapid ist; und dies ist zum Fangen von Insecten ganz unentbehrlich. Diese beiden, durch zwei weit von einander verschiedene Mittel angeregten Bewegungen sind daher, wie alle übrigen Functionen der Pflanze, jede in ihrer Art den Zwecken, welchen sie dienen, gut angepaszt. [280] Es besteht noch ein anderer groszer Unterschied in der Thätigkeit der Blätter, welche solche Gegenstände wie Stückchen Holz, Kork, Papierkügelchen, einschlieszen, oder deren Filamente einfach berührt worden waren, und derjenigen, welche organische, lösliche stickstoffhaltige Substanz darbietende Körper einschlieszen. Im erstern Falle öffnen sich die Blätter, wie wir gesehen haben, in weniger als 24 Stunden wieder und sind dann bereit, selbst noch ehe sie sich vollständig ausgebreitet haben, sich wieder zu schlieszen. Haben sie sich aber über stickstoffabgebenden Körpern geschlossen, so bleiben sie viele Tage lang dicht geschlossen; nachdem sie sich dann wieder ausgebreitet haben, sind sie torpid, werden nie wieder thätig oder erst nach Verlauf einer beträchtlichen Zeit. In vier Fällen öffneten sich Blätter, nachdem sie Insecten gefangen hatten, niemals wieder, sondern fiengen an zu welken, dabei immer geschlossen bleibend – in einem Falle fünfzehn Tage lang über einer Fliege, in einem zweiten vierundzwanzig Tage lang, trotzdem die Fliege klein war, in einem dritten vierundzwanzig Tage lang über einer Holzlaus, und in einem vierten fünfunddreiszig Tage lang über einer groszen Tipula. In zwei andern Fällen blieben Blätter mindestens neun Tage über Fliegen geschlossen, und wie viel länger noch, weisz ich nicht. Es musz indessen doch hinzugefügt werden, dasz in zwei Fällen, wo auf natürliche Weise sehr kleine Insecten gefangen worden waren, das Blatt sich so schnell wieder öffnete, als wenn nichts gefangen worden wäre; ich vermuthe, dies war die Folge davon, dasz derartig kleine Insecten nicht zerdrückt worden waren, oder keine animale Substanz excernirt hatten, so dasz die Drüsen nicht gereizt wurden. Kleine eckige Stückchen Eiweisz und Gelatine wurden auf die beiden Enden dreier Blätter gelegt, von denen zwei dreizehn und das dritte zwölf Tage lang geschlossen blieben. Zwei andere Blätter blieben über Stückchen Fleisch elf Tage lang, ein drittes Blatt acht Tage lang, und ein viertes (dies war indessen geknickt und beschädigt worden) nur sechs Tage lang geschlossen. Stückchen Käse, oder Casëin, wurden auf das eine Ende, und Eiweisz auf das andere Ende von drei Blättern gelegt; die Enden mit den ersteren Substanzen öffneten sich nach sechs, acht und neun Tagen, während die anderen Enden sich etwas später öffneten. Keines der obigen Stückchen Fleisch, Eiweisz u. s. w. war gröszer als ein Würfel von 1/10 Zoll (2,54 Mm.) Seitenlänge; zuweilen waren sie kleiner; und doch reichten diese kleinen Portionen hin, die [281] Blätter viele Tage lang geschlossen zu halten. Dr. Canby theilt mir mit, dasz Blätter längere Zeit über Insecten geschlossen bleiben als über Fleisch; und nach dem, was ich gesehen habe, kann ich wohl glauben, dasz dies der Fall ist, besonders wenn die Insecten grosz sind.

