Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen: Johann Sebastian Bach

Sylvius Leopold Weiß Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen (1918) von Adolf Hantzsch
Johann Sebastian Bach
Friedemann Bach
Wikipedia: Johann Sebastian Bach
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[50] Nr. 58. Bach, Johann Sebastian, 1685–1750, einer der größten Meister auf dem Klavier und auf der Orgel und zugleich einer der berühmtesten Tonsetzer.

In Dresden ist B. öfters gewesen, mitunter lediglich aus dem Grunde, um hier eine Oper zu hören. Sein erster Besuch in unserer Stadt fällt in das Jahr 1717. B. war eingeladen worden, mit dem gerade damals in Dresden anwesenden berühmten Pariser Klavier- und Orgelspieler Marchand (1669–1737) vor dem Hofe einen musikalischen Wettstreit auszufechten. Es war bestimmt worden, daß jeder dem [51] andern einige Aufgaben stellen solle, die er ohne Vorbereitung sogleich lösen müsse. Beide Künstler erklärten sich dazu bereit, und zwar B. umso lieber, als er am Tage vor der Prüfung seinen Gegner unbemerkt von ihm hatte spielen hören. Der Wettstreit sollte in dem an der Stelle des heutigen Landhauses stehenden Palais des Grafen Flemming (s. Nr. 5) stattfinden. B. erschien dort pünktlich, dagegen ließ sich Marchand überhaupt nicht sehen, da er, wie man nachträglich erfuhr, es vorgezogen hatte, am frühen Morgen Dresden mit Extrapost zu verlassen.

Wo B. bei seiner diesmaligen Anwesenheit in unserer Stadt gewohnt hat, ist unbekannt, wie wir überhaupt keine Wohnungsangaben von seinen späteren Besuchen in Dresden besitzen; es läßt sich aber mit einer gewissen Sicherheit annehmen, daß er in der Zeit, als sein Lieblingssohn Friedemann als Organist hier wirkte, bei diesem, nach heutiger Bestimmung also Wilsdruffer Straße 13 abgestiegen ist, wenn er in Dresden weilte.

Albert Schweitzer erwähnt in seiner eingehenden Lebensbeschreibung B's., daß dieser kurz vor 1725 in unserer Stadt gewesen zu sein scheine, doch vermag der Schriftsteller eine Veranlassung zu diesem Besuche nicht anzugeben. – Am 15. September 1731 hielt sich B. abermals in der Residenz auf, um der ersten Aufführung von Hasses Oper „Cleofide“ beizuwohnen. – Bei Anwesenheit der gesamten Hofkapelle gab er am nächsten Nachmittag in der Sophienkirche ein glänzend verlaufenes Orgelkonzert. – Wieder weilte B. am 27. Juli 1733 in Dresden und überreichte am Hofe ein Gesuch, ihm „ein Praedicat von Dero Hoff-Capelle zu conferiren“ und darüber ein Dekret ausstellen zu lassen. Um den Nachweis zu führen, daß er eine solche Auszeichnung wohl verdiene, fügte er seinem Schreiben zwei eben vertonte Sätze seiner berühmten H-moll-Messe bei. Zu diesem Schritte hatte sich der sonst so bescheidene Meister dadurch veranlaßt gesehen, daß die Leipziger Behörden ihm eine gewisse Geringschätzung zeigten und in seiner amtlichen Wirksamkeit ihm mancherlei Schwierigkeiten bereiteten. Freilich hat B. sein Gesuch später nochmals erneuern und überhaupt drei Jahre warten müssen, ehe ihm der König den Titel „Hofkompositeur“ verlieh. – Der letzte uns bekannte Besuch des großen Meisters in Dresden fand im Jahre 1736 statt. Er wollte die Orgel kennen lernen, die Silbermann für die Frauenkirche gebaut und deren Organist Friedemann Bach sie am 15. November jenes Jahres dem Rate vorgeführt und übergeben hatte. Auf diesem herrlichen, noch heute benutzten Instrument ließ sich am 1. Dezember nachmittags von 2–4 Uhr der Vater B. hören und erntete wie immer bei seiner größtenteils aus Künstlern bestehenden Zuhörerschaft hohen Ruhm.