Textdaten
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Autor: a) Fr. Beyschlag
b) Anna Bauer
c) unbekannt
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Titel: Hühnchen und Hähnchen
Untertitel:
aus: Märchen aus Bayern, S. 22-25
Herausgeber: Karl Spiegel
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: a) 1896 b) 1900 c) 1899
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Selbstverlag des Vereins für bayrische Volkskunde und Mundartforschung
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Erscheinungsort: Würzburg
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Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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14. Hühnchen und Hähnchen.
a) Dem Hähnchen droht der Tod durch einen verschluckten Kirschenkern.
(Unterfranken: Schweinfurt.)

Vom Hühnle un vom Gökerle. Emal is es Hühnle un es Gökerle in em goldne Kütschle über Land gefahrn un da sin se an en Kirschbaum komme, da warn reife Kirscheli dran. Un da is es Gökerle un es Hühnle naufgstiegn un habn si an di Kirscheli gütli getan. Un es Gökerle hat ze hasti gfressn un wollt erstick. Da is es Hühnle schnell runtergstiegn un voller Angst zum Brünnle gelaufn un hat gsagt: „Brünnle, mir e Wasserle geb, Wasserle ich mein Gökerle geb; s Gökerle sitzt drobn [23] Kirschbaum un will erstick.“ Aber es Brünnle hat gsagt: „Hühnle, erst mir e Züberle hol!“ Da is es Hühnle zum Büttner gsprunge un hat gsagt: „Büttner, mir e Züberle geb, Züberle ich em Brünnle geb, Brünnle mir e Wasserle geb, Wasserle ich em Gökerle geb; s Gökerle sitzt drobn Kirschbaum un will erstick.“ Aber der Büttner hat gsagt: „Hühnle, erst mir mei Stiefeli hol.“ Da is es Hühnle zum Schuster un hat gsagt: „Schuster, mir di Stiefeli geb, Stiefeli ich’m Büttner geb, Büttner mir e Züberle geb, Züberle ich’m Brünnle geb, Brünnle mir e Wasserle geb, Wasserle ich meim Gökerle geb; s Gökerle sitzt drobn Kirschbaum un will erstick.“ Da hat der Schuster gsagt: „Hühnle, erst meiner Braut en Brautkranz hol.“ Da is es Hühnle zum Gärtner gerennt un hat gsagt: „Gärtner, mir en Brautkranz geb, Brautkranz ich em Schuster geb, Schuster mir di Stiefeli geb, Stiefeli ich em Büttner geb, Büttner mir e Züberle geb, Züberle ich’m Brünnle geb, Brünnle mir e Wasserle geb, Wasserle ich meim Gökerle geb; s Gökerle sitzt drobn Kirschbaum un will erstick.“ Un der Gärtner war e guter Mann un hat em Hühnle den Kranz glei gebn. Da is es Hühnle mit zum Schuster gsprunge un hat die Stiefeli dafür kriegt un mit di Stiefeli is zum Büttner; der hat em das Züberle dafür gebn un mit’m Züberle is zum Brünnle, das hat em Wasserle gebn un mit’m Wasserle is nauf’n Kirschbaum un wollts’m Gökerle geb: aber das war scho dod.

Da hats Hühnle gar arg geweint un nacher sin sechs weiße Mäusli komme, di habns Gökerle aufs Kütschle gelegt un sin davon gfahrn. Un wie se über e Bergle komme, da sin di Mäusli gstolpert un es Wägele is umgfaln un em Gökerle is auf di Art es Kernle, das in seim Hälsle gsteckt hat, loskomme un is widder lebendi worrn. Un drauf sin se lusti un fidel weiterkutschiert.

Un e Mäusle hat den Aufzug gsehn un hat so drüber lach müß, daß’m s Bäuchle geplatzt is. Un da is es zum Schuster gelaufn un hat zune gsagt: „Schuster mir mei arms Bäuchle flick!“ Un der hat a glei sein Draht genomme un hats’m gflickt. Nacher hat er gsagt: „Ja, Mäusle, was haste denn gemacht?“ Un es Mäusle hat em di ganze Gschicht verzehlt.

Jetz is es Gschichtle aus,
Drobn Kirschbaum läfft e Maus,
Hat e blau’s Käpple auf
Un e rots Dölle drauf.


Aufgeschrieben durch Herrn Fr. Beyschlag aus Schweinfurt, (damals) stud. philol.; dem Verein übergeben am 23. 9. 1896. (Urschrift.)

b) Dem Hähnchen droht der Tod durch einen Nußkern.
(Oberpfalz: Amberg.)