In allen den oben angeführten Fällen und in vielen anderen, in denen Blätter eine lange aber unbekannte Zeit über natürlich gefangenen Insecten geschlossen blieben, waren sie, wenn sie sich wieder geöffnet hatten, mehr oder weniger torpid. Meistens waren sie während vieler folgender Tage so torpid, dasz keinerlei Reizung der Filamente die geringste Bewegung bewirkte. In einem Falle indessen schlosz sich ein Blatt mit äuszerster Langsamkeit, als eines seiner Filamente berührt wurde, an dem Tage, nachdem es sich wieder geöffnet hatte; es hatte vorher eine Fliege umfaszt; und obgleich diesmal kein Gegenstand eingeschlossen wurde, so war es doch so torpid, dasz es sich das zweite mal nicht vor Verlauf von 44 Stunden wieder öffnete. In einem zweiten Falle bewegte ein Blatt, welches sich ausgebreitet hatte, nachdem es mindestens neun Tage über einer Fliege geschlossen geblieben war, als es stark gereizt wurde, nur einen seiner beiden Lappen und behielt diese ungewöhnliche Stellung die nächsten zwei Tage hindurch bei. Ein dritter Fall bietet die stärkste Ausnahme dar, welche ich beobachtet habe: nachdem ein Blatt eine unbekannte Zeit hindurch über einer Fliege geschlossen geblieben war, öffnete es sich, und als eines seiner Filamente berührt wurde, schlosz es sich wieder, wenn schon ziemlich langsam. Dr. Canby welcher in den Vereinigten Staaten eine grosze Anzahl von Pflanzen beobachtet hat, welche, obgleich nicht an ihrem eingeborenen Standorte, doch wahrscheinlich kräftiger waren, als meine Pflanzen, theilt mir mit, „dasz er mehrere male erfahren habe, wie kräftige Pflanzen ihre Beute mehreremale verschlungen hätten; gewöhnlich war zweimal, oder sehr häufig, einmal schon hinreichend, sie untauglich zu machen.“ Auch Mrs. Treat, welche in New-Jersey viele Pflanzen cultivirte, theilt mir mit, dasz „mehrere Blätter hintereinander jedes drei Fliegen fiengen, dasz aber die meisten von ihnen nicht im Stande waren, die dritte Fliege zu verdauen, sondern über dem Versuch abstarben. Fünf Blätter jedoch verdauten jedes drei Fliegen und schlossen sich über der vierten, starben aber bald nach dem vierten Fange. Viele Blätter verdauten nicht einmal ein einziges groszes Insect.“ Es scheint hiernach, als sei das Verdauungsvermögen [282] etwas beschränkt; und sicher ist es, dasz Blätter über einem Insect immer viele Tage lang eingeschlagen bleiben und ihre Fähigkeit, sich von neuem zu schlieszen, nicht vor Ablauf vieler folgender Tage wieder erhalten. In dieser Beziehung weicht Dionaea von Drosera ab, welche viele Insecten nach kürzeren Zeitintervallen fängt und verdaut.

