Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen: Eberhard Friedrich Christoph Ludwig von der Reck

Nicolai Grigorjewitsch Repnin-Wolkonski Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen (1918) von Adolf Hantzsch
Eberhard Friedrich Christoph Ludwig von der Reck
Johann Wolfgang von Goethe
Wikipedia: Eberhard von der Recke (Politiker)
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[122] Nr. 134. von der Reck, Eberhard Friedrich Christoph Ludwig, Reichsfreiherr, 1744–1816. Dieser deutsche Staatsmann und Ritter des Schwarzen Adlerordens wirkte eine Zeitlang in Preußen als Justizminister, wurde aber im November 1814 Generalgouverneur des Königreichs Sachsen. Sieben Monate später übernahm er die Verwaltung des davon abgetrennten und an Preußen übergegangenen Landesteiles. In der letzteren Stellung ist er bereits im Jahre 1816 gestorben.

Am 6. November 1814 war Freiherr v. d. R. mit dem Generalmajor Freiherrn v. Gaudy in Dresden eingetroffen und hatte das Prinzenpalais, jetzt Taschenberg 3, bezogen. Hier fand am 9. November große Tafel statt, bei der der neue Generalgouverneur die geladenen Vertreter der verschiedenen Behörden begrüßte. Am nächsten Tage erschien von ihm die erste amtliche Bekanntmachung, in der er versicherte, während seiner Verwaltung des Landes „die gnädigen und wohltätigen Absichten in Erfüllung zu bringen, welche des Königs von Preußen Majestät dem Königreich Sachsen ganz besonders gewidmet habe“ und bat, ihm – dem Generalgouverneur – „festes Vertrauen entgegenzubringen und seinen wohlgemeinten Anordnungen willig Folge zu leisten“. Am 19. November zogen 2500 Mann preußischer Truppen in Dresden ein und wurden auf drei Tage in den Bürgerhäusern untergebracht, weil die bisherige russische Besatzung erst am 20. November die Kasernen räumte und unsere Stadt verließ. – Infolge gewisser Maßnahmen der neuen Landesverwaltung war die Stimmung der hiesigen Bevölkerung zum größten Teile eine recht gedrückte. Am 6. Dezember 1814 hatten vier Dresdner Bürger im Namen der gesamten Bürgerschaft den Freiherrn v. d. R. gebeten, es möge doch der vom Fürsten Repnin vor Monatsfrist erlassene Befehl aufgehoben werden, nach welchem im Kirchengebet der Name des Königs künftig auszulassen sei. Die Bitte wurde sowohl diesmal als auch bei einer späteren Wiederholung derselben abschlägig beschieden. Erst vom 28. Mai 1815 an durfte im Lande auf allen Kanzeln im Kirchengebet des Königs und seiner Familie wieder gedacht werden, nachdem er durch den am 18. Mai mit Rußland, Österreich und Preußen abgeschlossenen und drei Tage später von ihm unterzeichneten Frieden in die Abtretung eines großen Teiles seiner Erbstaaten eingewilligt hatte.

Obgleich die von der fremden Oberbehörde erlassenen Verordnungen gewöhnlich einen milden Geist atmeten, wurde doch bald nach Beginn der preußischen Verwaltung bei vielen treuen Sachsen die [123] Sorge immer größer, ihr König könne sein Land oder wenigstens einen Teil desselben verlieren. Dresdner Vaterlandsfreunde schlossen sich deshalb zu einem Bunde zusammen, der durch Flugschriften die Sache des sächsischen Herrschers zu verteidigen sich bemühte. Freilich suchte der Generalgouverneur die Verbreitung dieser Schriften möglichst zu verhindern, während diejenigen Druckhefte, die gegen Sachsen und seinen König auftraten, oder gar eine Vereinigung Sachsens mit Preußen befürworteten eifrig verbreitet werden durften. Das bereits erwähnte schließliche Geschick des Königs Friedrich August haben jene Vaterlandsfreunde freilich nicht aufzuhalten vermocht.

Nicht unerwähnt möge bleiben, daß in Dresden uns noch heute eine Einrichtung an die Zeit der preußischen Verwaltung in den Jahren 1814 und 1815 erinnert. Im April des letzterwähnten Jahres ordnete Freiherr v. d. R. an, es sollten Gassen, die bisher entweder namenlos waren oder mit verschiedenen, vom Volksmunde gebrauchten Namen bezeichnet wurden, von nun an einen allgemein gültigen Namen erhalten. So wurden damals benannt die „Jägerhofgasse“ in der Neustadt, das Gäßchen „An der Mauer“, die Johannisgasse, die Dohnaische Gasse, die Waisenhausgasse und die Annengasse in der Altstadt. Zugleich mußten an den Ecken der Gassen weißgestrichene Blechtafeln angebracht werden, die in schwarzer Schrift die Gassenbenennung angaben. Allerdings sind diese Namen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts fast alle teils etwas abgeändert, teils durch neue Bezeichnungen ersetzt worden.

Im Jahre 1787 hatte die sächsische Regierung eine Brandversicherungsanstalt errichtet und zugleich verfügt, an jedem Hause Dresdens über der Tür ein schwarzes Blechschild zu befestigen, das in der fortlaufenden Reihe eine weiße sogenannte Katasternummer trug. Seit 1913 führt diese die deutsche Bezeichnung Ortslistennummer. In jedem der vier Viertel der Altstadt, der Neustadt und der Vorstädte begannen die erwähnten Nummern mit eins, stiegen aber in den Altstädter Vierteln bis hoch in die Hunderte und erschwerten namentlich fremder Einquartierung das Auffinden der Häuser ganz bedeutend. Aus diesem Grunde ordnete die preußische Verwaltung an, daß alle Wohngebäude jeder Gasse außer der bereits vorhandenen Brandkatasternummer noch eine besondere Hausnummer erhielten. Weil aber das gleichzeitige Vorhandensein von je zwei Nummern an jedem Wohngebäude häufig Verwirrung hervorrief, wurden 1816 die eigentlichen Hausnummern, die ja nur innerhalb jeder einzelnen Gasse galten, zunächst wieder beseitigt, 1840 aber erneut und dauernd eingeführt.

Da in dem erwähnten Friedensschlusse vom Mai 1815 bestimmt war, daß König Friedrich August am 6. Juni desselben Jahres von dem ihm verbleibenden Teile seines Landes wieder Besitz ergreifen würde, und bis dahin das Generalgouvernement das Königreich verlassen haben müßte, gab Freiherr v. d. R. am 31. Mai im Taschenbergpalais ein Festmahl, nach dem er von den geladenen Ministern und hohen Hofbeamten sich verabschiedete. Am 5. Juni reiste er nach Merseburg ab, um dort als Generalgouverneur des neugebildeten Herzogtums [124] Sachsen tätig zu sein. (Vergl. Lindau II. Bd., S. 670-673 einschließlich Anmerkung 2 auf der letzteren Seite.)