Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen: Johann Gottlieb Naumann
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[113] Nr. 127. Naumann, Johann Gottlieb, 1741–1801, Hofkapellmeister, war der Sohn eines Blasewitzer Häuslers, der im Nebenerwerb als Musikant in einer kleinen Kapelle mitwirkte. N's. musikalisches Talent zeigte sich schon frühzeitig, so daß ihm der Vater erst vom Loschwitzer Kantor, von 1754–1757 von dem berühmten Kreuzkantor Homilius Klavierunterricht erteilen ließ. Durch Gönner wurde es dem überaus fleißigen Schüler später möglich, seine musikalische Ausbildung durch wiederholten längeren Aufenthalt in bedeutenden italienischen Städten zu vervollkommnen. Als N. 1764 nach Dresden zurückkehrte, erhielt er durch Verwendung der Kurfürstin Maria Antonia eine Stelle in der Hofkapelle als „Kirchenkompositeur“ mit einem Jahreseinkommen von 240 Talern. 1776 wurde N. zum Hofkapellmeister ernannt und bezog nun eine höhere, aber doch nicht standesgemäße Besoldung. Als er deshalb zehn Jahre später seine Entlassung erbat, erhielt er von da an 2000 Taler Gehalt, den Titel Oberhofkapellmeister und mancherlei Erleichterungen im Dienste. – N. ist nicht nur der Schöpfer einer größeren Anzahl ihrerzeit hochgewerteter Opern, sondern auch von zahlreichen kirchlichen Tonwerken wie Oratorien, Messen, Psalmen, Motetten. Namentlich von seinen Messen gelangen manche noch heute in der katholischen Hofkirche an Festtagen zur Aufführung. N's. Wirksamkeit in Dresden und namentlich seine Opern hatten seinen Ruhm auch ins Ausland getragen. Auf Wunsch des Königs von Schweden hielt N. sich 1776 ein Jahr und von 1782 an sogar 18 Monate in Stockholm auf, um die Leistungen der dortigen Hofkapelle und der Hofbühne auf eine höhere Stufe zu heben. [114] Zu dem gleichen Zwecke besuchte er 1785 auf ein Jahr Kopenhagen. In beiden Städten hat er die ihm übertragene Aufgabe vorzüglich gelöst. – Mitten in seiner Schaffenskraft fand N. ein ergreifendes Ende. Auf einem Spaziergange durch den Großen Garten traf ihn am 21. Oktober 1801 gegen Abend ein Schlaganfall. Bewußtlos sank er in einem Seitenwege zu Boden, wo man ihn in demselben Zustande trotz eifrigen Suchens erst am anderen Morgen erstarrt, aber noch lebend, auffand. In seine Wohnung gebracht, starb er, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben, nach der ersten Stunde des 23. Oktobers.
Über den Todestag N's. findet man verschiedene Angaben. Der Aufsatz in der Allg. D. Biogr. (Bd. 25, Seite 306–314), der von einem Enkel des gefeierten Hofkapellmeisters, dem 1888 in Dresden verstorbenen preußischen Professor und Hofkirchenmusikdirektor Emil Naumann verfaßt ist, berichtet Seite 313 wörtlich: „Am 2. Okt. 1801 fand man N. entseelt an einem Wege des sogenannten Großen Gartens von Dresden hingestreckt, wo ihn auf einem Spaziergang ein plötzlicher Tod ereilt hatte.“ Offenbar dieser Angabe folgend, nennt auch Meyers Lexikon (Bd. 14, Seite 465) den 2. Oktober 1801 als Todestag N's. O. Gruner schreibt Seite 95 in seiner Chronik von Blasewitz: „N. starb in recht tragischer Weise am 21. Oktober 1801“; dagegen erklären das Lexikon von Brockhaus (Bd. 12, Seite 207) sowie auch G. Beutel u. a. m., daß dies am 25. Oktober des mehrfach erwähnten Jahres geschehen sei. Die Richtigkeit der zuletzt gemachten Angabe bestätigt ausdrücklich der Eintrag im „Kirchenbuch der Kreuzkirche zu Dresden, Jahr 1801“, der nicht nur, wie die sogenannten Kirchenzettel, den Begräbnis-, sondern auch den Todestag und die Todesstunde des Hofkapellmeisters, und zwar in Buchstaben angibt. Darnach starb er „Freitags, den drey und zwanzigsten October früh um 1 Uhr“. Gerade bei diesem