Wir sind nun vorbereitet, den Nutzen der randständigen Spitzen zu verstehen, welche einen so auffallenden Zug in der äuszeren Erscheinung der Pflanzen bilden (s. Fig. 12, p. 260) und welche mir in meiner Unkenntnis auf den ersten Blick nutzlose Anhänge zu sein schienen. In Folge der Einwärtskrümmung der sich einander nähernden Lappen kreuzen sich zuerst die Spitzen der randständigen Speichen und schlieszlich auch ihre Basen. Bis die Ränder der Lappen in Berührung kommen, bleiben längliche Räume zwischen den Speichen, in der Breite von 1/15 bis zu 1/10 Zoll (1,693 bis 2,54 Mm.) schwankend, je nach der Grösze des Blattes, offen. Es kann daher ein Insect, wenn sein Körper nicht dicker ist als die angegebenen Masze, leicht zwischen den gekreuzten Speichen hindurch entweichen, wenn es durch die sich schlieszenden Lappen und die zunehmende Dunkelheit beunruhigt wird; und einer meiner Söhne hat factisch ein kleines Insect auf diese Weise entweichen sehen. Wenn andererseits ein mäszig groszes Insect versucht, zwischen den Riegeln durch zu entkommen, so wird es sicherlich durch die sich schlieszenden Wände in sein schauerliches Gefängnis zurückgetrieben werden, denn die Speichen fahren fort, sich immer mehr und mehr zu kreuzen, bis die Ränder der Lappen selbst in Berührung kommen. Ein sehr starkes Insect indessen würde wohl im Stande sein, sich zu befreien; und Mrs. Treat sah einen Rosenkäfer der Vereinigten Staaten (Macrodactylus subspinosus) dies wirklich ausführen. Es würde nun offenbar ein groszer Nachtheil für die Pflanze sein, viele Tage dadurch zu verlieren, dasz sie über einem minutiösen Insecte geschlossen bliebe und dann später noch mehrere weitere Tage oder Wochen brauchte, ihre Empfindlichkeit wieder zu erlangen, insofern ja ein sehr kleines Insect nur wenig Nahrung darbieten würde. Es würde für die Pflanze viel besser sein, eine Zeit lang zu warten, bis ein mäszig groszes Insect gefangen wäre, und die kleinen lieber entschlüpfen zu lassen; und dieser Vortheil ist der Pflanze durch die sich langsam kreuzenden randständigen Speichen gesichert worden, welche wie die groszen [283] Maschen eines Fischernetzes der kleinen und nutzlosen Brut gestatten, zu entschlüpfen.

Da ich besorgt war, zu erfahren, ob diese Ansicht die richtige wäre, – und da der Fall auch eine gute Erläuterung dafür gibt, wie vorsichtig wir in der Annahme sein müssen, dasz irgend ein völlig entwickeltes Gebilde nutzlos sei, wie ich es in Bezug auf die landständigen Speichen angenommen hatte, – wandte ich mich an Dr. Canby. Er besuchte den natürlichen Standort der Pflanze zeitig im Jahre, – ehe die Blätter zu ihrer vollen Grösze herangewachsen waren, und schickte mir vierzehn Blätter, welche natürlich gefangene Insecten enthielten. Vier derselben hatten ziemlich kleine Insecten gefangen, nämlich drei davon Ameisen und das vierte eine eher kleine Fliege; aber die andern zehn hatten alle grosze Insecten gefangen, nämlich fünf Elater, zwei Chrysomela, eins einen Curculio, eine dicke und breite Spinne und eine Scolopender. Unter diesen zehn Insecten fanden sich nicht weniger als acht Käfer[5], und unter den ganzen vierzehn war nur eins, nämlich ein zweiflügliges Insect, welches leicht fliegen konnte. Drosera lebt andererseits hauptsächlich von Insecten, welche gute Flieger sind, besonders von Diptern, die mitte1st ihres klebrigen Secrets gefangen werden. Aber was uns hier am meisten angeht, ist die Grösze der zehn gröszeren Insecten. Ihre mittlere Länge von Kopf zu Schwanz war 0,256 Zoll, während die Lappen der Blätter im Mittel 0,53 Zoll lang waren, so dasz die Insecten nahebei halb so lang waren wie die Blätter, in welchen sie eingeschlossen wurden. Nur einige wenige dieser Blätter hatten daher ihre Kräfte durch das Fangen kleiner Beute verschwendet, obschon es ganz wahrscheinlich ist, dasz viele kleine Insecten über sie hin gekrochen und gefangen worden, aber dann noch zwischen den Speichen hindurch entkommen waren.