A mal gingen a Hennerl und a Hannerl spazieren am Berg in Nußkern. Da hat s Hannerl z’erscht an Nußkern gfunden und hat n schnell verschluckt, damit s Hennerl nix kriegt davon. Derweil is ihm der Nußkern im Hals stecken blieben und er mußte zur Strafe ersticken. Da is [24] Hennerl in ihrer Angst zum Brunn gloffen und hat gsagt: „O, Brunn, gib ma a Wasserl, s Wasserl ghört n Hannerl, s Hannerl muß dastickn und dasterbn am Berg in Nußkern.“ Der Brunn hat gsagt: „I gib dir koan Wasserl, s Hannerl soll dastickn und dasterbn am Berg in Nußkern.“ Da kam s Hennerl zum Brünnerl und sagt: „O, Brünnerl, gib mir a Wasserl, s Wasserl ghört an Hannerl, s Hannerl muß dastickn und dasterbn am Berg in Nußkern.“ S Brünnerl gab das Wasserl, s Hennerl bringts den Hannerl, s Hannerl trinkt das Wasserl und da ging der Nußkern hinunter und s Hannerl war wieder gesund. Und s Hennerl war so froh, daß s Hannerl wieder gesund war. Sie gingen dann miteinander heim und wenns net gstorbn san, lebens heut noch.


Aufgeschrieben durch Frau Anna Bauer, Kassierswitwe in Amberg, 1900. (Urschrift; die mundartliche Erzählung z. Tl. hochdeutsch wiedergegeben.)

c) Das ausgepickte Auge des Hühnchen.
(Unterfranken: Aschaffenburger Gegend.)
* Die Aufschreibung in der Mundart (Bruchstück.)

Hinkelchen und Gickelchen. Hinkelchen und Gickelchen waren zwä Gschwister. Die sin emol minanner in Streit kumme un’s Gickelchen hot dobei em Hinkelche es Ag ausgekratzt. Do sogt des Hinkelche: „Du mir mei Ag auspickst, du mir mei Ag ach widder eiflickst.“ Da ging es Gickelche zum Schuster und sagt: „Schuster, du mir Drohtspitze gibst, ich em Hinkelche sa Ag eiflick.“ Do säigt der Schuster: „Wenn de mer Borschte gibst.“ Do ging es zum Schwein …

(Einsendung hier abgebrochen.)
** Schriftdeutsche Form.

Hühnchen und Hähnchen lebten lange friedlich beisammen. Es waren Geschwister. Einmal aber gerieten sie doch in Streit und dabei pickte Hähnchen dem Hühnchen ein Auge aus. Da sagte das Hühnchen: „Du mir mei Aug auspickst, du mir mei Aug wieder einflickst!“ Da ging das Hähnchen zum Schuster und sagte: „Du mir Drahtspitze gib, daß ich dem Hühnchen sein Aug einflick.“ Aber der Schuster antwortete: „Gib mir erst Borsten!“ Da ging das Hähnchen betrübt zum Schwein und bat um einige Borsten. Das Schwein wollte sie nicht geradewegs hergeben und sagte: „Gib mir erst Kleie!“ Das Hähnchen ging zum Müller und sagte: „Müller, du mir Kleie gib, Kleie ich Butzje geb, Butzje mir Borsten gibt, Borsten ich Schuster geb, Schuster mir Drahtspitze gibt, ich dem Hähnchen sein Aug einflick.“ Der Müller sagte: „Ja, gib mir erst Korn!“ Traurig ging das Hähnchen zum Acker und bat um Korn. Doch dieser verlangte zuvor Mist. Das Hähnchen lief zur Kuh und wollte Mist. Die Kuh antwortete, es solle ihr nur erst Futter geben. Schnell lief es zur Wiese und sprach: „Wiese, du mir Futter gib, Futter ich Kuh geb, Kuh mir Mist gibt, Mist ich Acker geb, Acker mir Korn gibt, Korn ich Müller geb, Müller mir Kleie gibt, Kleie ich Butzje geb, Butzje mir Borsten gibt, Borsten ich Schuster geb, Schuster [25] mir Drahtspitze gibt, ich dem Hühnchen sein Aug einflick.“ Die Wiese verlangte Wasser. Da ging es zum Bach, holte Wasser, gab es der Wiese und diese gab ihm Futter. Für das Futter bekam es von der Kuh Mist, für den Mist bekam es Korn, fürs Korn Kleie, für die Kleie Borsten und für die Borsten Drahtspitzen. Mit denen ging es zum Hühnchen und nähte ihm das Auge wieder ein.


Dem Vereine durch einen Ungenannten (X. Y.) 1899 übersendet. Die mundartliche Ausdrucksweise gehört der Gegend um Aschaffenburg an. (* und ** Urschrift.)