Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen: Emmanuel Gottlieb Flemming
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[145] Nr. 150. Flemming, Emmanuel Gottlieb, 1772–1818, war erst als Privatgelehrter tätig, stellte aber später seine volle Kraft in den Dienst der damals in Deutschland fast noch ganz unbekannten Blindenfürsorge und wirkte ausschließlich in Dresden, wo er 1809 die zweite deutsche Blindenanstalt gründete. Die erste war drei Jahre früher durch König Friedrich Wilhelm III. in Berlin errichtet worden. F. besuchte sie längere Zeit, um sich mit der Art und Weise des Blindenunterrichts möglichst bekannt zu machen. Wohl gegen Ende des Jahres 1808 kam er nach Dresden und errichtete hier mit seiner edlen hochbegabten Gattin aus eigenen Mitteln am 2. Januar 1809 mit zunächst nur wenigen blinden Kindern eine kleine Unterrichtsanstalt. Nach dem Adreßbuche von 1811, in dem F. erstmalig erwähnt wird, befand sich diese in dem in der Neustadt Am Markte gelegenen Hause Nr. 210. Es wurde später mit dem danebenliegenden Gebäude Nr. 209 vereinigt, erhielt 1839 die O.-Nr. 174, führt aber jetzt die O.-Nr. 303 und die Hausnummer 6.
Es war für F. und seine Gattin eine überaus schwierige Aufgabe, ihre kleine Anstalt durch die Schrecknisse der damaligen Kriegsjahre hindurchzuretten. Ihre eigenen bescheidenen Geldmittel hatten sie für ihre [146] Zöglinge selbstlos bereits geopfert, und es trat, da es an Geldunterstützungen fehlte, oft genug bitterer Mangel ein. Trotz ihrer schweren Sorgen ließen sich F. und seine Gattin ihr festes Gottvertrauen nicht rauben, und es wurde belohnt. Unerwartet führte das Jahr 1811 in ihrer traurigen Lage eine hocherfreuliche Wendung herbei. Der Konferenzminister Graf v. Hohenthal überließ nämlich der jungen Anstalt das ihm gehörige Haus Am See 51 zuletzt 31 (O.-Nr. 636)[1] auf unbestimmte Zeit zu unentgeltlicher Benutzung. Ferner war es seinen Bemühungen zu verdanken, daß das Gebäude, seitdem es in seinen Räumen F's. Blindenfamilie aufgenommen hatte, bei den noch mehrere Jahre andauernden starken Durchmärschen nicht mit Soldaten belegt werden durfte. Als 1814 für Dresden ruhigere Zeiten eintraten, wandten wohlhabende Menschenfreunde ihre Teilnahme der F.'schen Anstalt zu und unterstützten sie durch immer reichlicher werdende Geldspenden. Dadurch wurde es dem treuen Blindenvater möglich, nach und nach mehr Zöglinge aufzunehmen, deren Zahl im Jahre 1817 bereits 27 betrug. Leider fand seine reichgesegnete Tätigkeit durch seinen im Februar 1818 erfolgten Heimgang ein frühes Ende. F. wurde auf dem an der Josephinenstraße gelegenen alten Annenfriedhofe bestattet. Um das Andenken an diesen großen Wohltäter der Blinden unseres engeren Vaterlandes in Dresden dauernd wachzuerhalten, hat der Rat gelegentlich der 1912 erfolgten Aufschließung des genannten Gottesackers das Denkmal von F's. Grabe entfernen, aber auf demselben ehemaligen Friedhofsgebiete, nämlich an der Südseite der neuen Anlagen des Sternplatzes, in nächster Nähe des Verwaltungsgebäudes der Allgemeinen Ortskrankenkasse für Dresden, wieder aufstellen lassen. Der Unterbau des Grabdenkmals zeigt an seiner Vorderseite in schwarzer Schrift den Namen Flemming und trägt ein steinernes Kreuz.
Ergänzend sei noch folgendes hinzugefügt: Die von F. gegründete Blindenanstalt entwickelte sich nach seinem Tode unter weiterer Mitwirkung seiner Gattin und unter sachkundiger männlicher Leitung durchaus günstig und wurde 1825 mit der fünf Jahre vorher von dem Rittergutsbesitzer Heinrich Schütz in Dresden errichteten Beschäftigungsanstalt für erwachsene Blinde vereinigt. Diese nun bedeutend erweiterte Blindenanstalt übernahm im Juli 1830 der Staat auf eigene Rechnung und überwies ihr das für sie in den Jahren 1835 und 1836 an der Chemnitzer Straße errichtete sehr geräumige, zweckentsprechende und von Gartenanlagen umgebene Anstaltsgebäude. Hier verblieb sie, bis sie, vereinigt mit allen ihren mittlerweile entstandenen Zweiganstalten, Ende August 1905 nach Chemnitz-Altendorf verlegt wurde.
- ↑ Auf seinem Raume steht jetzt das Druckereigebäude der Dresdner Nachrichten.