Eintrage tritt nun aber der gewiß äußerst selten vorkommende Fall ein, daß er einen argen Fehler enthält, da er das Alter des verstorbenen Hofkapellmeisters auf „Drey und Funfzig Jahr“ angibt. Der im Ratsarchiv aufbewahrte Kirchenzettelband des Jahres 1801 wiederholt in einer kürzer gefaßten Abschrift diese falsche Angabe in Ziffern. Alle von mir eingesehenen Aufsätze über N. berichten aber übereinstimmend, daß er 1741 geboren und 1801 gestorben, also 60 Jahre alt geworden ist. Trotzdem, daß diese Tatsache unwiderleglich feststeht, habe ich im Kirchenzettelband auf die Jahre 1740 und 1741 das Verzeichnis der in der zweiten Aprilhälfte 1741 in der Kreuzkirche getauften Kinder eingesehen, weil Blasewitz damals zu dem Bezirk dieses Gotteshauses gehörte. Da fand ich in der mit dem 16. April beginnenden Woche wörtlich folgenden Eintrag: „Vater: Joh. George Naumann, Einwohner in Blaßewitz, Kind: Joh. Gottlieb.“ – Offenbar muß eine Person, die das Alter des verstorbenen Hofkapellmeisters nicht genau kannte, die Anmeldung des Todesfalles in der Kirchengeschäftsstelle besorgt und durch ihre unrichtige Altersangabe den fehlerhaften Eintrag im Kirchenbuche veranlaßt haben. –
Wenn auch als sicher anzunehmen ist, daß N. in den ersten zwölf Jahren seiner künstlerischen Tätigkeit eine Wohnung in Dresden innegehabt [115] hat, so fehlt doch jeder Nachweis darüber, in welchem Hause diese gewesen sein mag. Die erste uns bekannte Wohnung befand sich nicht in unserer Stadt, sondern in seinem ihm besonders lieben Heimatsdörfchen Blasewitz. Hier erkaufte er ein neben dem einfachen Wohnhause seiner Eltern gelegenes großes Stück Land, auf dem er sich von 1776 bis 1777 nicht nur ein stattliches Wohngebäude und eine kleine Meierei errichten, sondern auch einen bescheidenen Park und einen Weingarten anlegen ließ. Das noch heute stehende Landhaus, jetzt Dresdner Straße 4, von den Ortsbewohnern wegen seiner Größe und Schönheit früher allgemein „Naumanns Palais“ genannt, zeigt Erdgeschoß und zwei Obergeschosse, in der Hauptansicht eine Ausdehnung von sieben Fenstern und am ersten Obergeschoß einen von Säulen getragenen größeren Austritt. Obgleich das Haus, das bis 1891 völlig unverändert geblieben war, dann einen viereckigen, turmartigen, in einer Plattform endenden Anbau erhielt, ist sein früheres Aussehen nicht wesentlich verändert worden. – Sein schönes Eigenheim hat N. bis an sein Lebensende allermeist im Sommer, eine längere Reihe von Jahren auch im Winter bewohnt, doch machte es sich im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts für ihn nötig, auch in Dresden eine Wohnung zu haben. Nach dem Adreßbuche von 1797 befand sich diese im ersten Obergeschoß des Hauses Pirnaische Gasse Nr. 235, jetzt Pirnaische Straße 17 (O.-Nr. 390), doch kann er darin nur einige Jahre gelebt haben, denn aus dem Adreßbuche von 1799 ergibt sich, daß N. sein Heim mittlerweile in das Haus Neumarkt Nr. 742, damals „Hotel de Saxe“, verlegt hatte. Hier ist er auch gestorben. Im Jahre 1888 wurde das Gebäude abgebrochen. Auf seinem Raume steht seitdem der Neubau Neumarkt 9 (O.-Nr. 202).
Um den großen Blasewitzer Tonmeister zu ehren und die Erinnerung an ihn in der Gemeinde dauernd wachzuerhalten, wurde an seinem 100. Geburtstage, am 17. April 1841, eine „Naumann-Stiftung“ ins Leben gerufen, die den Bau eines Schulhauses ermöglichen sollte. Im November 1851 fertiggestellt, hat es gerade 25 Jahre seinem Zwecke gedient. Seitdem wird das „Naumannstift“ von Geschäftsstellen der Gemeindeverwaltung benutzt. Das Gebäude steht an der Naumannstraße 13 und zeigt auf einer großen Bronzetafel rechts von der Haustür das Brustbild des gefeierten Tonsetzers.