Die Übermittelung des motorischen Impulses und die Mittel der Bewegung. – Es genügt, irgend eines der sechs [284] Filamente zu berühren, um beide Lappen zum Schlieszen zu veranlassen, wobei dieselben gleichzeitig ihrer ganzen Breite nach einwärts gekrümmt werden. Der Reiz musz daher von jedem der Filamente nach allen Richtungen hin ausstrahlen. Er musz auch mit groszer Geschwindigkeit quer über das Blatt gesandt werden, denn in allen gewöhnlichen Fällen schlieszen sich die beiden Lappen, so weit es das Auge beurtheilen kann, gleichzeitig. Die meisten Physiologen glauben, dasz bei reizbaren Pflanzen der Reiz den Gefäszbündeln entlang oder in nahem Zusammenhange mit ihnen fortgeleitet werde. Bei Dionaea scheint auf den ersten Blick der Verlauf dieser Gefäsze (aus spiralem und gewöhnlichem Gefäszgewebe zusammengesetzt) diese Annahme zu begünstigen; denn sie laufen die Mittelrippe in einem groszen Bündel hinauf, auf jeder Seite kleine Bündel beinahe unter rechtem Winkel abgebend. Diese spalten sich gelegentlich gabelförmig auf ihrem Verlaufe dem Rande zu, und dicht am Rande treten kleine Zweige aus benachbarten Gefäszen zusammen und laufen in die randständigen Speichen. An einigen dieser Vereinigungspunkte bilden die Gefäsze merkwürdige Schlingen, wie die bei Drosera beschriebenen. Eine zusammenhängende Zickzacklinie läuft hiernach rings um den ganzen Umfang des Blattes und in der Mittelrippe sind sämmtliche Gefäsze in dichter Berührung, so dasz alle Theile des Blattes in einen gewissen Grad von gegenseitiger Mittheilbarkeit gebracht zu sein scheinen. Nichtsdestoweniger ist aber doch die Gegenwart von Gefäszen für die Übermittelung des motorischen Impulses nicht nothwendig, denn er wird auch von den Spitzen der empfindlichen Filamente (dieselben sind ungefähr 1/20 Zoll lang), in welche keine Gefäsze eintreten, weitergeleitet; und die letzteren hätten nicht übersehen werden können, da ich dünne senkrechte Durchschnitte durch das Blatt bei den Basen der Filamente machte.

Bei mehreren Gelegenheiten wurden ungefähr 1/10 Zoll lange Schlitze mit einer Lancette dicht an der Basis der Filamente, parallel mit der Mittelrippe gemacht, daher direct quer auf den Lauf der Gefäszbündel. Dieselben wurden zuweilen auf der inneren und zuweilen auf der äuszeren Seite der Filamente gemacht; mehrere Tage, nachdem sich die Blätter wieder geöffnet, wurden nun diese Filamente derb berührt (denn sie wurden immer durch die Operation in einem gewissen Grade tropid gemacht), und die Lappen schlossen sich darauf in der gewöhnlichen Art, wennschon langsam und zuweilen nicht vor Ablauf einer [285] beträchtlichen Zeit. Diese Fälle zeigen, dasz der motorische Impuls nicht den Gefäszbündeln entlang fortgeleitet wird; sie zeigen ferner, dasz keine Nöthigung zur Annahme eines directen Communicationsweges von dem Filamente, welches berührt worden ist, nach der Mittelrippe und dem gegenüberliegenden Lappen oder nach den äuszeren Theilen eines und desselben Lappens besteht.

Es wurden nun zunächst zwei Schlitze nahe an einander und beide der Mittelrippe parallel in derselben Art und Weise, wie vorhin erwähnt, jeder auf einer Seite der Basis eines Filaments an fünf verschiedenen Blättern gemacht, so dasz ein kleiner, ein Filament tragender Streifen mit dem übrigen Blatte nur an seinen beiden Enden zusammenhieng. Diese Streifchen waren nahezu von der nämlichen Grösze; eines wurde sorgfältig gemessen: es war 0,12 Zoll (3,048 Mm.) lang und 0,08 Zoll (2,032 Mm.) breit; in der Mitte stand das Filament. Nur einer dieser Streifen welkte und starb ab. Nachdem sich das Blatt von der Operation wieder erholt hatte, trotzdem aber die Schlitze noch immer offen waren, wurden die in solche Umstände versetzten Filamente derb berührt, und beide Lappen, oder einer allein schlosz sich langsam. In zwei Fällen brachte die Berührung des Filaments keine Wirkung hervor; als aber die Spitze einer Nadel in den Blattstreifen an der Basis des Filaments eingestochen wurde, schlossen sich die Lappen langsam. In diesen Fällen nun musz der Impuls dem Streifen entlang in einem der Mittelrippe parallelen Zuge fortgeschritten und dann entweder von beiden Enden oder nur von einem Ende des Streifens über die ganze Oberfläche der beiden Lappen ausgestrahlt sein.

