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andern einige Aufgaben stellen solle, die er ohne Vorbereitung sogleich lösen müsse. Beide Künstler erklärten sich dazu bereit, und zwar B. umso lieber, als er am Tage vor der Prüfung seinen Gegner unbemerkt von ihm hatte spielen hören. Der Wettstreit sollte in dem an der Stelle des heutigen Landhauses stehenden Palais des Grafen Flemming (s. Nr. 5) stattfinden. B. erschien dort pünktlich, dagegen ließ sich Marchand überhaupt nicht sehen, da er, wie man nachträglich erfuhr, es vorgezogen hatte, am frühen Morgen Dresden mit Extrapost zu verlassen.

Wo B. bei seiner diesmaligen Anwesenheit in unserer Stadt gewohnt hat, ist unbekannt, wie wir überhaupt keine Wohnungsangaben von seinen späteren Besuchen in Dresden besitzen; es läßt sich aber mit einer gewissen Sicherheit annehmen, daß er in der Zeit, als sein Lieblingssohn Friedemann als Organist hier wirkte, bei diesem, nach heutiger Bestimmung also Wilsdruffer Straße 13 abgestiegen ist, wenn er in Dresden weilte.

Albert Schweitzer erwähnt in seiner eingehenden Lebensbeschreibung B's., daß dieser kurz vor 1725 in unserer Stadt gewesen zu sein scheine, doch vermag der Schriftsteller eine Veranlassung zu diesem Besuche nicht anzugeben. – Am 15. September 1731 hielt sich B. abermals in der Residenz auf, um der ersten Aufführung von Hasses Oper „Cleofide“ beizuwohnen. – Bei Anwesenheit der gesamten Hofkapelle gab er am nächsten Nachmittag in der Sophienkirche ein glänzend verlaufenes Orgelkonzert. – Wieder weilte B. am 27. Juli 1733 in Dresden und überreichte am Hofe ein Gesuch, ihm „ein Praedicat von Dero Hoff-Capelle zu conferiren“ und darüber ein Dekret ausstellen zu lassen. Um den Nachweis zu führen, daß er eine solche Auszeichnung wohl verdiene, fügte er seinem Schreiben zwei eben vertonte Sätze seiner berühmten H-moll-Messe bei. Zu diesem Schritte hatte sich der sonst so bescheidene Meister dadurch veranlaßt gesehen, daß die Leipziger Behörden ihm eine gewisse Geringschätzung zeigten und in seiner amtlichen Wirksamkeit ihm mancherlei Schwierigkeiten bereiteten. Freilich hat B. sein Gesuch später nochmals erneuern und überhaupt drei Jahre warten müssen, ehe ihm der König den Titel „Hofkompositeur“ verlieh. – Der letzte uns bekannte Besuch des großen Meisters in Dresden fand im Jahre 1736 statt. Er wollte die Orgel kennen lernen, die Silbermann für die Frauenkirche gebaut und deren Organist Friedemann Bach sie am 15. November jenes Jahres dem Rate vorgeführt und übergeben hatte. Auf diesem herrlichen, noch heute benutzten Instrument ließ sich am 1. Dezember nachmittags von 2–4 Uhr der Vater B. hören und erntete wie immer bei seiner größtenteils aus Künstlern bestehenden Zuhörerschaft hohen Ruhm.


Nr. 59. Bach, Friedemann, 1710–1784, dreizehn Jahre lang Organist in Dresden. Musikalisch außerordentlich begabt, wurde er von seinem Vater, dem berühmten Sebastian, vorzüglich unterrichtet und war daher schon im Alter von zwölf Jahren ein ausgezeichneter Klavier- und Orgelspieler. Als er sich 1733 mit anderen tüchtigen Musikern um die erledigte Organistenstelle an der Sophienkirche in unserer Stadt bewarb,