Textdaten
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Autor: H.
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Titel: In der Garnfärberei
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 593, 596
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[593]

In der Garnfärberei.
Nach einem Gemälde von Paul Höniger.

[596] In der Garnfärberei. (Zu dem Bilde S. 593.) Wir befinden uns in den vom Dampf der Farbenbrühe erfüllten Räumen einer Garnfärberei, durch deren Fenster die Sonne freundlich hereinscheint. Große, aus Holz gezimmerte Bütten dienen zur Aufnahme der heißen Farbstofflösungen oder Beizen, durch deren Einwirkung auf die Strähne deren Farben hervorgebracht werden. Die Strähne sind auf hölzerne Stangen geschoben, mittels deren sie, eine neben der andern, in die Bütten getaucht werden. Im Vordergrund des Bildes sind zwei Färber im Begriff, diese Arbeit zu vollziehen. Ist’s der Meister oder der Altgeselle, der mit seinem jüngeren Gegenüber hantiert? Denn daß wir eine Färberei alten Schlages vor uns haben, ist beim ersten Blicke ersichtlich – ein Bild aus der Zeit, wo Indigo, Galläpfel, Eisenvitriol, Brasilienholz, Krapp, Waid, Cochenille und Orseille die Hauptrolle spielten. Da war der Färbermeister noch auf des Urgroßvaters Rezeptbuch angewiesen, das mit geheimnißvollen runenartigen Zeichen und lateinischen Wörtern gespickt war, das von ihm als ein Heiligthum verehrt und vor jedem fremden Blicke ängstlich gehütet wurde. Und wenn’s zur Messe ging nach Frankfurt mit dem ganzen Warenlager, oder auf die Reise zu den Kunden, stolz zu Roß, mit den Pistolen in der Satteltasche, dann färbte sich der Meister vorher die Hände in der irischen Indigoküpe tiefblau, um bei seinen Kunden einen Vertrauen erweckenden „zünftigen“ Eindruck zu machen; denn ohne dergleichen wäre des Meisters Solidität von der Kundschaft bedenklich angezweifelt worden.

In unseren Tagen hat sich die Sache gewaltig geändert; die Großindustrie hat sowohl von der Herstellung der Farben als auch von der Ausfärbung selbst den Löwenantheil an sich gerissen. Nachdem die Chemie ihre Aufmerksamkeit auf die Färberei gerichtet hatte, wurden zunächst die bis dahin gebräuchlichen Färbeverfahren wissenschaftlich erklärt und von den unwesentlichen Zuthaten befreit. Dann folgten die großartigen Fortschritte, die sich auf die Verwendung der Metallsalze und insbesondere der Chromverbindungen gründeten, sowie die Färbungen mit Pikrin, Alizarin und andern Chemikalien. Aber eine vollständige Umwälzung in der Färberei wurde durch die in den fünfziger Jahren erfolgte Entdeckung des kürzlich verstorbenen A. W. Hofmann eingeleitet, nach welcher aus dem bisher unbeachteten und lästigen Nebenprodukte der Gasfabriken, dem Steinkohlentheer, die glänzendsten Farbstoffe hergestellt wurden; es sind dies die Anilinfarben.

Eine unabsehbare Reihe der zartesten Farben und Farbentöne in allen Abstufungen wurde der Färberei in den Anilinfarben zur Verfügung gestellt, die heute, dank den Anstregungen der Chemiker, nicht nur giftfrei (ohne Arsenik), sondern auch luft- und lichtecht dargestellt werden, so daß allgemach die früher mit Recht erhobenen Einwände gegen die Anilinfarben verstummen. Wohl keine Erfindung hat mit so raschem Siegeslauf die Welt erobert, als die Anilinfarben es vermochten; und wenn der Wollzüchter in den entlegensten Theilen Australiens seine Herden zur Weide treibt, so kann man sicher sein, daß die Schafe mit Anilinfarbe gezeichnet sind.

Auch alle Hilfsmittel der neueren Technik haben sich die riesengroßen Farbenfabriken und Färbereien dienstbar gemacht. Die alten Holzbütten sind durch Bottiche aus solchen Metallen ersetzt, die dem Farbstoff gegenüber keine schädliche Wirkung ausüben. Das Vorwaschen, Eintauchen, Beizen, Anwärmen, Auswaschen und Trocknen geschieht alles mit großen Maschinen, mit Dampf, mit Schleudermaschinen und dergleichen Hilfsmitteln. Nur noch in kleineren Betrieben von mehr örtlicher Bedeutung hat sich das alte Verfahren erhalten, allerdings stark beeinflußt von den Fortschritten der neueren Technik.

Es wird das Bestreben der Färber sein müssen, sich die Errungenschaften der Farbenchemie und der Färbereitechnik anzueignen, damit sie sich – die auch im kleinen vollkommen lelstungsfähig sind – ihr ferneres Bestehen sichern. Dann mag die Sonne fröhlich weiter in ihre regsame Werkstatt scheinen! H.