Es wurden ferner zwei parallele Schlitze, gleich den früheren, einer auf jeder Seite der Basis eines Filaments, aber unter rechtem Winkel zur Mittelrippe gemacht. Nachdem die Blätter (der Zahl nach zwei) sich wieder erholt hatten, wurden die Filamente derb berührt und die Lappen schlossen sich langsam; hier muss der Impuls eine kurze Strecke weit in rechtem Winkel nach der Mittelrippe zu fortgeschritten und dann nach allen Seiten über beide Lappen ausgestrahlt sein. Diese verschiedenen Fälle beweisen, dasz der motorische Impuls in allen Richtungen hin durch das Zellgewebe läuft, unabhängig vom Verlaufe der Gefäsze.

Bei Drosera haben wir gesehen, dasz der motorische Impuls in gleicher Weise durch das Zellgewebe nach allen Richtungen hin übermittelt [286] wird, dasz aber die Geschwindigkeit seines Fortschreitens in hohem Masze von der Länge der Zellen und der Richtung ihrer längeren Achsen bestimmt wird. Mein Sohn fertigte dünne Durchschnitte eines Blattes von Dionaea an, und wir fanden, dasz die Zellen, sowohl die der centralen als auch die der oberflächlicheren Schichten, bedeutend verlängert waren und ihre längeren Achsen nach der Mittelrippe hingerichtet hatten; und gerade in dieser Richtung musz der motorische Impuls mit groszer Geschwindigkeit von einem Lappen zum andern gesandt werden, da sich beide gleichzeitig schlieszen. Die centralen, parenchymatösen Zellen sind gröszer, lockerer an einander geheftet und haben zartere Wandungen als die oberflächlicheren Zellen. Eine dicke Masse von Zellgewebe bildet die obere Fläche der Mittelrippe oberhalb des groszen centralen Gefäszbündels.

Als die Filamente derb berührt wurden, an deren Basen Schlitze gemacht worden waren und zwar entweder auf beiden Seiten oder nur an einer Seite, entweder parallel mit der Mittelrippe oder in rechtem Winkel zu ihr, bewegten sich beide Lappen oder nur der eine. In einem dieser Fälle bewegte sich der Lappen auf der Seite, welche das Filament trug, das berührt worden war, in drei anderen Fällen aber bewegte sich allein der gegenüberliegende Lappen; eine Beschädigung also, welche hinreichte, die Bewegung eines Lappens zu hindern, verhinderte die Weiterleitung eines Reizes von ihm aus nicht, welcher den gegenüberliegenden Lappen sich zu bewegen anregte. Wir lernen hieraus auch, dasz, obgleich sich normal beide Lappen zusammen bewegen, jeder die Fähigkeit unabhängiger Bewegung hat. Es ist allerdings bereits der Fall von einem torpiden Blatte mitgetheilt worden, welches sich kürzlich, nachdem es eine Fliege gefangen hatte, wieder geöffnet hatte, und an dem sich ein Lappen allein bewegte, als es gereizt wurde. Überdies kann sich auch ein Ende eines und desselben Lappens schlieszen und wieder ausbreiten, unabhängig vom anderen Ende, wie wir es in einigen der vorstehend angeführten Experimente gesehen haben.

Wenn sich die Blattlappen, die ziemlich dick sind, schlieszen, so ist keine Spur von Faltenbildung auf irgend einem Theile ihrer obern Fläche zu sehen. Es müssen sich daher allem Anscheine nach die Zellen zusammenziehen. Der hauptsächlichste Sitz der Bewegung ist offenbar die dicke Zellenmasse, welche auf dem centralen Gefäszbündel in der Mittelrippe aufliegt. Um zu ermitteln, ob sich dieser [287] Theil zusammenzieht, wurde ein Blatt in einer solchen Weise an dem Tische des Mikroskops befestigt, dasz die beiden Lappen nicht vollständig geschlossen werden konnten; und nachdem ich zwei sehr kleine schwarze Punkte auf die Mittelrippe, in einer queren Reihe und ein wenig nach einer Seite hin, gemacht hatte, stellte es sich mittels des Mikrometers heraus, dasz sie 17/1000 Zoll von einander entfernt standen. Nun wurde eines der Filamente berührt und die Lappen schlossen sich; da sie aber daran verhindert waren, sich zu berühren, so konnte ich noch immer die beiden Punkte sehen, welche nun 15/1000 Zoll auseinander standen, so dasz eine kleine Partie der oberen Fläche der Mittelrippe sich in einer Querlinie um 2/1000 Zoll (0,0508 Mm.) zusammengezogen hatte.

Wir wissen, dasz die Lappen, während sie sich schlieszen, ihrer ganzen Breite nach unbedeutend nach innen gekrümmt werden. Diese Bewegung ist dem Anscheine nach eine Folge der Contraction der oberflächlichen Zellenschichten über die ganze obere Fläche hin. Um ihre Zusammenziehung zu beobachten, wurde aus dem einen Lappen ein schmaler Streifen unter rechtem Winkel auf die Mittelrippe ausgeschnitten, so dasz die Oberfläche des entgegengesetzten Lappens an dieser Stelle gesehen werden konnte, wenn das Blatt geschlossen war. Nachdem sich das Blatt von der Operation erholt und wieder ausgebreitet hatte, wurden drei kleine schwarze Flecken auf die dem Schlitz oder Fenster gegenüberliegende Fläche in einer Linie rechtwinklig auf die Mittelrippe gemacht. Die Entfernung zwischen den Flecken wurde als 40/1000 Zoll betragend ermittelt, so dasz die beiden äuszersten Punkte 80/1000 Zoll auseinander standen. Nun wurde eines der Filamente berührt und das Blatt schlosz sich. Als die Entfernungen zwischen den Punkten wiederum gemessen wurden, ergab sich, dasz die beiden der Mittelrippe am nächsten gelegenen um 1-2/1000 Zoll[WS 1] näher an einander waren als früher und die beiden ferneren Punkte um 3-4/1000 Zoll, so dasz nun die beiden äuszersten Punkte der Reihe ungefähr 5/1000 Zoll (0,127 Mm.) näher an einander standen als vorher. Wenn wir annehmen, dasz die ganze obere Fläche des Lappens, welcher 400/1000 Zoll breit war, sich in demselben Verhältnis zusammengezogen hat, so wird die Gesammtcontraction ungefähr 25/1000 oder 1/40 Zoll (0,635 Mm.) betragen haben; ob dies aber hinreichend ist, die unbedeutende Einwärtskrümmung des ganzen Lappens zu erklären, bin ich nicht im Stande zu sagen. [288] Endlich ist nun die wunderbare, von Dr. Burdon Sanderson gemachte Entdeckung[6] in Bezug auf die Bewegung der Blätter allgemein bekannt, dasz nämlich in der Blattscheibe und dem Blattstiel ein normaler elektrischer Strom besteht, und dasz, wenn die Blätter gereizt werden, der Strom in derselben Art und Weise gestört wird, wie es während der Contraction des Muskels eines Thieres stattfindet.

Die Wiederausbreitung der Blätter. – Diese wird in einem unmerkbar langsamen Tempo bewirkt, mag nun ein Gegenstand eingeschlossen sein oder nicht[7]. Ein Lappen kann sich für sich selbst wieder ausbreiten, wie es mit dem torpiden Blatte vorkam, bei dem sich nur ein Lappen allein geschlossen hatte. Auch haben wir in den Versuchen mit Käse und Eiweisz gesehen, dasz die beiden Enden eines und desselben Blattes bis zu einem gewissen Grade sich unabhängig von einander wieder ausbreiten können. Aber in allen gewöhnlichen Fällen öffnen sich beide Lappen zu der nämlichen Zeit. Die Wiederausbreitung wird nicht durch die empfindlichen Filamente bestimmt; alle drei Filamente auf einem Lappen wurden dicht an ihrer Basis abgeschnitten; und die drei so behandelten Blätter breiteten sich wieder aus und zwar das eine in theilweiser Ausdehnung in 24 Stunden, – das zweite in gleichem Grade in 48 Stunden, und das dritte, welches vorher verletzt worden war, vor dem sechsten Tage. Nach ihrer Wiederausbreitung schlossen sich diese Blätter schnell, als die Filamente auf dem andern Lappen gereizt wurden. Diese wurden dann bei einem Blatte auch noch abgeschnitten, so dasz keine mehr vorhanden waren. Dieses verstümmelte Blatt breitete sich trotz des Verlustes aller seiner Filamente in zwei Tagen in der gewöhnlichen Weise wieder aus. Wenn die Filamente durch Eintauchen in eine Zuckerlösung gereizt worden waren, so breiten sich die Lappen nicht so bald wieder aus, als wenn die Filamente blosz [289] berührt worden waren; und dies ist, wie ich vermuthe, Folge davon, dasz sie stark durch Exosmose afficirt worden sind, so dasz sie einige Zeit lang fortdauernd einen motorischen Impuls der oberen Fläche des Blattes zuleiten.

Die folgenden Thatsachen lassen mich glauben, dasz die verschiedenen Zellenschichten, welche die untere Fläche des Blattes bilden, sich immer in einem Zustande der Spannung befinden, und dasz es eine Folge dieses mechanischen Zustandes ist – wahrscheinlich noch dadurch unterstützt, dasz frische Flüssigkeit in die Zellen gezogen wird, – dasz die Lappen sich zu trennen oder auszubreiten anfangen, so bald die Contraction der oberen Flächen sich vermindert. Ein Blatt wurde abgeschnitten und plötzlich senkrecht in kochendes Wasser geworfen; ich erwartete, dasz sich die Lappen schlieszen würden, aber statt dessen divergirten sie ein wenig. Ich nahm dann ein anderes schönes Blatt, dessen Lappen in einem Winkel von nahezu 80° zu einander standen; und als ich es wie das vorige eintauchte, erweiterte sich der Winkel plötzlich auf 90°. Ein drittes Blatt hatte sich kürzlich wieder ausgebreitet, nachdem es eine Fliege gefangen hatte, und war in Folge dessen torpid, so dasz wiederholte Berührungen der Filamente nicht die geringste Bewegung bewirkten; als es in ähnlicher Weise in kochendes Wasser getaucht wurde, giengen die Lappen trotzdem ein wenig auseinander. Da diese Blätter senkrecht in das kochende Wasser gehalten wurden, müssen beide Oberflächen und die Filamente gleichmäszig afficirt worden sein; und ich kann mir die Divergenz der Lappen nur dadurch verständlich machen, dasz ich annehme, die Zellen auf der unteren Seite hätten in Folge ihres Spannungszustandes mechanisch eingewirkt und somit die Lappen plötzlich ein wenig auseinander gezogen, sobald die Zellen auf der oberen Fläche getödtet wurden und ihr Contractionsvermögen verloren. Wir haben gesehen, dasz kochendes Wasser in gleicher Weise die Tentakeln der Drosera rückwärts biegen macht, und dies ist eine der Divergenz der Blattlappen bei Dionaea analoge Bewegung.

In einigen Schluszbemerkungen zum fünfzehnten Capitel über die Droseraceen werden die verschiedenen Arten von Irritabilität, welche die verschiedenen Gattungen besitzen, und die verschiedenen Arten, in welchen sie Insecten fangen, mit einander verglichen werden.


  1. Dr. Hooker hat in seiner Adresse an die British Association in Belfast, 1874, einen so ausführlichen historischen Bericht über die Beobachtungen, welche über die Lebensweise dieser Pflanze veröffentlicht worden sind, gegeben, dasz es überflüssig für mich wäre, sie zu wiederholen.
  2. Gardener's Chronicle, 1874, p. 464.
  3. Dr. W. M. Canby von Wilmington, dem ich für Information in Bezug auf Dionaea in ihrem Heimathlande sehr verbunden bin, hat in "The Gardener's Monthly", Philadelphia, August, 1868, einige interessante Beobachtungen veröffentlicht. Er ermittelte, dasz das Secret animale Substanz, wie den Inhalt der Insectenkörper, Stücken Fleisch u. s. w., verdaut und dasz die Absonderung wieder aufgesaugt wird. Er wuszte auch ganz gut, dasz die Lappen eine viel längere Zeit geschlossen bleiben, wenn sie mit animaler Substanz in Berührung waren, als wenn sie durch eine blosze Berührung zum Schlieszen gebracht wurden, oder über Gegenständen, die keine lösliche Nährsubstanz darbieten, ebenso, dasz in diesem letztern Falle die Drüsen nicht absondern. Dr. Curtis beobachtete zuerst die Absonderung aus den Drüsen (Boston Journal Nat. Bist. Vol. I. p. 123). Ich will hier nur noch hinzufügen, dasz, wie man sagt, ein Gärtner, W. Knight, gefunden haben soll (Kirby and Spence's Introduction to Entomology, 1818, V 01. I. p. 295), dasz ein Exemplar der Dionaea, "auf deren Blätter er Fäden rohen Rindfleisches gelegt habe, in seinem Wachsthum viel üppiger gewesen sei, als andere nicht so behandelte."
  4. Nach der Angabe des Dr. Curtis in Boston Journal Nat. Hist. Vol. 1. 1837, p. 123.
  5. Dr. Canby bemerkt (Gardener's Monthly, August, 1868), dasz "der allgemeinen Regel nach Käfer und Insecten dieser Art zu hartschalig zu sein scheinen, um zur Nahrung zu dienen, und dasz sie nach kurzer Zeit wieder ausgeworfen werden." Ich bin über diese Angabe überrascht, wenigstens in Bezug auf solche Käfer wie die Elater; denn die fünf, welche ich untersuchte, waren in einem äuszerst zerbrechlichen und leeren Zustande, als wenn alle ihre inneren Theile verdaut worden wären. Mrs. Treat theilt mir mit, dasz die Exemplare, welche sie in New-Jersey cultivirte, hauptsächlich Diptern gefangen hätten.
  6. Proceed. Royal Society, Vol. XXI, p. 495, und Lecture at the Royal Institution, June 5, 1874, mitgetheilt in "Nature", 1874, p. 105 und 127.
  7. Nuttall sagt in seinen Genera of American Plants, p. 277 (Anmerkung): "ich hatte (während ich diese Pflanze in ihrer eigentlichen Heimath sammelte) Gelegenheit zu beobachten, dasz ein losgetrenntes Blatt wiederholte Anstrengungen machte, sich dem Einflusse der Sonne auszusetzen; diese Versuche bestanden in einer wellenförmigen Bewegung der randständigen Wimpern, welche von einem theilweisen Öffnen und darauf folgenden Zusammensinken der Blattscheibe begleitet wurde und endlich in einer vollständigen Ausbreitung und einer Zerstörung der Empfindlichkeit ausgieng." Ich bin dem Professor Oliver für dies Citat verbunden; ich verstehe aber nicht, was hier stattfand.

Anmerkungen (Wikisource)


  1. Vorlage: Zol